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Titel: Plan B des Sachverständigenrats – Statt Prinzip Hoffnung, Prinzip Zeitgewinn
Datum: 21. Juli 2011 um 8:54 Uhr
Rubrik: Denkfehler Wirtschaftsdebatte, Euro und Eurokrise, Wettbewerbsfähigkeit
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Wie sehr Deutschlands die sog. „Wirtschaftsweisen“ auf eine eindimensionale Gläubiger-/Schuldner-Logik fixiert sind, belegte einmal mehr ihr Ratschlag an die Kanzlerin [PDF – 15.3 KB] für den heutigen EU-Krisengipfel. Es geht ihnen nur um Schuldenmanagement und nicht um Realwirtschaft und schon gar nicht um die wirtschaftspolitische Ursache der Europa-Misere. Von Wolfgang Lieb
Recht haben die Sachverständigen, wenn sie beklagen, dass die Staats- und Regierungschefs bisher nur nach dem „Prinzip Hoffnung“ verfahren sind, wonach Griechenland, Irland oder Portugal die von der Gemeinschaft erhaltenen Finanzhilfen irgendwann einmal zurückzuzahlen in der Lage sein würden. Richtig ist auch die (wenngleich zaghafte) Kritik an der Europäischen Zentralbank (EZB), wonach die Schuldenkrise lediglich ein fiskalisches Problem sei.
Nun fordert auch der Sachverständigenrat einen Teilschuldenerlass für Griechenland, einen Schuldenschnitt auf die ausstehenden Anleihen um etwa 50%, um den Schuldenstand Griechenlands gemessen am BIP von 160 auf 106 Prozent zu senken. Dieser Schuldenerlass solle zeitlich gestaffelt und im Gegenzug natürlich nur gegen weitere „Reformschritte“ Griechenlands erfolgen.
(Immerhin erkennen die Sachverständigen die Problematik eines Schuldenschnitts für die griechischen Banken, die ja zwei Drittel der griechischen Staatsanleihen halten. Aber mit einer Kapitalzufuhr von etwa 20 Milliarden Euro aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) wäre es längst nicht getan.)
Die Ursache für die Schuldenkrise Griechenlands wird nach wie vor ausschließlich in der (unbestreitbaren, aber eben nicht allein ursächlichen) staatlichen Misswirtschaft gesehen. Dementsprechend müsse Griechenland weiterhin eine strenge Sparpolitik im öffentlichen und privaten Bereich aufgenötigt werden. Die Griechen sollen also ihren Gürtel noch enger schnallen als es ohnehin schon geschieht.
Das bisherige Ergebnis dieser Austeritätspolitik kennen wir: nach einem Einbruch kaum Wachstum, Rekordarbeitslosigkeit (über 16% und bei jungen Leuten sogar bei über 42%). Wenn Griechenland seine Schulden wieder zurückzahlen können sollte, brauchte es aber einen Wachstumspfad, der über dem durchschnittlich zu zahlenden Zins für die nach wie vor erforderlichen Kredite liegen müsste. So wie die derzeitigen „Reform“-Diktate angelegt sind, liegt das außerhalb der Realität. Insofern ist der empfohlene Schuldenschnitt gleichfalls nur wieder ein Kurieren an Symptomen und bestenfalls ein wenig gekaufte Zeit durch einen geringeren Umschuldungsbedarf. Aber die Schulden dürften schnell wieder steigen.
Der sog. „Plan B“ des Sachverständigenrats ist also nur die Ablösung des bisherigen Prinzips Hoffnung durch das Prinzip Zeitgewinn.
Ansonsten kennen die Sachverständigen für die Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit und damit für die Zahlungsfähigkeit nur die „deutsche Rosskur“: Sparen, sparen und nochmals sparen, Senkung der Löhne und der Sozialstandards und Privatisierung von Staatsvermögen (derzeit nur) zum Schleuderpreis. Wie die griechische Konjunktur wieder ans Laufen gebracht werden könnte, wie die Finanz-„Märkte“ gebändigt werden könnten oder wie das viel grundsätzlichere Problem angegangen werden könnte, dass die Außenhandelsdefizite der Griechen auch etwas mit den Außenhandelsüberschüssen vor allem auch Deutschlands zu tun haben, dazu beziehen die Sachverständigen keinen „Standpunkt“.
Um uns nicht ständig zu wiederholen, verweise ich auf den Beitrag von Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker „Kopflose Politik und führungslose Märkte“ von gestern.
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