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Titel: Wie kommt die Bundesagentur für Arbeit zu den gemeldeten Stellen?
Datum: 5. Juli 2011 um 9:14 Uhr
Rubrik: Arbeitslosigkeit, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Bundesagentur für Arbeit
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Geht die BA zu den Arbeitgebern oder fragt sie telefonisch nach? Schaut die BA auf ihre Jobbörse und holt sich dort ihre Zahl der gemeldeten Stellen?
Mit ersteren hätte ich schon ein großes Problem. Aber bei der Variante 2 könnte ich sogar nachweisen, dass die BA naiv oder bewusst mit Zahlen jongliert, die nicht stimmen können.
Von einer Leserin die nicht genannt werden möchte.
Seit 8 Jahren arbeite ich bei diversen Bildungsträgern, natürlich immer befristet, und versuche arbeitslosen Menschen zu helfen, eine sozialversicherungspflichtige Arbeit zu finden. Genau so lange habe ich mich auch gewundert, dass „meine“ Teilnehmer, die sich bei privaten Arbeitsvermittlern (Bewerbung über Vermittlungsgutschein) beworben haben, meist keinen Erfolg hatten, obwohl durch die Einlösung des Vermittlungsgutscheins, diese Agenturen ja leben. Was mich weiterhin immer gewundert hat, ist, dass mit allen Teilnehmern ein Vermittlungsvertrag abgeschlossen wurde. Das war den Firmen immer sehr wichtig. Sobald der Vertrag aber unterschrieben war, hörten die Teilnehmer aber meist nie wieder etwas von den Personalvermittlern. Gibt es hier einen Bonus für die privaten Arbeitsvermittler von der BA? (denn die Arbeitslosen fallen mit ihrer Unterschrift ja aus der Statistik). Stecken hinter den Jobangeboten der privaten Arbeitsvermittler überhaupt Arbeitsplätze?
Aus meinem persönlichen Erleben konnte ich mir jedenfalls teilweise Antworten auf meine aufgekommenen Fragen geben.
Eine private Personalserviceagentur in meiner Heimatstadt … nahm mit mir Kontakt auf, um mich zur Mitarbeit in ihrem Unternehmen abzuwerben. Da ich mal wieder arbeitslos wurde, ging ich darauf ein, erste Gespräche mit dieser Firma zu führen und dort eine 14-tägige Trainingsmaßnahme durchzuführen, um zu testen, ob diese Arbeit überhaupt etwas für mich ist.
Nach einem Tag Arbeit dort wusste ich, dass meine Vermutung, hinter den Jobangeboten bei privaten Arbeitsvermitteln auf der Arbeitsagenturseite stünden fast nur Scheinstellen, stimmt.
Hierzu muss man wissen, dass die Stellenangebote nicht durch die Arbeitsagentur in das Internet gesetzt werden, sondern die Arbeitgeber, Zeitarbeitsfirmen und privaten Arbeitsvermittler diese Stellen selbst ins Netz stellen oder wieder herausnehmen. Dieses läuft über ein Passwort und ein Kennwort. An diesem Tag habe ich selbst, auf Verlangen meiner Vorgesetzten, zwei Stellenangebote ins Netz gestellt, hinter denen kein wirklicher Job gesteckt hat. Den auszuschreibenden Text sollte ich von anderen ausgeschrieben Stellen abgewandelt übernehmen. Selbst wenn mal zufälligerweise ein tatsächlicher Job auf der Arbeitsagenturseite zu finden ist, steht er mindestens 10-mal auf dieser Internetseite, weil die privaten Personalvermittler voneinander abschreiben. Von den 20 ausgeschriebenen Stellen dieser Personalserviceagentur waren nur 10% wirklich mit Jobs hinterlegt, natürlich nur im Niedriglohnbereich. Auf meine Nachfrage bei meinen Vorgesetzten, warum sie die Stellen denn dann ausgeschrieben haben, kam als Antwort, sie hätten gehört, dass in den ausgeschriebenen Branchen Leute gesucht werden.
Sie wollten erst mal die Daten der Arbeitslosen sammeln und dann bei den Arbeitgebern nachfragen, ob sie Arbeitskräfte suchten. Ich vermute, dass andere private Personalvermittlungsfirmen ähnlich vorgehen. Das erklärt zumindest, warum ich nie erlebt habe, dass „meine“ arbeitslosen Teilnehmer einen Job über private Vermittlung gefunden haben. Das Arbeitsamt kontrolliert nicht, welche Arbeitgeber hinter den ausgeschriebenen Stellen stehen.
Also, woher weiß die BA wie viele Jobbewerber tatsächlich gesucht werden? Antwort: Sie kann es gar nicht wissen, weil sie keine zentrale Erfassungsstelle hat. Wenn ich jetzt regierungsnah wäre, könnte ich die Arbeitsagenturseite so manipulieren, indem ich 100 oder mehr fiktive Stellen einfach auf diese Seite platziere, da ich ja das Passwort und das Kennwort der betreffenden Personalagentur kenne. Kein Arbeitsamt würde nachfragen, ob es diese Stellen wirklich gibt. Nur leider wird durch das Wirtschaftsministerium genau mit dieser Zahl Propaganda betrieben. Was ich an diesen einen Tag nicht herausgefunden habe, das ist, welchen Nutzen die Personalvermittlungsfirma eigentlich davon hat, außer dass sie massiv persönliche Daten von den Arbeitslosen sammelt.
Ich habe das Jobangebot bei dieser Firma natürlich nicht angenommen, weil ich für diese massive Irreführung von Arbeitslosen nicht mitverantwortlich sein wollte.
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