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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 18. Mai 2010 um 8:55 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Finanztransaktionssteuer; der Euro brennt; wie die Griechen über ihre Verhältnisse leben; die ersten Spartipps; auf lange Sicht sinkt die Zahl der Arbeitslosen; Hartz-Reform-Debatte; Lebensversicherung an Finanzinvestoren; die angebliche Gefahr von links; weniger Geburten; Das Tschernobyl der Ölindustrie; Mehrheit für Rot-Rot-Grün; Bologna-Konferenz; Klatsch und Tratsch statt Politik. (WL)

  1. Finanztransaktionssteuer
  2. Der Euro brennt
  3. Griechenlands Jugend: 500 Euro oder arbeitslos
  4. Spartipps aus dem Schulden-Land Hessen
  5. Prognos: Zahl der Arbeitslosen sinkt bis 2030 auf 2,3 Millionen
  6. ALG II: Die Stille nach der Mehrbedarf-Ernüchterung
  7. Verbände machen Vorschläge für die Neuberechnung der “Hartz-IV”-Regelsätze
  8. Bundesagentur-Mitarbeiter landen bei der Bundesagentur für Arbeit
  9. Lebensversicherung an Finanzinvestoren
  10. Krankenversicherung: Bürger befürchten sinkende Leistungen
  11. Bundesinnenminister stellt aktuelle Kriminalstatistik vor und suggeriert »Gefahr von links«
  12. Schwerer Verdacht gegen Aldi
  13. 2009: Weniger Geburten und Sterbefälle, Eheschließungen nahezu konstant
  14. Das Elbphilharmonie-Debakel war vorhersehbar
  15. Das Tschernobyl der Ölindustrie
  16. Mehrheit der Bürger für Rot-Rot-Grün in NRW?
  17. Erfolg mit Systemkritik
  18. Rüttgers – Landesvater auf Bewährung
  19. DGB schlägt Aktionsplan zur Reform des Bologna-Prozesses vor
  20. Bologna-Konferenz – Außer Spesen nichts gewesen
  21. Medienkritik: Klatsch und Tratsch statt Politik
  22. Am Ende: WM ohne Ballack

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Finanztransaktionssteuer
    1. Völlig unterschiedliche Urteile der Sachverständigen zur Finanztransaktionssteuer
      Die in mehreren Bundestagsanträgen geforderte Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist unter Fachleuten heftig umstritten. Auch über die von der Bundesregierung erwogene ”Bankenabgabe“ gaben die Fachleute in einer Anhörung des Finanzausschusses am Montag völlig unterschiedliche Urteile ab. So erklärte Professor Christoph Kaserer (TU München) zu den verschiedenen Anträgen der SPD-Fraktion, der Linksfraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/527, 17/518, 17/471, 17/1422), in denen die Einführung einer Transaktionssteuer gefordert wird, er lehne diese Steuer ab, da sie die Preisbildungseffizienzen der Märkte reduzieren würde. Die Ausweichaktivitäten seien nicht unter Kontrolle zu bringen. Die immer wieder als Vorbild angeführte Schweizer und die britische Stempelsteuer seien wegen ihrer Ausnahmen ”löchriger als ein Schweizer Käse“. Die Einführung einer solchen Steuer sei ”ein Experiment mit äußerst ungewissem Ausgang“.
      Die Deutsche Bundesbank teilte mit, die Steuer sei grundsätzlich geeignet, Transaktionen zu verteuern und damit deren Häufigkeit zu reduzieren. Es seien jedoch nicht nur spekulative Geschäfte, sondern auch Anlagen von Versicherungen und Investmentfonds betroffen. Falls eine globale Umsetzung nicht gelinge, sei von Ausweichreaktionen der Marktteilnehmer auszugehen. Die „Gruppe Deutsche Börse“ ergänzte in diesem Zusammenhang, die Steuer würde Anreize schaffen, noch stärker als bisher in die Nischen auszuweichen, die von der Steuer nicht erfasst seien.
      Beatrice di Mauro, Mitglied des Sachverständigenrates, erklärte, Ziele der Steuer seien das Erzielen von Einnahmen und die Verhinderung gesellschaftlich unerwünschten Verhaltens. Für beide Ziele sei die Steuer jedoch wenig geeignet. Sie sprach sich für die Einführung einer „Stabilitätsabgabe“ auf systemische Risiken aus. Die Deutsche Bank Research sah die Bankenabgabe hingegen als das geeignetere Mittel an. Damit werde Kapital geschaffen, um die Abwicklung systemischer Institute zu ermöglichen. Der Bankenverband zeigte ebenfalls Sympathien für die Bankenabgabe. Der Verband der Pfandbriefbanken sah erhebliche Probleme bei der Finanztransaktionssteuer.
      Dagegen bezeichnete Marit Schratzensteller-Altzinger vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschungen die Finanztransaktionssteuer als „unseren Favoriten“. Bei einem Steuersatz von 0,01 Prozent je Transaktion werde sie europaweit 80 Milliarden Euro einbringen, davon in Deutschland 12 Milliarden Euro. Die Steuer habe ein viel höheres Aufkommen als die von der Bundesregierung erwogene Bankenabgabe und habe Stabilisierungswirkungen gegen die kurzfristige Spekulation, was die Bankenabgabe nicht habe. Bei der Bankenabgabe sah Schratzensteller-Altzinger das Problem, dass sie wegen ihrer Versicherungswirkung (das Aufkommen soll in einen Fonds zur Bewältigung künftiger Krisen fließen) die Risikobereitschaft der Banken sogar noch erhöhe.
      Auch der Deutsche Sparkassen- und Giroverband sowie der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken befürworteten die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Eine Bankenabgabe werde sie als Kreditgeber des Mittelstands stärker treffen als die Finanztransaktionssteuer, betonten sie. Auch Professor Max Otte (Fachhochschule Worms) wies auf die Belastung der Sparkassen und Genossenschaftsbanken durch die Bankenabgabe hin. Dagegen habe die Finanztransaktionsteuer die gewünschte Lenkungswirkung. Je langfristiger angelegt werde, desto geringer falle die Belastung aus, sagte Otte.
      Professor Rudolf Hickel (Universität Bremen) wies Befürchtungen zurück, Kleinsparer könnten durch eine Finanztransaktionsteuer übermäßig belastet werden. Es gehe allein darum, die kurzfristige Spekulation durch die Steuer zu verteuern. Die Bankenabgabe lehnte Hickel mit dem Hinweis ab, sie bestrafe genau diejenigen Institute, die sich in der letzten Krise ordentlich verhalten hätten.
      Die österreichische Wirtschaftskammer bezeichnete die Finanztransaktionssteuer als fair, weil sie langfristiges Investment schone und kurzfristiges belaste. Wichtig sei auch, mit den Erträgen die Haushalte zu sanieren. ”Wir sind doch alle in Richtung Griechenland unterwegs – mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten“, sagte ein Sprecher der Kammer in der Anhörung. Der österreichische Finanzstaatssekretär Andreas Schieder erklärte, ein Signal des Bundestages für die Steuer könnte „den Durchbruch in dieser wichtigen Frage bedeuten“.
      Ganz anders argumentierte Professor Roland Vaubel (Universität Mannheim). Eine Steuer auf Transaktionen dämpfe nicht die spekulativen Kursausschläge, sondern verhindere Transaktionen, die Käufer und Verkäufer besser stellten. Damit sei außer dem Fiskus niemandem gedient. ”Spekulation ist eine volkswirtschaftlich nützliche Tätigkeit“, schrieb Vaubel, der eine Bankenabgabe als Versicherungslösung begrüßte, in seiner Stellungnahme.
      Quelle: Deutscher Bundestag
    2. IMK: Stellungnahme zur Finanztransaktionssteuer
      Von der Einführung einer Finanztransaktionssteuer kann sich die Politik eine „doppelte Dividende“ versprechen: Zum einen sollen durch die Besteuerung von Finanztransaktionen rein spekulative und gesamtwirtschaftlich unerwünschte Geschäfte eingedämmt werden. Gleichzeitig verbessern die Einnahmen aus der Steuer die Finanzierungsgrundlage für staatliche Aufgaben. Beides ist im Zuge der aktuellen Krise unabdingbar: Die Eindämmung zur Spekulation zur Verhinderung künftiger Krisen ebenso wie die Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der gegenwärtigen Krise. Eine Finanztransaktionssteuer kann hierzu aber nur ein Baustein sein, der eingebettet sein muss in ein makroökonomisches Gesamtkonzept und eine umfassende Regulierung des Finanzsektors.
      Quelle: IMK Policy Brief [PDF – 62 KB]
  2. Michael Schlecht: Der Euro brennt
    Es gibt zwei zentrale Gründe die zu einer deutlichen Zunahme der Verschuldung der Staaten führen.
    Außenhandelsungleichgewichte: Deutsche Unternehmer haben aufgrund des deutschen Lohndumpings seit 2000 einen Außenhandelsüberschuss von 1,3 Billionen Euro erzielt. Dies führte zu einer Verschuldung anderer Länder, was sich mittelbar auch in Gestalt von wach-senden Staatsdefiziten auswirkte. In Europa sind dies vor allem die Südländer. Deshalb geraten sie auch als erste ins Visier der Finanzmärkte.
    Verschuldungskrise: Hinzu kommt, dass die Verschuldung der großen Industriestaaten im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise dramatisch angestiegen ist. Allein in Deutschland geht die Hälfte der neuen Schulden von 180 Milliarden Euro seit 2008 auf das Konto der Bankenrettung. In anderen Ländern sieht die Lage viel dramatischer aus.
    Die Euro-Südländer haben ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren. Seit Jahren wird weniger exportiert, als das jeweilige Land importiert.

    Grafik: Michael Schlecht - Der Euro brennt

    Quelle: Michael Schlecht [PDF – 540 KB]

  3. Griechenlands Jugend: 500 Euro oder arbeitslos
    Die beruflichen Perspektiven für junge Griechen haben sich dramatisch verschlechtert. Ein Studium ist nicht länger eine Garantie für Arbeit. Viele denken daher an Auswanderung. Anders als früher exportiert Griechenland nun eine gut ausgebildete Jugend.
    “Heute verdienen Jungakademiker im Monat wenigstens noch 700 Euro”, sagt Helena. Ihre Generation befinde sich aber mit erwarteten 500 Euro auf dem Weg in die Armut. Ihr Kommilitone Yannis hatte sich daher an den Protesten der letzten Woche beteiligt. Er will in Griechenland bleiben, für eine bessere Zukunft kämpfen und gegen die verantwortungslose politische Kaste. Eine Tür lässt er sich offen: Auf seinen Knien liegt ein Lehrbuch für Spanisch. Mit Hilfe des Erasmus-Programms will er sich zumindest ein Bild von Spanien machen….
    Ein Studium ist nicht länger der Fahrschein für eine Mobilität nach oben, nicht mehr eine Garantie für Arbeit. Diese Garantie hat auch die andere Hälfte eines Jahrgangs nicht, die nicht studiert. Deren Zukunft ist wegen eines Mangels an praktischer Berufsbildung noch ungewisser.
    Die schwere Krise stellt zudem Errungenschaften der Vergangenheit in Frage. Studenten aus ländlichen Gebieten und unteren Gesellschaftsschichten von Universitäten wie Pantheon haben kaum mehr Aufstiegschancen. Auch Studenten von Ingenieursschulen, an denen Kinder der Mittelschicht studieren, finden in Griechenland immer weniger Arbeit. Eine Folge der Krise sei daher, dass die Mittelschicht fürchte, ihren Status und Lebensstandard nicht halten zu können, sagt Maloutas.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung J.A.: Bei 700 Euro im Monat für Universitätsabsolventen leben also die Griechen „über ihre Verhältnisse“.

  4. Spartipps aus dem Schulden-Land
    Mindestens 700 Millionen Euro wollen Koch und Weimar einsparen und so die Nettoneuverschuldung des Landes unter 3 Milliarden Euro drücken – bei einem Gesamtschuldenstand von fast 50 Milliarden Euro. Das werde “nicht ohne Heulen und Zähneklappern” zu realisieren sein, sagte Weimar.
    Kernstück der Sparpolitik von Koch und Weimar ist allerdings die “Neuordnung” des kommunalen Finanzausgleichs. Die von der Landesregierung beabsichtigte Kürzung der “Schlüsselzuweisungen” des Landes an Städte und Gemeinden um mehr als ein Fünftel komme angesichts der Finanzschwäche gerade der kleineren Gemeinden einem “Anschlag auf den ländlichen Raum” gleich, sagte der Landespartei- und Landtagsfraktionsvorsitzende der hessischen SPD, Thorsten Schäfer-Gümbel.
    Sollte es tatsächlich zu einer von Koch und Weimar beabsichtigen anteiligen Kürzung der Zuwendungen kommen, müssten die kreisangehörigen Kommunen mit einem Verlust von 183 Millionen Euro rechnen, die kreisfreien Städte mit 80 Millionen und die Landkreise mit 137 Millionen Euro weniger, so Schäfer-Gümbel weiter. Die Kommunen stünden schließlich jetzt schon mit dem Rücken zur Wand. Neue Kürzungen würden den Ausbau etwa von Kinderbetreuungsplätzen dann “spürbar verlangsamen”, das System kommunaler sozialer Leistungen würde “nachhaltig beeinträchtigt”.
    Quelle: taz

    Anmerkung WL: Machen wir uns nichts vor, Koch macht nur den Anfang. Solche Meldungen werden sich in nächster Zeit häufen. Und immer noch propagieren manche Steuersenkungen.
    Über die Gründe für diese „Sparpolitik“ wird schon gar nicht mehr nachgedacht.

  5. Prognos: Zahl der Arbeitslosen sinkt bis 2030 auf 2,3 Millionen
    Die Zahl der Arbeitslosen soll in Deutschland in den kommenden Jahren deutlich zurückgehen. Im Jahr 2030 dürften nach Berechnungen des Wirtschaftsforschungsunternehmens Prognos noch 2,3 Millionen Menschen ohne Job sein, berichtet das am Montag erscheinende Nachrichtenmagazin “Focus” unter Berufung auf den neuen “Deutschland Report” des Unternehmens. 2009 waren laut Bundesagentur für Arbeit im Jahresdurchschnitt 3,4 Millionen Menschen arbeitslos. Der Rückgang habe vor allem demografische Gründe. Bis 2030 wird sich die Zahl der Deutschen im erwerbsfähigen Alter den Berechnungen zufolge um knapp sechs Millionen reduzieren. Zugleich warnt Prognos vor einem möglichen Fachkräftemangel. Berechnungen der Experten zufolge könnten den Unternehmen im Jahr 2030 fünf bis sieben Millionen qualifizierte Mitarbeiter fehlen, wenn Deutschland nicht gegensteuert, etwa durch gezielte Zuwanderung oder eine höhere Erwerbs- und Bildungsbeteiligung.
    Quelle: Finanznachrichten

    Anmerkung WL: Es ist immer wieder faszinierend, wie sog. „Forschungsinstitute“ den Arbeitsmarkt in 20 Jahren vorhersagen können, obwohl niemand weiß, wie hoch die Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr sein wird. Woher wissen diese „Propheten“ eigentlich, wie hoch etwa die Frauenerwerbstätigkeit sein wird? Woher wissen sie, wie e in 20 Jahren mit der Dauer der Wochenarbeitszeit aussieht? Woher wissen sie, wie sich die Produktivität bis dahin entwickelt haben wird? Oder woher wissen sie eigentlich, welche Wirtschaftspolitik bis dahin eingeschlagen sein wird, die vielleicht für mehr Beschäftigung sorgen könnte.
    Solche Zahlen machen eigentlich nur den Sinn, die Bevölkerung darauf vorzubereiten, dass im Rahmen der zu erwartenden Sparmaßnahmen die Mittel für die Bundesagentur für Arbeit drastisch gekürzt werden dürften.

  6. ALG II: Die Stille nach der Mehrbedarf-Ernüchterung
    Der Hoffnung nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Thema Regelsätze ist Ernüchterung gewichen – dazu tragen auch die neuen Regelungen zum Mehrbedarf bei.
    Als das Bundesverfassungsgericht sich endlich zum Thema ALG II-Regelsätze äußerte, war die Hoffnung auf eine Erhöhung groß. Zwar hatten die Richter in Karlsruhe nicht entschieden, dass die bisherigen Regelsätze zu niedrig angesetzt waren, sondern sahen diese als nicht evident unzureichend an, jedoch wurde vielfach angenommen, eine genaue und nachvollziehbare Berechnung der Regelsätze könne automatisch nur zu einer Erhöhung führen. Ebenso große Hoffnungen wurden in die Mehrbedarfregelung gesetzt, die die Richter verlangt hatten. Ein Vierteljahr später wurde der Mehrbedarfskatalog abgesegnet und, zusammen mit den bisherigen Urteilen zum Thema, gibt wenig Anlass zur weiteren Hoffnung.
    Quelle: Telepolis
  7. Verbände machen Vorschläge für die Neuberechnung der “Hartz-IV”-Regelsätze
    Bei der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag waren sich die eingeladenen Experten uneinig, wie die Leistungen der Grundsicherung (”Hartz IV“) so umgestaltet werden können, dass sie dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Februar 2010 entsprechen. Grundlage der Anhörung waren zwei Anträge der SPD-Fraktion (17/880) sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/675).
    Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil festgestellt, dass die Regelungen zur Grundsicherung „nicht dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“ entsprächen. Das Gericht hatte insbesondere kritisiert, dass bei der Berechnung der Leistungen für Kinder deren spezifischer Bedarf nicht berücksichtigt worden sei. Der Regelsatz für Kinder müsste sich an „kindlichen Entwicklungsphasen und einer kindgerechten Persönlichkeitsentfaltung“ ausrichten, forderten die Karlsruher Richter.
    Andreas Kilbitz vom Deutschen Kinderschutzbund sagte in der Anhörung, dass sein Verband das sogenannte „Gutscheinmodell“ nicht unterstütze. Den Eltern werde ihre Verantwortung vorenthalten, wenn sie statt zusätzlichem Geld Gutscheine für die Förderung ihrer Kinder bekämen. Viele Studien würden zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der Eltern unter den Leistungsempfängern eher bei sich selber als bei ihren Kindern sparen würde. Dietrich Engels vom Institut für Sozialforschung mahnte, dass die Ausgabe von Gutscheinen zu einem größeren Verwaltungsaufwand führen würde. Jürgen Wuttke von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hingegen sah Gutscheine als eine Möglichkeit, um bedürftigen Kindern Zugang zu schulischen, kulturellen oder sportlichen Angeboten zu garantieren.
    Die Volkswirtin Irene Becker wies darauf hin, dass es bei der Berechnung der Regelsätze nach dem sogenannten „Statistikmodell“ keine Alternative zur ”Einkommens- und Verbrauchsstichprobe“ (EVS) des Statistischen Bundesamtes gebe. Um die Regelsätze zu ermitteln, werden dabei die Ausgaben von 20 Prozent der Haushalte mit dem niedrigsten Einkommen aus der Stichprobe erhoben. Da es keine anderen ähnlich breit angelegten statistischen Erhebungen gebe, müsste man sich an den Zahlen des EVS orientieren, sagte Becker. Die Familienrechtlerin Anna Lenze schlug jedoch vor, sich für die Berechnung der Kinder-Regelsätze nicht an den Ausgaben der Haushalte mit dem niedrigsten Einkommen, sondern an den Haushalten der Mittelschicht zu orientieren, um Kindern bessere Zukunftschancen zu ermöglichen.
    Heinz Hilgers vom Kinderschutzbund sagte, das Statistikmodell sei nur zur Ermittlung des Existenzminimums eines Kindes geeignet, aber nicht zur Ermittlung des Bedarfes für Schule und für die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes. Werner Hesse vom Paritätischen Gesamtverband sagte, dass nicht alle Leistungen zu pauschalen Regelsätzen zusammengefasst werden könnten. Wenn Familien durchschnittlich 2,50 Euro im Monat für Nachhilfe ausgäben, könnten Eltern mit diesem Pauschalbetrag trotzdem keine Nachhilfe finanzieren. Michael Löher vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge wies schließlich darauf hin, dass die Entscheidung über die Höhe der Regelsätze zwar durch eine gesellschaftliche Debatte oder eine unabhängige Expertenkommission unterstützt werden könne. Sie müsse aber auf politischer Ebene fallen.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  8. Bundesagentur-Mitarbeiter landen bei der Bundesagentur für Arbeit
    Arbeitsagenturchef Frank-Jürgen Weise warnt öffentlich vor den sozialen Folgen befristeter Stellen – doch in seiner Behörde bangen 23.000 Mitarbeiter um eine Vertragsverlängerung. Verstößt die BA massenhaft gegen ihre eigenen Prinzipien? Mitarbeiter klagen an.
    Quelle: Spiegel Online
  9. Lebensversicherung an Finanzinvestoren
    Mehrere Versicherungskonzerne sondieren zur Zeit den Verkauf ihrer deutschen Kundenbestände in der Lebensversicherung.
    Neben der Einstellung des Neugeschäfts kommen auch Verkauf an Wettbewerber oder Finanzinvestoren infrage: „Im besten Fall übernehmen wir noch in diesem Jahr den ersten Lebensversicherer“, sagte Thomas Schmitt, Vorstand des Frankfurter Finanzinvestors Augur Capital, der WirtschaftsWoche.
    Kunden der von Finanzinvestoren übernommenen Lebensversicherer drohen niedrigere Renditen. Investoren könnten Versicherten nur noch die von der Finanzaufsicht BaFin vorgeschriebene Mindestbeteiligung bezahlen.
    Quelle: Wirtschaftswoche
  10. Krankenversicherung: Bürger befürchten sinkende Leistungen
    Die Bevölkerung macht sich zunehmend Sorgen um ihre Krankenkassenbeiträge. Viele gesetzlich Versicherte rechnen mit spürbaren Leistungseinschnitten.
    Quelle: Focus

    Anmerkung M.B.: Aha. 56 Prozent der gesetzlich und 35 Prozent der privat Krankenversicherten befürchten Leistungskürzungen. Die Umfrage wurde im Auftrag des Verbandes der privaten Krankenversicherung durchgeführt. Was soll denn da bitte herauskommen. Und ist das überhaupt ein Artikel oder eine Mixtur aus Werbung und redaktioneller Begleitung? Wir finden keinen Namen einer/s Autoren/in oder einer/s Redakteurs/in. Als Garnitur finden wir das (von einer Bildagentur) gestellte Foto einer besorgt schauenden Patientendarstellerin, welches optisch die finanzielle Schieflage im deutschen Gesundheitswesen symbolisieren soll. Fehlen dürfen in diesem Zusammenhang nicht die gefühlten 500 Werbefensterchen von privaten Krankenversicherungsunternehmen.

  11. Bundesinnenminister stellt aktuelle Kriminalstatistik vor und suggeriert »Gefahr von links«
    Die wirkliche Sorge der Herrschenden hat der Innenminister schon bei der Erstvorstellung des Zahlenwerks formuliert: Dass »die gewaltbereite linke Szene ihre Aktionen mit Themen in einen Zusammenhang stellt, die auch Teile der friedliebenden Bevölkerung bewegen«. Der Spiegel zitiert einen Hamburger Verfassungsschützer mit den Worten, man hätte »angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Probleme« schon vor fünf Jahren »mit mehr extremistischer Gewalt rechnen müssen.« Dahinter steht die Angst, die friedliche Bevölkerung könnte sich in Zukunft mit mehr Nachdruck als bisher dagegen wehren, dass sie für die Kosten der neoliberalen Politik aufkommen soll. Deswegen wird alles, was auch nur ansatzweise nach sozialen Unruhen aussieht, als »extremistisch« diffamiert. Protest gegen Mieterhöhungen, Kriegseinsätze und Verarmung wird mit Neonazi-Verbrechen in einen Topf geworfen. De Maizières Kriminalstatistik ist ein Baustein in diesem Diffamierungskonzept.
    Quelle: junge Welt
  12. Schwerer Verdacht gegen Aldi
    Laut WDR wird gegen mehrere Manager des Discounters ermittelt. Unter anderem soll ein Bezirksleiter eine Mitarbeiterin zur Eigenkündigung gezwungen haben – weil sie längere Arbeitszeiten ablehnte.
    Anders als andere Discounter war Aldi bislang frei von Skandalen – doch das könnte sich jetzt ändern: Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach ermittelt offenbar gegen leitende Mitarbeiter von Aldi Süd wegen des Verdachts der Nötigung. Die Vorwürfe richten sich laut der WDR-Sendung “Aktuelle Stunde” unter anderem gegen einen Bezirksleiter.
    Peter Aldenhoff, Oberstaatsanwalt in Mönchengladbach, bestätigte am Montag dem WDR, dass es Ermittlungen gegen einen Bezirksleiter gebe. Er soll gemeinsam mit einem Leiter einer Mönchengladbacher Filiale eine Verkäuferin massiv unter Druck gesetzt haben. Die Mitarbeiterin sei nach eigenen Angaben dazu genötigt worden, entweder einen Aufhebungsvertrag oder eine Kündigung zu unterschreiben. Zuvor habe sich die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern geweigert, an einem Samstag deutlich länger als ursprünglich vereinbart zu arbeiten. Sie begründete dies mit der fehlenden Betreuung für ihre Kinder.
    Quelle: Spiegel Online
  13. 2009: Weniger Geburten und Sterbefälle, Eheschließungen nahezu konstant
    Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, ist nach vorläufigen Ergebnissen die Zahl der lebend geborenen Kinder in Deutschland im Jahr 2009 mit 651 000 Kindern gegenüber der vergleichbaren Zahl des Vorjahres zurückgegangen (– 3,6%). Das vorläufige Jahresergebnis liegt somit im Rahmen der Schätzung von etwa 645 000 bis 660 000 Geburten, die Destatis Anfang des Jahres auf Grundlage der bis dahin verfügbaren Angaben vorgenommen hatte (siehe Pressemitteilung 28/2010 vom 21.01.2010).
     Bei den Sterbefällen ergab sich im Jahr 2009 ein geringfügiger Rückgang um 2 000 Fälle oder um 0,2% auf 842 000. Damit wurden 2009 rund 190 000 weniger Kinder geboren als Menschen verstarben. 2008 hatte der Saldo aus lebend geborenen Kindern und Sterbefällen nach vorläufigen Ergebnissen – 168 000 betragen.
    Quelle: Statistisches Bundesamt

    Anmerkung J.A.: Wer möchte in diesen Zeiten auch noch Kinder in die Welt setzen?

    Schauen Sie einfach einmal, wo am wenigsten Kinder geboren werden:

    Grafik: Geburtenzahl in Deutschland sinkt dramatisch, Quelle: SPIEGEL Online
    Prognose für 2020: Rot zeigt steigende, blau fallende, grün stagnierende Einwohnerzahl.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Und nun vergleichen Sie einfach einmal, die ökonomische Situation mit der Entwicklung der Einwohnerzahl.

  14. Das Elbphilharmonie-Debakel war vorhersehbar
    Hamburgs Elbphilharmonie wird nicht nur der spektakulärste Konzertsaal Deutschlands, er ist schon der umstrittenste. Pünktlich zum Richtfest hat die Bürgerschaft einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Sie wird sich darin auch mit sich selbst befassen müssen. Schon jetzt ist klar: Das Debakel war absehbar …
    Einstimmig beschließen alle drei Rathausfraktionen den Bau der Elbphilharmonie.
    Drei Jahre später, Anfang dieses Monats, beschließen genau diese drei Fraktionen ebenso einstimmig und zusammen mit der hinzugekommenen Linken die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der den “größten Bauskandal in Hamburgs Geschichte”, so der designierte Ausschussvorsitzende Peter Tschentscher (SPD), untersuchen soll.
    Geklärt werden sollen unter anderem die Fragen, wie es zu den immensen Kostensteigerungen kommen konnte und ob das Parlament immer ausreichend informiert gewesen sei über den Stand der Dinge. Nicht zu klären hat der Ausschuss dagegen die Frage, warum sich keine der an den Elbphilharmonie-Beschlüssen beteiligten Fraktionen ausreichend sachkundig gemacht hat vor den Abstimmungen.
    Quelle: Die Welt
  15. Das Tschernobyl der Ölindustrie
    Tatsächlich erlebt die mächtige Branche in den USA ihre wohl schwerste Krise seit Jahrzehnten: Alle Genehmigungsverfahren für Tiefseebohrungen sind vorerst gestoppt. Acht Gremien untersuchen die Katastrophe im Golf, der Imageschaden für die Branche ist enorm. Trotzdem: Die Ölindustrie könnte am Ende dastehen wie die Wall Street nach dem Finanzcrash: Als lachender Verursacher, der Profit macht, während andere die Suppe auslöffeln …
    Doch ausgerechnet der jüngst von den Senatoren John Kerry und Joe Lieberman vorgelegte Entwurf für ein Klimagesetz könnte Big Oil jetzt helfen. Demnach sollen betroffene Staaten künftig ein Vetorecht erhalten, wenn 75 Kilometer vor ihren Stränden nach Öl gebohrt wird. Zugleich wird ihnen erstmals eine Beteiligung an Schürfabgaben in Höhe von 37,5 Prozent in Aussicht gestellt. Auch das US-Volk steht laut einer AP-Umfrage trotz der Giftbrühe im Golf eher aufseiten der Ölmultis: 50 Prozent fänden den Ausbau der Ölförderung vor den Küsten gut, nur 38 Prozent sind dagegen.
    Quelle: FR
  16. Mehrheit der Bürger für Rot-Rot-Grün in NRW?
    Nach Online-Umfragen scheint die von CDU und FDP geschürte Angst vor den Linksextremisten nicht mehr zu fruchten.
    In NRW scheint es derzeit auf eine rot-rot-grüne Koalition zuzulaufen, wenn die SPD über ihren Schatten springen kann, den sie in Berlin schon längst überwunden hat. Die Aversion der SPD-Altvorderen gegen die Abspalter und Newcomer aus dem Osten ist allerdings von ebenso großer Irrationalität wie Hochmut geprägt, wohingegen die Übereinstimmungen mit den Linken in vielen Fragen auf jeden Fall wesentlich größer als mit der FDP und Teilen der Union ist.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung WL: Bei der Frage, ob Rot-Rot-Grün in der Bevölkerung nach wie vor als Schreckbild gilt, sei an eine Allensbach-Analyse aus dem Jahre 2007 erinnert. Darüber berichtete damals die FAZ unter dem Titel „Der Zauberklang des Sozialismus“. Das Meinungsforschungsinstitut am Bodensee ist gewiss keiner großen Sympathien für die Linke verdächtig. Die verstorbene Chefin Elisabeth Noelle-Neumann war über Jahrzehnte Beraterin von Helmut Kohl. In der damaligen FAZ-Meldung heißt es etwa:

    „Seit 1991 stellt das Allensbacher Institut regelmäßig die Frage: „Halten Sie den Sozialismus für eine gute Idee, die schlecht ausgeführt wurde?“ Unmittelbar nach Erreichen der deutschen Einheit stimmten 30 Prozent der westdeutschen Bevölkerung der Aussage zu, 45 Prozent wiesen diese These von sich. In den neuen Bundesländern überwog dagegen von Anfang an die Annahme, dass der Sozialismus als solcher eigentlich eine gute Idee und nur seine Umsetzung gescheitert sei. Inzwischen haben sich die Westdeutschen langsam, aber beharrlich dem ostdeutschen Meinungsbild angepasst. Heute sagen 45 Prozent der Bürger in den alten Bundesländern, der Sozialismus sei eine gute Idee, die nur schlecht umgesetzt worden sei, nur noch 27 Prozent widersprechen. …
    Das erste Argument lautete: „Was die neue Partei Die Linke fordert, ist vollkommen weltfremd. Die stellen Forderungen auf, die den Wählern gefallen, aber nicht erfüllt werden können. Das halte ich für unseriös.“ Die Gegenposition lautete: „Die Linke schießt zwar manchmal mit ihren Forderungen über das Ziel hinaus, aber in vielen Punkten hat sie doch eigentlich recht.“ Die Bevölkerung zeigt sich in dieser Frage gespalten. 40 Prozent stimmen der ersten, 34 Prozent der zweiten Position zu. Dabei sagen relative Mehrheiten der SPD- und Grünen-Anhänger von 39 und 43 Prozent, die Linkspartei habe mit ihren Forderungen in vielen Punkten eigentlich recht…
    Wie tief die Linke in das Feld der SPD einbricht, erkennt man daran, dass Kompetenzen, die die Bevölkerung seit Jahrzehnten der SPD zugesprochen hat, heute zum Teil in mindestens gleichem Ausmaß der Linken zugeordnet werden. 44 Prozent meinen, die Linkspartei kümmere sich eher als die SPD um den Abbau sozialer Unterschiede zwischen Arm und Reich, nur 9 Prozent sehen das Thema besser bei der SPD aufgehoben.“

    Diese Analyse belegt, dass die Rote-Socken-Kampagne der CDU im NRW-Wahlkampf völlig an der Stimmung im Lande vorbeigegangen ist. Die Stigmatisierung der Linken ist eher ein Thema der Medien, als dass es bei der Bevölkerung noch verfangen könnte.

  17. Erfolg mit Systemkritik
    Es ist noch nicht einmal fünf Jahre her, dass PDS und WASG ihr waghalsiges Unterfangen begonnen haben, eine neue linke, gesamtdeutsche Partei zu schaffen. Schaut man heute auf das Ergebnis, verblassen sogar die Erfolge der Grünen beim Aufbau ihrer Partei in den 80er Jahren.
    Das Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen stellt sie womöglich vor die Entscheidung, in die erste Landesregierung in einem wichtigen westdeutschen Flächenstaat einzutreten. Hier zeigt sich übrigens, dass die sonst mit ideologischem Eifer geführte Debatte über eine Regierungsbeteiligung auch in einem so kritisch ausgerichteten Landesverband schnell pragmatische Züge bekommt, wenn die Frage des Mitregierens nicht nur theoretisch, sondern plötzlich sehr praktisch steht.
    Man kann den Sozialdemokraten nur raten, diese Option sehr ernsthaft zu prüfen und eine tragfähige Beziehung zu den ungeliebten Verwandten aufzubauen. Nichts spricht dafür, dass die Linke in absehbarer Zeit an Bedeutung verlieren könnte.
    Quelle: FR
  18. Rüttgers – Landesvater auf Bewährung
    Nach seinem Wahldebakel präsentiert sich Jürgen Rüttgers wieder als Regierungschef mit Zukunft. Doch selbst in der eigenen Partei gilt er als Mann der Vergangenheit.
    Erst wenn Rot-Rot-Grün keine Chance mehr hat, könnten Gespräche über eine Große Koalition zustande kommen. Und selbst in diesem Fall ist es mehr als fraglich, ob die Landes-CDU ihrem Vorsitzenden Rüttgers die Treue hält oder als Zugeständnis an die SPD und zum Machterhalt nicht doch ihren Ministerpräsidenten opfert. Schon im Wahlkampf wurden aus den Reihen der CDU vertrauliche E-Mails an die Presse lanciert, die Rüttgers in arge Bedrängnis brachten. Auf eiserne Solidarität kann Rüttgers deshalb nicht mehr zählen – anders als sein hessischer Amtskollege Roland Koch, der 2008 eine monatelange Hängepartie vor allem mithilfe seines eingeschworenen CDU-Landesverbandes überstanden hatte.
    In Nordrhein-Westfalen laufen sich dagegen bereits Integrationsminister Armin Laschet  und CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheid für die Rüttgers-Nachfolge warm. Als großer Wahlverlierer kann Rüttgers sich keine Machtworte leisten: Er entscheidet sich für Leisetreten auf der Stelle. Schließlich kann er so lange im Amt bleiben, bis im Landtag ein anderer eine Mehrheit findet.
    Quelle: FTD
  19. DGB schlägt Aktionsplan zur Reform des Bologna-Prozesses vor
    Der DGB fordert von Bund, Ländern und den Hochschulen einen konkreten Aktionsplan für eine Kurskorrektur bei der Bologna-Reform. „Die Umsetzung der Hochschulreform läuft schlecht. Überfrachtete Stundenpläne, teils gestiegene Abbrecherquoten und hohe Hürden auf dem Weg ins Ausland prägen heute den Alltag an den Hochschulen. Von einem echten Europäischen Hochschulraum sind wir noch Lichtjahre entfernt. Wenn Bologna nicht scheitern soll, brauchen wir eine grundlegende Kehrtwende – und nicht nur kleine Nachbesserungen“, erklärte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock mit Blick auf den heutigen Nationalen Bologna-Gipfel am Montag in Berlin.
    Quelle: DGB
  20. Bologna-Konferenz – Außer Spesen nichts gewesen
    Auf der Bolognakonferenz, zu der Bildungsministerin Dr. Anette Schavan für heute nach Berlin eingeladen hatte, wurde die Weiterentwicklung der Bologna-Reformen diskutiert. Nach kurzen Eingangsstatements durch VertreterInnen von Kultusministerkonferenz, Hochschulrektorenkonferenz, parteinahen Hochschulgruppen und dem freien zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) folgten Diskussionen zu den Schwerpunktthemen Studierbarkeit, Mobilität und Kompetenzentwicklung.
    Im Bereich der Studienfinanzierung wurde von Frau Schavan das Nationale Stipendienprogramm als „elternunabhängige Studienfinanzierung“ gepriesen. Schon bei den bisherigen Stipendienprogrammen zeigt sich, dass hauptsächlich StudentInnen, bei denen mindestens ein Elternteil einen Hochschulabschluss hat, gefördert werden. „Die Äußerungen von Frau Schavan sind der blanke Hohn.“ so Anja Graf-Gadow, Vorstandsmitglied im freien zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs). Sie erläutert weiter: „Ein zusätzliches Stipendienprogramm dient hauptsächlich der Förderung Weniger aus reichen Elternhäusern. Der richtige Weg im Sinne lebensbegleitenden Lernens ist ein Ausbau des Bafög hin zu einer
    herkunfts- und altersunabhängigen bedarfsdeckenden Studienfinanzierung, die als Vollzuschuss gewährt wird, um allen StudentInnen möglichst gleiche Chancen zu ermöglichen.“ Frau Dr. Wintermantel, HRK-Präsidentin, betonte einige Missstände in der Umsetzung der Bologna-Reformen. „Wenn die HochschulrektorInnen hinter den Äußerungen von Frau Wintermantel stehen, wären für die von ihr angesprochenen Probleme, wie zum Beispiel eine zu hohe Arbeitsbelastung für StudentInnen, unzureichende Qualitätssicherung oder schlechte Mobilität doch bereits Lösungsansätze erarbeitet worden.“ so Thomas Warnau, ebenfalls Vorstandsmitglied im fzs. Er betont weiterhin:
    „Entweder spricht Frau Wintermantel nicht für die RektorInnen, und damit ist die HRK vollständig delegitimiert, oder aber sie versucht nur die StudentInnen ruhig zu stellen, in dem vorgegaukelt wird die HRK habe die Probleme erkannt.“ Spürbare Ergebnisse hat die Bologna-Konferenz nicht erbracht. Zwar wurde auf gegenseitige Schuldzuweisungen verzichtet, allerdings fehlt von den hochschulpolitischen AkteurInnen ein klares Bekenntnis zu ihren Aufgaben und Pflichten. „Ein Zeitplan für die Behebung der gröbsten Mängel der Bologna-Reform steht noch aus. Einzig gegen eine generelle Anwesenheitspflicht haben sich alle ausgesprochen“ resümiert Anja Graf-Gadow und fährt fort: „Dass der Präsident der KMK die Konferenz auch noch frühzeitig verließ, zeigt den Unwillen der Länder sich mit den bildungspolitischen Problemen auseinander zu setzen.“ Auf der Bologna-Konferenz wurden wichtige Forderungen der StudentInnen wie beispielsweise die Studiengebührenfreiheit gar nicht erst behandelt.
    „Wir StudentInnen werden weiter offensiv für die Verbesserungen an den Hochschulen kämpfen. Da Gespräche offenbar Gespräche bleiben und keine Taten folgen, müssen die Proteste auch in diesem Semester fortgesetzt werden.“ so Graf-Gadow abschließend.
    Quelle: fzs
  21. Medienkritik: Klatsch und Tratsch, statt Politik
    In einer demokratisch verfassten Gesellschaft ist die Rolle des politischen Journalismus die eines kritischen Korrektivs. Was aber, wenn sich Journalisten von der Nähe zu den Mächtigen korrumpieren lassen? Leif Kramp und Stephan Weichert kritisieren die Verwahrlosung des Metropolenjournalismus.
    Die Protagonisten der Metropolenjournaille waren mehr an Klatsch und Tratsch interessiert als am trockenen politischen Tagesgeschehen. Hinzu kam ein fataler Hang zur Selbstdarstellung auf der Berliner Bühne – zum Beispiel im Restaurant “Borchardt” oder im “Café Einstein Unter den Linden”, wo Journalisten Politikern keine unbequemen Fragen mehr stellten, sondern sich mit ihnen bei einer Flasche Grand Cru trafen.
    “Es hängt vieles mit diesem Zusammengehen von Politik und Medien zusammen: Das ist einmal der Verlust von Nähe und Distanz. Also es gibt da kein Gefühl mehr, was so die richtige Äquidistanz ist zwischen Medien, also Journalisten und Politikern. Ein anderes Indiz ist, dass im Journalismus selbst sich einige Wortführer nach vorne katapultieren, auch an die Oberfläche kommen, durch eigene Prominenz sozusagen Politik kommentieren, auch selber Politik machen wollen.
    Quelle: DLF
  22. Am Ende: WM ohne Ballack
    Quelle: FR


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