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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 17. Juli 2009 um 9:49 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Albrecht Müller
(AM/MB)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung O.P.: Der Text im jüngsten Monatsbericht der EZB (S. 53) [PDF – 3.7 MB], auf den sich Thomas Fricke bezieht, lautet:
Insgesamt sind angesichts der derzeitigen ausgeprägten Abwärtsbewegungen beim Potenzialwachstum sowie unter Einbeziehung der künftigen negativen Auswirkungen auf das Produktionspotenzial, die sich aus der demografischen Entwicklung im Euroraum ergeben, strukturelle wirtschaftliche Reformanstrengungen im Eurogebiet notwendiger denn je, um einen anhaltenden Anstieg der Produktion und der Beschäftigung zu unterstützen. Derartige Anstrengungen sollten darauf abzielen, die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität der Arbeits- und Gütermärkte zu steigern. Dies lässt sich am besten dadurch erreichen, dass die Lohnsetzung und die sektor- und regionenübergreifende Mobilität der Arbeitskräfte erleichtert werden. Eine Förderung des Wettbewerbs und eine Verstärkung der Investitionsanreize würden den Restrukturierungsprozess beschleunigen und die Produktivität steigern.
In ihrer Hilflosigkeit verfallt die EZB auf die alten Mythen der Angebotstheorie. Das Angebot schafft sich seine Nachfrage (Say) und als grundlegende Voraussetzung für Investitionen gilt die Freisetzung der Anpassungsmechanismen am Arbeitsmarkt (“strukturelle wirtschaftliche Reformanstrengungen”). Und bald werden unsere Wendehälse ihr neoliberales Herz wiederentdecken und schreiben:
Deshalb sind die Arbeitskosten ein Schlüssel zur Überwindung der deutschen Wachstumsschwäche. Wer behauptet, Deutschland könne und müsse ein Hochlohnland bleiben, handelt unredlich oder ignorant. Millionen von überwiegend gering qualifizierten Arbeitslosen finden seit Jahrzehnten zu den herrschenden Löhnen keine Beschäftigung – mit ungebrochen steigender Tendenz. Diese anhaltend hohe Arbeitslosigkeit verursacht gravierende soziale und wirtschaftliche Lasten, die die krisenhafte Entwicklung noch verstärken. Überdies wird die erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung in Osteuropa und Asien zukünftig vermehrt auch mittlere bis hohe Qualifikationsprofile des deutschen Arbeitsmarktes erfassen und zumindest zu äußerster Lohnzurückhaltung nötigen. Gleichwohl ist festzuhalten, dass das Versagen der Tarifparteien in den letzten Jahrzehnten vor allem zu Lasten der Geringqualifizierten ging. Die unangenehme Wahrheit besteht deshalb darin, dass eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage nur durch niedrigere Entlohnung der ohnehin schon Geringverdienenden, also durch eine verstärkte Lohnspreizung, möglich sein wird. (Hamburger Appell 2005, Punkt 3)
Kommentar AM: Anonyme Gruppen in Wahlkämpfen. Wahrlich nichts Neues. Wie geht man damit um? Offensiv und die eigenen Leute vorbereiten. Wer sich genauer dafür interessiert, siehe Albrecht Müller: Willy wählen’72, Seite 64 ff („Keine Angst vorm großen Geld“) und Seite 164 ff („Klassenkampf von oben – Offen sagen, was ist.“) und rororo-aktuell Nr. 1658: Jörg Richter (Herausg.): Klassenkampf von oben …, Dokumente und Analysen eines gescheiterten Wahlkampfes.
Kommentar AM: Was hier über die Bedeutung der Kampa geschrieben wird, ist schlicht falsch. Der Wahlkampf der SPD von 1998 wurde wesentlich von Schröders Crew und nicht von Münteferings Kampa geprägt und dann mit der Breite von Lafontaine und Schröder gewonnen. Der Kampa-Mythos wurde von Müntefering und Machnig wirklichkeitswidrig gepflegt. Dass ein erfahrener Journalist dies 11 Jahre später einfach nachbetet, ist schon beachtlich. Näheres siehe auch in einem Beitrag in den NDS vom 19. November 2008 um 17:59 Uhr: Trübe Aussichten für die BTW 2009 – Hausgemacht bei Münte.
Anmerkung eines Nachdenkseiten-Lesers aus Sachsen-Anhalt: Das Finanzministerium Sachsen-Anhalt hat ein sehr interessantes Papier zu den Auswirkungen der Krise auf den Haushalt aufgestellt. Man kann hier sehr schön die Sach- und Ideologiezwänge für die zukünftige Haushaltspolitik nachvollziehen und natürlich auch wer dafür aufkommen muss.
Hauptstrategie ausgeglichener Haushalt, Verbesserung der Einnahmenseite von vornherein ausgeschlossen!! Zukünftige extreme Verknappung jeglichen Spielraums, weswegen Personaleinsparungen (Vorbilder finanzschwache Westländer) natürlich bei den üblichen Verdächtigen vorgenommen werden; Hochschulen (dabei sind die schon fast kaputt hier), Unikliniken, Polizei (hier gabs schon extreme Sparwut) und natürlich auch die normalen Kliniken, Investitionen in Infrastruktur, dann die ganzen Programme die die Symptome des Verfalls unseres Gemeinwesens verdecken sollen ( Förderprogramme, Frauen, Gegen-Rechts, Schulprogramme, Beratungen, Kitas etc.), aber auch Katastrophenschutz siehe Hochwasser 2002 etc. Einer der Auswege Privatisierung der Unikliniken a la Hessen mit Forschungsverpflichtungen und interessant ist auch, dass das Land eine Viertelmillarde in die NordLB investiert hat, der Wert des Anteils nun etwa 90 Mio. beträgt…und eventuell abgegeben werden soll.
Was soll man dazu sagen? Und sollte die Krise dank der Rückkopplungseffekte der Einsparungen in Wirtschaft und Staatssektor voll zu schlagen, da werden dann wohl weitere Kürzungen unumgänglich sein, bis es quietscht!
Kleiner Schritt
Natürlich ist die Lohn-Vereinbarung für die Handwerker nicht so bedeutsam wie etwa ein Abschluss in der mächtigen Metallindustrie. Aber es ist ein erster, kleiner Schritt weg vom Wettbewerb über Lohndumping. Weil künftig ein einheitlicher Maler-Mindestlohn gilt, wird es auch für Ost-Betriebe schwieriger, sich mit Niedriglöhnen einen Vorteil zu verschaffen.
Quelle: FR
Anmerkung Orlando Pascheit: Das Urteil des Bundesverfassungsgericht ist aus den Schlagzeilen. Schön, dass immer noch Stimmen, Interpretationen veröffentlicht werden.
Anmerkung unseres Lesers H.-P. F.: So was ist mir aus Reichsbahnzeiten nicht bekannt, Totalausfall….
Anmerkung AM: Es folgt ein Kommentar, lang aber aufschlussreich. Die Meinung unseres Lesers GK.
Anmerkung unseres Lesers G. K.: Es war ein dicker handwerklicher Fehler von Ralf Stegner, nicht über die Zustimmung des schleswig-holsteinischen SPD-Innennministers zu den Bonuszahlungen in Höhe von 2,9 Mio. € an das Führungspersonal der mit Hilfe von Steuergeldern geretteten HSH-Bank informiert gewesen zu sein. Und es ist ein Skandal, daß neben dem CDU-Vertreter in den Aufsichtsgremien auch der SPD-Vertreter diese Bonuszahlungen abgenickt hat. Jedoch: Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Medien-Mainstream unabhängig von der Sachlage die Schuld für den Bruch des Regierungsbündnisses der SPD so oder so in die Schuhe schiebt. Die große Mehrheit unserer Medien wittert die Gelegenheit, daß auch in Schleswig-Holstein ein schwarz-gelbes Regierungbündnis installiert werden kann.
Der oben zitierte Kommentar aus der Frankfurter Rundschau hat, so weit ich die Medienberichterstattung zu Schleswig-Holstein verfolgen konnte, beinahe Seltenheitswert, denn dieser Kommentar benennt nicht nur die Schattenseiten des SPD-Spitzenmannes, sondern auch jene des CDU-Ministerpräsidenten Carstensen. Von ganz anderer Machart ist hingegen ein vom STERN veröffentlichter Beitrag der Deutschen Presseagentur (dpa). In diesem Artikel wird die Verantwortung für den Bruch des Regierungsbündnisses einseitig dem SPD-Spitzenmann in die Schuhe geschoben: “Ralf Stegner: Der böse Bube von der Förde”.
In dem dpa-Beitrag heißt es: “Sein forscher, von Kritikern auch als sehr ruppig empfundener Führungsstil hat Ralf Stegner (49) den Spitznamen “Roter Rambo” eingebracht. … Mit seiner Art hat er sich nicht nur Freunde gemacht, besonders der Kieler Koalitionspartner CDU macht Stegner für den Dauerknatsch verantwortlich, einige trauen ihm nicht mehr und werfen ihm Profilierungssucht vor. Seine Beteuerungen, zu den von der Koalition beschlossenen harten Einsparungen zu stehen, wurden zuletzt als Lippenbekenntnisse abgetan. Stegner dürfe sich nicht “aus dem Staube machen”, wenn es schwierig wird, sagte CDU-Fraktionschef Johann Wadephul. Mehr noch: Stegner habe die Koalitionsatmosphäre vergiftet und das Verhältnis zerrüttet. … Nicht mehr an die Kabinettsdisziplin gebunden, hatte Stegner zuletzt auch bundesweit sein Profil als einer der Exponenten des linken SPD-Lagers gestärkt. Gern räsoniert er in Talkshows über “neoliberalen Quark”.”
Quelle 2: Stern
Die Deutsche Presseagentur betätigt sich mit diesem Beitrag, entgegen ihres eigentlichen Auftrages, die Medien und andere interessierte Stellen möglichst wertneutral mit Nachrichten zu versorgen, als unkritisches Sprachrohr der schleswig-holsteinischen CDU: “Der rote Rambo” als “Exponent des linken SPD-Lagers” (da loben wir uns doch die gut-“bürgerlichen Parteien”) besitzt die Unverschämtheit, “in Talkshows über neoliberalen Quark zu räsonieren”.
Ist es mit der eigentlichen Zielsetzung einer Nachrichtenagentur vereinbar, derart einseitig zu Gunsten einer Konfliktseite Partei zu ergreifen? Nach meinem Verständnis: Nein!
Nach meiner Beobachtung handelt es sich bei dem vorliegenden Beitrag der Deutschen Presseagentur (dpa) um keinen Einzelfall: In den vergangenen Jahren hat sich nach meiner Einschätzung bei dieser Nachrichtenagentur eine zunehmend tendenziöse Berichterstattung zu Gunsten der neoliberal-konservativen Kräfte entwickelt. Dies ist umso bedenklicher, als viele Medien die vorgefertigten dpa-Berichte (genauso wie jene anderer Nachrichtenagenturen) ungeprüft für die eigene Berichterstattung übernehmen.
So spielte beispielsweise die dpa-Berichterstattung zu den Kundgebungen der Demonstrationsteilnehmer während des G8-Gipfels im Juni 2007 in Heiligendamm den konservativen Hardlinern in die Hände. Stefan Niggemeier dokumentiert dies in dem Beitrag “Chronologie einer Falschmeldung”.
Quelle 3: Stefan Niggemeier
Ein abschließender Hinweis zu dem Bruch des Kieler Regierungsbündnisses: Der von vielen Medien erweckte Eindruck, die SPD (in Person von Ralf Stegner) trage mehr oder weiniger die alleinige Verantwortung für das Auseinanderbrechen der schwarz-roten Regierung, wird durch folgenden, bereits im April 2009 von den “Lübecker Nachrichten” veröffentlichten Beitrag in Zweifel gezogen. In diesem Beitrag heißt es zu dem “heftigen Streit in der Führungsriege der Nord- CDU” (so die “Lübecker Nachrichten” im April 2009):
“Der heftige Streit in der Führungsriege der Nord- CDU weitet sich zur schwarz-roten Regierungskrise aus. Erst erhob CDU-Ex- Wirtschaftsminister Werner Marnette wegen angeblich viel zu hoher Risiken bei der HSH-Nordbank-Rettung neue schwere Vorwürfe gegen CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und seinen Finanzminister Rainer Wiegard. „Der SPD-Teil der Regierung hat keine Krise“, so Stegner. Der CDU könne man aber nur wünschen, dass sie „ihre Probleme schnell lösen kann“. Das jüngste davon ist ein Interview Marnettes (CDU) mit dem Magazin „Der Spiegel“. Darin hat Marnette seiner Wut über das Krisenmanagement bei der HSH-Rettung erneut freien Lauf gelassen – vor gut einer Woche war der Minister deswegen von seinem Amt zurückgetreten. …
Carstensen habe sich sogar öffentlich über ihn beschwert: Man kriege „sogar nachts SMS und E-Mails von dem Kerl“. Im Kabinett hätten daher auch nur die SPD-Minister Uwe Döring und Ute Erdsiek-Rave kritisch nachgehakt. Kritische CDU-Landtagsabgeordnete habe Carstensen als Leute abgetan, die in ihre Schlosserei oder ihrem Elektrogeschäft „ihre Hausaufgaben“ nicht hinkriegen würden, jetzt aber mal „große Finanzwelt spielen wollen“, so Marnette in dem Interview. In Kiel sorgten die Vorwürfe gestern für stundenlange Krisensitzungen. Fast einen ganzen Tag lang brütete die Staatskanzlei über einer Stellungnahme. Dann gab’s von Carstensen nur einen Satz: „Die mir in den Mund gelegten Äußerungen sind zu keinem Zeitpunkt gefallen.“ Marnette allerdings zu den LN: „So hat er’s gesagt. Sonst hätte ich ihn nicht so zitiert.“”
Quelle 4: Lübecker Nachrichten
Es wäre Aufgabe unserer “unabhängigen” und “überparteilichen” Medien, die Kieler Auseinandersetzung zwischen ´CDU und SPD nicht überwiegend durch die CDU-Brille zu betrachten. Der Beitrag aus den “Lübecker Nachrichten” vom April 2009 zeigt, daß selbst innerhalb der CDU erhebliches Konfliktpotenzial existiert. Ein aus CDU-Sicht erfreuliches Nebenprodukt des Streits um das wahrscheinliche Ende des Kieler Regierungsbündnisses: Die diversen Affären rund um den Skandalreaktor Kümmel treten in den Hintergrund.
Anmerkung Orlando Pascheit: Wieder einmal manifestiert sich, dass in einer zentralen Frage der europäischen Sicherheitspolitik Europa immer noch geteilt ist. Die gemeinsame Wertebasis bröckelt, wenn die konkrete Zusammenarbeit beginnen soll bzw. eine gemeinsam Außen- und Sicherheitspolitik praktiziert werden soll. Eine schlanke Union, ein großer Binnenmarkt im Schutze der NATO ist die Wunschvorstellung von der Beschaffenheit der EU, die immer noch im Osten vorherrscht. Diese Länder bleiben von den Erfahrungen mit der ehemaligen Sowjetunion geprägt. Viele Osteuropäer sind davon überzeugt, daß ihre „Befreiung“ ein Verdienst der Vereinigten Staaten war, so daß die Regierungen in der Irakfrage den Konflikt mit Kerneuropa (ohne Italien bzw. Berlusconi) nicht scheuten. Umso bestürzender muß die Rußlandpolitik der neuen amerikanischen Regierung wirken, welche sich Moskau viel rationaler nähert als die vorherige Regierung und damit ein Stück näher an die Politik der alten EU rückt. Und klar ist auch, wie im Artikel zitiert , dass die Unterzeichner nur wenig Vertrauen in die politische Kraft der Europäischen Union haben. – Man mag vielleicht einwenden, dass die Unterzeichner nicht die offiziellen Vertreter ihrer Nationen sind, aber gerade deswegen brauchen sie keine Rücksicht sie auf die laufenden Geschäfte zu nehmen.
Anmerkung Orlando Pascheit: Dieses “wir” bezieht sich durchaus auf den Autor selbst, er war ehemaliges Direktoriumsmitglied der Nationalbank und in leitender Funktion und als Verwaltungsrat im Bankgeschäft sowie in der Industrie tätig . Er ist immer noch a.o. Professor für Volkswirtschaft an der Universität Basel. Der Artikel bietet an sich wenig Neues und konzentriert sich auf die falschen Anreizsysteme durch Boni. Der zum Paulus gewandelte Saulus bestätigt immerhin, dass zumindest gegen Ende des Immobilienbooms, das Wissen um die Risiken strukturierter Produkte unter den Investmentbanken Allgemeingut war, so machte auf einem IWF-Meeting (!) in Washington im Herbst 2007 ein geflügeltes Wort die Runde: “Jeden Morgen steht ein Dummer auf, man muss ihn nur finden”.
Die Behauptung: “Keine Abwrackprämie für Hartz IV-Empfänger” kann ich so nicht stehen lassen .. siehe die 2 Links unten .. da die Abwrackprämie eine zweckbestimmte Leistung ist, die für den täglichen Unterhalt nicht zur Verfügung steht, ist es abwegig dies als Einkommen anzusehen. Siehe beigefügtes Gerichtsurteil (über den Link)
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