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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 5. November 2009 um 8:59 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Heute unter anderem zu folgenden Themen: Opel und Merkel; Erwachen nach der Wahl; Schuldenatlas; Steuerentlastung gefährdet Wachstum; was Deutschland ändern muss; Pflegespäne; FDP will Rene mit 60; Nato-Bericht macht schwere Vorwürfe; Krieg der Bahnen; Brasilien hat es besser; Chefs schnüffeln im Internet. (KR/WL/AM)
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung Orlando Pascheit: Mein Gott, was für ein Pathos legt Stephan-Andreas Casdorff an den Tag, als sei die Welt untergegangen. Und dieses Pathos gilt nicht den Arbeitern bei Opel, sondern unserer armen, gedemütigten Kanzlerin. Diese Überreaktion fängt schon bei der Einschätzung der Rede der Kanzlerin an. Was war denn daran groß? Traut man den Redeschreibern und Beratern von Angela Merkel nicht zu, einen für das amerikanische Publikum designten Auftritt zu inszenieren? Hat unsere Kanzlerin die Probleme unserer Zeit analysiert und gar Strategien aufgezeigt? Nein, es war eine von Allgemeinheiten strotzende Rede, gut verbunden mit der Biographie der Kanzlerin, Stellen, an denen sie auch den meisten Applaus erhielt. Es lief letztlich auf ein großes Dankeschön an die USA zum 20. Jahrestag des Mauerfalls hinaus, wogegen nichts einzuwenden ist, was aber noch keine große Rede ausmacht. Der Applaus für ein Dankeschön ist gewiss, zumal diese ‘standing ovations’ zu den Ritualen amerikanischer Selbstinszenierung gehören, von der Oscarverleihung bis in das Kapitol. Vieles wurde schöngeredet, so zum Beispiel: “Die G20 haben gezeigt, dass sie handlungsfähig sind.” Ich möchte jetzt niemanden damit langweilen, diesen Satz auseinanderzunehmen. Die NDS haben auf etliche kritische Beiträge verwiesen.
Und nun zum zweiten Punkt, zur “schallenden Ohrfeige von General Motors” und zum Verrat Obamas. Anscheinend hat die Politik hierzulande nie begriffen, was das “Memorandum of Understanding” vom Sommer bedeutete, nämlich eine unverbindliche Absichtserklärung, und dass die letztendliche Entscheidungsmacht immer bei General Motors lag, Merkel hin, Obama her. Bei General Motors hat zwar ein von der amerikanischen Regierung eingesetztes Managerkollektiv das Sagen, was aber nicht heißt, dass die Regierung nach der Rettung GMs, die allerdings an harte Auflagen gebunden war, auch die weiteren strategischen Entscheidungen trifft. Das ist Kapitalismus, zumal in Amerika. Vor allem ist es unverständlich, dass man hierzulande die zögerliche Entscheidungsfindung in Detroit nicht als das interpretiert hat, was heute offenbar ist: Eine starke Fraktion in Detroit war niemals bereit, Opel mehrheitlich in fremde Hände zu geben – und dann noch in russische. So behält GM den europäischen Markt und die Entwicklungsabteilung in Rüsselsheim, die, wie man immer wieder liest, eigentlich unabdingbar für zukünftige technologische Entwicklung von GM ist. – Über das ganze Gejammer sollte man nicht vergessen, dass auch die Magna-Lösung unter Fachleuten sehr umstritten war. – Also bitte, wenn schon Mitgefühl, dann nicht für die Kanzlerin, sondern für die Opelianer, denn GM will anscheinend die Fixkosten um ein Drittel senken und ein Fünftel der Stellen in Europa streichen; insbesondere für Bochum und Eisenach sieht es zappenduster aus.
Dazu:
GM will bei Opel 10.000 Arbeitsplätze streichen
General Motors will bei Opel etwa 10. 000 Arbeitsplätze streichen. Dies sagte GM-Vize-Chef John Smith bei einer Telefonkonferenz.
Opel-Aufsichtsratschef Carl-Peter Forster rechnet mit massiven Einschnitten bei der Sanierung des deutschen Autobauers. „Wir hatten einen guten Sanierungsplan ausgehandelt, der auf dem Tisch lag und fertig war“, sagte Forster der “Bild“-Zeitung. „Jetzt besteht die Gefahr, dass die vernünftige Verteilung der Lasten wieder aufgeschnürt wird und alles von vorne beginnt. Sicher ist: Es wird auch bei dieser Lösung massive Einschnitte geben.“
Die Entscheidung der US-Konzernmutter, Opel doch zu behalten, habe ihn überrascht, sagte Forster der Zeitung: „Wir haben mit dieser Entscheidung nicht gerechnet.“ Schnellstens müssten daher mit GM Verhandlungen aufgenommen werden, um offene Fragen zu klären. Dies werde einige Zeit dauern.
Zu seiner Zukunft bei Opel äußerte er sich zurückhaltend: Es sei kein Geheimnis, dass er einen Verkauf an den österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna für gut gehalten habe. „Ich werde in Ruhe nachdenken.“
Quelle: Die Welt Online
Anmerkung Orlando Pascheit: Die Ausgangsdefinition für Überschuldung ist relativ schlüssig: Überschuldung liegt dann vor, wenn die monatlich zu leistenden Gesamtausgaben eines Schuldners dessen Einnahmen übersteigen. Dann wird es allerdings schwieriger. Über den “Anteil der Personen mit so genannten Negativmerkmalen im Verhältnis zu allen Personen ab 18 Jahren kann die Überschuldung in ihrer geographischen Verteilung bis hin auf die Ebene von Straßenabschnitten dargestellt werden”. Allerdings müssen diese Negativmerkmale in irgendeiner Form bekannt werden, z.B. durch aktuell vorliegende juristische Sachverhalte (Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Privatpersoneninsolvenz) usw., d.h. dass mit einer nicht erfassbaren Dunkelziffer zu rechnen ist.
Anmerkung KR: Diese Stelle ist aufschlussreich:
„Enderlein: Ich kann nur nicht übersehen, dass die soziale Ungleichheit in unserem Land immer mehr zunimmt.
FAZ: Was meinen Sie damit?“
Die Klientel der FAZ wie auch ihre Redakteure halten die Politik der Umverteilung von unten nach oben (ablesbar z.B. am sinkenden Anteil der Löhne und Gehälter am BIP) mit einer solchen Selbstverständlichkeit für richtig, dass ihnen völlig unverständlich ist, was mit „Kritik an sozialer Ungleichheit“ wohl gemeint sein könnte.
Anmerkung WL: Ein Fass ohne Boden.
Anmerkung WL: Da wird also einerseits die Altersteilzeit abgeschafft, die 1996 eingeführt wurde, um jüngeren Arbeitnehmern eine größere Chance auf dem Arbeitsmarkt zu bieten und die deshalb von der der Bundesagentur durch Zahlungen an die Arbeitgeber und Aufstockung der Rentenversicherungsbeiträge gefördert wurde. Bei gegebener Rechtslage bedeutet ein Jahr Ausstieg vor der Altergrenze 3,6% Rentenabzug. Wenn die Rente mit 67 also voll greifen wird, sind das gut 25% weniger Rente. Welcher Rentenbezieher wird sich das wohl leisten können? Gewiss nicht Rentner mit einer Durchschnittsrente bei Männern von etwa 1000 Euro und Frauen bei 600 Euro. Die Zuverdienstmöglichkeit ist darüber hinaus ein vergiftetes Angebot. Sie mag zwar für Besserverdienende eine Zeit lang attraktiv sein, doch auch sie werden irgendwann arbeitsunfähig. Die Eröffnung einer solchen Möglichkeit dürfte dazu führen, dass noch mehr ältere Menschen aus dem Arbeitsleben gedrängt werden und mit einem Zuverdienst gelockt werden. Das bedeutet für die Arbeitgeberseite praktisch eine erhebliche Lohnsenkung bei Erhalt der Arbeitskraft des frühverrenteten Arbeitnehmers.
Und natürlich sind die Zuverdienstmöglichkeiten völlig an den jeweiligen Arbeitskräftebedarf der Arbeitgeber gekoppelt. Flexibler geht es nicht.
Anmerkung Orlando Pascheit: Irgendwo schlummert bei der Bahn ein Projekt namens ” Netz 21″, in dem doch tatsächlich bei wichtigen Verbindungen von der „Entmischung“ von langsamen und schnellen Verkehren die Rede ist, also dem Aufbau getrennter Schienennetze, eines für Güter- und eines für Schnellverkehr. Der größte Teil des Netzes mit allen Querverbindungen würde dabei wegen geringer Nachfrage im Mischbetrieb bleiben. Während alle Welt vom Ausbau von Hochgeschwindigkeitsstrecken schwärmt, ist meines Erachtens noch kein Kilometer reine Güterstrecke realisiert. Im Zuge steigender Benzinkosten und einer Überbelastung der Straße sollte man meinen, dass die Politik solche Projekte für dringlich erklären würde.
Anmerkung AM: Ein Beleg dafür, dass eine bessere Wirtschaftspolitik durchaus möglich ist; zugleich ein Beleg für die makroökonomische Inkompetenz dieser wie auch der letzten Regierungen. Diese Feststellung ist zwar nicht neu auf den NachDenkSeiten. Aber es ist immer wieder erfrischend, wenn dies empirisch belegt wird.
Quelle: Eine diskurslinguistische Betrachtung von Friedemann Vogel [PDF – 84 KB]
Anmerkung WL: Die erste Sendung ist zwar schon gelaufen, aber vom 10. bis zum 16. November gibt es Wiederholungen.
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=4315