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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 2. April 2009 um 8:12 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Kai Ruhsert
(KR/WL/AM)
Heute unter anderem zu diesen Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung AM: Wer jetzt die Inflationsangst nährt, hat die Sache und die Zusammenhänge nicht begriffen; es droht uns nämlich eher eine Depression und Deflation als eine Inflation. Steinbrück versetzt zudem eine große Zahl von Menschen in Inflationsangst. Im Gespräch mit anderen Menschen trifft man schon auf die Früchte dieser Panikmache. Das ist unverantwortlich.
Außerdem sollen Urlaubs- und Weihnachtsgeld schrumpfen sowie Sonderzahlungen verschoben werden. Über das Sparpaket werde derzeit mit dem Betriebsrat verhandelt. Betroffen sind die 141.000 Beschäftigten der Daimler AG in Deutschland (…)
Insgesamt sollen die Personalkosten der Daimler AG in Deutschland 2009 den Betrag von zehn Milliarden Euro nicht überschreiten, sagte Fleig. Die Maßnahmen seien nötig, um die Beschäftigung aufrechterhalten zu können. Im Februar habe Daimler 40 Prozent weniger Fahrzeuge verkauft, dies sei mit “erheblichen Einnahmerückgängen” verbunden. Der Pkw-Absatz bei Daimler ist seit Monaten auf Talfahrt. Für das laufende Jahr hatte Zetsche bereits angekündigt, Absatz, Umsatz und Ergebnis würden rückläufig sein. Für das erste Quartal rechnet der Konzernlenker sogar mit roten Zahlen.
Quelle: FR
Anmerkung AM: Das alles ist natürlich Gift für die Binnenkonjunktur, weil beträchtliche Massenkaufkraft wegfällt. Zudem: Merkel und Steinbrück meinen immer noch, abwarten zu können. Am Fall Daimler mit seiner starken Exportabhängigkeit wird sichtbar, wie klug wir daran täten, mit anderen Ländern gemeinsam konjunkturpolitisch aktiv zu werden. Diese brauchen uns, aber wir brauchen auch sie und den Kampf gegen den konjunkturellen Niedergang in diesen Partnerländern. Wer angesichts dieser Zusammenhänge gegen die Vorschläge von Obama und anderen für massive staatliche Interventionen polemisiert und sich weigert mitzumachen, hat weder den Ernst der Lage noch die ökonomischen Zusammenhänge verstanden. Das scheint unser Schicksal zu werden: wir leiden nicht nur an der Interessenverfilzung unserer Führungskräfte mit der Finanzwirtschaft, die mit Milliarden gepäppelt wird, wir leiden auch unter ihrer Unfähigkeit, ökonomische Zusammenhänge zu überblicken.
Als Beleg für den Rückgang der Kaufkraft:
Anmerkung WL: Und die Konsumklimaforscher sprechen von einem guten Konsumklima.
Als zweites über die Verlängerung des Arbeitslosengeldes. Warum müssen Menschen, die wegen der Krise keinen neuen Job finden, in die Armutsfalle Hartz IV rutschen? Weil nur so der Druck erhöht werden kann, damit sie einen Job, ganz gleich zu welchen Bedingungen, annehmen? Diese Argumentation erweist sich nun endgültig als zynisch. Wo kein Wachstum, da auch keine Jobs.
Quelle: FR
Anmerkung Orlando Pascheit: Obwohl noch nie so deutlich aufgezeigt wird wie in der derzeitigen Krise, dass mit der Einführung von Hartz-IV nicht nur das Elend der Arbeitslosigkeit verschärft wurde, sondern auch die automatischen Stabilisatoren unserer Volkswirtschaft entscheidend geschwächt wurden, ist diese Erkenntnis bei der Mainstreamökonomie leider noch nicht angekommen. Wunderbar gestern Abend in der Phoenix Runde zu beobachten, als Albrecht Müller auf die Empfehlungen der OECD (siehe auch NDS von gestern) hinwies, und Karl Brenke vom DIW entgegnete, dass kein Land explizit genannt worden sei – ein ziemlich schräges Ausweichmanöver, und was vom Chef des IAB (keine linke Institution), siehe oben, nicht so gesehen wird – und dass in Deutschland das heutige Sozialversicherungssystem bestens als Stabilisator funktioniere, also automatisch helfe den Wirtschaftseinbruch antizyklisch zu überbrücken. Beeindruckend war dann die Antwort von Thomas Wiese, Haupteigentümer von Alu Unna, dass die augenblickliche soziale Absicherung wenig tauge und selbst die heute vielgelobte Kurzarbeit manche Familie in Bedrängnis brächte, wenn z.B. langfristige Kredite zu bedienen seien. Bezeichnend und das Bild abrundend die Anmerkung von Michael Stahl (Gesamtmetall), eine Ausweitung der Kurzarbeit hätte nur dann Sinn, wenn der Anteil der Arbeitgeberseite (Sozialversicherung) vom Staat übernommen würde.- Vielleicht sollten wir jenseits aller Diskussionen einfach festhalten: Die mit Hartz IV versprochene Halbierung der Arbeitslosigkeit innerhalb von vier Jahren ist 2006 nicht eingetreten, das Zieljahr 2010 der so genannten Agenda wird eine Katastrophe. Reicht das nicht, um das Ding in die Tonne zu treten und um Herrn Steinmeier, der es vor sechs Jahren für Herrn Schröder ersonnen hat, und die CDU/CSU, die damals applaudierte, abzuwählen? Klar, wir haben die Weltwirtschaftskrise, aber haben unsere Spitzenpolitiker nicht kräftig an der “Befreiung” der Finanzmärkte gedreht, hat uns die Agenda mit ihren Fordern statt Fördern nicht einen veritablen Niedriglohnsektor beschert und unsere Langzeitarbeitslosen in die Armut gedrückt?
Nach Meinung des Bochumer Professors für Öffentliches Recht, Andreas Fisahn, kann die Europäische Union gar nicht anders als neoliberal. Während der Kapitalismus es hierzulande nicht zum Verfassungsrang gebracht hat, verpflichten die Verträge von Nizza und Lissabon die Europäische Union auf den “Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb”. Und für den Kapitalverkehr gilt Fisahn zufolge sogar eine Liberalisierungspflicht.
Quelle: Telepolis
Wir müssen wissen, was hier konkret über den Aufsichtsrat gelaufen ist, als Aktionäre, aber auch als Staatsbürger, die inzwischen in tiefes Nachdenken über den demokratischen Staat versunken sind: Wenn frei gewählte Politiker in solchem Umfange das Geld der Bürger mit dubiosen Bankgeschäften verspielen, sind die Fundamente des Staates erschüttert.
Quelle: T-Blog
Siehe dazu auch:
Rechtsnachhilfe für das Bundeskriminalamt: Negativvotum an NATO rechtswidrig: BKA darf laut Gerichtsurteil keine schwarzen Listen für Journalisten anfertigen
Die französische Polizei hat in der Nacht zum Mittwoch Tränengas und Schockgranaten auf die Bewohner des Anti-NATO-Camps bei Strasbourg geschossen. Dem vorausgegangen waren zahlreiche Provokationen der »Sicherheitskräfte« in Form häufiger Kontrollen und Überflüge mit Hubschraubern. Das berichteten NATO-Gegner am Mittwoch. Den Angehörigen einer Volksküche wurde die Einreise nach Frankreich verweigert, weil eine Frau in Polizeidateien dem »schwarzen Block« zugerechnet wird (jW berichtete). Das ist offenbar darauf zurückzuführen, daß das Bundeskriminalamt (BKA) Personendaten aus sogenannten Störerdateien an Frankreich übermittelt hat. Die NATO-Gegner reagierten am Mittwoch mittag mit einer Kundgebung »gegen den Sicherheitszirkus«.
Quelle: Junge Welt
Dazu noch:
Akkreditierungspraxis für NATO-Gipfel rechtswidrig
Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat in einem Eilverfahren die Akkreditierungspraxis für den NATO-Gipfel in Baden-Baden, Kehl und Straßburg und insbesondere auch das Agieren des Bundeskriminalamtes (BKA) für rechtswidrig erklärt. Den Eilantrag hatte ein Fotojournalist gestellt, nachdem ihm die Akkreditierung verweigert worden war, wie das VG am Mittwoch mitteilte. Grundlage für die Ablehnung war ein Negativvotum des Bundeskriminalamtes (BKA), weil der Mann im polizeilichen Informationssystem INPOL mit dem Hinweis “Straftäter linksorientiert” geführt wurde. Die Journalisten-Verbände begrüßten die Entscheidung des Gerichts.
Quelle: NGO online
Anmerkung WL: Nicht nur ein Beispiel für die Kooperation von Medien mit einer arbeitgeberfinanzierten PR-Organisation, sondern auch dafür, wie unverhohlen inzwischen die Wirtschaft Einfluss auf die Lerninhalte zu nehmen versucht.
Leser H.P. schrieb uns dazu:
„Mit Interesse habe ich ihren Artikel zum Mehdorn-Abgang gelesen. Jedoch ist es nicht nur “Mehdorn (…) gelungen (…), sein Scheitern bei der Heidelberger Druck AG aus den Meldungen der Medien herauszuhalten”, sondern es wird auch anhand der Heidelberger Druck AG weitläufig die Legende des Erfolgsmanagers und Sanierers gestrickt bzw. von Medien unkritisch aus der PR übernommen (offenbar für eine möglichst “komplette” Biographie).
Die Süddeutsche etwa schreibt:
“…wechselt Mehdorn 1995 auf den Chefposten der hochprofitablen Heidelberger Druckmaschinen AG (Heideldruck). Obwohl der Konzern schon damals Weltmarktführer ist, sorgt Mehdorn mit einer geschickten Expansionsstrategie für starkes Wachstum: Der Umsatz steigt binnen fünf Jahren von 3,3 Milliarden Deutsche Mark (DM) auf 4,0 Milliarden DM, der Gewinn vervielfachte sich bis 1999.”
Der Tagesspiegel wandelt für die Imagebildung unauffällig die Heideldruck (damals laut Süddeutsche hochprofitabel) gar auch noch zum Sanierungsfall für Mehdorn um:
“Mehdorn hatte zugegriffen, nachdem er den Machtkampf beim Luftfahrtkonzern Dasa um die Spitze verloren und den Maschinenbauer Heidelberger Druckmaschinen saniert hatte.”
Ergänzenswert wäre daher noch diese Richtigstellung aus dem Manager Magazin:
“Wie ein Rückbau funktioniert, ist bei Mehdorns vormaligem Arbeitgeber zu besichtigen, der Heidelberger Druckmaschinen AG alias Heideldruck. Von 1996 bis 1999 blähte der damalige Vorstandschef Hartmut Mehdorn den Buchdruck-Spezialisten mit spektakulären Übernahmen zum Universalanbieter auf, von der Vorstufe bis zum Zeitungsdruck. Nach dem Wechsel des Visionärs zur DB geriet Heideldruck in Existenznot, auch der unverdaulichen Akquisitionen wegen. Das Management startete eine Rettungsaktion und verkaufte das gesamte neue Portfolio.”
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