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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 13. Juli 2009 um 9:36 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
(WL)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Selten hat sich ein Sinneswandel so schnell vollzogen: Nicht einmal vier Jahre ist es her, dass viele Politiker in Deutschland gar nicht rasch genug den staatlichen Einfluss über die Wirtschaft abbauen wollten.
Um den Bürgern vor der aktuellen Wahl einen Überblick zu geben, welcher Politiker und welcher Politikberater in den fünf Jahren vor der Krise, die im Sommer 2007 begann, tatsächlich undifferenziert Deregulierung gefordert hat und bei welchen Politikern sich eher ein ausgewogener Forderungskatalog findet, hat die Hans-Böckler-Stiftung eine entsprechende Studie bei mir in Auftrag gegeben.
Das Ergebnis: Viele Politiker vor allem von Union und FDP waren radikal für den Rückbau des Staates in allen Bereichen. Und: Volkswirte in Deutschland waren weit einmütigere Verfechter von einem radikalen Rückbau des Staates als die meisten Politiker.
Quelle: FR
Anmerkung WL: Sehr lesenswert.
Anmerkung unseres Lesers G.K.: Sebastian Dullien schreibt in der Frankfurter Rundschau, bei Politikern und Ökonomen habe sich in Sachen Deregulierung ein “Sinneswandel vollzogen”: “Kaum ein Politiker vertritt heute noch solche Thesen im Gegenteil. Jeder will schon immer gewusst haben, dass eigentlich der Finanzsektor deutlich mehr, nicht weniger Aufsicht braucht.”
Aus meiner Sicht zeigt sich demgegenüber bei unseren Politikern und Ökonomen ein gerüttelt Maß an Wendehälsigkeit: Die Schuld liegt bei anderen (vor allem bei den USA). Sie selber haben in der Vergangenheit angeblich schon immer gewarnt. Die hiesigen Wendehälse mimen die Unschuld vom Lande und versuchen darüber hinaus den Eindruck zu erwecken, als stünden sie im Kampf gegen die Ursachen der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise heute wie in der Vergangenheit an vorderster Front.
Dies lässt sich am Beispiel der Bundeskanzlerin Merkel aufzeigen:
Sebastian Dullien schreibt zur Bundeskanzlerin:
“Kanzlerin Angela Merkel verweist so zwar regelmäßig auf ihre Forderungen beim G8-Gipfel in Heiligendamm, verschweigt indes die Forderungen aus ihrem Wahlprogramm 2005.”
Auf dem G8-Gipfel im Juni 2007 in Heiligendamm sprach Merkel lediglich einen kleinen Teilausschnitt des aus dem Ruder gelaufenen Finanzmarkt-Kapitalismus an: Die Hedgefonds. Und: Sie forderte nicht etwa ein Verbot dieser hochspekulativ-pervertierten “Finanzprodukte”, sondern lediglich ein wenig “Regulierung”, wohl wissend, dass die USA unter George W. Bush dies ablehnen würden. Das bot Merkel jedoch die Gelegenheit, sich vom großen Tross ihrer Hofberichterstatter-Medien einmal mehr als “Gipfel-Königin” feiern zu lassen, “die sich nicht davor scheut, Klartext zu reden”.
Die mit tatkräftiger Unterstützung dieser Medien nach außen zur Schau gestellte Politik und ihr tatsächliches Handeln klaffen bei der Bundeskanzlerin jedoch deutlich auseinander.
So beabsichtigte die Bundeskanzlerin im Oktober vergangenen Jahres, mit Hans Tietmeyer einen neoliberalen Hauptakteur und Verantwortlichen für den Deregulierungswahn der vergangenen Jahre und Jahrzehnte mit der Leitung jener “Expertengruppe” zu beauftragen, die für die Bundesregierung Reformvorschläge für die internationalen Finanzmärkte ausarbeiten sollte. “Der Freitag” berichtete unter der Überschrift “Einseitige Expertise” zu Merkels Personalie Tietmeyer
Nach öffentlichen Protesten zog Merkel die Personalie Tietmeyer zurück. Stattdessen wurde Otmar Issing als Leiter der “Expertengruppe” installiert. Die NachDenkSeiten am 20. Oktober 2008 unter der Überschrift “Ein neuer „Bock als Gärtner“ – der GoldmanSachs-Berater Issing als Kommissionsvorsitzender. Mein Fazit: Dieser Bundesregierung ist nicht zu trauen”
Ein ganz aktuelles Beispiel, das erneut erhebliche Fragen zu den tatsächlichen Absichten Merkels und der Bundesregierung aufkommen läßt: Die NachDenkSeiten veröffentlichten am vergangenen Donnerstag unter der Überschrift “Weitere Informationen zur Verflechtung von Politik und Finanzindustrie (Finanzkrise XXI)” Informationen eines NDS-Lesers zur Entstehung des “Bad-Bank”-Gesetzes.
Doch zu Massensteuern gibt es eine ebenso prominente wie tabuisierte Alternative: Vermögensteuern auf die wirklich Vermögenden. Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) besitzen zehn Prozent der Deutschen 61 Prozent des gesamten Privatvermögens: Eine Minderheit könnte hier einen relevanten Beitrag zur Staatsfinanzierung leisten, ohne dass ein krisenverschärfender Effekt einträte. Im Gegenteil: Die Oberschicht ist mittlerweile so reich, dass sie gar nicht mehr in der Lage ist, ihre Vermögen zu verkonsumieren, oft nicht einmal die Zuwächse. Sie ist gezwungen, ihr Kapital professionellen Vermögensverwaltern zu überlassen, welche die Abermilliarden auf die Finanzmärkte pumpen und damit immer größere Blasen befüllen – eine strukturelle Ursache für die Krise.
Deutschland ist im internationalen Vergleich ein außergewöhnliches Niedrigsteuerland für Wohlhabende. Vermögensteuern machen nur 0,9 Prozent vom BIP aus. Würde sich Deutschland dem Niveau Frankreichs angleichen (3,5 Prozent), brächte dies zusätzlich 64 Milliarden Euro; dem Großbritanniens (4,6 Prozent) sogar 92 Milliarden Euro – die Regierung bräuchte keine neuen Schulden aufzunehmen, die kommenden Generationen würden verschont.
Quelle: taz
NDR Info berichtete unter Berufung auf eine Erklärung von Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) an die Bürgerschaft, dass Nonnenmacher eine Sondervergütung von insgesamt 2,9 Millionen Euro erhält.
Quelle: NDR
Anmerkung WL: Die HSH Nordbank hat von Hamburg und Schleswig-Holstein eine Kapitalspritze in Höhe von drei Milliarden Euro und eine Sicherheitsgarantie in Höhe von zehn Milliarden Euro erhalten.
Der außerbörsliche, sogenannte Over-The-Counter-Markt (OTC) mit Derivaten umfasst weltweit ein Volumen von 450 Billionen Dollar. Eines der Instrumente ist der Credit Default Swap (CDS), mit dem Kreditrisiken abgesichert werden.
Einem Bericht des “Wall Street Journal” zufolge regt sich in der Wirtschaft erheblicher Widerstand gegen die Regulierung dieses bislang weitgehend unbeaufsichtigten Marktsegments. Mehr als 40 Unternehmen außerhalb des Finanzsektors laufen demnach Sturm gegen die Pläne und richten ihre Hoffnung auf eine Entschärfung der Regeln im US-Kongress.
Quelle: Reuters
Dazu:
Anmerkung Orlando Pascheit: Und diese Entwicklung will die Bundesregierung mit statistischen Effekten abtun. Die bereinigte Statistik möchte ich sehen, die bei den 63 bis 65-Jährigen aus 7,4 % Vollzeitbeschäftigten eine “relativ günstig” Arbeitsmarktentwicklung herauslesen läßt. Für wie dämlich halten die uns? – Na ja, 62 Prozent von uns würden es sehr begrüßen, wenn “uns Angela” auch nach der Bundestagswahl 2009 Kanzlerin bliebe (Forsa, Juni). Die Idee zur Rente 67 kam ja auch nicht von ihr, sie hat Müntefering nur zugestimmt – wahrscheinlich mit größtem Widerwillen.
Anmerkung Orlando Pascheit: Frank-Walter Steinmeyer: “Peer Steinbrück trägt die Rentengarantie mit, weist aber zu Recht darauf hin, dass wir immer auch die Frage der Generationengerechtigkeit im Auge behalten müssen. Wir dürfen keine Gruppe unserer Gesellschaft gegen eine andere ausspielen: Das ist ein zutiefst sozialdemokratischer Gedanke.” – Tolle Zurückweisung, Steinmeyer gibt Steinbrück sogar indirekt Recht.
Anmerkung Roger Strassburg: Dieser Artikel macht einfach wütend. Bei diesem Thema ist Stern kein bisschen besser als der Spiegel.
Hier wird die teilweise Rücknahme von Greueltaten der letzten Jahre als Wohltaten dargestellt. Man tut den Rentnern also einen Gefallen, indem man aufhört, sie zu prügeln. Dafür prügelt man sie aber in den Medien weiter, wie in diesem Artikel.
Was soll z.B. die Behauptung, die Rentenkasse sei “eigentlich schon heute pleite”? Weil sie keine Rücklagen hat, um alle zukünftigen Rentenansprüche zu bezahlen? Hat die Autorin das Wesen eines Umlageverfahrens nicht verstanden, oder täuscht sie absichtlich? Oder schreibt sie das, weil der Staat etwas zuschießen muss. Ist es aber nicht richtig so, dass der Staat Beitragsausfälle, die hauptsächlich mit Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung und Niedriglöhnen zu tun haben, ausgleicht, anstatt diese den Rentnern aufzubürden? Das der Staat zuschießen muss, ist eine Folge der Wirtschafts- und Sozialpolitik, nicht weil die Rentner zu mächtig sind. Doch die Autorin kennt nur die abgenutzte Demographie-Demagogie.
Besonders unverschämt ist die Darstellung der Rentner als “Generation S-Klasse”. Selbstverständlich gibt es wohlhabende Rentner, genauso wie es wohlhabende Arbeitnehmer gibt. Aber so zu tun, als handele es sich hier hauptsächlich um wohlbetuchte Leute – jene “zickigen” Menschen, die “brav” zur Wahl gehen, damit sie durch ihre Macht an der Wahlurne die jüngeren Generationen schamlos ausplündern können – ist einfach dreist.
Nichts lässt die Autorin aus, um den angeblichen Generationenkonflikt anzustacheln: Die Rentner seien vor den Reformen “gehätschelt”, den Rentnern gehe es besser als nie zuvor – während alleinerziehende Mütter arm dran sind. Es würden “kostspielige Wünsche” verlangt, wie Massage am Arbeitsplatz (welcher Arbeitsplatz denn? Ich denke, es gehe hier um Rentner, und nicht um aktive Arbeitnehmer). Professoren (welche denn?) sollen ausgerechnet haben, dass das Versprechen, die Renten auch bei sinkenden Löhne nicht zu senken 46 Milliarden Euro koste (woraus berechnet?).
Also neben Arbeitslosen werden weiterhin Rentner als Schmarotzer der Nation dargestellt. Diejenige, die dieses Bild pflegen, wie etwa Philipp Mißfelder (“keine Hüftgelenke ab 85), lässt die Autorin als missverstandene Realisten erscheinen. Man braucht nur noch zu warten, bis wieder jemand vorschlägt, Alten und Arbeitslosen das Wahlrecht zu entziehen. Und dann (…)
Anmerkung Orlando Pascheit: Mancher mag sich trösten, dass die Einkommensverteilung Deutschlands dem EU-Durchschnitt entspricht. Aussagefähiger ist allerdings der Anstieg des Gini-Koeffizienten von 2005 mit 26 auf 30 im Jahre 2007. Dem entspricht auch die Zunahme der so genannte relative Armutslücke von 2005 mit 19 Prozent auf 24 Prozent im Jahre 2007. D.h. das mittlere verfügbare Jahreseinkommen armutsgefährdeter Menschen lag 2007 insgesamt 24 Prozent unterhalb den Einkommen, das ein Armutsrisiko signalisiert.- Diese Entwicklung hat wohlgemerkt im letzten Aufschwung stattgefunden, der von Leuten, die die Definitionsmacht in diesem Lande haben, Boom genannt wurde.
Der Kaufmännische Geschäftführer der BWV, Michael Stäbler, bezifferte die Kosten für die Auflösung der ursprünglich bis 2032 datierten grenzüberschreitenden Mietverträge zum 29. März dieses Jahres mit 50 Millionen Euro. Dem stehen Einnahmen aus den Verträgen von insgesamt 45,3 Millionen Euro gegenüber. Davon sind bereits 23 Millionen geflossen. “Damit haben wird sechs Jahre lange den Wasserpreis gestützt”, so Stäbler. Diese 23 Millionen und der Verlust von 4,7Millionen Euro müssten nun über einen 2,5 Cent höheren Wasserpreis refinanziert werden.
Quelle: Stuttgarter Nachrichten
Direkte Bezahlung von Leistungen verführt die Ärzte zur Erbringung von unnötigen Leistungen. Sie untergräbt das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient. Kassenärzte aber sollten ihre Leistungen unabhängig von finanziellen Interessen erbringen können. Der Patient muss vom behandelnden Arzt erwarten können, dass er seine medizinischen Entscheidungen unabhängig von eigenen finanziellen Interessen trifft. Das ist bei IGeL nicht der Fall. Der Arzt ist kein Kaufmann.
Quelle 1: Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte
Quelle 2: Deutsches Ärzteblatt
Anmerkung WL: Bertold Brecht: Unsichtbar wird der Wahnsinn, wenn er genügend Ausmaße angenommen hat. Oder hier umgekehrt: Wenn der Wahnsinn genügend Ausmaße angenommen hat, werden diejenigen, die auf den Wahnsinn hinweisen, für Wahnsinnig erklärt.
Siehe zum allgemeinen Wahnsinn:
Anmerkung unseres Lesers Ü.M.: Emotionen, diffuse Ängste und schlechte Kommunikation sind also die Gründe warum so viele Leute hierzulande gegen Atomkraft sind.
Meinen Sie nicht dass Sie es sich da ein bißchen zu einfach machen ?
Wie wäre es, die höchst rationalen Argumente gegen die Atomkraft wenigstens zur Kenntnis zu nehmen ?
Als da wären: nur lächerliche 2% Anteil am Endenergieverbrauch der Welt, unwirtschaftlich, endliche Uranvorräte, dreckiger Uranabbau, absaufende Endlager in Asse und Morsleben die
mit Milliarden vom Steuerzahler repariert werden müssen, endlose Subventionen, keine ausreichende Haftpflichtversicherung für AKWs, permanente Störfälle und kein Endlager in Sicht, Inkompatibilität mit Erneuerbaren Energien.
Und wenn Sie sich die Zahlen der AKWs anschauen würden, würden Sie feststellen dass nicht nur in Deutschland die Zahl zurückgeht, weil auch in anderen Ländern zwar teilweise viel von Neubauten geredet wird, aber dem kaum Taten folgen. Und da wo neue gebaut werden sind sie entweder massiv subventioniert wie in Frankreich und Finnland oder in staatlicher Regie wie in China Russland etc.
Alles nur Emotion ?
Sorry, Ihr Essay reiht sich würdig ein in die immer häufiger werdenden schlampig recherchierten Artikel im Spiegel. Schade, dass das Niveau so abgesunken ist. Da war der Focus wohl leuchtendes Vorbild (…)
“Die Grundlage des eigentlichen Skandals ist, dass den Verantwortlichen schon 1967 klar war und sogar in den Akten festgehalten wurde: Innerhalb von Jahrzehnten bleibt kein Raum des Asse-Bergwerkes trocken, sondern sie wird vollständig mit Salzlauge gefüllt sein”, zitierte Möller. Das so genannte Absaufen des Salzstocks sei somit billigend in Kauf genommen worden – und bis 1978 wurden tausende weiterer Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Müll eingelagert. Da ging dann doch ein Raunen durch den Saal, in dem vor allem Menschen saßen, die ansonsten so leicht nichts mehr erschüttern kann an überraschenden und unglaublichen Informationen zu Asse II.
Quelle: Newsclick.de
ZDF: Aber im entscheidenden Moment, im Jahr 1999, haben Sie hingeschmissen?
Lafontaine: Ich weiß, Sie kommen immer wieder auf den Rücktritt als Finanzminister zu sprechen. Das Wort Hinschmeißen ist eine Diffamierung. Ich war nicht einverstanden mit der Sozialpolitik, das kann heute niemand mehr bestreiten. Ich war nicht einverstanden mit der Vorbereitung des Krieges auf Jugoslawien, das kann auch niemand bestreiten. Wenn jemand dann sagt “ich gehe”, dann sollte man das respektieren und nicht so dämlich von Hinschmeißen reden.
ZDF: Es ist doch ein Faktum, dass Sie das Amt niedergelegt haben.
Lafontaine: Bitte unterbrechen Sie mich nicht ständig. Ich möchte doch darauf hinweisen, dass ich 1999 auch zurückgetreten bin, weil meine Vorschläge, die internationalen Finanzmärkte zu regulieren, vom deutschen Kanzler nicht unterstützt wurden, vom britischen Premier nicht unterstützt wurden, natürlich auch von den USA abgelehnt wurden und deshalb keine Chance hatten. Mittlerweile gibt es ja einige anständige und faire Journalisten, die sagen: Wir haben damals über ihn gelacht, wir müssten heute sagen, er hatte Recht.
ZDF: Also, Herr Lafontaine, wir haben hier die Möglichkeit 20 Minuten zu sprechen und wenn Sie mit dem “anständig” vielleicht mich gemeint haben, dann weise ich das zurück. Ich sag nochmal: Sie waren 1999 einer der mächtigsten Männer der Republik. Sie waren Finanzminister. Sie waren Parteichef der SPD. Sie hätten damals die Rentenformel ändern können. Sie hatten mit dem Haushalt zu tun. Sie hätten über Auslandseinsätze der Bundeswehr mitentscheiden können. Sie sind gegangen, das ist doch ein Faktum.
Lafontaine: Sehen Sie, wenn Sie schon sagen, wir hätten die Rentenformel damals ändern können, dann sind Sie jetzt so tief in die Geschichte gegangen, dass Sie die Fakten nicht mehr präsent haben. Die Rentenformel war damals ausgezeichnet, die hätte ich gerne heute wieder.
ZDF: Aber die anderen Dinge? Sie haben nicht mit gestanden. Sie sind gegangen. Sofort, als die Küche heiß wurde, sind Sie gegangen.
Lafontaine: Ich weiß nicht, was dieses polemische Interview jetzt soll? Sie reiten auf dem Rücktritt herum, unterstellen Dinge, die gar nicht stimmen. Als könne ein Einziger von mehreren hundert Abgeordneten eine Formel im Bundestag ändern. Als könne ein Einziger von mehreren hundert Abgeordneten die Sozialgesetzgebung ändern. Das ist doch alles kalter Kaffee.
ZDF: Warum profitiert die Linke nicht mehr von den Zeiten, wo selbst der Papst den Kapitalismus kritisiert. Die Umfragen werden ja schlechter und nicht besser.
Lafontaine: Wir haben ein Medienproblem, das haben wir jetzt gerade wieder festgestellt. Die Medien sind uns gegenüber nicht gerade freundlich gesonnen. Beispielsweise werden Vorschläge von uns gar nicht diskutiert. Auch dann, wenn allgemein in Deutschland darüber verhandelt wird. Zwei Beispiele: Wir haben Kurzarbeit. Wer redet darüber, dass die Linke einen Gesetzentwurf im Bundestag hat, Kurzarbeitergeld nicht zu versteuern? Wir haben Wucherzinsen in Deutschland. Wer redet darüber, dass die Linke als einzige Partei im Bundestag einen Gesetzentwurf hat, die Zinsen für Überziehungskredite, die die Ärmsten betreffen, auf sechs Prozent zu begrenzen. Ich danke Ihnen aber, dass ich das jetzt hier einmal sagen kann.
ZDF: Das wollen wir doch sagen. Wir haben immerhin 20 Minuten die Möglichkeit dazu, und Sie werden genauso behandelt wie alle anderen Parteivorsitzenden im ZDF-Sommerinterview.
Lafontaine: Ich gucke mir das Interview mit Frau Merkel an.
Quelle 1: ZDF – Berlin Direkt: “Oskar Lafontaine im Sommerinterview”
Anmerkung WL: Siehe den vorigen Beitrag von Albrecht Müller: Asysmetrie zu Lasten der Linken. Sie konnten ja schon sehen, wie devot der Bundespräsident interviewt wurde. Achten Sie wirklich auf das Interview mit Frau Merkel und vergleichen die Fragen und vor allem die Tonart.
Das gleiche Spiel wie mit Oskar Lafontaine auch mit Gregor Gysi im DLF.
Quelle 2: DLF Interview der Woche
Anmerkung unseres Lesers M.H: Jedem, der nach der beschriebenen ZDF-Ankündigung das Interview angeschaut hat, dürfe damit jeder Restzweifel an einer großangelegten Anti-Links-Medienkampagne verlustig gegangen sein. Bemerkenswerterweise beinhaltete das Interview nämlich nicht nur die üblichen Anti-Lafontaine-Polemiken, sondern die längst überfällige angemessene Reaktion darauf. Oskar Lafontaine hat in vorbildlicher und lang vermisster Weise endlich die Kampagnen-Berichterstattung auch des ZDFs öffentlich und in aller Deutlichkeit angeprangert und den äußerst ungeschickt agierenden und offenkundig darauf nicht vorbereiteten Peter Frey vorgeführt. Das Interview geriet dabei selbst zum Live-Beweisstück. Nicht zuletzt deshalb weil sich Frey völlig blindwütig und einem blutberauschten Kampfhund gleich auf Lafontaine stürzte. Außer der bekannten und abgedroschenen Polemik des Weglaufens und Hinschmeißens gegen Oskar Lafontaine brachte Frey nämlich rein gar nichts Substanzielles zustande. Der unter Anti-Links-Journalisten so beliebte Weglauf-Vorwurf wurde so zum Aufhänger dessen, was man beim ZDF wohl am liebsten totgeschwiegen hätte: Eine Medienpropagandakampagne gegen alles und jeden, der es wagt, für die substanziellen Interessen der Bevölkerung einzutreten.
Interessant und notwendig ist auf jeden Fall aber, dass Lafontaine tacheless redet und diese Medienbarriere gut wahrnehmbar thematisiert. Hier tut Wiederholung not. Peter Frey wirkte einerseits sehr hilflos, doch gepaart mit seiner Aggressivität gegenüber Lafontaine dann schließlich außerordentlich unglaubwürdig und voreingenommen, Dies ist wichtig, um die medial gelenkte Meinungsbeeinflussung ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Der Zuschauer merkt: Es sind keine abstrusen Verschwörungstheorien, wenn jemand behauptet, die Medien würden maßgeblich von konservativ-liberalen Kreisen gesteuert, sondern es ist tatsächlich was dran. Peter Frey ist nicht der nette und neutral agierende Journalistenonkel, sondern ein parteiischer, interessengeleiteter Meinungsmanipulateur und damit Teil eines Problems. Man achtet dann mehr auf diese Dinge und umso mehr fällt einem dann auf.
Die IU war die einzig noch verbliebene Hochschule in Deutschland, die komplett von einer privaten Beteiligungsfirma getragen wurde. Hinter Educationtrend steht die Investmentgesellschaft Aton von Lutz Helmig, dem Gründer der Helios-Kliniken. Es ist bereits die zweite Hochschule, mit der Milliardär Helmig scheitert: Im März musste die von Educationtrend betriebene Hanse-University in Rostock ihren Lehrbetrieb einstellen; dort hatten sich nur drei Studenten eingeschrieben. Jetzt folgt die Bruchlandung in Bruchsal.
Quelle: FTD
Anmerkung WL: Und weil die privaten „International Universities“ an der Pleite entlang hangeln, muss man eben die staatlichen Hochschulen privatisieren.
Anmerkung Orlando Pascheit: Interessant an dem Artikel ist die Mahnung Barack Obamas an die britischen Politiker, dass die pakistanische Atombombe in die falschen Hände gelangen könnte. Das erinnert schon stark an die Rhetorik der Bushadministration. Jetzt wird der Einsatz in Afghanistan mit einer Bedrohung durch Pakistan rechtfertigt. – Der Verschwörungstheoretiker in mir glaubt, dass für den Fall, dass Pakistan an die Fundis geht, die längst vorhandenen Einsatzpläne der US-Boys greifen.
Siehe dazu:
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