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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 16. Dezember 2009 um 8:55 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Kompensation zu Lasten der Bildung; Nachholbedarf im Öffentlichen Dienst; Klientelpolitik für Pharmakonzerne; Familienministerin Köhlers dürftiges Werk; Ackermanns Hohn; Abzocke statt Beratung; Leiden an der Arbeit; Miegels düstere Zukunft; der Sumpf der hessischen Finanzverwaltung; Justizministerin sperrt Internetzugang; Studiengebühren eine Barriere; Beruhigungspille Bildung; Krieg der Kanzlerin; die Überlebenden von Guantánamo; Focus feuert Rüttgers-Kritiker. (MB/WL)

  1. Kreatives Kompensieren
  2. Öffentlicher Dienst: Unterdurchschnittlicher Anstieg der Tarifverdienste
  3. Schwarz-Gelb macht Klientelpolitik für Pharmakonzerne
  4. Familienministerin Köhlers Doktorarbeit “Gerechtigkeit als Gleichheit?“ – eine mustergültige Typ-II-Arbeit
  5. Entflechtung als Abschreckung
  6. Der Hohn des Josef Ackermann
  7. Abzocke mit Provision
  8. Wall Street will sich von Washington-Diktat befreien
  9. Aufregung um Boni-Steuer – Londoner Banker verzocken sich
  10. Leiden an der Arbeit
  11. Meinhard Miegel: “Das eigentliche Problem ist die Vorstellung, dass es in jedem Jahr mehr sein muss”
  12. Hessische Finanzverwaltung: Verräterische Liste
  13. Justizministerium sperrt WDR.de – Ministerin sieht keine Zensur
  14. HIS-Studie: Studienberechtigte 2008 – Studien- und Ausbildungswahl ein halbes Jahr nach Schulabgang
  15. Ende des Aussortierens
  16. Christoph Butterwegge: Beruhigungspille Bildung
  17. Interview zur Kundus-Affäre: “Die Fehleinschätzung lag im Kanzleramt”
  18. Krieg der Kanzlerin
  19. Irak-Krieg: Blair wollte Saddam einfach nur loswerden
  20. Bleibende Schäden: Die Überlebenden von Guantánamo
  21. Focus feuert Rüttgers-Kritiker
  22. Aus Empörung – Ex-SWR-Intendant Voß tritt aus CDU aus

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Kreatives Kompensieren
    Damit die Bundesländer dem Milliarden-Steuerpaket der Koalition zustimmen, soll auf Kosten der Bildung gespart werden: Durch diverse Finanztricks könnten die Bildungsausgaben der Länder schöngerechnet werden. Geht es nach den Vereinbarungen einer Strategiegruppe von Kanzleramt, Bundesministerien und Staatskanzleien, dürfen die Bundesländer mit fiktiven Mietzahlungen für die Liegenschaften von Schulen, Hochschulen und Kindertagesstätten künftig die Statistik ihrer Bildungsausgaben schönrechnen. Ohne reales Geld zusätzlich auszugeben, käme die öffentliche Hand dem Ziel näher, 10 Prozent des jährlichen Sozialprodukts für Bildung und Forschung auszugeben. “Bund und Länder gehen davon aus, dass kalkulatorische Unterbringungskosten in Höhe von 10 Milliarden Euro pro Jahr auf das 10-Prozent-Ziel angerechnet werden können”, heißt es in dem Papier der Strategiegruppe, die sich aus Vertretern von Bundesregierung und Ministerpräsidenten zusammensetzt. Die Kultusministerien der Länder waren nicht beteiligt.
    Quelle: TAZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Vor allen Augen wird der Bürger betrogen, aber macht sich der Bürger die Mühe hinzuschauen? Schreien die Zeitungen Betrug, Verrat, Wortbruch?

  2. Öffentlicher Dienst: Unterdurchschnittlicher Anstieg der Tarifverdienste
    Die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich langsamer verlaufen als in den meisten anderen Branchen. Dies geht aus einer Analyse des WSI-Tarifarchivs in der Hans-Böckler-Stiftung hervor. Seit dem Jahr 2000 sind die Tarifvergütungen im öffentlichen Dienst in den alten Bundesländern nominal um 17 Prozent gestiegen, in der Gesamtwirtschaft dagegen um 21,4 Prozent und in einzelnen Branchen der Privatwirtschaft um bis zu 27,4 Prozent (Metallindustrie). Die etwas stärkeren Tarifsteigerungen der Jahre 2007 bis 2009 haben den Rückstand des öffentlichen Dienstes nicht wettmachen können (siehe Grafik in der pdf-Version dieser Pressemitteilung; Link unten). Die Berechnungen basieren auf dem jährlichen Anstieg der Tarifverdienste einschließlich Pauschal- und Einmalzahlungen.
    Quelle: Böckler [PDF – 40.8 KB]
  3. Schwarz-Gelb macht Klientelpolitik für Pharmakonzerne
    Das globalisierungskritische Netzwerk Attac wirft der schwarz-gelben Regierungskoalition vor, Klientelpolitik im Interesse der Pharmakonzerne zu machen und die Kosten auf die gesetzlich Krankenversicherten abzuwälzen. Anlass für die Kritik ist die gestrige Ankündigung des gesundheitspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, die Überforderungsklausel, nach der eine Krankenkasse einem Mitglied maximal ein Prozent seines Verdienstes zusätzlich abverlangen darf, könne nicht bestehen bleiben. Gleichzeitig plant die Bundesregierung die Ablösung von Peter T. Sawicki als Leiter des “Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen” (IQWiG).
    “Beides sind zwei Seiten derselben Medaille: Sawicki ist einer der effektivsten Kostendämpfer im Gesundheitswesen, indem er massiven Druck auf die Pharmaindustrie ausübt. Wenn er geschasst wird, steigen die Pharmakosten weiter. Auffangen sollen dies die Geringverdiener unter den gesetzlich Versicherten durch einen höheren Zusatzbeitrag”, sagte Manfred Baberg von der bundesweiten Attac-Arbeitsgruppe Soziale Sicherungssysteme.
    Quelle: attac
  4. Familienministerin Köhlers Doktorarbeit “Gerechtigkeit als Gleichheit?“ – eine mustergültige Typ-II-Arbeit
    Kristina Köhler hat untersucht, in welchem Umfang die vertretenen Grundwerte der CDU-Bundestagsabgeordneten deckungsgleich sind mit denen der einfachen CDU-Mitglieder.
    Das Ergebnis der Arbeit ist … eindeutig: Frau Köhler resümiert nach 650 ausgewerteten Fragebögen und viel empirischer Interpretationsarbeit:
    “Die CDU-Mitglieder scheinen also mit überwältigender Mehrheit bereit zu sein, für einen größeren Wohlstand aller oder auch eines Teils der Bevölkerung mehr soziale Ungleichheit hinzunehmen. Eine Nivellierung nach unten, eine Schlechterstellung der Bessergestellten um einer egalitäreren Verteilung willen, lehnen sie mit großer Mehrheit ab.”
    Die Bundestagsabgeordneten hingegen, so die Autorin, vertreten viel stärker egalitäre, also gleichmacherische Grundideen als die einfachen Parteimitglieder, deren Weltbild sich offenbar immer noch auf die Kurzform “Freiheit statt Sozialismus” bringen lässt. Diese Feststellung darf man wohl getrost als einen Appell an die CDU-Mandatsträger im Bundestag verstehen, die Sozialdemokratisierung aus der Zeit der Großen Koalition hinter sich zu lassen und wieder ins wirtschaftsliberale Lager einzurücken. Wer sich bis zum Ende durchgekämpft hat, der begreift, dass die ganzen 303 Seiten der Dissertation von Frau Dr. Köhler eigentlich nichts weiter sind als eine Aufforderung an die CDU, ihre neoliberale Programmatik von 2005 zu reanimieren. Der Firnis der Wissenschaft kann diese Botschaft kaum überdecken.
    Quelle: DFL Andruck
  5. Abschreckung
    Zum Werkzeugkasten des starken und selbstbewussten Staats muss gehören, dass er das Recht hat, Unternehmen zu zerschlagen, wenn sie zu mächtig geworden sind. Denn die Folgen von zu viel Marktmacht sind für die Volkswirtschaft katastrophal. Die Bürger werden geschröpft, viel Geld wird in die Taschen von Aktionären geleitet. In den USA gibt es die entsprechenden Bestimmungen seit 100 Jahren. Jetzt will Wirtschaftsminister Rainer Brüderle die Entflechtungsparagraphen im deutschen Wettbewerbsrecht nachtragen. Das ist überfällig. Die Botschaft hört der Freund des Wettbewerbs wohlwollend, allein der Glaube an wirksame Bestimmungen fehlt. In den USA ist das Gesetz massiv entwertet worden. Brüderle hofft auf den Abschreckungseffekt, dass es reicht, den Großen die Instrumente zu zeigen. Wenn er sich da mal nicht täuscht. Die mächtigsten Konzerne sind hierzulande vor allem Energieversorger. Und die haben bislang eher den Politikern vorgeschrieben, wie sie Energiepolitik zu machen haben, als umgekehrt.
    Quelle: FR
  6. Der Hohn des Josef Ackermann
    Welch freudige Nachricht für die Aktionäre der Deutschen Bank: Zehn Milliarden Euro will das Frankfurter Geldinstitut 2011 vor Steuern verdienen – und damit den Rekordgewinn aus dem Jahr 2007 um drei Milliarden Euro toppen. Aus diesen Ankündigungen spricht nichts als Hohn. Hohn für die Aufseher, Zentralbanker und Politiker in Frankfurt, Berlin, Brüssel und Washington. Sie dürfen reden, sie dürfen die Banker “Bonzen” nennen, wie es unlängst US-Präsident Barack Obama getan hat. Doch handeln werden sie nicht. Da scheinen sich Ackermann und seine Kollegen sicher zu sein. Die Parlamente werden keine Gesetze verabschieden, die den Finanzkapitalismus in irgendeiner Form beeinträchtigen. Sie werden die Spekulation, an denen die Deutsche Bank so hervorragend verdient, nicht brechen. Beispiel gefällig: Satte zwei Drittel der zehn Milliarden Euro sollen übernächstes Jahr aus dem Investmentbanking kommen. Aus dem Bereich also, der von den Zockern lebt.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist nicht der Hohn des Herrn Ackermann, es ist der Hohn unserer kapitalhörigen Politelite, die jeden Flatus des Finanzkapitals für systemrelevant erklärt.

  7. Abzocke mit Provision
    Anstatt die »Realwirtschaft« mit Krediten zu versorgen, ziehen es deutsche Banken vor, ahnungslosen Privatkunden zweifelhafte Geldanlagen anzudrehen. Wer bislang glaubte, die Finanzkrise hätte ein Umdenken in der Kreditwirtschaft bewirkt, wird durch eine am Dienstag veröffentlichte Studie der Stiftung Warentest seiner Illusionen beraubt. Die Stiftung testete 21 Großbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken in insgesamt 147 Beratungsgesprächen. Die Kreditinstitute wussten nicht, dass es sich bei den vermeintlichen Kunden um Tester der Verbraucherschutzorganisation handelte.
    Quelle: Junge Welt
  8. Wall Street will sich von Washington-Diktat befreien
    Mit der Citigroup und Wells Fargo zahlen die letzten US-Großbanken Staatshilfen zurück. Dahinter steckt Kalkül: Jetzt können die Geldkonzerne wieder ungestört agieren und mit satten Boni locken. Washington verliert die Kontrolle über die Finanzwirtschaft – da helfen auch Obamas Standpauken wenig.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung unseres Lesers J.D.: Bemerkenswert ist die Bezeichnung der Finanzbranche als Industrie von Barack Obama: Die Banken schaffen keinen Mehrwert in einer Volkswirtschaft durch die Produktion von Gütern bzw. Technologien, vielmehr dienen sie als Mittler zwischen den volkswirtschaftlichen Akteuren – Unternehmern sowie privaten und öffentlichen Haushalten. Die Bezeichnung Industrie ist somit irreführend, aber ein gutes Beispiel für Meinungsmanche.

  9. Aufregung um Boni-Steuer – Londoner Banker verzocken sich
    Die Strafsteuer auf Boni erregt die Londoner City – Banker drohen mit Umzug, Investmentfirmen warnen vor dem Exodus ihrer Top-Leute. Doch die kalkulierte Empörung ist ein Bluff: Banker sind nicht so mobil, wie sie behaupten.
    Quelle 1: Spiegel

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Soweit sehr schön. Aber vielleicht könnte der SPIEGEL auch mal seine eigene Argumentation in Bezug auf Deutschland revidieren: die “Leistungsträger” ziehen aus Deutschland weg, wenn man sie zu hoch besteuert, man darf die Vermögenden nicht zu hart anpacken usw. Alles nur Zwecklügen, um das Steuerdumping propagandistisch zu begleiten? Mal ganz davon abgesehen, dass dieses Verhalten nicht nur unmoralisch ist, sondern gesetzlich unterbunden werden könnte, z. B. durch Besteuerung von Deutschen auch im Ausland. Im Übrigen hat auch der SPIEGEL selbst noch vorgestern (!) die Hysterie über den Wegzug von “Topbankern” (wer ist das eigentlich? die mit den höchsten Bonuszahlungen?) geschürt.
    Quelle 2: Spiegel vom 13.12.2009

  10. Leiden an der Arbeit
    Überlastung, Gewalt, verlorener Stolz, schlechtes Arbeitsklima: Die Arbeitsbedingungen bei France Télécom aus der Sicht der Angestellten
    Quelle: Telepolis

    Anmerkungen unseres Lesers J.D.: Ist es verwunderlich, dass sich immer weniger Mitarbeiter mit “ihrer” Firma identifizieren, wenn sie nur noch als ökonomisches Produkt betrachtet werden, als sog. Humankapital? Durch die strikte Ökonomisierung des Arbeitslebens und die Hervorhebung der Idee des “Intrapreneurs”, also des (angestellten) Unternehmers im Unternehmen ist der Mitarbeiter vielfach letztendlich zu einer Zahl degradiert worden. Das firmeninternen Controlling erstellt die Salden über Abteilungen und Mitarbeiter und hebt oder senkt den Daumen, je nachdem, ob der Saldo im Soll oder im Haben steht. Die strikte Orientierung an Zielen und Zahlen nennt man im BWL-Sprech zielorientiertes Management (Management by Objectives). Der Mitarbeiter ist also in erster Linie dazu da, den Zielen der Firma zu dienen und den Gewinn des Unternehmens zu steigern. Aber wie soll sich der Mitarbeiter nun mit den Zielen identifizieren? Hat der kleine Angestellte oder Arbeiter überhaupt einen Überblick über die Firmenfinanzen, oder kennt er den Markt, den sein Unternehmen bearbeitet und kann er daraus die wirtschaftlichen Konsequenzen ableiten? Es ist das Bild des Intrapeneurs, des Homo Oeconomicus, dass in den Menschenbildern der BWL immer wieder zum Vorschein kommt – und das es so nicht gibt. Es ist die immerwährende Kontrolle: Ziele werden aufgestellt, an denen sich Mitarbeiter von ihren Vorgesetzten messen lassen müssen. Werden sie nicht erfüllt, so muss sich der Mitarbeiter rechtfertigen. Gläserne Büros lassen keinen Raum mehr für Privatheit, die Erfassung von Betriebsdaten in der Produktion lassen jeden Fehler, jede “Bummelei” sofort sichtbar werden. In Call-Centern werden die Gespräche zwischen Mitarbeiter und Kunde überwacht, Umsatzziele sind unbedingt einzuhalten. Wie soll in solch einer Atmosphäre Menschlichkeit und Fairness überstehen? Ist sie nicht im Gegenteil geradezu eine Einladung dazu, Menschen als Vorgesetzte zu installieren, welche die Mentalität von Sklaventreibern besitzen? Und weiter: Durch die sogar staatlich geförderte Zunahme der Leiharbeit wird das soziale System Betrieb noch weiter unterhöhlt. Wie soll man sich als Leiharbeiter mit dem Einsatzunternehmen identifizieren? Man weiß nicht wie lange man bleibt, die Bezahlung ist schlecht. Die Leiharbeit zeigt zudem auf, wie die Beziehung zwischen dem Vorgesetztem bzw. Disponenten und der ihm zugeordneten Mitarbeiter zerstört wird. Eine echte Beziehung zwischen diesen gibt es nur, wenn eine neue Arbeit aufgenommen werden soll. Ansonsten sieht man sich kaum. Wenn es keine Arbeit mehr gibt, ist der Weg zur Kündigung nicht lang. Der Leiharbeiter – ein Betriebsmittel. Aber auch für all diejenigen Arbeiter und Angestellten, die einen Festvertrag haben sind es vor allem in großen Unternehmen nicht besser. Die Verwaltung, sprich Personalabteilungen, Controlling usw., wurden im Zuge der Gewinnmaximierung zentralisiert, um so genannten Synergieeffekte zu heben. Eine schöne Umschreibung dafür, dass Personal abgebaut wurde und wird, um den Gewinn zu erhöhen. Was sich allerdings verringerte, war und ist der persönliche Kontakt dieser Abteilungen mit den ausführenden Einheiten. Konnten früher Probleme über den kurzen Dienstweg noch persönlich geregelt werden, sind nun Formulare auszufüllen oder ein mehr oder weniger langer Austausch von E-Mails zu führen. Mehr und mehr tritt das technische im sozio-technischen System Betrieb in den Vordergrund. Vorgänge, Prozesse, werden formalisiert und normiert und dann automatisiert. Zeit ist Geld – mit dem Ergebnis, dass heute keiner mehr Zeit hat. Aber Zeit ist es gerade, was soziale Beziehungen brauchen und der Mikrokosmos Unternehmen lebt von Beziehungen. Die Menschen müssen sich wertgeschätzt fühlen. Dies schließt auch das finanzielle mit ein, da Beziehungen erst bei materieller Absicherung dauerhaft sein können. Ansonsten herrscht Konkurrenz und eine ständig latente Aggressivität, die sich immer wieder Bahn bricht. In einer Zeit, wo das Bild des Menschen einseitig von Politik und Wirtschaft als Wirtschaftsfaktor, als Humankapital, als Intrapreneur betrachtet wird, herrscht das Streben nach Beherrschung, nach Kontrolle vor. Konkurrenz als Gesellschaftsmodell. Wer es nicht schafft, Konkurrenz auszuschalten und seinen Gewinn an Macht und Geld zu erhöhen, wird als Außenseiter abgestempelt. Es gibt viele Außenseiter.

  11. Meinhard Miegel: “Das eigentliche Problem ist die Vorstellung, dass es in jedem Jahr mehr sein muss”
    Prof. Dr. Meinhard Miegel ist Jurist, Sozialwissenschaftler und Publizist. Er ist Vorstand des Denkwerks Zukunft – Stiftung kulturelle Erneuerung und beschäftigt sich mit Überlegungen zum Umbau des Sozialstaats, den Veränderungen der Arbeitsgesellschaft und der Kritik an der Wachstumsideologie, die er in seinem letzten Buch: “Epochenwende. Gewinnt der Westen die Zukunft?” behandelt hat.
    Telepolis: Sie treten dafür ein, dass die gesetzliche Rente gestutzt werden soll; sie soll in Zukunft nur noch eine Basisversorgung sein. Stattdessen soll man zusätzlich privat vorsorgen. Sie warnen vor dem ansonsten bevorstehenden Kollaps der gesetzlichen Rente. Ihr Institut wird aber durch Unternehmensspenden finanziert, u.a. arbeiten Sie für das Deutsche Institut für Altersvorsorge, die der Deutschen Bank gehört. Der Ökonom Albrecht Müller kritisiert diese Verflechtung von Politik, Wissenschaft und Versicherungswirtschaft, und wirft Ihnen vor, gezielt die gesetzliche Rente zu schwächen.

    Meinhard Miegel: Also die Vorwürfe von Albrecht Müller sind aus meiner Sicht völlig haltlos. Auf mich oder auf meine Mitarbeiter ist von niemandem jemals Druck ausgeübt worden. Was die Kritiker häufig übersehen, ist, dass ich mich schon in dieser Richtung geäußert habe, als das Institut noch gar nicht existiert hat. Es ist auch nicht richtig, dass mein Anliegen das Stutzen der gesetzlichen Rente ist, sondern ich plädiere – und das jetzt mit zunehmender Zustimmung auch in der Politik, aber insbesondere in der Bevölkerung – für eine steuerfinanzierte Grundsicherung. Eine solche Grundsicherung bedeutet für viele Menschen, insbesondere für Frauen, eine deutliche Verbesserung ihrer Transferversorgung. Es ist also nicht so, dass jetzt für alle eine Absenkung erfolgen wird, sondern für einen Teil bedeutet es deutliche Verbesserung, für einen anderen Teil – nämlich für die Teile, die hohen Renten oder Pensionen beziehen – bedeutet das eine Verschlechterung. Sie werden weniger haben als heute. Im Hinblick auf lange Übergangszeiten – ich habe immer von 25 Jahren gesprochen – ist es aber möglich, allerdings aber auch erforderlich, dass man neben dieser gesetzlichen Grundsicherung private Vorsorge betreibt. Das ist mein Punkt. Ich möchte eine Verbesserung der wirtschaftlich Schwachen in ihrer Stellung im Alter. Wir haben mittlerweile eine Grundsicherung, auch wenn sie etwas anders aussieht, als ich mir das vorstelle. Und auf der anderen Seite sage ich, dass die wirtschaftlich Starken in der Lage sind, und das sollten auch tun, privat vorzusorgen.
    Quelle 1: Telepolis

    Anmerkung: Es lohnt sich, mal bei Prof. Miegels Stiftung herumzustöbern; da stoßen wir auf diverse Weggefährten und Geistesverwandte von Miegel, welche ebenfalls die Musik auf der demographischen Orgel beherrschen, z.B.

    • Kurt Biedenkopf
    • Warnfried Dettling
    • Bernd Katzenstein (Deutsches Institut für Altesvorsorge GmbH, eine Gesellschaft der Deutschen-Bank-Gruppe)
    • Heinrich Oberreuter
    • Elisabeth Pott (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Mitglied im Kuratorium der Bertelsmann Stiftung)
    • Tremmel, Jörg, Wissenschaftlicher Direktor der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen(hat Leute wie Raffelhüschen und Weidenfels und eben Miegel im Kuratorium)
    • Wolfgang Kenntemich (MDR; das sollten wir im Hinterkopf behalten, falls dort mal eine einschlägige Sendung laufen sollte)


    Quelle 2: Denkwerk Zukunft (Mitwirkende)
    Quelle 3: Deutsches Institut für Altersvorsorge
    Quelle 4: Nachdenkseiten vom 13.04.2007
    Quelle 5: Nachdenkseiten, Hinweise des Tages vom 09.07.2009

  12. Hessische Finanzverwaltung: Verräterische Liste
    In der Affäre um vier hessische Steuerfahnder, die mit vorsätzlich falschen Gutachten für psychisch krank erklärt und aus dem Dienst entfernt wurden, hat Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) Vorwürfe zurückgewiesen, seine Finanzverwaltung habe seit dem Jahr 2005 insgesamt 22 Finanzbeamte von dem mittlerweile verurteilten Psychiater Thomas H. untersuchen lassen. Man sei dafür nicht zuständig. “Das ist Aufgabe des Hessischen Amts für Versorgung und Soziales, das dem Ministerium für Arbeit und Gesundheit unterstellt ist”, betonte ein Sprecher des Ministers. Aber: In der Liste, die vom Finanzministerium herausgegeben wurde und der FR vorliegt (siehe Abbildung), heißt es eindeutig, dass die Gutachten des Psychiaters Thomas H. “im Auftrag der Oberfinanzdirektion bzw. von Finanzämtern” erstellt worden sind.
    Quelle: FR

    Anmerkung B.B.: Ei, wer all das für Hirngespinste hält ,sollte einmal in das Lügengespinst eines sich als absoluten Staates betrachtenden bayrischen Staates mit seine CSU einsteigen, das der ehemalige bayerische Finanzbeamte Wilhelm Schlötterer mit seinen inzwischen 70 Jahren unter dem Titel “Macht und Missbrauch” herausgegeben hat – trotz der vollkommen sachlich nüchternen Schilderung ist das einfach spannend. Ja, Schlötterer fand, dass der Roman von Lion Feuchtwanger “Der Erfolg” eigentlich so richtig zeitlos seine Gültigkeit habe – und jetzt eben in Hessen.

  13. Justizministerium sperrt WDR.de – Ministerin sieht keine Zensur
    Düsseldorf. Das nordrhein-westfälische Justizministerium verweigert Kritikern den vollen Zugang zum Netz: Die Bediensteten der NRW-Justiz können von ihrem Arbeitsplatz nicht mehr auf die Online-Seite des WDR zugreifen. Nach dem Ausbruch von zwei Schwerverbrechern aus einem Aachener Gefängnis wurde in Foren auf der Webseite heftige Kritik an Ministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) veröffentlicht – zu den Autoren gehörten auch Justizbedienstete. Nach einer internen Mitteilung vom vergangenen Donnerstag, die der FR exklusiv vorliegt, wurde die Seite nun gesperrt.
    Quelle: FR
  14. HIS-Studie: Studienberechtigte 2008 – Studien- und Ausbildungswahl ein halbes Jahr nach Schulabgang
    Eine Analyse der Studienverzichtsgründe zeigt, dass finanziellen Aspekten sehr häufig eine hohe Bedeutung zukommt. So bekunden gut drei Viertel (77 %) der Studienberechtigten ohne Studienabsicht, dass das Fehlen der nötigen finanziellen Voraussetzungen für ein Hochschulstudium gegen die Realisierung ihrer Studienoption spricht. Für 73 % der Studienberechtigten, die ihre Studienoption nicht einlösen, sind u. a. Schulden aufgrund eines Studienkredites oder des BAföG-Darlehensanteils ein bedeutender Grund für den Studienverzicht.
    Quelle: HIS zum Download

    Anmerkung WL: Jeder vierte Studienberechtigte gibt also an, im Jahr 2008 kein Studium aufzunehmen. 69 Prozent habe sich wegen Studiengebühren gegen ein Studium entschieden, bei den Frauen liege der Anteil sogar bei 75 Prozent.
    Diese Umfrage ist ein weiterer Beleg dafür, wie hoch die finanziellen und damit vor allem auch die sozialen Barrieren bei der Aufnahme eines Studiums sind. Da helfen dann auch nicht Stipendienprogramme für Hochbegabte, die gleichfalls überwiegend Studierenden aus bildungsnahen Familien zu gute kommen. Studienförderung geht nur über das BAföG.
    Darüber sollte sich der Bildungsgipfel endlich klar werden und da könnte auch der Bund ohne die föderalistische Fessel sofort aktiv werden.

  15. Ende des Aussortierens
    Eine Konvention der Uno verändert den deutschen Bildungsalltag: Immer häufiger klagen Eltern mit Erfolg dagegen, dass ihre Kinder auf Sonder- oder Förderschulen geschickt werden. Ein kompletter Zweig des deutschen Unterrichtssystems steht damit zur Disposition.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung unserer Leserin C.W.: Hört sich zunächst gut an, bis die verräterische Stelle kommt: “Dass es auch anders funktionieren kann, beweist die “Pinguin”-Klasse der Sophie-Scholl-Schule in Gießen. … Die Sophie-Scholl-Schule nimmt alle auf: Lernbehinderte, geistig Behinderte, sozial Auffällige. “Wir haben auch Hochbegabte”, sagt Invield Helmer, die kommissarische Leiterin der privaten Grund- und Gesamtschule.
    Ergänzende Anmerkung MB: Und dann wird noch eine Studie der Bertelsmann Stiftung zitiert.

  16. Christoph Butterwegge: Beruhigungspille Bildung
    Bewohnerinnen und Bewohner eines westlichen Industrielandes, das sich als »Wirtschaftsstandort«, »Exportweltmeister« und »Wissensgesellschaft« versteht, begreifen (Weiter-)Bildung in aller Regel nicht mehr als Möglichkeit zur Welterkenntnis oder zur Persönlichkeitsentwicklung, sondern bloß noch als Mittel ihrer beruflichen Qualifikation, das ökonomischen Verwertungsinteressen bzw. dem Ziel dient, sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten oder zu verbessern. Gleichzeitig avanciert Bildung im öffentlichen Diskurs zum Allheilmittel für die politischen Hauptübel, als da sind: (Kinder-)Armut, (Jugend-)Arbeitslosigkeit, Verwahrlosung der Familien und Werteverlust, Zerfall der Gesellschaft und wachsende soziale Ungleichheit. Hier soll diese Ideologie am Beispiel der Armut widerlegt und gezeigt werden, wie sie nicht bloß falsche Schuldzuweisungen an Minderheiten hervorbringt, sondern auch die Durchsetzung sinnvoller Alternativen der Gesellschaftsveränderung erschwert.
    Quelle: Junge Welt
  17. Interview zur Kundus-Affäre: “Die Fehleinschätzung lag im Kanzleramt”
    Der ehemalige UN-Sonderbeauftragte in Afghanistan, Tom Koenigs, attackiert Merkel: Sie habe jegliche Diskussion im Wahlkampf vermieden.
    Quelle: Süddeutsche
  18. Krieg der Kanzlerin
    In der Kunduz-Affäre steht Verteidigungsminister zu Guttenberg in der Kritik. Doch welche Rolle spielte Angela Merkel? Was wusste das Kanzleramt? Die Regierungschefin muss endlich ihrer Führungsverantwortung gerecht werden und bei der Aufklärung die Initiative ergreifen.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Vor allem sollte die Kanzlerin den Strategiewechsel der Bundeswehr in Afghanistan erklären, den offenbar nicht einmal der Bundestag mitbekommen hat, geschweige denn die Bevölkerung. Waren bis zum Sommer zumindest offiziell die militärischen Aktionen der Bundeswehr auf Selbstverteidigung beschränkt, so ist mit der Änderung der so genannten Taschenkarte, die die Einsatzbefugnisse der Soldaten regelt, ein Maß Präventivmaßnahmen  erreicht worden, das auch die Vernichtung potentieller Angreifer erlaubt, kurzum alles, was nach Taliban ausschaut.

  19. Irak-Krieg: Blair wollte Saddam einfach nur loswerden
    Am Montag platzte Sir Ken MacDonald der Kragen: Der angesehene frühere Chef der britischen Strafverfolgungsbehörden ließ alle diplomatischen Gepflogenheiten fahren. Ex-Premierminister Tony Blair sei ein “Speichellecker” gewesen, polterte MacDonald ungehalten. Blair habe, um dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush zu Gefallen zu sein, das eigene Land mit “alarmierender List” irregeführt, und die Briten “in einen tödlichen Krieg hineingeredet”. Washington habe Blair “den Kopf verdreht”, fuhr MacDonald fort. In der Folge habe Bushs williger britischer Partner eine Invasion unterstützt, die zu “einer außenpolitischen Schande epischer Proportionen” wurde. Den Zorn etlicher Landsleute – und vieler Parteifreunde – hatte sich Tony Blair am Wochenende zugezogen, als er in einem Fernsehinterview eine erstaunliche Aussage machte. Er wäre, gestand Blair, auch dann in den Krieg gegen den Irak gezogen, wenn er nicht geglaubt hätte, dass Saddam Hussein sich im Besitz bedrohlicher Waffen befand: “Ich hätte es auch dann für richtig gehalten, ihn loszuwerden.” In einem solchen Fall “hätte man natürlich andere Argumente über die Art der Gefahr benutzen” müssen, die Saddam für die weitere Welt darstellte.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Etwas späte und leicht heuchlerische Reaktionen, denn in fast jeder besseren Zeitung Kontinentaleuropas wurde die Argumentation Blairs hinterfragt und in Großbritannien wusste jeder, der sich 2004 den Butler-Report zu Gemüte geführt hatte, Bescheid. Selbst bei der Abstimmung zum Irakkrieg votierten 140 Labour-Abgeordnete gegen den Krieg. Ein Minister und zwei Staatssekretäre aus Blairs Regierung traten aus Protest gegen dessen Irak-Politik zurück. Also allzu überraschend kann das Eingeständnis Blairs nicht gekommen sein.

  20. Bleibende Schäden: Die Überlebenden von Guantánamo
    Als Präsident Obama im Januar 2009 seinen Amtseid ablegte, hatte das Camp Delta in Guantánamo 245 Insassen; heute sind es noch rund 220. Wenn das Lager auf der US-Basis in Kuba geschlossen wird, wie es Obama vorschwebt, werden etwa 80 Gefangene entweder in ihr Heimatland zurückgeschickt oder Asyl in einem Drittland finden. 60 weitere will die US-Regierung vor Gericht stellen. Die Übrigen sollen auf unabsehbare Zeit hinter Gittern bleiben. Von ihnen können einige nicht angeklagt werden, weil die Beweise gegen sie nicht gerichtsverwertbar sind – häufig wegen zu brutaler Verhörmethoden -, die anderen gelten als zu gefährlich, um in die Freiheit entlassen zu werden.
    Was soll, wenn Obama seinen Plan durchzieht, aus den Figuren in den grell orangefarbenen Overalls werden, die bis heute in den Container-Zellen von Camp Delta leben? Eine Antwort versuchen Laurel Fletcher und Eric Stover in ihrem Buch über den “Guantánamo-Effekt” zu geben.(1) Beide Autoren sind Juristen, die an der Berkeley University lehren und speziell über Menschenrechte arbeiten. Zwischen Januar 2002 (als die ersten Gefangenen nach Guantánamo geflogen wurden) und Oktober 2008 (als Fletcher und Stover ihre Studie abschlossen) waren fast 800 Männer aus 46 Ländern in Guantánamo eingesperrt. Ihren Höchststand erreichte die Anzahl der Insassen im Sommer 2003 mit etwa 660, bis zum Sommer 2005 ging sie auf etwa 250 zurück. Die Autoren haben mit 62 der inzwischen entlassenen 550 Häftlinge ausführliche Interviews geführt. Auf der Basis dieses Materials zeichnen sie ein “umfassendes Bild vom Leben in Guantánamo und von den Auswirkungen der Haftbedingungen auf das Leben der Gefangenen und ihrer Familien.”
    Auch was den Kampf gegen den Terrorismus anbelangt, hat die Gefangennahme und Misshandlung mutmaßlicher Terroristen eher dürftige Resultate erbracht: Bislang wurden nur 23 “unlawful combatants” identifiziert und angeklagt, auf 30 Gefangene kommt also nur eine Anklage. 2003 musste die CIA in einem Top-Secret-Bericht zugeben, dass ein Drittel der 600 Guantánamo-Insassen keinerlei Verbindung zum Terrorismus hatten. Womöglich war es, wie der erste Lagerkommandant, Generalmajor Michal Dunlavey, später erklärte, auch die Hälfte.4 Das FBI hält inzwischen selbst das noch für verfehlt: Einer seiner Experten erklärte gegenüber dem Nationalen Sicherheitsrat der US-Regierung, dass es sich bei “allenfalls fünfzig” der Gefangenen lohne, sie in Haft zu behalten.
    Quelle: Le Monde diplomatique
  21. Focus feuert Rüttgers-Kritiker
    Das Magazin Focus den Leiter des Düsseldorfer Büros, Karl-Heinz Steinkühler entlassen. Angeblich wegen betriebsbedingter Gründe. Steinkühler hatte sich in der Vergangenheit häufig durch Rüttgers-Kritische Berichte hervorgetan.
    Wie es heißt, hat der Focus die Leitung des Düsseldorfer Büros gestrichen. Die verbliebenen Mitarbeiter in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt sollen demnach in Zukunft direkt aus München kontrolliert werden. Steinkühler hatte in der Vergangenheit beispielsweise die E-Mail-Affäre der Staatskanzlei enthüllt. Dabei ist bekannt geworden, dass die Staatskanzlei direkt die Bespitzelung der Chefin der NRW-SPD, Hannelore Kraft, angeleitet hatte. Zudem hatte Steinkühler  die engen Kontakte zwischen dem WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach und Rüttgers-Staatskanzlei offenbart. Damals übte die Staatskanzlei massiven Druck auf den Focus aus und versuchte per Brief kaum verhohlen Steinkühler feuern zu lassen. Focus-Chefredakteur und Herausgeber Helmut Markwort des hatte sich damals hinter Steinkühler gestellt. Jetzt kommt mit Wolfram Weimer ein neuer Chefredakteur zum Focus. Dessen Schwester arbeitet in Rüttgers Staatskanzlei. Vielleicht wurde jetzt der Druck auf den Focus aus Düsseldorf zu heftig.
    Quelle: Ruhrbarone
  22. Aus Empörung – Ex-SWR-Intendant Voß tritt aus CDU aus
    Peter Voß ist ein kantiger Typ. Nicht nur wegen seiner markanten Gesichtszüge, sondern auch wegen seiner Art, wie er als Intendant einst mit harter Hand aus SDR und SWF den fusionierten Südwestrundfunk geformt und dann geführt hat. Und nun wird der 68-Jährige seinem Ruf als Unbeugsamer wieder mal gerecht. Voß hat wegen der Art und Weise, wie der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) den Sturz von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender herbeigeführt hat, seinen Austritt aus der CDU erklärt und sein Parteibuch an den Kreisverband Baden-Baden zurückgegeben. “Herr Koch hat mit seinem Vorgehen der CDU, dem ZDF und den Medien im Allgemeinen schwer geschadet”, begründet Voß seinen Schritt. Nun könnte man meinen, der Parteiaustritt von Voß sei ein Akt alter Verbundenheit mit den Mainzelmännchen, wo er einst seine Brötchen verdiente – unter anderem als Moderator beim “heute-journal” und ab 1990 als stellvertretender Chefredakteur. Aber so sehr Voß noch heute enge Kontakte nach Mainz pflegt, so sehr geht es ihm im Fall Brender um Grundsätzliches. “Was hier passiert ist, ist höchst gefährlich für das Image des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und ein Angriff auf die Unabhängigkeit des Senders.” Andere Parteipolitiker, so fürchtet Voß, “werden dadurch ermuntert, es genauso zu machen”.
    Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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