Heute unter anderem zu folgenden Themen: Kein Jobwunder; Lage der Langzeitarbeitslosen verschärft; Lohndumping; von der Leyens Scheinalternative; Stress nach dem Test; Ausbeutung im Altersheim; Single-Eltern alleingelassen; im Rhön-Klinikum häufen sich Ärztefehler; Aldi – Revolutionär der Krämerseele; Lobbyismus; als der Euro gerettet wurde; Geheimstudie über Stuttgart 21; die Katastrophe von Duisburg; Wulff wohnt bei Maschmeyer; Bildung statt Ballermann; Guttenberg schwitzt; zwei Kriege am Hindukusch; Einwanderungsgesetz in Arizona; Georg Schramm: Zorn. (MB/WL)
- DGB: Buntenbach: Sinkende Arbeitslosenzahlen kein Jobwunder
- Arbeitsmarkt: Bund verschärft Lage der Langzeitarbeitslosen
- “6,81 Millionen mit weniger als 9,06 Euro Brutto”
- Leiharbeiter arbeiten oft für Niedriglöhne
- Von der Leyens Scheinalternative
- Wolfgang Münchau – Der Stress nach dem Test
- Ausbeutung im Altersheim: Mobbing, Stress und Doppelschichten
- Single-Eltern in Deutschland: Die Alleingelassenen
- Rhön-Universitätsklinikum Marburg: Ärzte-Fehler häufen sich
- Milliardär Theo Albrecht: Revolutionär der Krämerseele
- Ist Professor Sinn ein “verrückter Marxist”?
- Amokläufer in der Lobby
- Faule Studien: Wie Lobbyisten uns manipulieren
- Die Reflexe der Lobby
- Als der Euro gerettet wurde
- Geheimstudie über Stuttgart 21
- Die Katastrophe von Duisburg
- VIP-Klick: Christian Wulff – Hafen der Freundschaft
- Manager fordern “Bildung statt Ballermann”
- Guttenberg schwitzt
- Zwei Kriege am Hindukusch
- Einwanderungsgesetz in Arizona
- Zu guter Letzt: Georg Schramm, Zorn
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- DGB: Buntenbach: Sinkende Arbeitslosenzahlen kein Jobwunder
- Die statistisch gemessene Arbeitslosigkeit ist auch deshalb im Vorjahresvergleich gesunken, weil die Zahl der Arbeitskräfte demografisch bedingt kontinuierlich abnimmt – im letzten Jahr nach Schätzung des IAB um 110.000 Personen.
- Zweitens wirkt sich eine geänderte statistische Erfassung im Bereich von Maßnahmen zur beruflichen Aktivierung (,Trainingsmaßnahmen’) aus, die im Ergebnis zu einer statistischen Entlastung der Arbeitslosenzahl um bis zu 190.000 Personen führt.
- Drittens sind die offiziellen Arbeitslosenzahlen der BA Stichtagserhebungen, wodurch insbesondere die Zahl der Langzeitarbeitslosen statistisch unterzeichnet wird. Durch die gängige Praxis ,rein in die kurzfristige Maßnahme, raus aus der Maßnahme’ zeichnet die Stichtags-Statistik kein realistisches Bild von dem, was arbeitsmarktpolitisch notwendig ist. Menschen in ,Trainingsmaßnahmen’ oder Ein-Euro-Jobs werden nicht als Arbeitslose gezählt; ebenso wenig diejenigen, die angeblich nicht mitwirken oder kurzfristig – z.B. wegen Krankheit – dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Damit führt diese Rotation am Arbeitsmarkt zu einem ,rasenden Stillstand’ und zu einer beschönigenden Statistik.
- Viertens wirkt sich die Stille Reserve in Maßnahmen (wie etwa Umschulungen) entlastend für die registrierte Arbeitslosigkeit aus. Nach den aktuellen BA-Daten beträgt die Unterbeschäftigung, die die Entlastung durch Arbeitsmarktpolitik einbezieht, immer noch 4,3 Mio. Personen, wobei die knappe halbe Million Menschen in konjunktureller Kurzarbeit noch gar nicht berücksichtigt ist.
Quelle: DGB
- Arbeitsmarkt: Bund verschärft Lage der Langzeitarbeitslosen
Vom Arbeitsmarkt kommen derzeit viele scheinbar gute Nachrichten: Die Zahl der Erwerbslosen ist deutlich niedriger als erwartet. Doch im freundlichen Bild fehlt ein wesentlicher Punkt: Für Langzeitarbeitslose hat sich die Situation zuletzt nicht verbessert, sondern verschlechtert.
Im Jahr 2009 sank die Zahl derer, die von der Langzeitarbeitslosigkeit in reguläre Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt wechselten, erstmals wieder unter das Niveau vor der Einführung von Hartz IV. Weder die gute Konjunktur der vergangenen Jahre noch die Hartz-Reformen haben die Beschäftigungschancen von Langzeitarbeitslosen nachhaltig verbessern können.
Ohnehin sind die Aussichten, einen sozialversicherungspflichtigen Job zu finden, geringer als in den meisten anderen Industrieländern. Das Sparpaket der Bundesregierung wird sich diese Chancen aller Voraussicht nach noch weiter verringern.
2009 gab es im Schnitt 933 000 Langzeitarbeitslose. Gegenläufig zur Entwicklung der Erwerbslosen insgesamt wurden im Juni 2010 etwa 27 000 mehr Langzeitarbeitslose gezählt als ein Jahr zuvor. Ihr Anteil an den Arbeitslosen erhöhte sich um zwei Prozentpunkte auf gut 30 Prozent.
2009 waren 45,5 Prozent der Erwerbslosen zwischen 15 und 64 Jahren in Deutschland länger als ein Jahr ohne Arbeit. Dies sind immerhin zehn Prozentpunkte mehr als im Schnitt der 16 Länder der Eurozone. Gemessen an diesen Kriterien liegt der Anteil der Langzeitarbeitslosen bei uns immer noch leicht über dem Niveau von 1994, nämlich 44,3 Prozent …
Die von der Bundesregierung beschlossene neue Sparliste sieht für den Arbeitsmarkt weitergehende Einschnitte von allein 4,4 Milliarden Euro in 2011 vor; bis 2014 soll sich diese Summe auf 10,4 Milliarden Euro erhöhen. In der Arbeitsförderung sollen allein im kommenden Jahr zwei Milliarden Euro gekürzt werden. Fördern wird dann noch kleiner und Fordern größer geschrieben.
Quelle: DGB
- “6,81 Millionen mit weniger als 9,06 Euro Brutto”
Während sich deutsche Ökonomen und Wirtschaftspolitiker im temporären Exporterfolg Deutschlands sonnen, sind zu Hause die Karten für einen nachhaltigen Aufschwung aus eigener Kraft weiter schlecht verteilt! Dies wird sich bald als Bummerang erweisen, denn u.a. befeuern die deutschen Exporte die Ungleichgewichte im Welthandel auf neue Höhen, woraus früher oder später eine noch größere Krise erwachsen wird.
Die deutschen Arbeitnehmer erhalten an der Produktivitätsentwicklung, an der Wertschöpfung und am Exporterfolg nicht ihren gebührenden Anteil. Eine faire Teilhabe der Arbeitnehmer am wirtschaftlichen Erfolg, wäre aber eine Grundvoraussetzung um die Binnennachfrage anzukurbeln und die wirtschaftliche Entwicklung auf die eigenen Füße zu stellen und einen Anteil am Abbau der Ungleichgewichte im Welthandel zu leisten.
Quelle: Querschüsse
- Leiharbeiter arbeiten oft für Niedriglöhne
Leiharbeiter arbeiten oft zu extrem niedrigen Löhnen. Das bestätigt nun auch das Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) in Duisburg. Wie Schlecker auch, haben viele Unternehmen Leiharbeitsfirmen gegründet, um Arbeitsplätze auszulagern.
Claudia Weinkopf vom IAQ macht deutlich, dass das Verhalten der Unternehmen nach geltender Rechtslage nicht illegal ist. Leiharbeiter können demzufolge nach eigenen Tarifverträgen bezahlt werden. Dadurch wird der Grundsatz “gleicher Lohn für gleiche Arbeit” ausgehebelt. Die entsprechenden tariflichen Einstiegslöhne für Leitarbeiter lägen zwischen 6,15 Euro und 6,50 Euro je Stunde in Ostdeutschland und zwischen 7,35 Euro und 7,51 Euro in Westdeutschland. Dies sei deutlich niedriger als die vergleichbare Bezahlung in anderen tarifgebunden Betrieben
Quelle: IG Metall
- Von der Leyens Scheinalternative
Goldene Zeiten für die Langzeitarbeitslosen. Aus dem Hause von der Leyen kommt die frohe Botschaft, dass die Bürgerarbeit eine Alternative aus der Perspektivlosigkeit bietet. Das Konzept ist nicht besonders neu und existiert in verschiedenen Modellvarianten. Arbeitslosen soll eine sozialversicherungspflichtige Arbeit im gemeinnützigen Bereich angeboten werden. Die Bürgerarbeit
Quelle: Scharf links
- Wolfgang Münchau – Der Stress nach dem Test
Die Stresstester der europäischen Bankaufsicht in London haben als Grundlage für ihre Tests das sogenannte Tier-1-Kapital benutzt, eine offizielle Definition des Kernkapitals. Hierbei handelt es sich um Aktien, zurückbehaltende Gewinne, aber auch um verschiedene hybride Formen von Kapital. Dazu gehören stille Einlagen oder Vorzugsaktien. Diese Definition von Kapital entspricht den geltenden Baseler Eigenkapitalrichtlinien und wird fast überall auf der Welt angewandt. Nur leider ist die Definition genauso schrottreif wie der Giftmüll, der durch dieses Schrottkapital gedeckt wird. Das Baseler Komitee der Bankaufseher hat im Laufe der Krise einen neuen Vorschlag gemacht mit dem Ziel, die Definition des Kernkapitals zu verschärfen. Zugelassen sein sollen danach vorwiegend Aktienkapital und einbehaltende Gewinne, nicht mehr die hybriden Instrumente. Eine in Deutschland besonders beliebte Form hybriden Kapitals ist das sogenannte stille Kapital. Der Ausdruck “stilles Kapital” ist ein Widerspruch in sich. Denn es ist das Wesen des Kapitals, dass es nicht still ist, dass die Eigner des Kapitals kräftig bei der Führung des Unternehmens mitwirbeln. Anleihen sind still. Der Besitzer von Anleihen will nicht mitregieren, sondern pünktlich sein Geld bekommen. Die stillen Kapitalgeber deutscher Landesbanken, oft Bundesländer, wollen zwar mitregieren, aber am liebsten nicht dafür geradestehen. Für sie ist es nicht denkbar, dass ihr Kapital dazu benutzt wird, toxischen Müll zu neutralisieren. Sie sehen sich nicht als Aktionäre.
Die angeblich so soliden deutschen Banken sind Weltmeister im Erfinden innovativer Kapitalformen. Es geht dabei häufig um regulatorische und rechtliche Gesichtspunkte, nicht um ökonomische. Das Ziel besteht darin, ein System aufrechtzuerhalten, das ökonomisch betrachtet nicht mehr funktioniert. Ich habe für die folgende Aussage sehr viel Kritik einstecken müssen, aber ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass das deutsche Bankensystem bei rein ökonomischer Betrachtung nicht mehr solvent ist. Das heißt jetzt nicht, dass Ihre Sparkasse oder Bank morgen den Konkurs anmeldet, sondern dass das Bankensystem insgesamt nicht die Ressourcen hat, um den wahrscheinlich drohenden Schocks in Zukunft zu begegnen. Ob also eine Bank in einem mehr oder minder plausiblen Stresstestszenario eine offizielle Kernkapitalquote von 5,9 Prozent oder 6,1 Prozent hat, ist für mich irrelevant. Wenn das hybride Kapital wie bei einigen Landesbanken die Hälfte des Gesamtkapitals ausmacht, dann brauchen wir uns um Dezimalstellen bei diesen Tests nicht weiter kümmern. Wenn man eine strenge Eigenkapitalquote zugrunde legt, dann wird man feststellen, dass die britischen Banken allgemein ausreichend kapitalisiert sind, die deutschen und die spanischen nicht. – Die Kritik an der Durchführung der Stresstests war zwar größtenteils gerechtfertigt, aber sie verblasst angesichts der wirklichen Problematik der Rekapitalisierung. Ich halte es für ausgeschlossen, dass der Privatsektor in Europa diese Last allein stemmen kann. Hier bedarf es des Staates. Der Staat muss auf Restrukturierung dringen, entweder durch echte Verstaatlichungen oder durch erzwungene Rekapitalisierung.
Quelle: FTD
- Ausbeutung im Altersheim: Mobbing, Stress und Doppelschichten
Die Verantwortung ist groß, die Bezahlung mies: In vielen Altersheimen sind die Arbeitsbedingungen desaströs. Manch ein Leiter holt sich sogar Tipps beim Anwalt, wie weit er die Ausbeutung legal treiben darf. Frustrierte Angestellte fürchten um ihre Gesundheit. Auf SPIEGEL ONLINE packen sie aus.
Quelle: Spiegel
- Single-Eltern in Deutschland: Die Alleingelassenen
Sie leben am Rande der Gesellschaft, oft fehlt das Geld für das Allernötigste. Die Lage vieler Alleinerziehender in Deutschland ist dramatisch – wie sehr, belegen die Daten des neuen Mikrozensus. SPIEGEL ONLINE zeigt die wichtigsten Ergebnisse.
Quelle: Spiegel
Anmerkung J.A.: Die Lage für Alleinerziehende hat sich dank Lohndumping, Hartz IV und anderem Sozialabbau – d. h. auch dank SPIEGEL – massiv verschärft. Denn anders als durch krasses Lohndumping ist nicht zu erklären, daß ein/e Arbeitnehmer/in mit Vollzeitstelle, wie beschrieben, nicht sich und sein/e Kind/er ernähren kann.
- Rhön-Universitätsklinikum Marburg: Ärzte-Fehler häufen sich
Zeitmangel und hohe Personalfluktuation – das sind nach Beobachtung von Ulrike Kretschmann die Hauptgründe für Fehler wie diese. „Die erfahrenen Ärzte verlassen das Rhön-Uniklinikum rasch, da die Arbeitsbedingungen so schlecht sind.“ Dass immer mehr Kollegen kündigten hatten im April auch acht Oberärzte der Kinderklinik in einem Brandbrief an die Geschäftsführung beklagt. Wegen der hohen Fluktuation würden vom Land bezahlte Stellen für Forschung „zweckentfremdet“. Mehrmals pro Woche sieht die Marburger Allgemeinärztin Patienten in ihrer Praxis, die sie zu dem Schluss kommen lassen: Seitdem die Landesregierung der Rhön-Aktiengesellschaft vor vier Jahren 90 Prozent der Anteile des Universitätsklinikums Marburg-Gießen verkaufte, hat sich die Qualität der Versorgung massiv verschlechtert. Ärztliche Gespräche und körperliche Untersuchungen kämen zu kurz, die Fehlerquote nehme drastisch zu. „Das liegt nicht an der Unzulänglichkeit oder Faulheit der Ärzte“, betont Kretschmann, „sondern am Zeitmangel und der Überlastung“. Die Hausärztin hat mit Kollegen aus Marburg und Gießen sowie anderen Interessierten vor mehr als einem Jahr die Initiative „Notruf 113“ gegründet. Längst geht es ihnen um mehr als eine gute Patientenversorgung und bessere Arbeitsbedingungen der Ärzte und Pflegekräfte an den beiden Uniklinik-Standorten Marburg und Gießen. Ihr Ziel ist Aufklärung über die Folgen der Privatisierung – auch, damit solche „Fehler“ sich nicht wiederholen. Aktuell pflegen sie Kontakte nach Schleswig-Holstein, wo der Verkauf der Universitätsklinik in Kiel und Lübeck zur Diskussion steht.
Quelle: FR-online
- Milliardär Theo Albrecht: Revolutionär der Krämerseele
Das auffälligste Merkmal der öffentlichen Person Theo Albrecht war seine Unsichtbarkeit. Über sein Privatleben ist kaum mehr bekannt als die äußeren Lebensdaten, und auf den wenigen publizierten Fotos wirkt er unscheinbar wie Willy Loman, der Handlungsreisende aus dem berühmten Stück von Arthur Miller. Buschige Brauen, große Brillengläser, ein freundlicher Blick. Theo Albrecht, einer der erfolgreichsten Unternehmer der deutschen Nachkriegsgeschichte und als Inhaber der Discount-Kette Aldi Nord einer der reichsten Männer Deutschlands, ist am vergangenen Samstag in Essen im Alter von 88 Jahren gestorben.
Quelle: FR online
Anmerkung MB: Die Auswirkungen von ALDI´s Geschäftsmodell auf Einkommen der Beschäftigten, Arbeitsbedingungen und Wettbewerb im Einzelhandel sowie auf Landwirtschaft, Zulieferer und das Konsumverhalten werden leider vor lauter Revolution überhaupt nicht beleuchtet. Dazu erfahren wir mehr in einem Kurzkommentar im Deutschlandradio.
Und sind ein paar gesparte Euro pro Großeinkauf wirklich den Stress wert, die Waren in Hetze – eigentlich fast Nötigung! – von einer Fläche von höchstens einem halben Quadratmeter ohne Laufband in den Einkaufswagen kehren zu müssen?
- Ist Professor Sinn ein “verrückter Marxist”?
Wenn die Heidi Klum des deutschen Ökonomiegewerbes mal wieder irgendwo spricht, dann taugt das Ergebnis zur lehrreichen und unterhaltsamen Lektüre. So auch dieses Interview, das der ehrenwerte Professor Sinn dem Deutschlandradio gegeben hat. Darin wurde er vom Interviewer u.a. gefragt:
Aber irgendwann muss auch das Sparen aufhören und der Konsum wieder angekurbelt werden, wenn wir die Abhängigkeit vom Export verringern wollen. Wie kann das geschehen?
Gute Frage, Herr Liminski – das interessiert ihre Zuhörer und Leser brennend! Ja, Herr Professor: Wie kriegen wir das boß hin? Sie wissen doch sonst immer alles. Wie also?
Quelle: Weissgarnix
passend dazu:
- Amokläufer in der Lobby
Er ist Lobbyist aus Leidenschaft – und gegen Bezahlung, wie man annehmen darf. Wer aber zitiert diesen losgelassenen Quacksalber noch? Hans-Werner Sinn, Atomlobbyist und neoliberale Allzweckwaffel, kurbelt weiterhin fleißig die Gebetsmühle durchs Land und findet immer wieder jemanden, der ihn auch noch anspricht. Wieder einmal trommelt der Umwelt-Dino für die Atomkraft, und das nach dem Absaufen der Asse und neuer Berechnungen, denen zufolge heute schon mehr als 10 Millliarden Euro Folgekosten aus der Kernkraft anstehen. Das ficht den Hans-Werner freilich nicht an. Er hält Vorträge vor dem Atomforum, in dem sich Freunde und Förderer zu einem Eintrittspreis von 890 Euro einfinden. Ob davon ein klein wenig für ihn abgefallen ist? Dort dürfte jedenfalls aufmerksam geprüft werden, ob Käptn Iglo seine vorgestrigen Argumente, die allesamt widerlegt sind, noch schön auswendig aufsagen kann.
Quelle: Feynsinn
- Faule Studien: Wie Lobbyisten uns manipulieren
Lobbyisten wollen die Politik beeinflussen. Die Arbeitgeber sind in dieser Disziplin recht erfolgreich. Sie verweisen gern auf Studien, die belegen sollen, dass ihre Forderungen nicht nur ihren Interessen entsprechen, sondern wissenschaftlich fundiert sind. Doch kürzlich sind zwei widersprüchliche Studien frontal aufeinandergeprallt. Der Unfall wurde – was sehr selten passiert – aufgeklärt, und der Untersuchungsbericht zeigt: Die Lobbyisten scheuen sich nicht, uns mit fragwürdigen Methoden zu manipulieren. Was ist geschehen? Am 10. Februar berichtet das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW): “Die Regelungen des Kündigungsschutzes kosten die Wirtschaft hierzulande 7,5 Milliarden Euro pro Jahr.” Mehr noch: Der Kündigungsschutz verhindere, “dass jährlich mehr als 40000 neue Stellen geschaffen werden”. Das habe das IW mit IW Consult in einer “repräsentativen Unternehmensbefragung” ermittelt.
Quelle: FR online
Anmerkung MB: Ein wissenschaftlicher Offenbarungseid für das Institut der Deutschen Wirtschaft!
- Die Reflexe der Lobby
Die Regierung will Privilegien von Firmen bei der Ökosteuer streichen, die Verbände reagieren entsetzt. Das ist weder überraschend noch begründet.
Quelle: Zeit
- Als der Euro gerettet wurde
Es war die Nacht vom 7. auf den 8. Mai. Die Staats- und Regierungschefs der Eurostaaten tagten, ihre Währung stand kurz vor dem Kollaps. Nicolas Sarkozy sah sich als „Retter des Euro“. War das eine seiner berühmten Übertreibungen? Ein britischer Historiker hat die Szenen vom dramatischen Euro-Gipfel genau rekonstruiert.
Der Brüsseler Euro-Gipfel vom 7. Mai war ein sonderbares Ereignis. Er führte zu einer dramatischen, milliardenschweren Rettungsaktion für die Gemeinschaftswährung, ohne dass die Öffentlichkeit recht mitbekam, was da eigentlich geschehen war.
Es dauerte zwei, drei Tage, bis den Bürgern in den Euroländern klar wurde, dass ihre Währung offenbar kurz vor dem Kollaps gestanden hatte und dass nun die gewaltige Summe von 750 Milliarden Euro an Bürgschaften für ihre Stützung aufgebracht werden musste. Es war wie so oft in der Finanzkrise: Politiker, Medien und Bürger wurden von den Entwicklungen an den Finanzmärkten überrollt.
Quelle: FAZ
Anmerkung WL: Ganz interessant zu lesen. Die Schilderung macht verständlich, warum die Grünen im Bundestag verlangen, dass der Vertrag über den Euro-Rettungsschirm dem Bundestag vorgelegt werden muss.
- Geheimstudie über Stuttgart 21 und die Neubaustrecke im Internet
Analyse des bisher unveröffentlichten sma-Bericht an die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg NVBW vom 3.6.2008 vom Fahrgastverband PRO BAHN, vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und vom Verkehrsclub Deutschland (VCD).
Quelle 1: K 21 – Ja zum Kopfbahnhof
passend dazu:
Quelle 2: Offener Brief
Anmerkung MR: Bitte veröffentlichen Sie diesen Offenen Brief und geben einen Hinweis auf die Homepage der Stuttgart 21 Gegner. Es ist “fünfvorzwölf” – in wenigen Tagen will die Bahn einen Teil unseres schönen Stuttgarter Bahnhofs abreißen, gegen alle Widerstände. Es ist einfach ganz egal, was die Bevölkerung will, dieses Wahnsinnsprojekt, das keiner will und vor allem keiner bezahlen kann, wird einfach umgesetzt. Es ist heute schon klar, dass die Kosten ins unermessliche steigen werden. Dann werden die Politiker sagen, das habe man nicht voraussehen können – kein Bauprojekt wurde jemals zu den vorkalkulierten Kosten fertig gestellt. Es ist ganz klar, dass hier politischer Wahnsinn umgesetzt wird, der jetzige Bahnhof ist vollkommen in Ordnung, müsste nur etwas renoviert werden – das wäre es denn auch. Außerdem ist jetzt schon, durch die angefangenen Baumaßnahmen, der S-Bahn-Verkehr zusammengebrochen, davor konnte man sich auf die Pünktlichkeit verlassen. Das ist ein Paradebeispiel, wie unsere “Sonnenkönige” mit der Demokratie umgehen und mit den Geldern der kleinen Leute, Der Stadt Stuttgart fehlt es ja jetzt schon an Geld (den anderen auch).
- Die Katastrophe von Duisburg
- Täuschen, Tarnen, Tricksen
21 Menschen wurden getötet – ihr Tod hat jedoch nichts mit Schicksal zu tun, sondern wurde durch die Verantwortlichen billigend in Kauf genommen. Wer aber sind die Verantwortlichen? Man sollte den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die nach Aussage des NRW-Innenministers Jäger wohl in einem Strafverfahren münden werden, vielleicht nicht vorgreifen, zumal die Situation immer noch unübersichtlich ist. Alle Verantwortlichen tun nämlich ihr Bestes, um falsche Informationen zu streuen und sich selbst aus der Verantwortung zu stehlen. (…) Aus den Einzelheiten, die bis jetzt an die Öffentlichkeit drangen, lässt sich jedoch bereits sagen, dass ein Rücktritt von Oberbürgermeister Sauerland oder Ordnungsdezernent Rabe längst nicht mehr ausreicht – wenn Gerechtigkeit walten würde, müssten sie das Duisburger Rathaus in Handschellen verlassen. (…)
Auch die Herren im Duisburger Rathaus bekommen aus dem Innenministerium ihr Fett weg. Jäger beschwerte sich nicht nur über die mangelnde Zusammenarbeit im Vorfeld der Veranstaltung und die ignorierten Warnungen, sondern ließ die Öffentlichkeit auch wissen, dass die Polizei erst am Veranstaltungstag die endgültige Genehmigung zu sehen bekam. Das verwundert nur auf den ersten Blick, schließlich ließ sich im Duisburger Rathaus niemand finden, der seine Unterschrift unter dieses Papier setzen wollte. Wie eine heiße Kartoffel kreisten die Dokumente von Entscheider zu Entscheider. Oberbürgermeister Sauerland rettete sich erst einmal in den Urlaub nach Österreich und am 21. Juli fand man endlich einen Dummen – ein kleiner Sachbearbeiter aus dem Bauamt unterzeichnete die Genehmigung. Der Endpunkt dieser perfiden Geschichte könnte es sein, dass nun dieser Sachbearbeiter als Bauernopfer gehen muss und die Herren Rabe und Sauerland bis zu ihrer unverdienten Pension im Amt bleiben. Um mit Max Liebermann zu schließen: „Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte.“
Quelle: Spiegelfechter
Dazu:
- Chronologie einer Katastrophe
Hier die gesammelten Videoaufnahmen eines Besuchers von der Ankunft auf dem Gelände und später direkt vom Geschehen bei der Treppe und sehr schrecklich, aber hilfreich, um sich ein recht genaues Bild von der Situation und den Bedingungen zu machen.
Quelle: Crank World
- Ruhrgebiet und Loveparade: Der Zwang zum Megaevent
Die breite nationale und internationale Öffentlichkeit sollte hingegen mit Events auf das Ruhrgebiet aufmerksam werden. Ob Klavierfestival Ruhr, Kulturhauptstadt, Loveparade oder die gescheiterte Olympia-Bewerbung: Möglichst große Events sollten als Kommunikationsvehikel die Botschaft des strukturgewandelten Ruhrgebiets transportieren.
Auf den ersten Blick ein schlüssiges Konzept: Die Kontakte, die man auf diesem Weg erzielt hat, hätte sich das Ruhrgebiet über klassisches Werbung nie leisten können. Die Bilder des Stilllebens auf der A40 gingen um die Welt – unbezahlbar.
Der Nachteil dieser Strategie: Es mussten immer neue, möglichst große Events her. In der Region gewachsene Veranstaltungen wie Bochum-Total oder Juicy Beats wurden nie gefeatured. Sie waren schlicht zu klein, sorgten nicht für das nötige mindestens bundesweite mediale Interesse. Lieber kaufte man die Marke Loveparade ein. Klar, die Veranstaltung war eigentlich schon tot als sie 2007 ins Revier kam. Aber es war damals kein andere Megavent auf dem Markt, das man ins Ruhrgebiet holen konnte. Und langfristig auf die eigenen Stärken zu setzen passte nicht ins Konzept.
Der Zwang zum Megaevent war einer der Gründe warum bei der Sicherheit alle Augen zu gedrückt wurden. Die Loveparade durfte nicht scheitern – wer auf große Events als Haupt-Kommunikationsmittel setzt kann das Scheitern eines solchen Events nicht auffangen. Das Ruhrgebiet definierte sich über Massenveranstaltungen und wurde von den großen Zahlen abhängig wie ein Junkie vom Heroin: Es mussten immer Millionen Besucher sein.
Quelle: Ruhrbarone
Dazu auch:
- Größenwahn und Provinzialität
Groß, größer, am größten – dieses Denken hat das Revier an seine Grenzen geführt. Nach dem Inferno von Duisburg ist der Metropol-Traum ausgeträumt: Das Ruhrgebiet muss umdenken.
Quelle: FAZ
Anmerkung WL: Der Tot von über 20 jungen Menschen und zahllose Verletzte anlässlich der Love Parade sind ein furchtbares Unglück. Die Gründe für diese schreckliche zu suchen, das ist unerlässlich, nicht nur um die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen sondern vor allem um daraus zu lernen und künftige Katastrophen zu vermeiden. Die Kritik am Größenwahn ist berechtigt, doch mich ärgert diese herablassende Berichterstattung über das Ruhrgebiet. Dem Ruhrgebiet jetzt den Stempel der Provinzialität aufzudrücken, ist angesichts des offensichtlichen Versagens bei der Organisation dieses „Events“ schlicht billig. Ein solches Versagen hätte es auch in Frankfurt oder anderswo geben können. Jetzt über das Ruhrgebiet insgesamt herzufallen, ist nichts anderes als die Arroganz der „Kulturkritiker“ aus Berlin, Frankfurt oder München, die ansonsten das Ruhrgebiet links liegen lassen und die Events in den Sitzstädten ihrer Redaktionen hochjubeln. Das Ruhrgebiet hat es schwer, seine Vorzüge und vor allem seine kulturellen Angebote zu vermitteln. Dort gibt es z.B. keine überregionale Zeitung, die über Ereignisse berichten würden, die an Qualität oder Kreativität durchaus mit den Angeboten in den selbsternannten Kulturmetropolen mithalten könnten.
Das Ruhrgebiet ist eine durch den wirtschaftlichen Strukturwandel geschundene Region, doch sie hat den Umbau besser bewältigt, als alle anderen vergleichbaren Regionen. Man schaue nur einmal nach Lothringen, nach Wallonien oder in die früheren Industrieregionen Englands.
Noch leben im Ruhrgebiet mindestens genauso viele Menschen, wie in Berlin und viel mehr als in Frankfurt, München, Hamburg oder gar Stuttgart. Es ist nach wie vor eine Metropole und eine Megapolis. Die Menschen im Ruhrgebiet haben diese Region lebendig erhalten, sie haben es nicht verdient, dass sie aufgrund einer schrecklichen Katastrophe nun als Provinzler abgetan werden.
- VIP-Klick: Christian Wulff – Hafen der Freundschaft
Christian Wulff macht ganz klassisch Urlaub auf Mallorca. Allerdings nicht auf einer traditionellen Finca, sondern in der Villa eines deutschen Unternehmers.
Die 20-Millionen-Euro-Villa “Paradise Castle” soll unter anderem über einen großen Pool und eigenen Bootsanleger verfügen, wie die Mallorca Zeitung berichtete. Das Heikle daran: Die Villa gehört dem Unternehmer Carsten Maschmeyer, unter anderem Gründer des Finanzdienstleisters AWD und Lebensgefährte von Veronica Ferres, mit dem Wulff privat befreundet ist. Eigentlich sei der Aufenthalt länger geplant gewesen, Wulff kehrte allerdings vorzeitig zurück, um am Samstag der Trauerfeier für die Opfer der Duisburger Loveparade beizuwohnen.
Quelle: Süddeutsche
Anmerkung MB: Woran werden sich spätere Generationen erinnern, wenn es um die politische Karriere des Christian Wulff geht? Er machte den ungekrönten König der kommerziellen Altersvorsorge und Ministerpräsidentenkumpel Carsten Maschmeyer mit Schauspielerin Veronica Ferres bekannt, verleiht als erste bundespräsidiale Amtshandlung den Bundesverdienstorden an Jogi Löw und seine Gattin ist die erste deutsche First Lady mit einer Tätowierung.
Ja, normalerweise sollte eine 100-Tages-Frist eingehalten werden, aber es geht leider nicht respektvoller, tut mir leid.
- Manager fordern “Bildung statt Ballermann”
Provokanter Vorstoß: Der Verband der Wirtschaftsjunioren (WJD) hat die Arbeitnehmer aufgerufen, ihre Urlaubstage für Fortbildungen zu nutzen.
Quelle: Welt
Anmerkung J.A.: Alle Jahre wieder… zur Urlaubszeit. Und konsequent: wenn die Arbeitnehmer schon durch die Bank deutlich unterbezahlt sind, dann sollen sie wenigstens ihre Urlaubstage für Weiterbildung (= unbezahlte Mehrarbeit) verschwenden. Vom Arbeitgeber bezahlte Fortbildung scheint eh aus dem Arbeitsleben zu verschwinden.
- Guttenberg schwitzt
Ich glaube ja, daß Spezialkräfte nicht allein dafür da sind, daß gezielte Tötungen vorgenommen worden«, erzählt Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg dem Fernsehsender Phoenix. »Sie sind ja auch dazu da, an der einen oder anderen Stelle mal für Ruhe zu sorgen, oder daß man auch mal Festnahmen vornimmt.« Die Äußerungen fielen in einem »Kamingespräch«, das Phoenix am kommenden Sonntag ausstrahlen will, interessierten Journalisten aber auch vorab zur Verfügung stellt.
Man sollte meinen, der Mann redet sich um Kopf und Kragen. Nicht nur am Hindukusch, auch »für Gefährdungslagen, die über Afghanistan hinausgehen«, müsse die Bundesregierung »Strukturen bereithalten«, die ihm, dem zuständigen Minister »die Schweißperlen auf die Stirn« treiben, redet er sich am Kamin heiß, während er mit beiden Armen propellert. Was für Strukturen? Nun: »Daß man international abgestimmt verstärkt mit Geheimdiensten wird vorgehen müssen, daß man – wenn man eine saubere Rechtsgrundlage hat – auch auf Spezialkräfte wird zurückgreifen können müssen«, erklärt Guttenberg.
»In klarem Deutsch heißt das aber auch, gezielte Tötungen müssen möglich sein?« fragt daraufhin der Interviewer nach. Und Guttenberg sagt nicht nein. »Das ist jetzt sozusagen die Überspitzung«, lautet die Antwort, die man – je nach Gusto – für nichts- oder vielsagend halten kann. In einem Punkt aber ist der Minister bemerkenswert deutlich: Daß »wir uns als Deutsche an solchen Dingen nur beschränkt und bedingt beteiligen«, liegt nicht etwa daran, daß »wir« nicht wollen, sondern einzig daran, daß es dafür – noch – keine »klaren Rechtsgrundlagen« gibt. »Die haben wir international abgestimmt zu meiner Zufriedenheit noch nicht«, moniert der Minister. »Aber sie müssen auch mal formuliert werden.«
Quelle: junge Welt
Siehe auch: PHOENIX-Kamingespräch So, 01.08.10, 13.00 – 14.00 & 22.30 – 23.30 Uhr
- Zwei Kriege am Hindukusch
Die Wikileaks-Dateien zeigen: Es gibt zwei Kriege am Hindukusch – einen offiziellen und einen geheimen. Der Letztere hat kein deutsches Mandat.
Quelle: TAZ
- Einwanderungsgesetz in Arizona
- Obamas riskanter Sieg
Präsident setzt sich vor Gericht im Streit um illegale Einwanderer durch – das könnte ihn Stimmen kosten. Es ist einerseits ein juristischer Sieg für Präsident Barack Obama, der eine Reform des Einwanderungsrechts auf Bundesebene anstrebt. Sein Justizminister Eric Holder hatte gegen das Arizona-Gesetz geklagt. Andererseits erhöht die Zuspitzung die politischen Risiken bei der Kongresswahl, bei der sich entscheidet, ob Obama seine Parlamentsmehrheit verliert. In Umfragen wünscht eine klare Mehrheit der Bürger ein schärferes Vorgehen gegen illegale Migranten. In der US-Bevölkerung herrscht ein ähnlicher Unmut wie in Deutschland vor der Änderung des Asylrechts 1993.
Quelle: Tagesspiegel
- Ich will diese Schlammschlacht
Im Leichenhaus der Wüstenstadt Tuscon im US-Bundesstaat Arizona ist kein Platz mehr. Die Kühlung bietet Raum für 200 Körper, doch im Moment müssen mehr als 300 Tote gelagert werden. “Die meisten sind Flüchtlinge aus Mexiko”, sagte Gerichtsmediziner Bruce Parks der New York Times. Sie kommen noch immer, obwohl in Arizona am 29. Juli das strengste Einwanderungsgesetz der USA in Kraft tritt. Doch weil bereits jetzt die Grenzkontrollen schärfer werden, müssen sie entlegenere Wege wählen. Todesrouten, die tagelang an keiner Wasserquelle vorbeiführen.57 Leichen sind allein im Juli gefunden worden – wesentlich mehr als im Vergleichszeitraum 2009. Und das, obwohl die Gesamtzahl illegaler Einwanderer abzunehmen scheint. Festnahmen gab es in diesem Jahr nur halb so viele wie im Rekordjahr 2000.
Hinter der Entscheidung, das Gesetz vor den Supreme Court zu bringen, steht Russell Pearce, Senator in Arizonas oberer Parlamentskammer: “Ich habe das Gesetz geschrieben, um es vor das Oberste Gericht zu bringen. Ich will diese Schlammschlacht.” Pearce hofft auf eine Mehrheitsentscheidung des konservativen Gerichtes zugunsten seines Gesetzes, um das Problem der illegalen Einwanderung ein für alle Mal zu lösen. Nun wächst der Druck auf Obama, sich des Themas anzunehmen. Mit Konjunkturpaket, Finanz- und Gesundheitsreform hat der Präsident jedoch bereits einen Großteil seines politischen Kapitals verbraucht. Es ist fraglich, ob die Kraft noch für ein weiteres Mammutprojekt reicht. Wahrscheinlicher ist, dass die US-Regierung die Richtungsentscheidung bei der Einwanderung dem Supreme Court überlässt.Der Oberste Richter John Roberts stellt mit den Juristen Samuel Alito, Antonin Scalia und Clarence Thomas den konservativen Block. Die Stimme des moderaten Richters Anthony Kennedy ist daher bei fast allen Abstimmungen die entscheidende. In 92 Prozent aller Urteile gab seine Meinung den Ausschlag. Vermutlich wird es auch beim Thema Einwanderung so sein.
Quelle: SZ
- Zu guter Letzt: Georg Schramm, Zorn
Quelle: YouTube