Heute unter anderem zu folgenden Themen: Die Riesterfalle; Die Mär vom Konsumwunder; Allianz prescht mit Griechen-Rettungsplan vor; Hypo Real Estate – Bankenrettung kostet Verbraucher Milliarden von Euro; Kritik an christlichen Gewerkschaften – Aufstand der Arbeitssklaven; Ministerin will zwei Milliarden bei Arbeitslosen sparen; Kernschmelze in Fukushima 1, 2 und 3; Polizei droht Merkel mit „Protest-Tsunami“; Hearing zu Whistleblowing im Europäischen Parlament; Steuerfahnder-Affäre: Erste Zeugen befragt; Treffen von “Business Crime Control” (BCC) – Speerspitze der Aufklärung; Sexueller Missbrauch – Bergmann fordert freiwillige Entschädigungen; Zwölf Jahre Chavismus in Venezuela; Die Kanzlerin verliert ihre Wähler; Mach mit, wenn Du kein Sozi bist!; Studienplätze – Die Master-Misere; Revolutionärer Medieneifer; Wie frei ist die deutsche Presse wirklich?; The Rocky Horror Joschka Show (JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Die Riesterfalle – Miese Geschäfte mit der Zusatzrente
- Die Mär vom Konsumwunder
- Allianz prescht mit Griechen-Rettungsplan vor
- Hypo Real Estate – Bankenrettung kostet Verbraucher Milliarden von Euro
- Kritik an christlichen Gewerkschaften – Aufstand der Arbeitssklaven
- Ministerin will zwei Milliarden bei Arbeitslosen sparen
- Kernschmelze in Fukushima 1, 2 und 3
- Polizei droht Merkel mit „Protest-Tsunami“
- Hearing zu Whistleblowing im Europäischen Parlament
- Steuerfahnder-Affäre: Erste Zeugen befragt
- Treffen von “Business Crime Control” (BCC) – Speerspitze der Aufklärung
- Sexueller Missbrauch – Bergmann fordert freiwillige Entschädigungen
- Zwölf Jahre Chavismus in Venezuela
- Die Kanzlerin verliert ihre Wähler
- Mach mit, wenn Du kein Sozi bist!
- Studienplätze – Die Master-Misere
- Revolutionärer Medieneifer
- Wie frei ist die deutsche Presse wirklich?
- The Rocky Horror Joschka Show
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Die Riesterfalle – Miese Geschäfte mit der Zusatzrente
Die Riester-Rente ist schlechter als ihr Ruf. Zu diesem Ergebnis kommen unabhängige Versicherungsexperten. Eine Vielzahl von Riesterverträgen sei für den Kunden völlig unverständlich, tatsächliche Kosten würden im Kleingedruckten versteckt.
Der Abschluss eines Riestervertrages würde so zum Lotterie-Spiel. Zudem gingen Familien und Geringverdiener, ursprünglich erklärte Zielgruppe der staatlichen Förderung, oft leer aus. Die Versicherungs-Unternehmen dagegen schleusten die Zulagen in die eigenen Kassen, profitierten in Milliardenhöhe von Subventionen, für die am Ende wieder der Steuerzahler aufkommt.
Quelle: Frontal 21
- Die Mär vom Konsumwunder
Die deutsche Wirtschaft bricht einen Rekord nach dem anderen. Und mit jeder Wachstumsmeldung bestätigt sich, dass die Krise eben doch schneller weggesteckt worden ist, als es manche Propheten dauerhafter Depressionen vorhergesagt hatten. Das zeigen auch die Details zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal, die am Dienstag veröffentlicht wurden. Der einzige Haken an der Wundergeschichte ist: Bei den Leuten ist der Aufschwung noch immer nicht wirklich angekommen. Noch immer gibt es nur bescheidene Zuwächse beim Konsum im Inland. Was am Rande auch bedeutet, dass die deutsche Wirtschaft allen Versprechungen zum Trotz immer noch enorm stark am Export hängt – und damit auf kurz oder lang am Schicksal der Weltkonjunktur.
Quelle: FTD
Anmerkung R.S: “Mit jeder neuen Meldung wachsen jedoch die Zweifel, ob Deutschland damit der strukturelle Wandel gelingt, den viele einfordern und der ökonomisch auch weise wäre: hin zu einem größeren Gleichgewicht zwischen Export- und Binnennachfrage.” Was heißt hier “gelingt”? Es wird konsequent und permanent abgelehnt, diesen strukturellen Wandel überhaupt anzustreben. Sonst würde es schon gelingen.
- Allianz prescht mit Griechen-Rettungsplan vor
Eine Staatspleite wäre für Versicherer äußerst riskant. Allianz-Finanzchef Achleitner veröffentlicht deshalb Details seines eigenen Plans. Der Kernpunkt: Ein freiwilliger Schuldenschnitt und eine Versicherung als Anreiz dafür. Die Allianz hat ihre Forderung nach einer Absicherung von Staatsanleihen über den Euro-Rettungsschirm präzisiert. Finanzvorstand Paul Achleitner empfahl in einem Gastbeitrag für das “Handelsblatt”, ein Teil der für den Rettungsschirm zugesagten Milliardengelder sollten für den Aufbau einer zwischenstaatlichen Anleiheversicherung genutzt werden. Ein solcher “European Sovereign Insurance Mechanism”, kurz ESIM, könnte das Risiko für einen Zahlungsausfall hoch verschuldeter Staaten wie Griechenland übernehmen, um die Anleihemärkte zu beruhigen. […] Um Athen diesen Schritt zu erleichtern, schlägt Achleitner folgendes vor: Eine Art Euro-Versicherung soll die Haftung für 90 Prozent des Nennwerts neuer griechischer Staatsanleihen übernehmen. Damit würden die Papiere wieder attraktiv – schließlich könnten die Investoren sicher sein, im Falle einer Staatspleite höchstens zehn Prozent der Anlagesumme zu verlieren. Griechenland müsste den übrigen Euro-Partnern dafür eine Versicherungsprämie zahlen. Ihre Höhe könnte laut Achleitner von Fortschritten beim griechischen Sparprogramm abhängig gemacht werden.
Quelle: FTD
Anmerkung Jens Berger: Der „Vorschlag“ der Allianz ist nichts anderes als eine Kreditausfallversicherung, für die der Steuerzahler haftet. Wer seine Griechenland-Anleihen absichern will, kann dies auch heute schon mit den berühmt-berüchtigten CDS machen. Die sind wegen der realen Gefahr einer Umschuldung jedoch richtig teuer und es ist ja auch durchaus verständlich, dass die Allianz, die selbst ein großer Gläubiger Griechenlands ist, sich gerne günstiger gegen einen Ausfall versichern würde. Aber warum sollte der Steuerzahler privaten Anlegern eine massiv subventionierte Kreditausfallversicherung finanzieren?
- Hypo Real Estate – Bankenrettung kostet Verbraucher Milliarden von Euro
Die Zock-Eskapaden der Hypo Real Estate kommen Deutschlands Steuerzahler teuer zu stehen. Die Abwicklungsanstalt des Instituts hat den Bund im vergangenen Jahr mit Milliarden belastet – am Ende zahlt der Verbraucher.
Die Fast-Pleite der Hypo Real Estate wird für Steuerzahler zu einer milliardenschweren Belastung. Die “Bad Bank”, in die die verstaatlichte Immobilienbank faule Kredite ausgelagert hatte, hat 2010 einen gewaltigen Verlust eingefahren. Von der Gründung im Sommer bis Ende Dezember häufte die Abwicklungsanstalt mit dem Namen FMS Wertmanagement ein Minus von rund drei Milliarden Euro an. Der Verlust wird fast vollständig vom staatlichen Bankenrettungsfonds Soffin übernommen, wie die FMS am Dienstag in München mitteilte.
Quelle: SPIEGEL Online
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Das alles wird hier mit der größten Selbstverständlichkeit berichtet. Geht ja nur um zig Milliarden, und niemand protestiert.
Anmerkung Jens Berger: Die drei Milliarden sind freilich nur ein Vorgeschmack auf die Abschreibungen, die noch kommen werden. Bereits vor einem Jahr gab Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen zu Protokoll, dass die deutsche Gesamtverschuldung um 8,5 Prozentpunkte steigen würde, wenn man die Bad Bank der HRE erst einmal konsolidiert. Zur Erinnerung: Das deutsche BIP betrug 2010 rund 2,5 Billionen Euro – 8,5% entsprechen demnach 212 Milliarden Euro.
- Kritik an christlichen Gewerkschaften – Aufstand der Arbeitssklaven
Hunderttausende Leiharbeiter wurden mit Mini-Gehältern abgespeist, weil christliche Gewerkschaften Billiglöhne vereinbart hatten. Laut Arbeitsgericht dürfen die Beschäftigten viel Geld nachfordern – doch die meisten scheuen eine Klage gegen ihren Chef. Ein Betroffener kämpft nun für sein Recht.
Die Richter erklärten Verträge, die mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit (CGZP) ausgehandelt worden sind, für ungültig. Also jene Gewerkschaften, die ohnehin in der Kritik stehen, arbeitgeberfreundliche Verträge auszuhandeln. Das Urteil besagt, dass Leiharbeiter, die unter solchen Verträgen gearbeitet hatten, nun anhand des “Equal-Pay”-Grundsatzes Geld nachfordern können: Gibt es in einem Betrieb keinen gültigen Tarifvertrag, steht Leiharbeitern derselbe Lohn zu wie den fest angestellten Kollegen – auch bis zu drei Jahre rückwirkend. […]
Doch bis es soweit kommt, könnte noch viel geschehen. So versucht die FDP derzeit Druck auf Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auszuüben. Sie solle die rückwirkende Lohnforderung unterbinden, sonst drohe eine Reihe von Insolvenzen.
Quelle: SPIEGEL Online
- Ministerin will zwei Milliarden bei Arbeitslosen sparen
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will Fördermaßnahmen für Langzeitarbeitslose streichen und so bis 2015 rund zwei Milliarden Euro pro Jahr einsparen. Das geht aus dem Entwurf für ein Gesetz zur “Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt” hervor, den das Bundeskabinett morgen beschließen soll und der unserer Zeitung vorliegt.
Demnach wird der Gründungszuschuss für Langzeitarbeitslose, die sich aus der Arbeitslosigkeit heraus selbstständig machen, gestrichen. Eingespart werden sollen so im Jahr 2012 rund eine Milliarde Euro und in den Folgejahren bis 2015 rund 1,33 Milliarden Euro. Andere Kürzungen, etwa bei Arbeitsmarktmaßnahmen, Eingliederungszuschüssen und Weiterbildungsprogrammen, summieren sich nach Berechnungen des Ministeriums auf weitere rund 700 Millionen Euro pro Jahr.
Quelle: RP
- Kernschmelze in Fukushima 1, 2 und 3
Im japanischen Katastrophen-Kernkraftwerk Fukushima ist es höchstwahrscheinlich schon vor Wochen in zwei weiteren Reaktorblöcken zur teilweisen Kernschmelze gekommen. In Reaktor 1 auch in den Reaktoren 2 und 3 sei das “sehr wahrscheinlich”, sagte ein Tepco-Sprecher am Dienstag bei der Veröffentlichung neuer Messwerte. Sie würden aber gekühlt und seien “stabil”, ergänzte der Unternehmenssprecher. Damit hätte es dann in drei der insgesamt sechs Reaktorblöcke des AKW Fukushima Daiichi eine Kernschmelze gegeben. Das Kraftwerk war am 11. März durch ein schweres Beben und einen anschließenden Tsunami stark beschädigt worden. Das Kühlsystem fiel aus. Seither tritt Radioaktivität aus.
Quelle: taz
Anmerkung unseres Lesers F.S.: Jetzt nach Wochen kommt so langsam die Wahrheit scheibchenweise heraus, obwohl unabhängige Experten die Kernschmelzen bereits vorhersagten. ARD und ZDF übernahmen aber lieber in den Nachrichten die Meldungen von Tepco nach dem Motto: Alles kriegt man schon wieder in den Griff. Warum aber werden die Kernschmelzen erst jetzt zugegeben? Sicherlich auch deswegen, weil das Ereignis derzeit nicht mehr auf den ersten Seiten/Nachrichten der gesamten Medienwelt steht. So steuert man in Konzernen die eigene PR. Täuschen und vertuschen kommt also immer zuallererst. Jetzt übersteigt der Schaden das Eigenkapital von Tepco. Der japanische Staat soll nunmehr eintreten. Der Vorstandschef des Betreibers der Meiler tritt als Konsequenz zurück.
- Polizei droht Merkel mit „Protest-Tsunami“
Merkel will heute mit Vertretern aus der Wirtschaft über die Energiewende beraten. Im Vorfeld des Treffens hagelt es Kritik. Die SPD warnt die Kanzlerin vor einem weiteren Atomdeal – und auch die Polizei äußert Kritik.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Debatte über die weitere Nutzung der Atomenergie vor einem Rückzieher gewarnt und mit drastischen Konsequenzen gedroht. “Wenn Frau Merkel glaubt, sie kann die abgeschalteten Kernkraftwerke einfach wieder einschalten lassen und einfach 110 anrufen, wenn es Protest gibt, ist sie bei uns falsch verbunden”, sagte Verbandschef Rainer Wendt Handelsblatt Online. Nach der Katastrophe in Japan habe sich die politische Stimmung in Deutschland, auch unter Mitwirkung der Bundesregierung, in Richtung rascher Ausstieg aus der Atomkraft gewendet. “Schon aus diesem Grund wäre ein Protest-Tsunami zu erwarten, wenn die Bundesregierung jetzt wieder eine Wende vollzieht”, sagte Wendt. “Die Polizei stünde wieder einmal zwischen den Fronten falscher Politik und dem berechtigten Zorn der Menschen.”
Quelle: Handelsblatt
- Hearing zu Whistleblowing im Europäischen Parlament
Am morgigen Mittwoch, 25.05.2011, findet ab 9.00 Uhr im Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments ein Hearing zum Thema “Whistleblowing” statt, welches live im Internet gestreamt und anschließend in der Mediathek des Parlaments verfügbar sein wird.
Das Hearing gliedert sich in drei Blöcke. Zunächst wird dabei eine, seit wenigen Tagen online verfügbare, neue Studie von PwC Belgien, zur Effektivität von Whistleblowing in den EU-Institutionen vorgestellt. Ähnlich wie die beiden anderen zu diesem Thema vorliegenden Studien, aus den Jahren 2006 und 2008, kommt auch diese Studie, zu für die Glaubwürdigkeit der EU-Institutionen im Umgang mit Whistleblowern beschämenden Ergebnissen.
Quelle 1: Whistleblower-Netzwerk
Quelle 2: Live-Streaming aus dem Europäischen Parlament
- Steuerfahnder-Affäre: Erste Zeugen befragt
Der Untersuchungsausschuss zur Steuerfahnder-Affäre hat heute erste Zeugen vernommen. Der Frankfurter Oberfinanzdirektor Mario Vittoria bestritt, dass es gezieltes Mobbing gegen vier Steuerfahnder gegeben habe. Für die Opposition ist der ehemalige Abteilungsleiter im hessischen Finanzministerium der Drahtzieher der Affäre.
Quelle: Hessenschau
- Treffen von “Business Crime Control” (BCC) – Speerspitze der Aufklärung
Wer die Vorzüge von investigativem Journalismus kennenlernen oder vielleicht sogar erste Schritte in diese Richtung wagen wollte, war am vergangen Samstag mit dem Besuch der BCC-Konferenz in Frankfurt-Bockenheim richtig bedient. Bei der Vorstellung, sich das rückwärtige Ende von 10 Uhr des Morgens bis 8 Uhr des Abends plattzusitzen und einem Vortrag nach dem anderen zu lauschen, waren, das sei ehrlich eingestanden, dem Berichterstatter zunächst leichte Zweifel gekommen und er hatte schon einen Spaziergang oder zwei in Gedanken zur sinnvollen Unterbrechung eingeplant.
Quelle: Neue Rheinische Zeitung
- Sexueller Missbrauch
Bergmann fordert freiwillige Entschädigungen
2000 Briefe, 13.000 Anrufe: Mehr als ein Jahr lang hat sich die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung mit Tausenden Schicksalen befasst. Nun hat Christine Bergmann ihren Abschlussbericht veröffentlicht und finanzielle Hilfen für die Opfer angeregt. Die Entscheidung aber treffen andere.
Quelle: SPIEGEL Online
Anmerkung RS: “Allerdings sollen die Institutionen die Entschädigung auf freiwilliger Basis zahlen.” Warum das denn? In welchem Land leben wir eigentlich, wenn die Zahlung einer Entschädigung vom Gnaden des Schädigers abhängt?
- Zwölf Jahre Chavismus in Venezuela
Der Mainstream hält Hugo Chávez für einen autoritären Despoten, linke Gegenmedien fasziniert dessen “bolivarische Revolution”. Der Versuch einer realistischen Bilanz.
Quelle: taz
- Die Kanzlerin verliert ihre Wähler
Die Niederlage in Bremen schmerzt die CDU mehr als viele zugeben – denn der Partei wird klar: Die 20 Prozent sind kein Betriebsunfall, sondern das Ergebnis einer Politik gegen die Mehrheit der Menschen. Erst haben die Christdemokraten die Wechselwähler vergrault. Und dann die Stammwähler verärgert.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Anmerkung Jens Berger: Das ist dann wohl der Unterschied zur SPD, die zuerst ihre Stammwähler vergrault und dann die Wechselwähler verärgert hat.
- Mach mit, wenn Du kein Sozi bist!
[…] Wahlen für Parteiämter, etwa die der Vorsitzenden, sollen weiter nur Mitgliedern vorbehalten bleiben. “Wir wollen die Beteiligung von Nichtmitgliedern, aber sie muss Grenzen haben”, sagte Nahles. Laut der SPD-Generalsekretärin sollen sich Nichtmitglieder künftig bei Wahlen registrieren lassen, persönlich abstimmen und sich auch an den Kosten der Abstimmung beteiligen. […]
Hans-Peter Bartels, Kieler SPD-Bundestagsabgeordneter, äußerte heftige Zweifel an dem Vorhaben. Zum einen widerspreche eine für Nichtparteimitglieder offene Kandidatenkür “schlicht dem Wahlgesetz”, so Bartels zur taz. Die Parteispitze müsse erläutern, ob sie also “das Wahlgesetz ändern” wolle oder ob ihr nur “symbolische, unverbindliche Empfehlungen für Kandidaten” vorschweben. Vor allem aber fürchtet Bartels eine Entwertung der SPD-Mitgliedschaft. “Die Begeisterung in der Partei über diese Aushöhlung der Rechte der Mitglieder wird sich in Grenzen halten”, sagte Bartels. Keine Parteireform dürfe die Mitgliedschaft entwerten. In der Kanzlerkandidatenfrage plädiert der SPD-Politiker, der zu der Gruppe der Netzwerker zählt, für eine Urwahl, bei der aber nur SPD-Genossen abstimmen sollen. Damit hat die Partei bereits Erfahrung. Schon 1993 wurde der damalige Kanzlerkandidat Rudolf Scharping von der SPD-Basis gewählt. Bartels wies darauf hin, dass die SPD-Mitglieder schließlich auch den Wahlkampf für den Kanzlerkandidaten bestreiten
Quelle: taz
Anmerkung Jens Berger: „[…] und sich auch den Kosten der Abstimmung beteiligen“? Wie stellt sich Frau Nahles das vor? Fünf Euro Eintritt im Wahllokal? Die Euphorie einiger Kommentatoren scheint ohnehin verfrüht zu sein. Zu einer Wahl gehört eine echte Alternative. Es ist jedoch nicht sonderlich wahrscheinlich, dass die SPD-Granden bei wirklich wichtigen Personalentscheidungen wie der Wahl des Kanzlerkandidaten gegeneinander bei einer Kampfabstimmung antreten werden. Viel wahrscheinlicher erscheint da das Szenario, dass ein „Hinterzimmerkandidat“ gegen einen oder zwei reine Zählkandidaten in den Ring geschickt wird. Das wäre aber keine Öffnung der Partei, sondern eine Partizipationssimulation.
Ergänzung Albrecht Müller: Der Nahles-Vorstoß zeigt einmal mehr, wie krampfhaft die SPD-Parteiführung nach scheinbar populären Vorschlägen sucht und dabei die Realität vergisst. Schon an der Kampagne für Steinbrück als Kanzlerkandidat wird sichtbar, dass Medien in Kombination mit einer finanzkräftigen Lobby – im konkreten Fall vermutlich die Finanzwirtschaft – wichtige Personalentscheidungen dieser Partei anbahnen und letztlich entscheiden. Ihr Geschäft würde mit der Verwirklichung des Nahles-Vorschlags noch leichter. Und das Motiv, als junger Mensch in dieser Partei aktiv zu werden und programmatische Arbeit zu leisten, würde noch mehr schrumpfen. Man muss ja gar nicht mehr in die Partei, um mitzubestimmen.
- Studienplätze – Die Master-Misere
Nur für jeden dritten Bachelor-Absolventen steht ein Master-Studienplatz zur Verfügung. Deshalb fordern Fachleute, das Angebot stärker nach Fächern und Standorten zu differenzieren. […]
Moska Timar vom FZS kann aus ihrem persönlichen Umfeld auf Anhieb eine Handvoll Bachelor-Absolventen aufzählen, die weder einen Job noch einen Master-Studienplatz ergattern konnten. „Durch den ungeregelten Master-Zugang werden derzeit unzählige Bildungsbiographien zerstückelt“, sagt Timar, die selbst noch nicht weiß, ob sie ihren gewünschten Master-Studienplatz bekommt. „Wenn es keinen freien Zugang zum Master gibt, wird der Unmut unter den Studierenden wachsen, was sicherlich zu erneuten Bildungsstreiks führen wird“, glaubt sie.
Quelle: FAZ
- Revolutionärer Medieneifer
Erst Ägypten, jetzt Spanien. Das Frühjahr 2011 hält die Medien mit neuen Protesten auf Trab
Die Regionalwahlen in Spanien sind vorbei, die Proteste gehen weiter. Zehntausende gehen weiter täglich gegen die Regierung auf die Straße und fordern… ja was eigentlich? […] Schön, wenn Politik so einfach ist. Drei Gramm Krise, vierzig Prozent Arbeitslosigkeit und eine Prise Staatsschulden ergeben eine formidable Protestbewegung, die darüber hinaus noch nette Parallelen zu den Revolten des Nahes Ostens aufweist. Die Ohren des Redakteurs beginnen vor Aufregung zu glühen: Ein Meta-Narrative, hier lässt sich eine Geschichte erzählen! Stuttgart 21, Ägypten, Spanien: Der Wutbürger geht auf die Straße. Die Festungen der Macht wackeln, der Euro gleich mit. Was in Kairo funktioniert, wird auch in Madrid nicht enttäuschen. Schnell aufschreiben und rein damit ins Redaktionssystem. Das mag etwas überspitzt formuliert sein. Doch dass auch im spanischen Fall mehr dahinter steckt als eine blinde Abwehrreaktion der Jugend, zeigt ironischerweise ebenfalls der Spiegel. Denn neben den wirtschaftlichen Gesichtspunkten drehen sich die Proteste auch um ein politisches System, das offensichtlich überfordert ist, sich der Sorgen der Menschen anzunehmen.
Quelle: Der Standard
- Wie frei ist die deutsche Presse wirklich?
ein Vortrag von Christian Y. Schmidt, gehalten auf dem Deutsch-Chinesischen Studentenforum: University of International Business and Economics in Beijing, 4. Dezember 2010, gehalten auf dem Deutsch-Chinesischen Studentenforum: University of International Business and Economics in Beijing, 4. Dezember 2010
Die deutsche China-Berichterstattung ist unausgewogen und eher negativ gefärbt. Das hat die jüngst erschiene Studie „Die China-Berichterstattung in den deutschen Medien“ der Heinrich Böll-Stiftung festgestellt. Die Autoren der Studie haben verschiedene Gründe für die Unausgewogenheit genannt. Eine eurozentristische Sichtweise der Berichterstatter beispielsweise, der Hang zur journalistischen Vereinfachung oder der eingeschränkte Zugang zu den Quellen, was auch an der chinesischen Regierung liegt. Einen wichtigen Grund, so glaube ich, aber hat man in der Studie vergessen. Doch dazu später.
Die Studie der Böll-Stiftung hat auch ganz richtig festgestellt: Es gibt keine Verschwörung der deutschen Medien, China schlecht zu machen. Und natürlich gibt es auch keine Anweisungen der deutschen Regierung, so etwas zu tun. Es gibt in Deutschland laut Verfassung keine Presse- und Medienzensur. Das heisst auch, dass es keine generellen Anweisungen gibt, bestimmte Themen und Begriffe zu vermeiden oder auch nur in einer bestimmten Weise anzugehen. Nicht nur insofern sind die deutschen Medien sicher freier als die chinesischen Medien.
Quelle: Doppelpod
- The Rocky Horror Joschka Show
Jede noch so schändliche Politik wird seit vierzig Jahren den Menschen als gesunder Pragmatismus verkauft und dieser als “Ende der Ideologien” gefeiert. (Was freilich die schlimmste Ideologisierung überhaupt darstellt, weil es bedeutet, dass sich im Wettstreit der Weltanschauungen ein Interpretationsmuster – nämlich das jeweils gegenwärtig herrschende – so weitgehend durchgesetzt hat, dass es von der Mehrzahl der Bevölkerung als neutrale Sicht der Dinge akzeptiert wird, auch – oder besser vor allem dann – wenn Politiker genau das Gegenteil davon tun, weswegen sie gewählt worden sind.) Dies scheint uns das Geheimnis von Pepe Danquarts Film Joschka und der Herr Fischer zu sein, dem das wohl unfreiwillige Verdienst zugesprochen werden muss, ohne auch nur eine einzige kritische Frage die politische Essenz des ehemaligen Grünen-Ministers auf den Punkt gebracht zu haben.
Quelle: Telepolis