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Titel: Das Handelsblatt berichtet über eine wissenschaftliche Überprüfung von Hartz I bis III: “Große Teile der Hartz-Reformen verfehlen ihr Ziel, die Arbeitslosigkeit zu senken. Einzelne Teile wirken sogar kontraproduktiv.”

Datum: 28. Dezember 2005 um 16:10 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Hartz-Gesetze/Bürgergeld
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Die Hartz-Arbeitsmarktreformen sind zum scheitern verurteilt, weil sie allenfalls an Symptomen kurieren aber nicht an den Ursachen der Arbeitslosigkeit ansetzen, das haben wir auf den NachDenkSeiten durch schlichtes Nachdenken von Anfang an prognostiziert. Eine interne Evaluierung von drei der vier Reformpakete durch das Wissenschaftszentrum Berlin sowie durch die Wirtschaftsforschungsinstitute DIW, RWI und ZEW im Auftrag der Bundesregierung bestätigt nun einmal mehr unsere Prognose. Nur zu Erinnerung: Versprochen wurde eine Halbierung der Arbeitslosigkeit. Die wissenschaftlichen Befunde liefern ein weiteres Beispiel für das immer deutlicher werdende Scheitern der sog. „Reformpolitik“.

Für die meisten Bausteine von Hartz I bis III, die zwischen Januar 2003 und Januar 2004 in Kraft getreten sind, konnten die Forscher keine Verbesserung der Qualität der Arbeitsvermittlung feststellen. Dass die Reformen die Arbeitslosigkeit der Betroffenen verkürzt hätten, sei ebenfalls nicht erkennbar.

Die Personalserviceagenturen (PSA) etwa verlängerten „im Vergleich zur Kontrollgruppe die durchschnittliche Arbeitslosigkeit um fast einen Monat, gleichzeitig liegen die monatlichen Kosten weit über den ansonsten entstandenen Transferleistungen“.

Auch die Vermittlungsgutscheine seien „kein geeignetes Instrument, um eine Integration in den Arbeitsmarkt zu befördern“. Der Vermittlungsgutschein ermöglicht es Arbeitslosen, die Dienstleistungen privater Arbeitsvermittler in Anspruch zu nehmen. (Zudem haben wir ja zahllose Berichte über „Absahnereien“ von privaten Arbeitsvermittlungsagenturen gelesen, die doch angeblich so viel effizienter als die Bundesagentur für Arbeit sein sollten.)

Die erleichterte befristete Einstellung älterer Arbeitnehmer sei – laut Studie – wirkungslos verpufft.
(Daraus lässt sich doch wohl zwanglos ableiten, dass der im Koalitionsvertrag beschlossene Abbau des Kündigungsschutzes durch die generelle Einführung einer zweijährigen Probezeit für alle Neueinstellungen auch nichts bringen wird – jedenfalls nichts für den Arbeitsmarkt, dafür aber eine weitere Verunsicherung der Arbeitnehmer.)

Die Einführung der Mini-Jobs habe zwar für einen Boom der geringfügigen Beschäftigung gesorgt, doch die Arbeitslosen hätten davon nicht profitiert. „Hinsichtlich des Ziels der Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt sind (…) erhebliche Zweifel angebracht.“ Der Übergang von Mini-Jobs in reguläre Jobs sei eher die Ausnahme.
(Nach allen sonstigen bisherigen Erkenntnissen haben die die Mini-Jobs wohl eher zu einem Abbau an sozialversicherungspflichtigen Voll- oder Teilzeitarbeitsplätzen geführt und damit eine Schleuse für Lohndumping eröffnet und gleichzeitig die sozialen Sicherungssysteme geschwächt.)

Der makroökonomische Nutzen zahlreicher, meist teurer Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik, so befinden die Institute, sei überaus zweifelhaft: Mit Blick auf die Förderung der beruflichen Weiterbildung, Lohnsubventionen und Arbeitsbeschaffungsprogramme, so heißt es in der mehrere tausend Seiten umfassenden Studie, seien dauerhafte Arbeitsmarkteffekte dieser Maßnahmen nicht erkennbar.
(Dennoch dürften die Sinns und die Straubhaars & Co auch künftig behaupten, dass Kombi-Löhne, also die staatliche Subventionierung von Niedrigstlöhnen die Lösung aller Probleme auf dem Arbeitsmarkt seien.)
Etwas besser kommt in der Studie die Existenzgründer-Förderung weg. Vor allem das Überbrückungsgeld, aber auch die Ich-AG „erweisen sich als erfolgreiche Instrumente der Arbeitsmarktpolitik“, urteilen die Forscher. „Insgesamt können beide Programme hinsichtlich der Vermeidung einer Rückkehr in die Arbeitslosigkeit als erfolgreich angesehen werden.“
(Wie viele der „Ich-AGs“ jedoch auf dem Markt bestehen werden, wird man allerdings erst noch abwarten müssen. Auch da sprechen bisher schon vorliegende Befunde von hohen Mitnahme- oder Fluchteffekten vor dem Absturz ins Arbeitslosengeld II. Die „Schwundquoten“ haben doch gerade die Großkoalitionäre dazu veranlasst die Förderung für die „Ich-AGs“ bis zum 30. Juni 2006 auslaufen zu lassen.)

Damit wir nicht missverstanden werden: Wir empfinden keinerlei Genugtuung, dass wir mit unseren Prognosen Recht behalten haben. Im Gegenteil: Wir beklagen nur, dass den Arbeitslosen durch diese Art von „Reformpolitik“ eben gerade nicht gefördert sondern ausschließlich gefordert werden.

Die Arbeitsmarktreformen liefern nur ein Beispiel unter vielen für das Scheitern der „Agenda“-Politik.
Sind etwa durch die Belastung der Versicherten und der Kranken im Rahmen der „Gesundheitsreform“, die Beiträge zur Krankenversicherung gesunken? Ist durch die Einführung der privaten Riester-Rente, als historischer Schritt zum Übergang in eine duale Rentenversicherung gefeiert, die gesetzliche Altersvorsorge sicherer geworden?
Wo hat sich dadurch etwas verbessert, dass sich Deutschland – wie der Bundespräsident in seiner Weihnachtsansprache sagte – „auf den Weg gemacht“ hat? Warum kommt nach all diesen negativen Erfahrungen auf diesem Weg, kaum jemand, der in unserem Land in Politik und Medien das Sagen hat, auf den Gedanken, dass wir schlicht und einfach auf dem Holzweg sind?
Aber solche Zweifel befallen noch nicht einmal das DIW, das RWI oder das ZEW die jetzt in ihrer eigenen umfänglichen Evaluierung zu diesem negativen Befund über die Hartz-Reformen gelangt sind. Wie sollten sie auch – gehörten sie doch zu den vielen wirtschaftswissenschaftlichen Instituten und Experten, die seit Jahren vehement gerade diesen Weg der Reformen von der Politik verlangen. Ihnen fällt zur Verteidigung oder Verschleierung ihrer Fehlurteile immer nur ein, dass man auf diesem Holzweg noch schneller voran gehen müsse.
Um es mit Shakespeares Hamlet zu sagen: Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode.

Quelle 1: Handelsblatt
Quelle 2: Handelsblatt
Quelle 3: FTD


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