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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 3. April 2009 um 8:52 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Albrecht Müller
(MB/AM/WL)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
SPIEGEL ONLINE: Herr Stiglitz, viele Ökonomen vergleichen die Finanz- und Wirtschaftskrise mit der Großen Depression. Wird es wirklich so schlimm?
Stiglitz: Es wird schlimm, sehr schlimm. Wir erleben den tiefsten Wirtschaftseinbruch nach dem Krieg, und wir haben die Talsohle noch nicht erreicht. Ich bin sehr pessimistisch. Zwar reagieren die Regierungen heute besser als während der Weltwirtschaftskrise im vergangenen Jahrhundert. Sie senken die Zinsen und kurbeln die Wirtschaft mit Konjunkturprogrammen an. Das geht in die richtige Richtung, aber es reicht nicht aus.
SPIEGEL ONLINE: Die US-Regierung hat mehr als eine Billion Dollar für die Bankenrettung und 789 Milliarden Dollar als Konjunkturspritze eingesetzt. Wollen Sie behaupten, das ist zu wenig?
Stiglitz: In der Tat. Mehr als 700 Milliarden klingt viel, ist es aber nicht. Zum einen wird ein Großteil des Geldes erst im kommenden Jahr ausgegeben und kommt damit zu spät. Zum anderen versickert ein Drittel in Steuersenkungen. Die bringen den Konsum nicht richtig in Schwung, weil die Leute einen Großteil des Geldes sparen. Ich befürchte, dass die Wirkung des US-Konjunkturprogramms nicht einmal halb so groß ausfallen wird wie erwartet.
Quelle: Spiegel online
Im realen Weltwirtschaftsleben ist entscheidend, wie schnell sich die Wirtschaft erholt, nicht, wie viel Geld geschaffen wird. Und das Fatale ist: Je weniger aus diffuser Teuerungsangst heute für die Rettung der Konjunktur getan wird, desto wahrscheinlicher wird ein Szenario, in dem die Welt in eine Dauerkrise rutscht und von steigenden Preisen irgendwann träumt wie die Japaner. Es bringt relativ wenig, die Weltwirtschaft jetzt in den Tod zu stürzen, nur weil sie vielleicht in ein paar Jahren als Folge erfolgreicher Konjunkturpolitik einen vorübergehenden Inflationsschub erleidet. Angesichts der Alternative wäre das wunderbar.
Quelle: FTD
Anmerkung AM: Wenn die SPD-Führung Herrn Steinbrück weiter gewähren lässt, wenn sie ihn nicht aus seinem Amt als Finanzminister zurückzieht, dann verdient sie bei den Wahlen ein Ergebnis unter 20 %. Denn das Unglück einer massiv werdenden Krise mit zweistelliger Arbeitslosigkeit und dem Zusammenbruch vieler Firmen verdanken wir dieser Person und der mit ihm zusammen wirkenden Bundeskanzlerin. Beide zusammen gehören abgestraft. Eine bessere Gelegenheit als die Bundestagswahlen gibt es nicht. – Die SPD-Führung hat es in der Hand, das Blatt noch zu wenden. Viel Zeit bleibt ihr nicht, denn das Gegensteuern braucht auch Zeit, bis es wirkt.
Für mich ist es übrigens unvorstellbar, wie eine Partei, die eine große Zahl von ausgezeichneten bis guten Ökonomen in ihren Reihen und sogar in der Parteispitze hatte, so auf den makroökonomischen Hund kommen kann, wie das mit Steinbrück und vorher mit Eichel geschehen ist. Ich erinnere an die Reihe: Karl Schiller, Klaus Dieter Arndt, Herbert Ehrenberg, Alex Möller, Helmut Schmidt, Wolfgang Roth, Oskar Lafontaine, selbst der Fraktionsvize und für die Wirtschaftspolitik zuständige Junghans war noch einsame Spitze verglichen mit Steinbrück und jenen in der Bundestagsfraktion, die in den letzten Jahren und heute für die Wirtschaftspolitik zuständig sind. Und auch die Nichtökonomen Alex Möller und Oskar Lafontaine waren um Welten qualifizierter als der studierte Nationalökonom Steinbrück.
Der Einzelhandel mit Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren setzte im Februar 2009 nominal 6,4% und real 7,3% weniger um als im Februar 2008. Dabei verzeichneten Supermärkte, SB-Warenhäuser und Verbrauchermärkte einen Rückgang von nominal 6,6% und real 7,4%. Beim Facheinzelhandel mit Lebensmitteln lagen die Umsätze nominal um 4,4% und real um 6,2% niedriger als im Vorjahresmonat.
Auch im Einzelhandel mit Nicht-Lebensmitteln wurde im Berichtsmonat nominal und real weniger als im Februar 2008 umgesetzt (nominal – 4,0%, real – 3,9%). Dabei lagen die Umsatzwerte in allen Unterpositionen dieses Bereichs nominal und real unter denen des Vorjahresmonats.
In den ersten beiden Monaten des Jahres 2009 wurde im deutschen Einzelhandel nominal und real jeweils 3,3% weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum umgesetzt.
Dazu auch eine tabellarische Übersicht auf destatis.de
Anmerkung AM: In der Phoenix Runde vom vergangenen Dienstag wies ich darauf hin, dass der Einzelhandelsumsatz schon seit längerer Zeit stagniert und zurückgeht. Dem widersprach das Mitglied im Vorstand des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Karl Brenke, heftig. Ich war erstaunt bis sprachlos, weil ich mir nicht vorstellen konnte, wie der Vertreter eines als bedeutend geltenden Instituts so wenig Bescheid wissen kann. Heute dann die erneute Bestätigung durch das Statistische Bundesamt. Vor einem Monat war das nicht anders und im letzten Jahr auch nicht und im Jahr davor auch nicht. Die Einzelhandelsumsätze gehen seit 2007 real zurück. Sie sind auch in den Jahren davor nur minimal gestiegen. – Das hat sich bis zum DIW in Berlin noch nicht herumgesprochen. Auch das sagt viel über den Zustand des herrschenden Teils der Nationalökonomie.
Anmerkung MB: Da frage ich mich schon, ob der Herr Staranwalt das für die gute Sache oder zur Pflege seines Images macht.
Anmerkung Orlando Pascheit: Bereits im vorigen Jahr war bereits in den USA und Europa die Bilanzierungsregeln gelockert worden. Die neuen Regeln scheinen noch weiter weg vom Marktwert gewisser Papiere zu gehen. Wenn dies nun auch der neue Kurs der G-20 nach London sein wird, heißt das für die Bürger jener Regierungen, die toxische Papiere aufkaufen, dass sie noch mehr bluten müssen.
Mit dem Begriff der “Chance” können sie nichts anfangen. Auf die Formel “Chance durch Bildung” reagieren sie gar wütend. Jeder oder jede von ihnen, der/die – sagen wir – über 16 Jahre ist, erfasst ganz realistisch, dass die Chancen-Bildungs-Gesellschaft für ihn oder sie bedeutet, in den nächsten Jahrzehnten ohne Aussichten, ohne Ansehen, erst recht ohne Möglichkeiten des Weiterkommens zu bleiben. Denn Bildung war ja der Selektionshebel, der sie in die Chancenlosigkeit hineinsortiert hatte. Bildung bedeutet für sie infolgedessen das Erlebnis des Scheiterns, des Nicht-Mithalten-Könnens, der Fremdbestimmung durch andere, die mehr gelesen haben, besser reden können, gebildeter aufzutreten vermögen.
Das Leben und die Arbeit der früheren Schreiner, Tischler, Bergarbeiter, Hausfrauen und Näherinnen wurden so aus der “Leistungsgesellschaft” der postindustriellen Eliten verbannt. Seither ist an der früheren, alt gewordenen Basis der arbeitsamen Industriegesellschaft eine Verbitterung zurückgeblieben, die auch die Erosion der Volksparteien in Teilen erklärt. Denn diese waren nicht mehr die Schutzmächte der “kleinen Leute”, als die sie ursprünglich Stimmen gesammelt hatten.
Quelle: Spiegel
Anmerkung MB: „Mit Begriffen wie Chance können die Abgehängten nichts anfangen …“ Wie sollten sie im Jahr 5 der Hartz-Reform Nummer 4?
Was die Studie aber verkennt, ist die Tatsache, dass ein wachsender Arbeitsmarkt, auch Menschen aufnehmen könnte, die eine geringe oder eine dem Strukturwandel zum Opfer gefallene Qualifikation haben.
Die Verschulung des Studiums ist ein deutscher Sonderweg. Hier wurde strukturiert, wo Flexibilität gefördert werden sollte. Alles spricht dafür, dass die Reformen eher die Mobilität hemmen. Wegen der eng definierten Module und des straffen Zeitplans ist es kaum möglich, während des Studiums die Uni zu wechseln.
Quelle: Spiegel
Anmerkung MB: „Safety1st plus“ ist ein Projekt von „Jugend + Bildung“ (Partner sind u.A. verschiedene Bundesministerien, das Handelsblatt, die Frankfurter Rundschau sowie die Bertelsmann Stiftung) und das Informationszentrum der deutschen Versicherer “Zukunft klipp + klar”, eine Einrichtung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV).
Quelle 2: Safety1st
Quelle 3: Jungend und Bildung
Quelle 4: Zukunft klipp + klar
In seiner nunmehr vierten Berliner Rede hat sich Bundespräsident Horst Köhler am 24. März 2009 mit den Ursachen, Lehren und möglichen Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise auseinander gesetzt. Seine zentrale Erkenntnis lautet: „Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt.”
Ich reibe mir verwundert die Augen und lese den Satz ein zweites Mal. … Aber was hat die Aussage mit der Realität in Deutschland zu tun?
Noch nie gab es in der Bundesrepublik eine so lange Periode stagnierender oder gar sinkender Realeinkommen von Arbeitern, Angestellten, Beamten, Rentnern, Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern wie in den letzten 15 Jahren. In dieser Zeit bauten die Fehlentwicklungen des globalen Kapitalismus Druck auf, der sich in der New-Economy-Krise 2000/01 nur teilweise entlud. Als Folge der amerikanischen Subprime-Hypothekenkrise rumorte der Vulkan im Sommer 2007 erneut, bis er mit der Lehman-Pleite im September 2008 mit voller Wucht ausbrach. In dieser ganzen Zeit haben die privaten Haushalte, d.h. die überwältigende Mehrheit der deutschen Bevölkerung, keineswegs über ihre Verhältnisse gelebt. Im Gegenteil, die realen Konsumausgaben stagnierten oder sanken, während die Sparquote der privaten Haushalte angesichts der tendenziell steigenden Arbeitslosenquote und damit der finanziellen Unsicherheit eher anstieg.
Die Masse der deutschen Bevölkerung hat unter dem Lebensstandard gelebt, der ihr zugestanden hätte und möglich gewesen wäre, wenn nach der jahrzehntelang bewährten Regel die Reallohnentwicklung mit dem Produktivitätswachstum der Wirtschaft Schritt gehalten hätte. Weil im Inland zu wenig konsumiert und investiert wurde, also die Binnennachfrage zu gering war, hat sich (in Relation zum Bruttoinlandsprodukt) in den letzten Jahren der höchste Exportüberschuss entwickelt, den es je in Deutschland nicht nur seit 1945, sondern seit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert gab. Auch in dieser gesamtwirtschaftlichen Betrachtung zeigt sich, dass „Wir“ in der Bundesrepublik nicht über, sondern unter unseren Verhältnissen gelebt haben. Bei uns hätte die Binnennachfrage kräftig erhöht werden können, ohne das außenwirtschaftliche Gleichgewicht zu gefährden. Auch im Euroraum wäre so das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung gestärkt worden. Es wäre sogar ein wirksamer Beitrag zum Abbau der globalen Ungleichgewichte gewesen.
Quelle: FTD
Anmerkung eines unserer Leser:
Dem Beitrag Prof. Carl-Ludwig Holtfrerich ist über weite Strecken zuzustimmen.
Zu zwei Anmerkungen von Prof. Holtfrerich möchte ich jedoch Widerspruch anmelden:
Nach meiner Auffassung ist Köhlers Hauptmotiv, von dem politischen und ökonomischen Versagen vieler unserer “Eliten” abzulenken und die Schuld für die heutige desaströse Finanz- und Wirtschaftskrise auch den “kleinen Leuten” in die Schuhe zu schieben. Köhlers Motto:
“Wir sind doch alle kleine Sünderlein.”
“Aber ein Anstieg der Staatsverschuldung bedeutet nur dann, dass die Bevölkerung heute über ihre Verhältnisse und zu Lasten zukünftiger Generationen lebt, wenn daraus nicht Investitionen in die Zukunft finanziert werden. Denn diese kommen den nachfolgenden Generationen zugute, wie die Ausgaben für die Infrastruktur und den Bildungssektor, die das Konjunkturprogramm der Bundesregierung jetzt vorsieht. Nicht der Anstieg der Staatsverschuldung als solche ist ein Verstoß gegen die Generationengerechtigkeit, sondern nur die Schuldenfinanzierung staatlicher Konsum- und Sozialausgaben sowie anderer Transferleistungen.”
Prof. Holtfrerich bleibt die Begründung für seine Behauptung von der “Schuldenfinanzierung staatlicher Konsum- und Sozialausgaben sowie anderer Transferleistungen” schuldig.
Diese These läßt sich nicht aufrechterhalten.
Hierzu drei Anmerkungen:
Quelle: Wer profitiert vom Aufschwung?
Der im Vergleich zu den Vorjahren stärkere Anstieg der Renten im Wahljahr 2009 ändert nichts am negativen Entwicklungs-Trend der Sozialleistungen und Transfereinkommen. Die Rentenanpassung wird mit aller Wahrscheinlichkeit bereits im Jahre 2010 wieder zu einem inflationsbereinigten Rentenminus führen.
Diese Steuersenkungen in Verbindung mit der immer ungleicheren Einkommens- und Vermögensverteilung haben zusätzliches Spekulationskapital in das “internationale Spielkasino” gespült und sind somit mitverantwortlich für die heutige schwere Finanz- und Wirtschaftskrise.
Zusammengefaßt: Die These von Prof. Holtfrerich bezüglich der Schuldenfinanzierung von Sozialausgaben bzw. Transfereinkommen läßt sich nicht aufrechterhalten.
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