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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 10. September 2009 um 9:19 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(RS/AM)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:

  1. Nur ein einfaches Parteimitglied – Joschka Fischer
  2. Bildung lohnt sich, gerade auch in der Krise
  3. Atomendlager Gorleben: Kohls Minister schönten Gutachten
  4. “Begrüßungsgeld” zum Uni-Start
  5. Fast jeder zweite geht auch krank zur Arbeit
  6. Junge Akademiker: Danke für die Demütigung!
  7. Umfrage-Sieg der Linkspartei: Heute Trend, morgen Dammbruch?
  8. Diese Krise zeigt, dass Keynes recht hatte
  9. UN-Chef-Ökononom: Politik hat nichts aus Krise gelernt
  10. Bilder vom Aufschwung
  11. frontal 21 Bericht – Geplagte Mieter – Finanzinvestoren drängen auf Wohnungsmarkt
  12. DIW: Triste Aussichten nach der Wahl: Haushaltskonsolidierung erfordert Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen
  13. Lobbyisten, arg in der Defensive
  14. Wer kein Geld hat, stirbt früher
  15. Zu guter letzt: Neues aus der Anstalt
  16. Das Letzte: PORTRÄT PAUL NOLTE HISTORIKER. Neuer Präsident der Ev. Akademie in Berlin

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Nur ein einfaches Parteimitglied
    Der Brüsseler Auftritt des früheren Vize-Kanzlers Joschka Fischer als Lobbyist für RWE: “Das ist mehr oder weniger das Gleiche, was ich früher gemacht habe. Nur arbeite ich jetzt für ein Unternehmen.”
    Quelle: Berliner Zeitung

    Fabio de Masi kommentiert:
    Quelle: fabiodemasi.blogspot.com

  2. Bildung lohnt sich, gerade auch in der Krise
    Wie in fast allen anderen OECD-Ländern ist auch in Deutschland in den vergangen Jahren der Anteil der Hochqualifizierten kontinuierlich gestiegen. So schlossen 2007 in Deutschland 23 Prozent eines Jahrgangs ein Hoch- oder Fachhochschulstudium ab, 1995 waren es nur 14 Prozent. In den OECD-Ländern, für die die Daten für beide Zeitpunkte vorliegen, stieg die Absolventenquote allerdings von 18 auf 36 Prozent. Der Anteil der Studienanfänger an Hoch- und Fachhochschulen ist in Deutschland 2007 mit 34 Prozent eines Jahrgangs das dritte Jahr in Folge weiter gesunken. Nach der Türkei, Belgien und Mexiko ist das der geringste Wert in der OECD. Im OECD-Mittel liegt die Studienanfängerquote an Hoch- und Fachhochschulen bei 56 Prozent. 2008 ist in Deutschland die Studienanfängerquote allerdings wieder auf 36 Prozent gestiegen. Die gesamten öffentlichen und privaten Ausgaben für Bildung lagen in Deutschland 2006 nach internationaler Abgrenzung bei 4,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, mit in den letzten Jahren rückläufiger Tendenz. Unter den OECD-Ländern gaben 2006 nur die Türkei, die Slowakei, Spanien und Irland einen geringeren Anteil für Bildung aus. Bei den Spitzenreitern, USA, Korea und Dänemark, liegt der Anteil der Bildungsausgaben bei über sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
    Quelle 1: OECD
    Quelle 2: OECD [PDF – 238 KB]
    Quelle 3: Der gesamte Bericht auf Englisch [PDF – 3.8 MB]

    Anmerkung Orlando Pascheit: Muss man diese Zahlen noch kommentieren? Man kann sie eigentlich nur noch mit einem Trauerrand versehen, der Abstieg des Exportweltmeisters ist endgültig besiegelt. Sehen wir einmal von der einseitigen Orientierung der deutschen Volkswirtschaft auf den Export ab, müssten eigentlich den Anhängern dieses Modells die Ohren klingeln. Denn wie soll Deutschland die notwendige hohe Qualität seiner Exportproduktion halten, wenn die Zahl der Studienanfänger so niedrig bleibt? Eine Erklärung für dieses Desaster liefert u.a. die relativ geringe Investitionsbereitschaft Deutschlands in die Schul- und Hochschulbildung, die anteilig am BIP mit 4,8 Prozent deutlich unter dem OECD-Durchschnitt mit 5,5 Prozent lag. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Länder mit einem stärker privatwirtschaftlich organisierten Bildungssektor nur schwer vergleichbar sind mit den skandinavischen Ländern oder auch Deutschland. Allerdings ist eine Zahl erschütternd genug, denn Deutschland unterbot den Wert von 1995 um 0,3 Prozent, während dieser Anteil in den übrigen OECD-Staaten anstieg. Aber selbst wenn man nur die öffentlichen Ausgaben betrachtet, gibt Deutschland mit unter 10 Prozent deutlich weniger für die Schul- und Hochschulbildung aus als der Durchschnitt der OECD-Länder mit 13,3 Prozent (S. 236 des Originalberichts). – So wichtig das Thema Afghanistan ist, eigentlich hätte dieser Bericht auf die Tagesordnung des Bundestags gehört, denn was zu Afghanistan gesagt wurde war absolut vorhersehbar. Man hätte viel lieber gehört, wie die FDP unter Beibehaltung von Steuersenkungen die Verpflichtung von Bund und Ländern erläutert hätte, bis zum Jahr 2015 10 Prozent des BIP in Bildung zu investieren. Natürlich durch Ausgabenkürzungen, dreimal darf vor dem Hintergrund der jüngsten Äußerungen von Westerwelle geraten werden, wo …

  3. Atomendlager Gorleben: Kohls Minister schönten Gutachten
    Neue Dokumente belegen: Die Regierung Kohl hat Forscher massiv beeinflusst, die Risiken des Atomendlagers Gorleben zu vertuschen.
    Quelle: SZ

    Anmerkung unserer Leserin C.W.: Und warum auch nicht, Gorleben hatte doch viele Vorzüge:

    • liegt im (ehemaligen) Zonenrandgebiet: weit weg von allen wichtigen Orten und vor allem weit weg von Bonn, Baden-Württemberg und Bayern.
    • dort wohnen keine wichtigen Leistungsträger
    • mit den paar Bauern dort wird man vor Ort schon fertig, wenn man ihnen nur massiv Verständnis heuchelnde Wissenschaftler vorbei schickt
    • mit etwas Glück dauert es viele Jahre, bis der Schwindel auffliegt, bis dahin sind die Verantwortlichen längst im wohlverdienten Ruhestand
    • die Durchschnittsbevölkerung versteht nicht genug von geologischem Untergrund. Wenn man also nur massiv verbreitet, dass es keine Alternative gibt zu eben diesem Salzstock, dann glauben es auch die meisten, wenn in dem Zusammenhang wenigstens eine halbwegs seriöse Institution erwähnt wird, die das genauso sieht.
    • aus den Augen aus dem Sinn. Und mit etwas Glück passiert nicht dasselbe wie mit der Asse, was zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich ja schon bekannt war, da es schon während des Salzabbaus offenbar Probleme mit Wasser gab.

    Tja, und 26 Jahre später kommt es heraus… vielleicht wird die Wahl ja doch noch interessanter, nachdem gleich 2 solche Skandale (bombardierte Zivilisten, Gorleben) in einer Woche aufkommen…

  4. “Begrüßungsgeld” zum Uni-Start
    80 Euro erhalten Studienanfänger an der FH Eberswalde, ein Netbook an der Uni Paderborn: Mit Sonderaktionen versuchen Hochschulen im “Hinterland” zunehmend, die Abwanderung junger Menschen in Großstädte zu verhindern.
    Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger
  5. Fast jeder zweite geht auch krank zur Arbeit
    Ist es Pflichtgefühl – oder die Angst vor dem Jobverlust? Knapp die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland schleppt sich auch krank zur Arbeit. Singles sind laut einer Studie besonders hart im Nehmen.
    Quelle: Spiegel-Online

    Dazu passt:

  6. Junge Akademiker: Danke für die Demütigung!
    Das Bild des bösen Chefs, der seine Mitarbeiter schikaniert, hat sich überlebt – heute erniedrigen sich viele Uni-Abgänger selbst, ducken sich vor Autoritätspersonen, verkaufen sich unter Wert. Im Job, hat Elena Senft beobachtet, wird schnell eine dauerhafte Duldungsstarre daraus.
    Quelle: Spiegel-Online
  7. Umfrage-Sieg der Linkspartei: Heute Trend, morgen Dammbruch?
    Die Linkspartei hat im stern-RTL-Wahltrend dramatisch zugelegt. Wegen der Landtagswahlen, wegen Afghanistan. Aber vor allem, weil Merkel und Steinmeier nur mit Wort-Watte um sich werfen.
    Wer sich die beiden TV-Sendungen “Wahlarena” mit Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier zugemutet hat, wurde mit Wortwatte aus dem Mund der wichtigsten Repräsentanten der beiden Noch-Volksparteien eingedeckt, denen jeder harte politische Kern fehlte. Weshalb der SPD-Kanzlerkandidat bei seinen Antworten auf zahme Fragen dennoch schwitzte, als säße er in Sauna, ist unbegreiflich. Und auch die Kanzlerin drückte sich unverändert vor jeder bindenden konkreten Festlegung auf die politische Zukunft nach dem Wahltag. Nicht alle Wähler sind mit Horst Schlämmer, Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier hinreichend für ihre Wahlentscheidung bedient. Vor allem die SPD muss endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Hemmschwelle ihrer bisherigen Wähler, zur Linkspartei zu wechseln, tagtäglich sinkt. Gewiss nicht, weil sie davon überzeugt wären, dass die Linken ein rundum plausibles Programm böten. Aber im Bewusstsein darüber, dass sie wenigstens dort nicht mit völlig unverbindlichen politischen Phrasen eingenebelt werden. Der SPD wird es nicht gelingen, wieder Wähler zurück zu holen, die im Zorn über die profilose Rolle der regierenden Genossen in den vergangenen Jahren der Großen Koalition ins andere linke Lager oder in die Wahlverweigerung geflüchtet sind.
    Quelle: Stern

    Kommentar AM: Ein beachtenswertes Stück von einem „alten Hasen“, von Hans Peter Schütz. Mal sehen, ob es so weiter geht im Stern. Oder ob die Volte kommt.

  8. Diese Krise zeigt, dass Keynes recht hatte
    Ein Gespräch mit Nobelpreisträger George Akerlof über Regulierungsbedarf, Staatsverschuldung, Selbstverantwortung und Bankenlöhne. George Akerlof plädiert für eine stärkere Kontrolle der Derivatemärkte. Unter den Ökonomen geniessen derzeit jene Popularität, die früh vor einer Krise gewarnt haben und nun strenge Regulierungen fordern. Einer unter ihnen ist George A. Akerlof.
    “Kapitalismus meint im Wesentlichen: freie Märkte. Aber dem Staat kommt durchaus eine wichtige Aufgabe zu. Das ist ziemlich genau das, was wir heute haben, und es ist die Aufgabe der Ökonomen, darauf hinzuweisen, dass unser System so aussieht. Warum haben wir dieses System? Weil es funktioniert. Nehmen wir das Beispiel der USA. Wir haben dort zwei grosse Stränge wirtschaftspolitischen Handelns. Der eine kreist um das Federal Reserve System. Was ist seine Aufgabe? Es soll vor allem als «lender of last resort» wirken. Der andere Strang ist die Employment Act von 1946, die postuliert, dass die Regierung Vollbeschäftigung erreichen müsse.”
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Zum Teil antwortet George Akerlof sehr vorsichtig, allerdings läßt er keinen Zweifel daran, dass makroökonomische Entwicklungen in den Verantwortungsbereich der Regierungen fallen, und zwar in allen Ländern. Ohne die geringste Scheu nennt er Vollbeschäftigung als die zentrale Aufgabe der Regierung, eine Auffassung, die mittlerweile in Deutschland eher als illusionär abgetan wird. Sehr klar auch seine Antwort auf die Frage des neoliberalen Europäers, ob Staatsinterventionen nicht dazu führen würden, dass sich viele Menschen für ihr Schicksal weniger verantwortlich fühlen? “Niemand kann als Person verantwortlich gemacht werden für das, was sich auf gesamtwirtschaftlicher Ebene abgespielt hat, und damit für den Zustand der Wirtschaft. Das ist jenseits irgendwelcher persönlichen Verantwortung.” Ein einfacher Satz, der den Ungeist der Agenda 2010 und ihrer noch vulgäreren Vertreter von Clement bis Westerwelle auf den Müllhaufen der Geschichte verbannt.
    Ergänzende Anmerkung RS: Ich finde allerdings, Herr Akerlof unterschätzt die Gefahr von Moral Hazard.

  9. UN-Chef-Ökononom: Politik hat nichts aus Krise gelernt
    Die Politik ziehe zu wenig Konsequenzen aus der Finanzkrise, kritisiert der UN-Ökonom Flassbeck. Er fordert massive Eingriffe gegen Spekulationsgeschäfte und eine Börsenumsatzsteuer.
    Quelle: Die Presse
  10. Bilder vom Aufschwung
    Fans werden sich an diesen Beitrag aus dem April erinnern, in welchem die Ökonomen Eichengreen und O’Rourke den zeitlichen Verlauf der aktuellen Krise dem der Großen Weltwirtschaftskrise 1929ff gegenüberstellen und eindrucksvoll in mehreren Graphiken illustrieren. Nette Kerle, die sie nunmal sind, haben sie ihr Datenmaterial kürzlich aktualisiert und erneut auf Vox.eu eingestellt.
    Quelle: Weisgarnix
  11. Geplagte Mieter – Finanzinvestoren drängen auf Wohnungsmarkt
    Immer mehr kommunale und landeseigene Wohnungen werden in Zeiten klammer Haushaltskassen an Privateigentümer verkauft. Zunehmend drängen so auch internationale Finanzinvestoren auf den deutschen Wohnungsmarkt – wie im Fall der Berliner Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft GSW. Sie wurde vor einigen Jahren an US-Investoren verkauft. Seitdem gibt es Streit um steigende Nebenkosten und hohe Nachzahlungen.
    Quelle: ZDF/frontal21

    Kommentar: Spannend ist hierbei, dass die Rechte der “Sozial Charta” (LEG Wohnungen) nicht wirksam werden bzw. faktisch nicht einklagbar sind. Rainer Stücker vom Mieterverein Dortmund: “Das Grundproblem ist sicherlich, dass ein stärker gewinnorientierter Eigentümer nicht per Sozialcharta zu einem anderen Verhalten gezwungen werden kann. Hinzu kommt die zeitliche Befristung bei der LEG-Sozialcharta. Sie gilt für zehn Jahre. Für den einzelnen Mieter sind nur die Rechte wichtig, die als Ergänzung zum Mietvertrag vereinbart wurden und somit auch längerfristig gelten (zum Beispiel das Dauerwohnrecht für Mieter ab 60 Jahre). Alle anderen Rechte aus der Sozialcharta kann der einzelne Mieter sowieso nicht einklagen, sondern lediglich das Land Nordrhein-Westfalen.” Insgesamt: Ein trauriges, aber absehbares Ergebnis der Politik der Privatisierung und der Verarmung des Staates.

  12. DIW: Triste Aussichten nach der Wahl – Haushaltskonsolidierung erfordert Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen
    Nach der Bundestagswahl schlägt die Stunde der finanzpolitischen Wahrheit. Wer auch immer die nächste Bundesregierung stellt: Der Kassensturz nach der Wahl wird zeigen, dass kaum noch finanzpolitischer Handlungsspielraum besteht. Die öffentlichen Haushalte haben sich im Zuge der Rezession massiv verschuldet. Die Bundesregierung geht für die nächsten Jahre von einem starken Anstieg der Ausgaben, insbesondere der Sozialausgaben aus. Allein durch dauerhafte Ausgabensteigerungen und Einnahmenkürzungen wurde wieder ein strukturelles Defizit von zwei bis drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufgebaut, das sind 50 bis 75 Milliarden Euro im Jahr. Es besteht also erheblicher Konsolidierungsbedarf, sobald die derzeitige konjunkturelle Krise ausgestanden ist. Kürzungen bei den Staatsausgaben werden nicht ausreichen, um das strukturelle Budgetdefizit auf das mit der neuen Schuldengrenze kompatible Niveau von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu reduzieren. Zur Erreichung dieses Zieles sind Steuererhöhungen unausweichlich.
    Quelle 1: DIW – Triste Aussichten nach der Wahl: Haushaltskonsolidierung erfordert Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen [PDF – 360 KB]
    Quelle 2: DIW – „Es wird Steuererhöhungen geben“ [PDF – 200 KB]

    Anmerkung Orlando Pascheit: Geglaubt hat wohl niemand, dass welche Regierungskoalition auch immer nach den Wahlen zustande kommt, die Steuern senken könne. Die Wahlversprechen der FDP appellieren an die Wunschträume ihrer Klientel, und was die Hartz-IV-Schonvermögen betrifft, hat Guido Westerwelle mit seiner Äußerung zur “staatlich bezahlten Faulheit” sein Verhältnis zu Hartz-IV-Empfängern klar gestellt. Jetzt wird unsere Ahnung sozusagen wissenschaftlich untermauert, wenn auch der wissenschaftlich Anspruch des DIW durch die jüngste Zusammenarbeit mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft getrübt wird. Aber lassen wir einmal Klaus Zimmermann und Ferdinand Pavel außen vor und vertrauen Stefan Bach und Viktor Steiner. Sie beurteilen auch die Absicht der CDU/CSU, die kalte Progression abzubauen, als unbezahlbar. DIW-Abteilungsleiter Viktor Steiner: „Wer die kalte Progression vollständig abbauen will, muss sich auf Steuerausfälle von 25 Milliarden Euro jährlich einstellen“.

  13. Lobbyisten, arg in der Defensive
    Dumm gelaufen. Was als geschickte Desavouierung von Konjunkturprogrammen gedacht war, gerät zur Blamage. Am Pranger stehen das wie so häufig tollpatschig agierende Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie die Lobbyisten der Arbeitgeberverbände, die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Ihnen wird von Bund und Ländern vorgeworfen eine “sachlich falsche” Studie verfasst zu haben.
    Quelle 1: FR
    Quelle 2: INSM

    Anmerkung OP: Man kann auf der Website der INSM zwischen den Bereichen Themen, Aktionen, Wissen, Presse und Die INSM wählen. Man könnte meinen, dass eine wissenschaftliche Studie unter “Wissen” zu suchen sei, aber nein, sie ist unter Aktionen zu finden. Es geht also nicht um Wissen, sondern um Agieren. Die hier auftretenden ” Wissenschaftler” sind damit Agenten der INSM. Die INSM beschreibt den Bereich “Aktionen” wie folgt:
    “Mit Veranstaltungen, Presseterminen und Studien sowie mit Kampagnen, Events, und Plakataktionen ist die INSM in der Öffentlichkeit aktiv für marktwirtschaftliche Reformen. Im Bereich Aktionen finden Sie einen Überblick, mit welchen Themen und Maßnahmen die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft gerade öffentlich präsent ist.”
    Klarer kann man nicht sagen, dass in Auftrag gegebene Studien, die nicht den Vorstellungen der INSM von “marktwirtschaftliche Reformen” entsprechen, unerwünscht sind.

  14. Wer kein Geld hat, stirbt früher
    Der Sozialdemokrat Henning Scherf fordert in seinem Buch “Gemeinsam statt einsam” eine Reform des Gesundheitssystems. Die deutsche Zwei-Klassen-Medizin sei barbarisch und verfassungswidrig. Warum können Angestellte, deren Bruttoeinkommen drei Jahre lang über der Versicherungspflichtgrenze von zurzeit 48150 Euro im Jahr liegen, die gesetzliche Krankenversicherung verlassen? Damit entziehen sich ausgerechnet die Wohlhabenden der gesetzlichen Krankenversicherung. Unser Gesundheitssystem braucht dringend eine neue, solidarische Finanzierung. Die immer niedrigeren Einkommen einer zunehmend schmaler werdenden Mittelschicht tragen nicht mehr das gesamte System. Da wird es Zeit, neben den Arbeitseinkommen der einen die Vermögen der anderen einzubeziehen. Wir alle haben gesundheitliche Risiken, die mit unseren Biographien verbunden sind und nicht mit den Beschäftigungsverhältnissen. Ein solidarisches Finanzierungskonzept, das alle einbezieht, ist die Bürgerversicherung. Hierbei zahlt jeder gemäß seinem Einkommen, egal ob es aus Erwerbsarbeit, Aktien oder Immobilien stammt, einen Beitrag in die Gesundheitskasse ein. Dieses System belastet die Vermögenden mehr und die Armen weniger und vor allem: Es schließt alle Versicherten mit ein. Dieser Ansatz muss weiter gedacht werden.
    Quelle: FR
  15. Zu guter letzt: Neues aus der Anstalt
    Die Sendung vom 08.09.2009 in voller Länge und Pracht
    Quelle: ZDF-Mediathek
  16. Das Allerletzte: Paul Nolte: „Religion muss gesellschaftsfähig werden“
    Paul Nolte ist der Star einer neuen bürgerlichen Elite. Jetzt wird gerade er Präsident der Evangelischen Akademie in Berlin
    Quelle: Tagesspiegel

    Kommentar RS: Dass dieser “Star einer neuen bürgerlichen Elite” den „Abschied von der Gerechtigkeit“ fordert, müsste ihn von einer solchen Position in der Kirche ausschließen, wenn diese noch ihre Aufgabe ernst nähme, den Schwachen in der Gesellschaft beizustehen. Aber in der evangelischen Kirche des Wirtschaftsfreundes Wolfgang Hubers gehört diese Aufgabe wohl eher zu den Peinlichkeiten, von denen Nolte spricht.
    Ärgerlich an diesem Artikel ist auch, dass Autorin Caudia Keller im Tagesspiegel wie selbstverständlich von “Sozialromantikern” schreibt.


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