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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Für Neutralität und Frieden statt NATO und Krieg
Datum: 29. Juni 2023 um 9:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Friedenspolitik, Militäreinsätze/Kriege, Veranstaltungshinweise/Veranstaltungen
Verantwortlich: Redaktion
Der Druck auf Irland wächst, die militärische Neutralität des Landes aufzugeben. „Die letzten neutralen NATO-Muffel in der Europäischen Union“, ätzte die Tageszeitung NZZ in der vergangenen Woche gegen Irland, Malta, Zypern und Österreich, die beim westlichen Kriegsführungsbündnis nicht mitmachen wollen. Parallel zu Konsultationen der irischen Regierung über einen möglichen NATO-Beitritt hat Sevim Dagdelen, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, am 24. Juni auf Einladung der irischen Europa-Abgeordneten Clare Daly und Mick Wallace in Dublin auf der Konferenz „Neutrality: Who Cares?“ über Frieden und Neutralität gesprochen, die die NachDenkSeiten dokumentieren.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Der Krieg in der Ukraine fordert jeden Tag Menschenleben. In Deutschland haben wir so genannte Militärexperten, z.B. Florence Gaub, Forschungsdirektorin am NATO Defense College, die öffentlich erklären, man dürfe nicht für einen Waffenstillstand eintreten oder für Friedensverhandlungen, da Konflikte ihre „innere Uhr“ hätten und erst wenn die abgelaufen wäre, dann wäre eine Waffenruhe möglich.
Diesen Zynikern der Macht antworten wir von hier aus: Nein, dieser Krieg muss beendet werden, und zwar sofort. Es braucht einen sofortigen Waffenstillstand und eine diplomatische Lösung. Und ich sage es ganz klar: Wer dies abhängig machen will von Vorleistungen der einen oder auch der anderen Kriegspartei, der will einfach nur, dass dieser Krieg weitergeht. Dieser Wahnsinn muss beendet werden!
Und nach allem, was wir wissen, lag im März 2022 bereits ein Abkommen vor. Und es ist eine Schande, dass der damalige konservative britische Premierminister Boris Johnson in Absprache mit der US-Administration einen Abschluss verhindert hat!
Und schauen wir uns genau an, was passiert. Der Krieg in der Ukraine hat sich zu einem gefährlichen Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland entwickelt. Und dieser Krieg hat das Potential, auch durch die Lieferung von immer mehr und immer schwereren Waffen, zu eskalieren. Wer einen Atomkrieg in Europa verhindern will, der muss gegen diese Eskalation aufstehen!
Und offenbar geht es noch um mehr, dass NATO-Staaten die Grenze von der Nicht-Kriegspartei zur Kriegspartei überschreiten: Durch die Kooperation von Nachrichtendiensten, durch Beratung und Koordinierung von Verbindungsoffizieren vor Ort, durch den Austausch von technischem und taktischem Knowhow, und durch den Abgleich von Lagebildern bis hin zur gemeinsamen Lageplanung und die massive Ausbildung ukrainischer Soldaten an westlichen Waffen.
Eskalationsspirale stoppen, Friedensinitiativen stärken
Die jüngsten Angriffe mit britischen „Storm Shadow“-Raketen stellen hier eine neue Eskalation dar. Diese Eskalationsspirale muss gestoppt werden. Die Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet müssen gestoppt werden!
Brasilien, China und sechs afrikanische Staaten haben Friedensinitiativen gestartet und sind nach Kiew und Moskau gefahren. Warum wird dies nicht unterstützt in Washington, in Berlin, in London oder auch in Dublin?
Oft begegne ich dem Argument, warum denn die NATO so kritikwürdig sei, sie sei doch ein reines Verteidigungsbündnis. Aber wer behauptet, die NATO sei ein reines Verteidigungsbündnis, der kennt entweder die Geschichte des Militärpakts nicht oder belügt wissentlich die Öffentlichkeit.
Hat die NATO nicht 20 Jahre Krieg in Afghanistan geführt? Hat die NATO nicht Jugoslawien 1999 ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats überfallen? Hat die NATO nicht in Libyen 2011 einen mörderischen Regime-Change-Krieg geführt unter Bruch einer Resolution des UN-Sicherheitsrats? War es nicht die NATO, die trotz gegenteiliger Zusagen ihre Expansion immer weiter gen Osten bis an die Grenze Russlands getrieben hat? War es nicht die NATO, die bereits 2014 sich einer gigantischen Aufrüstung mit dem 2-Prozent-Ziel verschrieben hat?
Die NATO ist ein Kriegsführungsbündnis
Nein, die NATO ist ein Kriegsführungsbündnis. Wer ihr beitritt, beteiligt sich an Mord und Totschlag und Völkerrechtsbrüchen und deshalb gehört sie aufgelöst.
Und deshalb, auch vor dem Hintergrund ihres Stellvertreterkrieges in der Ukraine, setze ich mich für den Austritt Deutschlands aus diesem Militärpakt und den Abzug der US-Soldaten ein, die ihre Atomwaffen gleich mitnehmen können.
Und dann begegne ich dem Argument, die NATO, das sei ja ein Bündnis der Demokratien gegen die Autokraten. Dass man sich nicht einmal schämt, solchen hochgradigen Unsinn in die Welt zu setzen. Das ist historisch falsch. Die NATO hatte nie ein Problem mit faschistischen Diktaturen als Mitglieder gehabt, wie im Fall Portugals unter Salazar oder im Fall Griechenlands nach dem Putsch der Militärs. Und heute hat sie auch kein Problem mit dem Autokraten Erdogan. Aber wer mit Autokraten paktiert, der soll uns bitte nicht erklären, es ginge um Demokratie und Menschenrechte.
Und wenn in diesen Tagen deutsche Panzer gegen Russland rollen und die deutsche Regierung auf meine Fragen hin nicht einmal ausschließen kann, dass NATO-Waffen in die Hände der russischen Nazis gelangen, die jetzt offenbar mit Unterstützung der Ukraine Angriffe auf Russland durchführen, dann muss uns das doch Sorgen machen. Wir haben es ja mit der ISIS in Syrien erlebt, was ein Frankensteinmonster, das vom Westen großgezogen wurde, anrichten kann. Diese Politik ist abscheulich!
Vor wenigen Tagen hat die EU ihr 11. Sanktionspaket gegen Russland verabschiedet. Dieses Mal sollen auch extraterritoriale Sanktionen gegen Dritte aufgelegt werden. Nicht nur durch die massiven Militärhilfen und die Ausbildung der Soldaten droht Brüssel, damit selbst mit zur Kriegspartei zu werden. Damit aber verschärft die EU ihren selbstzerstörerischen Wirtschaftskrieg noch. Denn während die russische Wirtschaft um 2 Prozent wächst, taumelt Deutschland in eine Rezession und die EU bald hinterher. Immer mehr Menschen können sich die explodierenden Preise für Energie und Lebensmittel nicht mehr leisten. Die Kombination aus einer gigantischen Aufrüstung von über 1,1 Billionen US-Dollar der NATO- und EU-Staaten in diesem Jahr, von der allein die Aktionäre der Rüstungsindustrie profitieren, und einem selbstzerstörerischen Wirtschaftskrieg aber ist Gift für unsere Gesellschaften. Dieser Irrsinn muss gestoppt werden!
Neutralität als Mittel demokratischer Souveränität bewahren
Die Neutralität ist etwas ganz Kostbares in diesen Zeiten. Denn nur wer sich die Neutralität bewahrt, bewahrt sich auch die demokratische Souveränität, eine Regierung des Volkes durch das Volk. Viele Staaten im globalen Süden müssen in diesen Zeiten die Erfahrung machen, dass die NATO-Staaten ihre Neutralität nicht akzeptieren wollen, sondern sie dazu zwingen wollen, sich dem Wirtschaftskrieg und den Waffenlieferungen anzuschließen.
In einer Art Neokolonialismus will man den Ländern im Globalen Süden vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben. Jüngstes Beispiel ist die rechte Pro-NATO-Regierung Finnlands, die afrikanischen Staaten, die ihnen in Folge ihres Abstimmungsverhaltens in der UN als zu prorussisch erscheinen, die Entwicklungshilfe streichen will.
Irland hat eine harte Geschichte des Unabhängigkeitskampfes gegen koloniale Unterdrückung, auf die jeder und jede hier zu Recht stolz sein kann. Die Neutralität ist der Kern dieser so teuer erkämpften Unabhängigkeit. Die Neutralität auch in diesen Zeiten zu verteidigen, ist die Verteidigung von Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie selbst. Unsere Solidarität in diesem so wichtigen Kampf habt ihr.
Stehen wir gemeinsam auf gegen diesen Krieg! Gegen die Eskalation! Für einen sofortigen Waffenstillstand! Für Friedensverhandlungen! Lasst uns den Frieden gewinnen, nicht den Krieg!
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