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Titel: Bravo: Kabarettistin Christine Prayon steigt bei „Heute Show“ aus

Datum: 30. Juni 2023 um 11:56 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Medienkritik, Wertedebatte
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Sie wolle sich nicht länger daran beteiligen, „Andersdenkende der Lächerlichkeit preiszugeben“: Schauspielerin Christine Prayon hat mit ihrer Trennung von der „Heute-Show“ und mit ihren Erklärungen dazu der Diskussionskultur einen großen Dienst erwiesen. Genau diesen Durchblick und in der Folge den Mut, einen komfortablen, aber politisch fragwürdigen Arbeitgeber zu verlassen, brauchen wir noch viel mehr. Kollegen sollten sich an dem Schritt ein Beispiel nehmen. Christine Prayon verdient stehenden Applaus. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

In zahlreichen Texten haben wir uns mit dem Niedergang und der Angepasstheit von Teilen der Kulturszene bei zentralen Themen befasst, etwa im Artikel „Jämmerliches „Kabarett“: TV-Satiriker schützen die Kriegspolitik“ – heute gilt es aber einen Vorgang zu würdigen, der sich der Tendenz der Unterwürfigkeit vieler Künstler gegenüber der Regierungspolitik entgegenstellt: In einem empfehlenswerten Interview mit dem Medium „Kontext“ hat die Schauspielerin und Kabarettistin Christine Prayon ihren Abschied von der ZDF-„Satire“-Sendung „Heute-Show“ bekannt gemacht und in erfrischender Klarheit auch die Gründe dafür formuliert.

Zahlreiche Medien haben darüber berichtet, etwa die „Welt“ in diesem Artikel. Im Interview beschreibt Prayon unter anderem, dass die Art, wie gesellschaftlich prägende Themen in der Show seit Corona behandelt worden seien, bei ihr zunehmend Bauchschmerzen ausgelöst hätten. „Ich habe auch mit den Verantwortlichen dort geredet und betont, dass ich mich nicht daran beteiligen will, Andersdenkende der Lächerlichkeit preiszugeben“, so die Prayon. Satire dürfe sich nicht daran beteiligen, den Diskurs zu verengen. Das sei nun aber auch beim Thema Ukraine zu beobachten:

Da werden Narrative und Positionen von Gruppen, die gesellschaftlich in der Hierarchie weit oben stehen, unablässig wiederholt und gleichzeitig wird Stimmung gegen Andersdenkende gemacht.

Echte Satire legt sich mit den Mächtigen an

Hier fasst Prayon gut ein zentrales Problem der heutigen TV-„Satire“ zusammen – echte Satire legt sich mit den Mächtigen an: Wer nach unten tritt, macht keine Satire und kann darum auch nicht die Spielräume der Satire, was Häme und Kraftausdrücke etc. betrifft, für sich reklamieren. Wenn mit einem großen TV-Sender und üppigen Gebührengeldern im Rücken nach unten gegen im Meinungskampf bereits benachteiligte Bürger ausgeteilt wird, dann würde ich das als Hetze bezeichnen und nicht als Satire.

Ein Abgleiten in die Angepasstheit, mindestens bei den Themen Corona und Russland, ist nicht nur bei der „Heute-Show“, sondern in zahlreichen weiteren „Satire“-Sendungen im TV zu beobachten (siehe Links unter diesem Artikel) – auch das macht Prayon in erfrischender Eindeutigkeit klar: Sie sei überhaupt keine Freundin mehr von Satiresendungen, „egal ob Böhmermann, ‚Die Anstalt‘ oder andere.“ Diese Art von „Satire“ sei „ein Simulieren von Freiheit“.

Das ZDF gab sich auf BILD-Anfrage schmallippig, wie die Zeitung in einem Artikel über Prayons „Knallhart-Abrechnung“ zitiert:

Christine Prayon hat seit 2011 im Ensemble der ‚heute-show‘ mitgewirkt, ebenso wie bei der ‚Anstalt‘. Sie hat die unregelmäßige Zusammenarbeit auf eigenen Wunsch beendet. Die Zusammenarbeit haben wir sehr geschätzt und lassen die Tür für weitere Auftritte offen.“

Unbedingt muss betont werden: Es gibt zahlreiche Künstler, die sich bereits der massiven Verengung des Meinungsspektrums entgegenstellen, ihr Mut ist angesichts der Feindseligkeiten gegen Andersdenkende umso mehr zu würdigen – leider sind viele von ihnen von großen Reichweiten abgeschnitten.

Ich finde den Schritt von Prayon wichtig und mutig. Es ist auch wichtig, dass sie ihn so offensiv erklärt. Vielleicht ist ihre Entscheidung der Anfang einer Tendenz: Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass wirklich alle Autoren, Darsteller, Regisseure etc., die aktuell in der Szene der deutschen TV-„Satire“ arbeiten, einverstanden sind mit der zunehmenden Angepasstheit und dem infamen Lächerlichmachen von im Meinungskampf ohnehin benachteiligten Bürgern. Wer, der sich „Satiriker“ nennt (und den Sinn des Wortes auch verstanden hat), möchte sich schon als giftiger Verteidiger der Regierungspolitik gegen Andersdenkende wiederfinden? Das Beispiel der mutigen Kollegin Prayon könnte zweifelnde Beteiligte nun vollends umstimmen.

Man möchte aufstehen und Christine Prayon applaudieren.

Titelbild: Roman Samborskyi / Shutterstock


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