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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 20. August 2009 um 9:32 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
(RS/WL)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Um eine lang anhaltende Phase von Stagnation oder schwachem Wachstum mit hoher Massenarbeitslosigkeit abzuwenden, muss in Deutschland eine grundlegend andere Wirtschafts- und Finanzpolitik eingeschlagen werden. Künftiges Wachstum und neue gute Arbeitsplätze erfordern die Stärkung der Binnennachfrage und deutlich mehr Beschäftigung in sozialen Dienstleistungen, sowie höhere Investitionen in Klimaschutz und ökologischen Umbau. Die konkreten Alternativen und Forderungen von ver.di liegen auf dem Tisch.4 Zunächst ein Konjunkturpaket III: 75 Milliarden Euro jährlich für öffentliche Zukunftsinvestitionen. 25 Milliarden Euro für Arbeitsmarktpolitik und Erwerbslose. Zusätzlich einmalig 100 Milliarden Euro für einen staatlichen Beteiligungsfonds, um Unternehmenszusammenbrüche zu verhindern.
Ein öffentliches Zukunftsinvestitionsprogramm würde zwei Millionen sinnvolle Arbeitsplätze schaffen und sichern: in Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheits- und Sozialwesen, Verkehr und ökologischem Umbau. Für die gerechte Finanzierung brauchen wir mehr Einnahmen durch höhere Besteuerung von Reichen, hohen Einkommen und finanzstarken Unternehmen. Die sozialen Leistungen dürfen keinesfalls gekürzt, sondern müssen verbessert werden, besonders für Erwerbslose. ver.di fordert außerdem die Verlängerung der Altersteilzeit. Die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 muss zurückgenommen und die Altersteilzeit verlängert werden, um Auszubildende einzustellen.
Quelle: ver.di Wirtschaftspolitische Informationen 3/2009 [PDF – 244 KB]
Den beiden Zeugen zufolge ging es an jenem Wochenende einerseits darum, unbedingt die Insolvenz der HRE zu verhindern, da in einem solchen Fall angesichts der enormen Bedeutung dieses Instituts dem gesamten Bankensystem Gefahr gedroht habe. Dann wäre es zu einer „Kernschmelze“ auf dem Finanzmarkt gekommen, sagte Weidmann, „wir haben in den Abgrund geschaut“. Andererseits habe die Regierung das Ziel verfolgt, die Beteiligung der Banken an der HRE-Rettung möglichst hoch zu treiben, so Asmussen. Der Staatssekretär betonte, die zwischen Kanzleramt und Finanzministerium abgestimmte Verhandlungsstrategie am „Rettungswochen-ende“ sei „kein fahrlässiger Poker gewesen“. Damit widersprach er der Kritik aus den Reihen der Opposition, er sei schlecht vorbereitet in die Gespräche mit dem Bankenkonsortium unter Führung von Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann gegangen und sei am Sonntag erst um 17 Uhr und damit zu spät vor Ort zugegen gewesen. Wie Asmussen erklärte auch Weidmann, die späte direkte Einschaltung der Regierung in die Verhandlungen habe das Ziel verfolgt, den vom Finanzsektor zu leistenden Beitrag zur HRE-Stabilisierung „voll auszureizen“.
FDP, Linkspartei und Grünen erhoben während der Zeugenvernehmung den Vorwurf, das Finanzministerium habe Warnsignale zur krisenhaften Entwicklung der HRE, die schon vor der Pleite von Lehman Brothers Mitte September 2008 erkennbar gewesen seien, nicht zur Kenntnis genommen. Weidmann und Asmussen erklärten dazu, bis zum Zeitpunkt des nicht vorhersehbaren Lehman-Fiaskos mit der folgenden Austrocknung des Interbankenmarkts habe es keine Hinweise auf eine existenzbedrohende Lage bei der HRE gegeben.
Der Staatssekretär sagte, in den von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vor dem Ende von Lehman an das Finanzressorts übermittelten Prüfberichten sei die Situation der HRE als „angespannt, aber beherrschbar“ beschrieben worden. Angesichts dieser Analyse habe es seinerzeit für die zuständige Fachabteilung im Ministerium als Adressat der BaFin-Mitteilungen keinen Anlass gegeben, diese Berichte an die Leitungsebene des Ressorts und damit auch an ihn zu übermitteln. Wären die BaFin-Prüfungen der Führung des Ministeriums und dem Kanzleramt schon vor oder während des Debakels der HRE bekannt gewesen, so hätte dies keinen Einfluss auf die Rettung des durch die Lehman-Pleite ins Trudeln geratene Münchner Instituts gehabt, erläuterten Asmussen und Weidmann. Zu der vom FDP-Abgeordneten Volker Wissing erwähnten Aussage von BaFin-Chef Jochen Sanio vor dem Ausschuss, die HRE habe seit der Übernahme der irischen Depfa im Herbst 2007 „in der Falle“ gesessen und sich zu einem Schneeballsystem entwickelt, meinte Asmussen, derart habe sich Sanio gegenüber dem Ministerium nie geäußert.
Axel Troost (Linkspartei) kritisierte, dass sich Bankenaufsicht und Finanzressort nicht rechtzeitig mit dem Durchspielen von Risikoszenarien auf krisenhafte Situationen wie bei der HRE vorbereitet hätten. Dazu erklärte Asmussen, in solche Übungen hätte man einen Fall wie das Lehman-Fiasko gar nicht einbeziehen können, da dies nicht vorstellbar gewesen sei. Gerhard Schick von den Grünen stellte die Frage, wieso der deutsche Staat mit der Depfa, deren Schieflage in erster Linie das Desaster der HRE verursacht hat, eine irische Bank mit hiesigen Steuergeldern rette. Weidmann sagte dazu, mangels eines Privatkundengeschäfts sei die Depfa nicht unter den Schutzschirm des irischen Staats gefallen. Im Übrigen sei es bei der Stabilisierung der Depfa und damit der HRE darum gegangen, Geldanlagen in Deutschland zu sichern, so der Berater von Kanzlerin Angela Merkel.
Quelle: Deutscher Bundestag
Anmerkung WL: Haben Sie schon irgendwo einmal eine nachvollziehbare Begründung dafür gelesen, warum es bei einem Konkurs der HRE zu einer „Kernschmelze“ hätte kommen können? Warum die 8,5 Milliarden das Äußerste waren, was der Finanzsektor zur Rettung beitragen konnte? Wie der Bankensektor bei künftigen Gewinnen noch zur Finanzierung herangezogen werden könnte?
Wieder mal wird alles auf die Lehman-Pleite geschoben. Dass das ganze Casino eine kriminelle Veranstaltung war, ist offenbar bis heute nicht bewusst. Wenn es auch bei früherer Information über das bevorstehende Debakel der HRE keine Alternative zu dieser Art staatlicher Rettung gegeben hätte, dann belegt das ziemlich deutlich, wie sehr das ganze System ein Spiel ist, bei dem der Schwarze Peter dem Staat zugeschoben wird.
Siehe zur deutschen Lehman-Lüge nochmals
Für die Privatbanken ging das Spiel auf. Der Staat sicherte durch Steuergelder nicht nur ihre Kredite an die Münchner Pleitebank, er verschaffte ihnen durch die erstklassige Verzinsung und die erstklassigen Garantien auch eine erstklassige Geschäftsmöglichkeit. In diesem Jahr werden die Privatbanken alleine rund 300 Millionen Euro Zinsgewinne mit den staatlich abgesicherten Notfallkrediten einfahren, wie der Tagesspiegel erfahren hat. Alleine die Deutsche Bank verbucht in diesem Jahr 100 Millionen Euro Zinsgewinne bei ihren – nicht eben uneigennützigen – Notkrediten an die Münchner. Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert – nun verdienen die Banken allerdings sogar noch an der Sozialisation der Verluste.
Quelle: Telepolis
Anmerkung RS: Man muss sich wirklich fragen, weshalb die Banken nicht bereit waren, alles aufzubringen, was sie hatten, um zu verhindern, dass das gesamte Bankensystem zusammenbricht. Entweder fanden sie die Lage so kritisch, wie sie immer behaupten. Oder sie wussten, der Staat wurde sich über den Tisch ziehen lassen. Wenn der Staat nicht mitgemacht hätte, würden die Banken die HRE fallen gelassen haben? Dann kann die Gefahr so schlimm doch nicht gewesen sein.
Wer den Chefanklägern von FDP, Grünen und Linken in den vergangenen Tagen geglaubt hat, der muss sich heute verwundert die Augen reiben. Zum Hauptschuldigen der Finanzkrise hatten die Abgeordneten Volker Wissing, Gerhard Schick und Axel Troost den wichtigsten Mann von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) stilisiert. Immer wieder hatten sie Asmussens Entlassung gefordert. Und bei der Vernehmung im Ausschuss hätten sie den meistbeschäftigten Krisenmanager der Regierung am liebsten so in die Enge getrieben, dass er anschließend entnervt aufgibt. Das hätte sich auch im Wahlkampf nicht schlecht gemacht.
Umso erstaunlicher, wie zahm die drei jetzt auftreten. Schick liefert sich lieber kleine Scharmützel mit dem Ausschussvorsitzenden Hans-Ulrich Krüger (SPD) um korrekte Zitate, als Asmussen zu attackieren. Wissing, der in früheren Sitzungen kleine Beamtinnen mit seiner schneidenden Art fast zum Weinen gebracht hatte, ist heute ein Musterbeispiel an Sachlichkeit. Und der Linke Troost fällt vor allem dadurch auf, dass er in vielen Runden auf sein Fragerecht verzichtet.
Quelle: FTD
Es geht um die geplante “Nationale Akkreditierungsstelle”. Unter dem Dach dieses “Deutschland-Tüvs” sollen künftig alle Zertifizierungsstellen des Bundes, der Länder und der Wirtschaft vereint werden, die etwa Gütesiegel für Produkte vergeben. Linklaters soll die entsprechenden Verträge erarbeiten. Laut einer EU-Verordnung muss Deutschland die Behörde bis Anfang 2010 aufbauen. Entsprechend knapp ist die Zeit für die Beamten im Wirtschaftsministerium.
Quelle: Handelsblatt
Anmerkung WL: Was werden da nur für Gesetze verabschiedet, für deren Umsetzung man Rechtsanwaltsfabriken wie Linklaters beauftragen muss? Wenn es aber so komplex sein sollte, dass selbst Fachleute aus den Ministerien nicht mehr durchblicken, wie sollte dann noch jemand beurteilen können, ob der Rat der Berater richtig ist. Es ist die Auslieferung der politischen Kontrolle und damit die Auslieferung der Demokratie an eine anonyme Pseudo-Expertokratie.
Wer übernimmt die (politische und juristische) Verantwortung dafür, wenn die Umsetzungsempfehlungen an der Wirklichkeit scheitern?
Deutsche Unternehmen nutzen Leiharbeit nicht mehr zum kurzfristigen Ausgleich personeller Engpässe, sondern, so die IG Metall, “als Instrument einer kurzfristigen Absicherung der Kapitalrendite oder der Profitabilität”. Die Gewerkschaft gründet diese Einschätzung auf die von ihr in Auftrag gegebene Studie “Funktionswandel von Leiharbeit”. Klaus Dörre, Professor für Arbeitssoziologie an der Universität Jena, hat die Untersuchung wissenschaftlich begleitet. Im Interview erläutert er die zentralen Ergebnisse.
Dörre: „Dieser Klebeeffekt ist ein Mythos. Bei “normalen” Arbeitslosen ist die Quote derer, die eine Arbeit finden, genauso hoch wie bei Leiharbeitern. Arbeitsmarktpolitisch macht es also keinen Unterschied, ob die Menschen vorher an eine Firma ausgeliehen wurden oder nicht. Und gesellschaftlich ist der Einsatz von Zeitarbeitern eine Katastrophe: Werden sie als Reservearmee in Betrieben vorgehalten, verliert eine komplette Gruppe den Anschluss an weite Teile der Gesellschaft. Ihre Lohneinbußen liegen zwischen 20 und 30 Prozent, die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer weiter. Ganze Regionen fallen zurück, weil dort die Kaufkraft sinkt.“
Quelle 1: SZ
Quelle 2: IG Metall: „Funktionswandel von Leiharbeit“, Studie im Auftrag der Otto Brenner Stiftung [PDF – 46 KB]
Dazu auch:
Dazu passt:
Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist unbegreiflich, warum die SPD das Thema Mindestlohn nicht zum Wahlkampfschlager gemacht hat, wenn selbst 72 Prozent der CDU-Wähler die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn unterstützen. Wahrscheinlich haben die deutschen Politeliten die Legende vom Arbeitsplatzvernichter Mindestlohn so verinnerlicht, dass diese Arbeitgeber-Mär gar nicht mehr dekonstruiert werden kann.
Ergänzende Anmerkung RS: Ich habe die Stimme Angela Merkels (und anderer) vor einigen Jahren noch im Ohr, als sie dafür plädierte, den Niedriglohn-Sektor auszubauen. Das ist nunmehr geschehen – und jetzt sind die Deutschen dabei, Merkel und andere Verfechter dieser Politik wieder in die Regierung zu wählen.
Zum verwandten Thema Mindestlohn:
Zur Mindestlohnkommission nimmt die die Linksfraktion Stellung:
Klaus Ernst: Mindestlohn-Kommission ist eine Farce
Die Mindestlohn-Kommission ist eine Farce. Schon der Name ist irreführend. Lohndumping-Beirat wäre richtiger. Denn Lohndumpinganhänger haben die Mehrheit in dem Gremium. Wolfgang Franz singt seit Jahren Loblieder auf Hungerlöhne und will das Arbeitslosengeld II noch unter das jetzige Niveau absenken. Klaus von Dohnanyi, bekennender Neoliberaler mit SPD-Parteibuch, will Mindestlöhne allenfalls auf niedrigstem Niveau und noch dazu mit geringeren Sätzen für Ostdeutschland.
Gemeinsam mit den Arbeitgeber-Vertretern, denen jeder Euro Lohn einer zu viel ist, gibt es so eine Sperrmehrheit gegen existenzsichernde Mindestlöhne. Wer Mindestlöhne von Lohndumpinganhängern festsetzen lässt, kann es auch gleich bleiben lassen.
Quelle: Presseportal
Anmerkung WL: Bei der Zusammensetzung der Kommission hätte die SPD beweisen können, ob sie wirklich einen vernünftigen Mindestlohn will. Sie hat ihn unter Rot-Grün nicht durchgesetzt, sie hat ihn in der Großen Koalition nur unzulänglich durchgesetzt (obwohl eine Mehrheit im Parlament dafür vorhanden gewesen wäre), und jetzt setzt sie eine Kommission ein, deren Zusammensetzung allenfalls eine Mindestlohnhöhe erwarten lässt, die kaum höher als die tatsächlich bezahlten Hungerlöhne liegen dürften.
Wieder einmal sorgt der Steuerskandal in Liechtenstein für große Aufregung. Das Verfahren gegen den Topbeamten Karl Michael Betzl, zweiter prominenter Deutscher nach Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel, der Geld nach Liechtenstein geschafft hat, wird eingestellt, und das auf eine solche Art. Ein Verdacht drängt sich auf, der mehr als ein Geschmäckle hat: Hat Bayerns Justiz voreilig gehandelt und darauf verzichtet, mögliche Beweise zu berücksichtigen? – “Das Verfahren ist eingestellt. Aus!”, sagt Betzl heute. Er will nicht mehr über den Fall reden.
Quelle: FTD
Anmerkung WL: Eine spannend zu lesende obskure Geschichte.
Im Gegensatz dazu:
Die Nennung der erwähnten Institute muss aber in keinster Weise für ein Fehlverhalten sprechen, sondern bedeutet lediglich, dass US-Bürger Geld bei diesen Banken liegen haben und dies dem US-Fiskus nun im Rahmen des Amnestieprogramms mitgeteilt haben. Eine Bank macht sich erst strafbar, wenn sie einem Kunden aktiv bei der Steuerhinterziehung hilft, wie dies die UBS in den USA getan hatte.
Quelle: NZZ
Anmerkung Orlando Pascheit: Wie lange will die NZZ, die in ihrer Auslandsberichterstattung eine ganz hervorragende Zeitung ist, die Realität ignorieren. Natürlich ist die UBS kein Einzelfall. Wie aus dem Geständnis des UBS-Kunden John MacCarthy zu ersehen ist, konnte dieser auf eine eingespielte Infrastruktur zurückgreifen, die nicht auf eine einzelne Bank verweist.
Im Februar war die NZZ schon einmal ehrlicher bzw. weiter. Sie titelte: “Zeitenwende im Banking. Für das klassische Schweizer Private Banking, das auf Steuerhinterziehung abzielt, wird es eng. Viele Banken bereiten sich auf die Zeit danach vor.”
Anmerkung WL: Aber zur Aufgabe wurde sie dennoch gezwungen. Im Ergebnis hat man eine unliebsame und erfolgreiche Anklägerin gegen Steuerhinterzieher kalt gestellt.
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