NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Hinweise des Tages

Datum: 23. März 2010 um 8:43 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Heute unter anderem zu folgenden Themen: Bankenabgabe kein Ersatz für Finanztransaktionssteuer; IWF verkündet das Ende einer Ära in der Finanzwirtschaft; Hürden für die Sanierung von Grossbanken; Deutsche Kündigungsfristen verstoßen gegen Diskriminierungsverbot; Zu den arbeitsmarktpolitischen Vorschlägen der SPD; Abzocke-Vorwurf gegen AWO Neumünster; 5000 Pfund am Tag für Lobbyarbeit; CDU-Parteitag: Bloß nicht drüber reden; dreisteste Werbelüge; Obama und sein langer Weg; Irland in roten Zahlen; Folter weit verbreitet; Google zieht sich aus China zurück; nationales Stipendienprogramm; Sat1 spielt Bürgerkrieg; Reisen muss ich wieder lohnen. (KR/WL)

  1. Bankenabgabe kein Ersatz für Finanztransaktionssteuer
  2. IWF verkündet das Ende einer Ära in der Finanzwirtschaft
  3. Hürden für die Sanierung von Grossbanken
  4. EuGH: Deutsche Kündigungsfristen verstoßen gegen Diskriminierungsverbot
  5. Zu den arbeitsmarktpolitischen Vorschlägen der SPD
  6. Abzocke-Vorwurf gegen AWO Neumünster
  7. Viele Kritiker vermissen Kompetenz in Gesundheitskommission
  8. 5000 Pfund am Tag für Lobbyarbeit
  9. CDU-Parteitag: Bloß nicht drüber reden
  10. Die Wahl zur dreistesten Werbelüge
  11. Obama und sein langer Weg
  12. Grüne Insel in roten Zahlen
  13. Final destination Iran?
  14. Folter weiter stark verbreitet
  15. Google macht es richtig und zieht sich aus China zurück
  16. Petition: Nationales Stipendienprogramm
  17. “Die Grenze” – eine Verfassungsschutz-Seifenoper; Sat.1 spielt Bürgerkrieg
  18. Zu guter Letzt: Westerwelle-Reisen – denn Reisen muss sich wieder lohnen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Attac: Bankenabgabe kein Ersatz für Finanztransaktionssteuer
    Die im Spitzengespräch der Koalitionsfraktionen am Sonntagabend beschlossene Bankenabgabe stößt beim globalisierungskritischen Netzwerk Attac auf Kritik. “Bei dieser Abgabe handelt es nur um eine Konkursversicherung für Banken. Reguliert wird auf den Finanzmärkten dadurch gar nichts. Die Geschäfte können weiter laufen wie bisher”, sagte Detlev von Larcher vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis.
    “Die Bankenabgabe kann eine Finanztransaktionssteuer auf keinen Fall ersetzen.”
    Attac forderte die Bundesregierung auf, sich für die umgehende Einführung einer Finanztransaktionssteuer im Euro-Raum einzusetzen, statt mit der Diskussion über eine Bankenabgabe vom Kern des Problems abzulenken. Notwendig sei eine echte Regulierung der Finanzmärkte und die Umverteilung von Vermögen weltweit. Anders als die Bankenabgabe sei die Finanztransaktionssteuer ein wichtiger erster Schritt in diese
    Richtung: “Die Finanztransaktionssteuer macht riskante, kurzfristige Spekulation unrentabel und stabilisiert so die Finanzmärkte. Und die Finanztransaktionssteuer generiert hunderte Milliarden Euro Einnahmen, die weltweit zur Bekämpfung der Krisenfolgen, von Armut und Klimawandel genutzt werden können”, sagte Detlev von Larcher.
    Die von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vorgestellte Bankenabgabe verhindere dagegen weder künftige Krisen, noch beteilige sie die Banken an den Krisenkosten, die den Bürgerinnen und Bürgern aufgehalst werden. Der diskutierten Summe für die Bankenabgabe von einer Milliarde Euro pro Jahr stehen 80 Milliarden Euro gegenüber, die der Staat derzeit ausgibt, um die Krisenfolgen abzumildern.
    Quelle: attac
  2. Das Ende einer Ära in der Finanzwirtschaft
    In der Wirtschafts- und Finanzwelt finden selten Revolutionen statt, und sie werden oft erst rückblickend erkannt. Doch was am 19. Februar geschah, kann man getrost als das Ende einer Ära in der globalen Finanzwirtschaft bezeichnen. An diesem Tag veröffentlichte der Internationale Währungsfonds eine programmatische Mitteilung, die seine langjährige Position zu Kapitalverkehrskontrollen umkehrte. Steuern und andere Einschränkungen für Kapitalzuflüsse, schrieben die IWF-Ökonomen, können hilfreich sein, und sie stellen ein „legitimes Mittel“ im Instrumentarium der politischen Entscheidungsträger dar.
    Mit seinem Bericht hat der Fonds wohl den gesunden Menschenverstand wiederentdeckt, der ihm merkwürdigerweise zwei Jahrzehnte lang abhandengekommen war. Darin heißt es: „Die Logik legt nahe, dass entsprechend gestaltete Kontrollen von Kapitalzuflüssen“ andere Strategien „sinnvoll ergänzen könnten“. Noch im November letzten Jahres hatte der geschäftsführende Direktor Dominique Strauss-Kahn Brasiliens Bemühungen, gegen Zuflüsse von spekulativem „heißem Geld“ anzukämpfen, kritisiert und gesagt, er würde solche Kontrollen nicht „als Standardrezept“ empfehlen.
    Somit stellt die Mitteilung vom Februar einen überwältigenden Umschwung dar – näher kann eine Institution einem Widerruf nicht kommen, ohne zu sagen: „Tut uns leid, wir haben versagt.“
    Quelle 1: Project Syndicate
    Quelle 2: IMF STAFF POSITION NOTE [PDF – 950 KB]
  3. Hürden für die Sanierung von Grossbanken
    Internationale Gremien arbeiten seit vielen Jahren an einer Antwort – seit dem Ausbruch der jüngsten Finanzkrise mit mehr Nachdruck, aber noch nicht unbedingt mit viel mehr Erfolg. Der in dieser Woche publizierte Bericht des Basler Ausschusses für Bankaufsicht, dem Aufsichtsgremien von rund zwei Dutzend wichtiger Finanzplätze angehören, hinterlässt jedenfalls einen eher zwiespältigen Eindruck. Der Bericht macht deutlich, dass eine globale Übereinkunft über die einheitliche Abwicklung von Grossbankenkonkursen auf absehbare Zeit unrealistisch erscheint. Grund: Wenn es um Kontrolle und Kostenverteilung bei Sanierungen globaler Banken geht, weicht die Sonntagsschulrhetorik bezüglich «globaler Koordination» rasch kalten nationalen Interessen.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung WL: Das Verschieben von Regelungen auf die internationale Ebene ist gleichbedeutend mit dem Schieben auf die lange Bank. Da kann man dann – wie Kanzlerin Merkel trefflich vorführt – öffentlich populäre Forderungen und Drohungen aussprechen, um hinter verschlossenen Türen wieder alles zu blockieren.

  4. EuGH: Deutsche Kündigungsfristen verstoßen gegen Diskriminierungsverbot
    Die mit großer Spannung erwartete Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kücükdeveci (Urteil vom 19.1.2010, C-555/07) liegt nunmehr vor. Der EuGH entschied – wie von vielen erwartet – gegen die deutsche Regelung. Den Prüfungsmaßstab bilde “der jede Diskriminierung wegen des Alters verbietende allgemeine Grundsatz des Unionsrechts, wie er in der Richtlinie 2000/78/EG konkretisiert ist”. Der EuGH sieht in der Regelung des § 622 Abs. 2 S. 2 BGB eine Ungleichbehandlung, die auf dem Kriterium des Alters beruht. Eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung lehnen die EU-Richter ab.
    Quelle: JuraBlogs.com
  5. Zu den arbeitsmarktpolitischen Vorschlägen der SPD
    1. Engelen-Kefer: Die Korrekturen der Sozialdemokraten greifen zu kurz
      So ist bei der Schaffung gemeinnütziger Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose die Abkehr von den ausufernden 1-Euro-Jobs unabdingbar. Solange nicht klar geregelt ist, dass gemeinnützige Tätigkeiten nur mit tariflichen oder ortsüblichen Löhnen sowie sozialer Sicherung gefördert werden, bleibt dem Missbrauch, der mit 1-Euro-Jobs getrieben wird, weiterhin Tür und Tor geöffnet. Diese Verstärkung der Hartz-IV-Spirale nach unten für viele Langzeitarbeitslose muss abgestellt werden.
      Unverständlich ist, dass die entwürdigenden Regelungen zur Zumutbarkeit der von Langzeitarbeitslosen anzunehmenden Tätigkeiten nicht in die Korrekturen einbezogen wurden.
      Es reicht nicht aus, wenn in dem Programm der SPD zu Recht die Forderung des DGB nach Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro unterstützt wird. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition hat bereits sonnenklar gemacht, dass sie hierzu in keinem Fall bereit sein wird.
      Völlig unverständlich ist, wie “Fairness auf dem Arbeitsmarkt” mit 400- Euro-Jobs möglich sein soll. Die Hartz-Gesetze haben zu einer Explosion der Minijobs auf inzwischen 7 Millionen geführt, zwei Drittel davon für Frauen. Diejenigen, die erst einmal darin gefangen sind, kommen nicht mehr heraus.
      Quelle: taz
    2. IG Metall zu den arbeitsmarktpolitischen Vorschlägen der SPD: Schritte in die richtige Richtung – aber keine Abkehr von Hartz IV
      Unter dem Titel „Fairness auf dem Arbeitsmarkt“ hat das Präsidium der SPD ein Diskussions-Papier mit Vorschlägen zur Arbeitsmarktpolitik vorgelegt (Anlage 1). Das vom SPDPräsidium beschlossene Papier soll eine Debatte einläuten. Ein endgültiger Beschluss steht für den SPD-Parteitag im September an.
      In dem Papier werden eine Reihe begrüßenswerter Korrekturen der bisherigen Arbeitsmarktpolitik der SPD vorgeschlagen: So wird ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro und eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes I sowie die Ausweitung der Mitbestimmung gefordert.
      Zudem wird das Anliegen formuliert, gegen die massive Ausbreitung von Dumping-Löhnen vorzugehen. Wer aber Niedrig- und Armutslöhne eindämmen will, darf von Hartz IV nicht schweigen. Denn Hartz IV hat maßgeblich zu Niedriglöhnen, Lohnspreizung und zur weiteren Flexibilisierung des Arbeitsmarkts beigetragen. Eine Abkehr von Hartz IV ist in dem Papier – auch nach eigenem Bekunden des SPD-Vorsitzenden Gabriel – nicht angelegt. Das Papier enthält weder Forderungen zur Erhöhung der Regelsätze noch nach verbesserten Zumutbarkeitsregelungen. Zudem hält es keine deutliche Abkehr von 1-Euro-Jobs.
      Quelle: IG Metall [PDF – 29 KB]
  6. Abzocke-Vorwurf gegen AWO Neumünster
    Die aktuelle Diskussion um Hartz IV erregt zurzeit die Gemüter. Viele Arbeitslose wollen arbeiten, anstatt nur in den Tag hineinzuleben. Daher sind Ein-Euro-Jobs für viele attraktiv. Sie können arbeiten und vor allem haben sie die Hoffnung, in einen regulären Job hineinzurutschen. Eine Frau aus Neumünster bekam einen Ein-Euro Job – doch dann stellte sich heraus, dass die Arbeiterwohlfahrt, die sie beschäftigte, Geld mit ihr verdient hat.
    Quelle: NDR

    Anmerkung WL: Das „Regiegeld“ für die Ein-Euro-Jobber ist inzwischen für viele Kommunen, karitative Einrichtungen und auch Wirtschaftsunternehmen zu einer sprudelnden Einnahmequelle geworden. Dass zusätzlich noch der Lohn abgeschöpft wird, dürfte kein Einzelfall sein. Da kann man sich ausmalen, was passieren würde, wenn ein sog. „sozialer Arbeitsmarkt“ eingeführt würde.

  7. Viele Kritiker vermissen Kompetenz in Gesundheitskommission
    “Da ist ein Schrumpfkabinett am Wirken. Wenn man wirklich etwas ändern will, muss man sich mit Fachleuten zusammensetzen. Bei allem Respekt vor den Bundesministern – in der Kommission sitzt kein einziger Experte vom Fach”, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur dpa. Damit spricht sie nicht wenigen Kritikern, vor allem aus Fachkreisen der gesetzlichen Krankenversicherung, aus der Seele. Der Kommission, die am 17.3.2010 erstmals zusammengekommen war, gehören sieben Bundesminister an. Wohl keines der Mitglieder der Expertenkommission dürfte bislang mit dem Wesen und der Funktionsweise der gesetzlichen Krankenversicherung in Berührung gekommen sein.
    Quelle: Haufe online
  8. 5000 Pfund am Tag für Lobbyarbeit
    Eine verdeckte Recherche wenige Wochen vor Wahl enthüllt, dass mehrere Politiker der regierenden Labour-Partei käuflich sind Im Mittelpunkt steht der frühere Labour-Verkehrsminister Stephen Byers. Er sei „wie ein Taxi, das man mieten kann“, sagte er vor laufender Kamera gegenüber einem Reporter, der sich als Geschäftsmann ausgegeben hatte. Wie viel das kostet? „Normalerweise zwischen 3000 und 5000 Pfund am Tag“, sagt Byers in dem am Montag ausgestrahlten Programm des Senders Channel 4. Journalisten von „Sunday Times“ und Channel 4 gaben sich bei ihrer Recherche als amerikanische Lobbyisten aus. Nur die Tory-Politikerin Julie Kirkbride wurde argwöhnisch. Auch den ehemaligen Labour-Ministern Geoff Hoon und Patricia Hewitt wird vorgeworfen, sie seien gegen Geld bereit, Einfluss auszuüben. Byers brüstete sich vor der Kamera, ein Abkommen von Verkehrsminister Lord Adonis mit dem Zugbetreiber National Express beeinflusst zu haben, bei dem es um hunderte Millionen Pfund ging. Bei Wirtschaftsminister Lord Mandelson will er sich erfolgreich für eine Lebensmitteletikettierung eingesetzt haben, die dem Supermarktgiganten Tesco gefiel. Die Minister und die Firmen bestreiten diese Darstellung. Byers sagt, er habe nur angeben wollen, und strengte eine Untersuchung des Ethikausschusses des Unterhauses gegen sich an – um Forderungen der Oppositionsparteien zuvorzukommen. – Vermutlich am 6. Mai findet die Unterhauswahl statt. Wie sich das alles auswirkt, ist Wahlforschern ein Rätsel. Wird die notorisch geringe Wahlbeteiligung noch weiter fallen? Oder werden Briten die Wahllokale stürmen, um ihrer Wut Luft zu machen – durch Proteststimmen für Splitterparteien?
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Und es stellt sich die bange Frage: Wie wäre eine solche verdeckte Recherche hierzulande ausgefallen?

  9. CDU-Parteitag: Bloß nicht drüber reden
    Auf der Tagesordnung steht “Aussprache zur Rede der Vorsitzenden”. Und tatsächlich: “Wir haben bereits zwei Wortmeldungen”, kündigt CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe an. Leider möchte einer der beiden Anwärter dann aber doch nicht ans Mikrofon, und weitere Debatten-Interessenten gibt es nicht. Einerseits kommt die Konzentration auf den nordrhein-westfälischen Landesfürsten der Inszenierung der Veranstaltung durchaus entgegen, die vor allem den Parteifreunden an Rhein und Ruhr Rückenwind für die Landtagswahl verschaffen soll. Andererseits wundert man sich schon, dass Merkels Vortrag – anders als bei der Sitzung des Bundesausschusses vor fünf Monaten – so gar keine Reaktion hervorruft. Auch Gröhe ist zunächst irritiert, bevor ihm ein schöner Abschluss einfällt: “Lassen wir nicht drüber reden. Machen wir es einfach!” Das ist gut gesagt. Bloß weiß man nicht so ganz genau, was er damit meint. Der CDU-Vorsitzenden ist es nämlich wie schon in der Haushaltsdebatte des Bundestages erneut geglückt, stolze 36 Minuten zu reden, ohne die desolate Lage der Koalition einmal zu erwähnen und deren künftige Vorhaben auch nur anzudeuten. “Wir sagen es Euch nicht deshalb nicht, weil wir es nicht sagen wollen, sondern weil wir noch gar nicht wissen, wo wir Ende 2010 mit der wirtschaftlichen Situation stehen”, hat Merkel gesagt. Rüttgers matte Rede wird durch einige schrille Passagen unterbrochen, die aber auch keine Begeisterung auslösen. Allzu deutlich lassen Rüttgers übersteuerte Attacken auf die SPD, die “unser schönes Land” zu ihrem “Fußabtreter” machen wolle und deren Vorsitzender Sigmar Gabriel “hemmungslos, prinzipienlos und charakterlos” sei, die Nervosität beim Redner ahnen.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Das nennt man Angststarre. Bei Angst und Unbehagen in eine Angststarre zu verfallen, ist laut Forschungsergebnissen auf frühere Zeiten zurückzuführen, als ein stilles Ausharren auch gleichzeitig eine Lebensversicherung war. Denn durch diese Reaktion blieb man von einem möglichen Angreifer unbemerkt.

  10. Die Wahl zur dreistesten Werbelüge
    foodwatch verleiht zum zweiten Mal den „Goldenen Windbeutel“ für die dreisteste Werbelüge. Eine prominente Jury hat aus den elf Produkten, die seit dem Goldenen Windbeutel 2009 auf abgespeist.de vorgestellt wurden, fünf nominiert. Jetzt entscheiden Sie, wer die unrühmliche Trophäe überreicht bekommt!
    Quelle: foodwatch
  11. Obama und sein langer Weg
    Nach langem Streit beschließt das Repräsentantenhaus die Gesundheitsreform. Ein Sieg für Präsident Barack Obama. Alles andere wäre einer Katastrophe für ihn gleichgekommen. Politisch brauchte er den Erfolg. Sonst hätten er und seine Partei, die Demokraten, wenig vorzuweisen, wenn im Herbst der Kongress neu gewählt wird. Wie sehr die Reform den Demokraten bei den Wählern indes wirklich helfen wird, ist keineswegs ausgemacht. Zu erbittert wurde die Diskussion geführt, als dass sich die aufgewühlten Gemüter schnell wieder beruhigen ließen. Noch lehnt eine Mehrheit der Bevölkerung die Reform ab. Der Präsident hofft, dass die Amerikaner die Vorzüge der Reform erkennen werden, nun da sie eingeführt wird. Dabei ist die Reform von der Sache her zwingend geboten. Es ist ein Skandal, dass ein Sechstel aller Menschen in den Vereinigten Staaten ohne Krankenversicherung auskommen muss. Das bedeutet nur allzu oft, dass sie erst zum Arzt gehen, wenn es zu spät ist. Oder aber, dass Krankenkassen sich Patienten einfach entledigen, deren Behandlung ihnen zu teuer wird. Mit beiden Missständen räumt diese Reform auf. Und wenn die Berechnungen stimmen, wird sie auch die Kosten des ausufernden amerikanischen Gesundheitswesen eindämmen.
    Die Republikaner werden versuchen, sie im Wahlkampf auszuschlachten. Konservative Gouverneure wollen gegen die Reform klagen und deren Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen. Obama darf indes die kommenden Wochen und Monate nicht darauf verwenden, die richtige und so wichtige Reform zu verteidigen. Er wird seinen Kritikern nur mit einem den Wind aus den Segeln nehmen können: Wenn er sich ohne Wenn und Aber erkennbar auf die Ankurbelung der US-Wirtschaft und die Schaffung neuer Arbeitsplätze konzentriert. Wenn ihm das gelingt, kann er hoffen, dass irgendwann die Mehrheit der Amerikaner die Notwendigkeit der Reform einsieht. Aber nur dann.
    Quelle: SZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Wahrscheinlich können wir gar nicht ermessen, was Barack Obama gelungen ist. Zumal wir Deutsche gerade auf dem umgekehrten Weg sind. Statt in diesen schwierigen Zeiten Solidarität zu stützen, betreibt Schwarz/Gelb Klientelpolitik, indem durch die Kopfpauschale Wohlhabende entlastet werden und Gesundheitsbeiträge von den Löhnen zugunsten der Unternehmer entkoppelt werden. Während die US-Demokraten partikularen Interessen eine Abfuhr erteilt haben, und das in einem Land, das kaum wie ein anderes der Vorstellung anhängt, dass jeder seines eigenes Glückes Schmied sei, fallen wir auf Rattenfänger herein, die den Egoismus einer saturierten Klasse als Eigenverantwortung verkaufen. Obama hat jenseits aller Debatten um den Krieg in Afghanistan, der andauernden Krise im Nahen Osten ein globales Zeichen gesetzt, die USA ist keine Ellenbogengesellschaft. – Und Obama lässt nicht locker, konzentriert sich bereits auf das zentrale aktuelle Problem: die Arbeitslosigkeit.

    Aber:

    Nächste Hürde für Obamas Gesundheitsreform steht bevor
    Nach dem Triumph am Wochenende steht Obamas Gesundheitsreform bereits die nächste Hürde bevor. Bis zu den Zwischenwahlen im November muss Obama den Wählern in den USA seine Gesundheitsreform näherbringen. Sollten die USA Obama die Gesundheitsreform nicht abkaufen, stünd den Demokraten eine katastrophale Wahl bevor.
    Mit dem Verlust der Senatorenwahl in Massachusetts und einer Reihe aus dem Kongress ausscheidender Parteifreunde haben die Demokraten bereits schwer gelitten. Und die Zeit scheint reif dafür, dass das Wahlvolk der Regierungspartei einen Denkzettel verpasst: Die Wähler sind sauer. Sie hassen Washington. Sie mögen Amtsinhaber nicht. Am meisten Sorgen machen ihnen die Wirtschaftslage und die Arbeitslosigkeit von beinahe zehn Prozent. Und sie sind geteilter Meinung darüber, ob Obamas Gesundheitsreform gut ist für ein Land mit enormem Haushaltsdefizit und wachsendem Schuldenberg.
    Quelle: Focus

  12. Grüne Insel in roten Zahlen
    Irlands Verschuldung hat sich innerhalb von vier Jahren vervierfacht, das Wachstum brach um über 7 Prozent ein. Die Regierung kürzt nun beim Geld für Kinder, Arbeitslose und Beamten. Die Europäische Kommission prognostiziert, dass sich die irische Staatsverschuldung, die 2007 noch 25,1 Prozent des BIP betrug, bis 2011 auf 96 Prozent beinahe vervierfachen wird. Das wäre exakt der Stand von 1990, als der Boom langsam Fahrt aufnahm.
    Quelle: TAZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Auch wer die Nachhaltigkeit des irischen Wunders bezweifelt hat, registriert mit Bestürzung, dass Irland sich wieder dem Zustand nähert, der vor Beginn des Booms herrschte. Seinerzeit hatte Irland den Dumpingwettbewerb der Steuersysteme in Europa gewonnen. Mit einem Körperschaftsteuersatz von nur 10 Prozent und weiteren Anreizen (kostenlosen Grundstücken, Planungsfreiheiten und damals noch billigen Arbeitskräften) wurden in den 90er Jahren zahlreiche ausländische Investoren angelockt, etwa die Hälfte kamen aus den USA. Als englischsprachiges Mitglied der EU und sicherer Kandidat für die Währungsunion bot Irland nichteuropäischen Firmen einen idealen Brückenkopf zum europäischen Binnenmarkt. Hinzu kam, dass der europäische Steuerzahler in den besten Zeiten mit etwa 7% des BIP den irischen Staat entlastete, damit dieser u.a. in Dublin mit rund 800 Finanzeinrichtungen eine klassische Steueroase einrichtete, welche von international operierenden Unternehmen genutzt werden. Zusammen mit IBM, Intel, Hewlett-Packard, Apple, Dell, Lufthansa, diversen Callcenter u.a. sorgten sie für Wachstum, Jobs und Konsum – und für eine beispiellose Immobilienblase, die nun geplatzt ist und die irischen Banken in den Abgrund gerissen hat. IBM, Apple, Hewlett-Packard, Dell und andere Unternehmen reduzierten in der Krise ihre Belegschaften, wenn sie nicht gar in Richtung Osteuropa weiter zogen. Die meisten dieser ausländischen Unternehmen waren und sind kaum in der irischen Volkswirtschaft verankert, nicht auf sie angewiesen und deshalb hoch volatil. – Das irische Wunder wird sich nicht wiederholen.

  13. Final destination Iran?
    Hundreds of powerful US “bunker-buster” bombs are being shipped from California to the British island of Diego Garcia in the Indian Ocean in preparation for a possible attack on Iran.
    Quelle: heraldscotland.com
  14. Folter weiter stark verbreitet
    Der Sonderberichterstatter über Folter, Manfred Nowak, hat dem Uno-Menschenrechtsrat seinen Bericht nach fünf Jahren der Nachforschungen über staatliche Tortur und Misshandlungen vorgelegt. Er spricht von einem weltweiten Missstand; Folter werde in vielen Ländern und im grossen Stil angewendet. Unter den 147 Unterzeichnerstaaten der Anti-Folter-Konvention hätten nur sehr wenige deren Empfehlungen wirksam durchgesetzt. In der «Mehrzahl der Staaten» sei Folter weit verbreitet, und viele Gesellschaften praktizierten Folter als tägliche Routine zur Bekämpfung von gewöhnlichen Straftaten sowie des Terrorismus oder anderer politischer Verbrechen. Die Haftbedingungen in den meisten Ländern seien zudem schlecht und müssten vielfach als grausam, unmenschlich oder erniedrigend beschrieben werden. Aus dem Bericht spricht einer, der mit den eigenartigen Auswirkungen der Folter bestens vertraut ist, etwa wenn er in eine indonesische Polizeistation mitten in eine Foltersitzung hineinplatzt und das Opfer, das sichtbare Schlagspuren im Gesicht trägt und mit Handschellen an einen Stuhl gefesselt ist, schreckensbleich beteuert, es sei hier zu einem reinen Freundschaftsbesuch bei dem Polizeibeamten.
    Als wichtigste Abhilfe nennt Nowak die Abschaffung «des umfassenden Klimas der Straflosigkeit» für die Folterknechte «in fast allen besuchten Ländern». Er erinnert daran, dass Folter kraft der entsprechenden Konvention völlig – und ohne mögliche Einschränkungen für besondere Situationen – verboten ist. Deshalb wären alle Beamten, Gefängniswärter, -ärzte und Justizvertreter von Amtes wegen verpflichtet, jeden Fall von Folter anzuzeigen, damit eine Untersuchung und die Bestrafung der Urheber in Gang kommen. Das Gegenteil ist nach Nowak fast überall die traurige Realität. Ein weiteres Gegenmittel ist die Nichtzulässigkeit von unter Folter erpressten Geständnissen vor Gericht, weil damit eine der wesentlichen Motivationen für die Misshandlung, das Erzwingen eines raschen Geständnisses, hinfällig würde. Zum Rest gehörte dann der unabdingbare Zugang der Untersuchungshäftlinge zu Richtern, zu Anwälten, forensischen Ärzten und anderem Beistand. Schliesslich unterstreicht Nowak, dass eine intensive Betreuung der Folteropfer für lange Zeit unabdingbar sei, weil die Misshandlungen tiefe physische und seelische Narben hinterliessen.
    Quelle 1: NZZ
    Quelle 2: United Nations [PDF – 135 KB]

    Anmerkung Orlando Pascheit: Wann immer man solche Berichte liest, wird geradezu schmerzhaft zu klar, welch ungeheure Diskrepanz zwischen den Ansprüchen einer verbindlichen Menschenrechtsgesetzgebung und der Realität besteht. Wie sehr der politische Wille fehlt, die Menschenrechte ernst zu nehmen. Wir haben mit der WTO ein Welthandelsregime installieren können, dem sich fast alle Staaten unterwerfen und sind so unfähig, auch nur die gröbsten Menschrechtsverletzungen zu sanktionieren. Aus Menschen sind Händler geworden. Die Heilsbotschaft heißt: Die “unsichtbare Hand” des Marktes regelt alles, bis hin zur schlimmsten Ungerechtigkeit. Man muss sie nur konsequent walten lassen. – Das hätte sich Adam Smith nicht träumen lassen.

  15. Google macht es richtig und zieht sich aus China zurück
    Die chinesische Regierung bekämpft den Internetkonzern Google zu Unrecht als Instrument der US-Politik. Das Unternehmen reagiert klug und zieht sich aus Protest gegen die Zensur aus China zurück.
    Quelle: Weltwoche
  16. Petition: Nationales Stipendienprogramm
    Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP sieht vor, zehn Prozent der Studierenden mit einem einkommensunabhängigen „nationalen Stipendium“ von 300 Euro monatlich zu fördern sowie analog das Büchergeld für die StipendiatInnen der Begabtenförderungswerke auf 300 Euro anzuheben.
    Wir begrüßen ausdrücklich den erklärten Willen der Bundesregierung, die Begabten- und Bildungsförderung in Deutschland zu stärken. Gleichzeitig halten wir die bisher bekannt gewordenen Pläne vor dem Hintergrund der bestehenden Bildungsungerechtigkeit in Deutschland für unverhältnismäßig und den Umständen unangemessen, da sie nicht zu einem Abbau der vorhandenen Schieflage führen.
    Wir setzen uns daher für eine moderatere Erhöhung des Büchergeldes ein. Außerdem sprechen wir uns dafür aus, das „nationale Stipendienprogramm“ im Einklang mit dem Begabungsbegriffs des BMBF, der über das reine Leistungskriterium hinausgeht, so auszugestalten, dass die soziale Selektion in unserem Bildungssystem weder gefestigt noch verschärft wird.
    Begründung:

    1. Die Verkürzung des Begabungsbegriffs auf die fachliche Leistung klammert individuelle Faktoren wie lebenslaufbedingte Hürden, gesellschaftliches Engagement oder Verantwortungsbereitschaft aus. Verbindliche Vorgaben zur Gestaltung der Auswahlarbeit an den Hochschulen, die einer sozialen und fachlichen Verengung des Spektrums der Geförderten entgegen wirken, liegen bisher nicht vor.
    2. Die Struktur des deutschen Bildungssystems begünstigt Kinder aus bildungsnahen und einkommensstarken Familien; gleiches gilt für die Förderung der Begabtenförderwerke, die zumeist Studierenden mit einem entsprechenden Hintergrund zugute kommt (HIS-Bericht 4/2009). Ein einseitiger Ausbau der Begabtenförderung würde diesen Trend verschärfen.

    Quelle: Petition Online

    Anmerkung des Stipendiat/innen-Rats der Hans-Böckler-Stiftung: Es handelt sich bei den neuen Strukturen der Studienförderung um ein weiteres Element im Prozess der staatlichen Elitisierung des Bildungswesens, um einen weiteren massiven Selektionsprozess, mit dem sich das Bürgertum den Umverteilungsprozess von unten nach oben sichern möchte.
    Wir sprechen uns entschieden dagegen aus und fordern kritische, freie und demokratische Bildung für Alle, unabhängig von Staatsbürgerschaft und sozialer Herkunft!

  17. “Die Grenze” – eine Verfassungsschutz-Seifenoper; Sat.1 spielt Bürgerkrieg
    Ist Katja Riemann womöglich die bessere Angela Merkel? Zumindest spielt die ehemalige, allerdings eher schmalbrüstige Diva-Darstellerin der Neunziger nun in Roland Suso Richters Sat.1-Zweiteiler“Die Grenze“, der am Montag und Dienstag um jeweils 20.15 Uhr ausgestrahlt wird, die Bundeskanzlerin. Schaut dabei aus eben wie die Merkel und weiß, soweit das in dieser zutiefst undankbaren Rolle überhaupt möglich ist, zu gefallen.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung MB: Eigentlich wäre dieses Machwerk weder aus filmischen noch aus inhaltlichen noch aus (abgesehen von zwei, drei Ausnahmen) schauspielerisch auch nur eine Silbe wert, wenn:

    • der Film nicht mit der Abspaltung von Mecklenburg-Vorpommern als sozialistische Volksrepublik unter linker Herrschaft enden würde
    • die sozialistische Volksrepublik nicht als hoch verschuldetes sozialistisches Paradies einen Einreisestop in die dortigen Sozialsysteme verhindern und eine Grenze aufbauen würde.
    • nicht bei Bundeskanzlerin Katja Riemann (!!!) er Präsident der Arbeitgeberverbände in einer Sitzung auftreten und vom Niedriglohnparadies Mecklenburg-Vorpommern vor der eigenen Haustür schwärmen dürfte, in das dann die teuren deutschen Arbeitsplätze ausgelagert werden könnten.
    • angebliche Nachrichtenszenen (u.A. Original-Straßenschlachten vom G8-Gipfel in Rostock / Heiligendamm) auf einem fiktiven Nachrichtenkanal laufen würden und nicht mit Einblendungen und Mikrofonen und wahrscheinlich auch Moderatoren des echten Nachrichtensenders N24
    • nicht ein TV-Duell zwischen dem rechten und dem linken Spitzenkandidaten laufen würde, dort nicht Polit-Plaudertasche Sabine Christiansen als Polit-Plaudertasche Sabine Christiansen auftreten würde und sich bis in alle Ewigkeiten als Journalistin disqualifizieren würde
    • der Quatsch nicht wenige Wochen vor einer bedeutenden Landtagswahl laufen würde.
  18. Zu guter Letzt: Westerwelle-Reisen – denn Reisen muss sich wieder lohnen
    Quelle: YouTube


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=4890