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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 13. März 2009 um 9:25 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(KR/AM)

Heute zu diesen Themen:

  • Horror-Jahresbeginn für deutsche Wirtschaft
  • MEMORANDUM-Kurzfassung: “Von der Krise in den Absturz?”
  • „klartext“: „Heuschrecke saugt Märklin aus“
  • Ökonom Sinn erwartet Tiefpunkt der Krise erst 2010
  • BHF verklagt Hypo Real Estate auf Schadensersatz
  • Europas Steueroasen trocknen aus
  • Senators Ask Who Got Money From A.I.G.
  • Jährlich gehen 44.000 junge Männer auf dem Bildungsweg verloren
  • „Die Zugangsregeln sind ineffizient und ungerecht“
  • Ärztin Monika Hauser: “Ich akzeptiere nicht”
  • “Männer haben Angst vor Frauen”
  • Nachtrag zum gestrigen Hinweis Nr. 9 („Kampf um die Würde trotz Hartz IV: Hunger versus Leben“):
  • Weitere Kommentare von NachDenkSeiten-Lesern zu dem Amoklauf in Winnenden

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Horror-Jahresbeginn für deutsche Wirtschaft
    Die seit Monaten anhaltende Auftragsflaute hat im Januar zum stärksten Produktionseinbruch seit der Wiedervereinigung geführt. Industrie-, Bau- und Energieunternehmen stellten zusammen 7,5 Prozent weniger her als im Dezember, wie das Wirtschaftsministerium am Donnerstag mitteilte. Das ist der stärkste Rückgang seit Einführung der Statistik 1991.
    Von Reuters befragte Analysten hatten nur ein preis- und saisonbereinigtes Minus von drei Prozent erwartet. Das Ministerium befürchtet wegen der schlechten Auftragslage auch in den kommenden Monaten eine „stark gedämpfte“ Produktion.

    Besonders stark trat die exportorientierte Industrie auf die Bremse. Sie fuhr ihre Leistung um 8,4 Prozent zurück, nachdem die Neuaufträge in 13 der vergangenen 14 Monate gesunken waren. Viele Unternehmen hatten deshalb verlängerte Werksferien und Kurzarbeit angeordnet.
    Quelle: Handelsblatt

  2. MEMORANDUM-Kurzfassung: “Von der Krise in den Absturz?”
    Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik hat in der vergangenen Woche die Kurzfassung des MEMORANDUM 2009 an Unterstützerinnen und Unterstützer versandt. Wer sich für die MEMORANDUM-Kurzfassung interessiert, kann sie – unter Angabe der Briefanschrift – über [email protected] anfordern. Kostenlos.
  3. Heuschrecke saugt Märklin aus
    Der Traum einer langfristigen Sanierung von Unternehmen durch Private-Equity-Firmen entpuppt sich als Albtraum. Der Fall Märklin zeigt den Raubzug einer Heuschrecke.
    Die Beteiligungsgesellschaft Kingsbridge stieg im Jahr 2006 beim Modellbahnbauer Märklin ein. Statt des Wiederverkaufs musste die Göppinger Traditionsfirma Anfang Februar 2008 aber Insolvenz anmelden. Soweit hätte es gar nicht erst kommen dürfen. Die Heuschrecke Kingsbridge bereicherte sich schamlos an Märklin und sog systematisch Kapital aus dem Unternehmen heraus. Es wurden überhöhte Managementgebühren auch für Aufsichtsräte abgerechnet und hohe Zinszahlungen eingefordert, obwohl Märklin Verluste machte. Damit wurde das Eigenkapital des Unternehmens nahezu aufgezehrt. Allein im Jahr 2008 erhielten drei Beiratsmitglieder Honorare über 400.000 Euro.
    Das ist die Kragenweite von DAX-Aufsichtsräten.

    Doch damit nicht genug: Seit dem Jahr 2006 landeten fast 30 Mio. Euro in den Taschen sogenannter Unternehmensberater. Diesen „Beratern“ gelang es aber nicht einmal, eine funktionierende Kostenrechnung zu erstellen. Laut Insolvenzverwalter wäre Märklin ohne die horrenden Beratungskosten nicht pleite. Skandalös hierbei ist insbesondere, dass viele Honorare an Berater gezahlt wurden, die im Aufsichtsrat des Unternehmens oder bei Kingsbridge beschäftigt waren. Sie sahen in Märklin offenbar einen Selbstbedienungsladen.
    Quelle: DGB-„klartext“ Nr. 10/2009 vom 12. März 2009 [PDF – 44 KB]

    Anmerkung KR: Wir erinnern in diesem Zusammenhang an einen Beitrag in den NachDenkSeiten vom 2. Mai 2005: „Regierung Schröder hat die “Heuschrecken” eingeladen und steuerfrei gestellt“

  4. Ökonom Sinn erwartet Tiefpunkt der Krise erst 2010
    Kein Ende des Abschwungs in Sicht: Ifo-Präsident Sinn sieht den Tiefpunkt der deutschen Wirtschaftskrise noch kommen. “Wir werden frühestens im Winter 2010 da sein, wo die USA im letzten Herbst waren”, sagt er – und verlangt ein drittes Konjunkturpaket im Herbst.

    München/Hamburg – Der Tiefpunkt ist noch lange nicht erreicht: Der deutschen Wirtschaft steht nach Einschätzung von ifo-Präsident Hans-Werner Sinn erst im kommenden Jahr das Schlimmste bevor. Deutschland folge der US-Konjunktur mit einer Verzögerung von etwa eineinhalb Jahren, sagte Sinn der “Financial Times Deutschland”. “Wir werden frühestens im Winter 2010 da sein, wo die USA im letzten Herbst waren – die Arbeitslosigkeit wird dramatisch steigen.”
    Quelle: SPIEGEL-online

    Kommentar AM: Darauf weisen wir nur hin, um Ihnen einen weiteren Beweis dafür zu liefern, wie nun nach und nach die Wendehälse auf Deck erscheinen. Das sind jene Leute, die von Konjunkturprogrammen nichts wissen wollten, die wie im Falle des Prof. Sinn maßgeblichen Anteil am Lohndumping haben. Die große Mehrheit der deutschen Professoren der Ökonomie sah das Hauptproblem in der angeblichen Notwendigkeit von Strukturreformen. Konjunkturpolitik gab es für sie fast schon nicht mehr.

  5. BHF verklagt Hypo Real Estate auf Schadensersatz
    Die Geschäftspolitik der Hypo Real Estate versetzt nicht nur Privatanleger in Rage. Auch Banken fühlen sich von dem angeschlagenen Hypothekenfinanzierer hinters Licht geführt. Jetzt ziehen zwei Kreditinstitute vor Gericht – ein Novum in der jüngsten Geschichte.

    Sie fühlen sich bewusst falsch informiert: Die Tochtergesellschaft FSK der BHF-Bank sowie die österreichische Fondsgesellschaft 3Banken Generali Investment wollen den Münchner Hypothekenfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) verklagen. Die Finanzinstitute begründen ihren Schadensersatzanspruch damit, dass die ehemalige HRE-Führung im vergangenen Jahr die schlechte Geschäftslage wiederholt verschleiert habe. Das berichtet die “Süddeutsche Zeitung”.
    Quelle: SPIEGEL-online

    Anmerkung KR: Wenn schon die Mehrheit der Parlamentarier ihre Aufklärungspflicht vernachlässigt, so kommt vielleicht doch noch auf diese Weise Licht ins Dunkel.

    Ergänzung AM: Es kann aber auch noch viel Schlimmes auf uns zukommen, wenn es beim Rettungsschirm in seiner bisherigen Form bleibt: Dann dürfen wir als Steuerzahler auch noch die Schadensersatzansprüche einschließlich Klagekosten bezahlen, die Sal. Oppenheim über die Tochter BHF und die Enkelin FSK bei der HRE herausholt.

  6. Europas Steueroasen trocknen aus
    Jetzt geht es plötzlich sehr schnell: Am selben Tag haben sowohl Liechtenstein als auch Andorra eine Lockerung ihrer Bankgeheimnisse angekündigt. Als letzter Ausweg bleibt Anlegern fast nur noch Fernost – vorerst.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es geht doch. Man sollte aber betonen, dass dieser Schwenk nicht freiwillig kommt. Nicolas Sarkozy – er ist zusammen mit dem Bischof von Urgell in Spanien Staatschef von Andorra – hatte angedroht, er wolle die Beziehungen seines Landes zu Andorra und zum Fürstentum Monaco “überdenken”. Vor allem Deutschland und Frankreich wollen beim Gipfel der führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) Anfang April in London über eine erweiterte schwarze Liste von Steuerparadiesen beraten. Es bleibt abzuwarten, ob die USA und Großbritannien mitmachen. Von Gordon Brown ist hinsichtlich britischer Steuerschlupflöcher bzw. Kronkolonien, wie den Cayman Islands, nichts zu hören. Die USA werden auf dem Gipfel vor allem über einen “globalen Stimulus” (Larry Summers) reden wollen, für sie ist Verhinderung einer weiteren Krise durch stärkere Regulierung nachrangig.

  7. Senators Ask Who Got Money From A.I.G.
    Trying to draw a line in the sand, a Senate panel told the vice chairman of the Federal Reserve to identify all the parties made whole by the bailout of the American International Group or forget about coming back to ask Congress for more rescue money.

    “You will get the biggest no you ever got,” Senator Jim Bunning, Republican of Kentucky, warned Donald L. Kohn, vice chairman of the Fed board of governors, in a hearing on Thursday.

    “I will hold up the bill.”…

    Quelle: New York Times

    Kommentar AM: Die Senatoren stellen die richtigen Fragen. „Wir müssen wissen, wer profitierte, und wir werden das herausfinden“, sagte Senator Shelby. Wo bleiben unsere Abgeordneten, die fragen, an wen die 112 Milliarden für die HRE, die 18,2 Milliarden für die Commerzbank, die fast 10 Milliarden für die Industriekreditbank und vermutlich eine Fülle anderer Milliarden an andere Institute gegangen sind? Wer sind die Gläubiger der quasi bankrotten Institute? Wer wird hier mit Steuergeld abgesichert? Wer hat profitiert? Die deutschen Abgeordneten müssten sich nur die Protokolle des amerikanischen Senats anschauen, wenn ihnen selbst die nötigen Fragen nicht einfallen. Man muss aber leider davon ausgehen, dass viele Mitglieder des Finanzausschusses sehr eng mit der Finanzwirtschaft verbunden sind, so wie das übrigens auch für den Verteidigungsausschuss zutrifft; dort sitzt die Lobby beziehungsweise die kommende Lobby der Rüstungswirtschaft. Das funktioniert nach dem berühmten Drehtüreffekt: Spätestens nach dem Ausscheiden wird man Berater der Rüstungswirtschaft.

  8. Jährlich gehen 44.000 junge Männer auf dem Bildungsweg verloren
    Der Aktionsrat Bildung hat heute sein drittes Jahresgutachten vorgestellt. Demnach verschlechtert das deutsche Bildungssystem Geschlechterdifferenzen zu Lasten der Jungen. Prof. Dr. Dieter Lenzen, Vorsitzender des Aktionsrats Bildung: “Die Bildungsbenachteiligung des ‘katholischen Arbeitermädchens vom Lande’ wurde durch neue Bildungsverlierer abgelöst: die Jungen. Die teilweise eklatanten Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen in der Bildungsbeteiligung und in den Leistungen sind keineswegs angeboren. Vielmehr entwickeln sie sich im Laufe der Kindheit durch soziale Prägungen und werden vom Bildungssystem zu Lasten der Jungen verstärkt.”

    Der Aktionsrat Bildung fordert daher, dass das pädagogische Personal in seiner Gender-Kompetenz obligatorisch geschult wird. Insbesondere das frühpädagogische Personal müsse besser entlohnt werden. Der Unterricht solle geschlechtsspezifische Interessen berücksichtigen und Stereotypenbildung entgegenwirken. Bei der Berufswahl sollten Eltern ihre Kinder entsprechend begleiten.

    Randolf Rodenstock, Präsident der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. und Initiator des Aktionsrats Bildung, betont: “Wir müssen die unausgewogene Bildungsbeteiligung zwischen Jungen und Mädchen auffangen. Es darf keine Bildungsverlierer geben. Denn uns läuft die Zeit davon. Langfristig steuern wir auf einen Arbeitskräftemangel zu, der durch die aktuelle wirtschaftliche Lage nur verzögert wird.”

    Nur knapp 25 Prozent erlangten die Hochschulreife, davon 43 Prozent Jungen. Ein knappes Viertel der Jugendlichen und davon 62 Prozent Jungen könne aufgrund mangelnder Abschlüsse keine Ausbildung beginnen. “Wir können es uns nicht leisten, jährlich rund 44.000 junge Männer auf dem Bildungsweg zu verlieren”, so Rodenstock.
    Quelle: Linkszeitung

    Kommentar AM: Interessante Daten; Rodenstock und Lenzen traue ich allerdings nicht. Außerdem stört die instrumentelle Sicht von Kindern und Jugendlichen. Es ist wie bei den Renten: Kinder werden vor allem als potentielle Beitragszahler gesehen. Deshalb sollen mehr Kinder her.

  9. „Die Zugangsregeln sind ineffizient und ungerecht“
    Nicht jeder hat in Potsdam das Zeug zum Master. Die Studenten der Fächer Biochemie oder BWL müssen mindestens die Note 2,5 erreichen, wenn sie nach dem Bachelor-Abschluss weiter studieren und einen Master-Titel erwerben wollen. Noch enger ist das Nadelöhr für die Kommilitonen aus Fächern wie Informatik und Geoinformatik. Hier schreiben die Zulassungsordnungen der Universität Potsdam vor, dass nur die besten zwei Drittel eines Jahrgangs Zugang zum Master-Abschluss haben.

    Diese Hürden hält die Potsdamer Studierendenschaft für verfassungswidrig, und der Asta hat beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einen Normenkontrollantrag eingereicht. Das Gericht wird prüfen, ob die Zulassungsordnungen der Universität mit Artikel 12 des Grundgesetzes vereinbar sind, der den Studenten die freie Wahl von Ausbildung und Beruf garantiert.
    Quelle: FAZ

  10. Ärztin Monika Hauser: “Ich akzeptiere nicht”
    Monika Hauser, Geschäftsführerin von medica mondiale, über Gerechtigkeit für Frauen und Möglichkeiten, die Verhältnisse zu ändern: „Wenn ich mitbekomme, dass das Thema in die Ferne abgeschoben wird, dann verneine ich und sage: Dass Vergewaltigungen in Kriegszeiten zunehmend möglich sind, hat direkt damit zu tun, dass es auch in einer Friedensgesellschaft wie etwa Deutschland extrem viel Gewalt gegen Frauen gibt. Auf struktureller genauso wie auf unmittelbarer psychischer und körperlicher Ebene.“
    Quelle: TAZ
  11. “Männer haben Angst vor Frauen”
    Wir erleben eine “rhetorische Modernisierung”, sagt der Sozialpsychologe Rolf Pohl. Frauen werden kaum noch offen diskriminiert. Doch Männer brauchen weiterhin das Gefühl, die Mächtigeren zu sein: „Nach einer Umfrage haben 84 Prozent der deutschen Männer Angst vor Potenzversagen und 88 Prozent Angst vor Frauen. Und diese Angst wird häufig durch eine Kontrollfantasie kaschiert: Ich kann immer, sie will immer. Je abhängiger er sich fühlt, desto eher neigt er zur Kontrolle bis hin zur Gewalt. Und da geht es nicht um Bagatellen, solange die UNO zählt, dass weltweit jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben von Männern körperlich oder sexuell misshandelt wird.“
    Quelle: TAZ
  12. Nachtrag zum gestrigen Hinweis Nr. 9 („Kampf um die Würde trotz Hartz IV: Hunger versus Leben“):

    NDS-Leserin K.W. schrieb uns dazu:

    „Bis Anfang dieses Jahres erhielten kranke Hartz-IV-EmpfängerInnen einen Mehraufwand für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 25,56 €/ Monat. Es gab einen Katalog für ca. 16 Krankheiten, die nach ärztlicher Bescheinigung anerkannt wurden. Dieser Katalog ist nunmehr auf 9 Krankheiten heruntergestuft worden. Alle gestrichenen Erkrankungen bedürften – so die scheinbar wissenschaftliche Argumentation – nicht eines größeren Ernährungsaufwandes. 

    Dies ist insofern nicht richtig, als solche Kranke häufig Käufe für Ergänzungs- und Ersatzlebensmittel tätigen müssen, die meist teurer sind. JedeR Hausfrau/ -mann, die z. B. ein allergisches oder hautkrankes Kind haben, weiß um diese meist nicht unerheblichen Zusatzkosten bei der Ernährung, aber nicht nur dort:

    Warmwasserkosten wurden/ werden bis dato auch für diesen Personenkreis generell nicht übernommen, obwohl z. B. bei manchen dieser Krankheiten zur Behandlung bzw. Linderung des Krankheitsbildes und zur Prophylaxe der Warmwasserverbrauch steigt (z. B. durch häufiger notwendiges Baden). Hinzu kommt ggf. der immense Aufwand für wirksame und verträgliche Pflegemittel, von der Krankenkasse nicht übernommene Heilmittel, usw. (…)

    Die Erstellung einer solchen Liste 1997 und ihre jetzige Zusammenstreichung sind einem sog. Gutachten des Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. zu verdanken (dem u.a. die eine oder andere Hilfsorganisation angehört). Ferner ist besagter Verein sogar Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Ob es rechtlich zulässig ist, dass ein Verein die Bundesagentur für Arbeit bzw. die ARGEN handlungsanleitend berät bzw. die Agentur selbständig entscheiden darf, welche Krankheitsbilder einen Mehrbedarf bewirken?!
    Mehr über diesen Verein z.B. Mitglieder des Vereins oder Gutachten des deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. (Der Verfasser ist ein Jurist.)

    Manchmal fragt man sich, ob da organisationsübergreifend nicht Hand in Hand gearbeitet bzw. einander zugearbeitet wird – von Organisationen, denen man/ frau das so gar nicht zugetraut hätte (nach dem Motto: Die Menschen noch ärmer (und ggf. kränker) machen, damit sie medienwirksam die Hilfe der einen oder anderen Hilfsorganisation noch mehr in Anspruch nehmen müssen (Stichwort: Tafeln! – oft in Trägerschaft der einen oder anderen Hilfs- bzw. Wohlfahrtsorganisation).

    Zudem fällt in der öffentlichen Berichterstattung auf, dass Gutachten im Kontext von ALG in der Regel von, mit Verlaub, eher männlichen Personen erstellt werden, die

    • privat vermutlich selber gar nicht regelmäßig und häufig einkaufen gehen bzw. das Wirtschaften an ihre Frauen delegieren,
    • vermutlich stets mit Kreditkarte bezahlen,
    • keine eigene Langzeiterprobung unter ausschließlichem ALG-II-Bezug und in Höhe des Regelsatzes unternommen haben,
    • nicht wissen, dass Menschen, die regelmäßig unter ihrem Mindestkalorienbedarf ihres Alters bleiben, an Gewicht zunehmen!, weil der “eine Gefahr witternde” und quasi auf “Notstrom” gehende Körper jede einzelne ergatterte Kalorie doppelt und dreifach verwertet und als Körperfett speichert und selbst bei regelmäßiger sportlicher Betätigung durch den hierdurch noch weiter erhöhten Kalorienbedarf die Gewichtszunahme größer wird (ärztlich bestätigte Tatsache!) auch mit Folgen für die Kleiderkosten bei Vorstellungsgesprächen
    • und/oder bei ihren sog. wissenschaftlichen Vorgehensweisen die Prämissen verändern, z. B. wider aller Realität die Anzahl der Tage eines jeden Monats auf 28 Tage festlegen und damit zu Ergebnissen und geistigen Erkenntnissen kommen, die der Realität und Erfahrung eben nicht standhalten (siehe die Sendung Stern-TV, in der vor einigen Wochen ein von einem anderen Gutachten hergeleiteter Speiseplan für Hartz-IV-EmpfängerInnen vorgestellt wurde, der jeder gesundheitsbewussten und wirtschaftlichen, also kostenbewussten, Langzeit-Erfahrung im Rahmen des Regelsatzes spottet).

    Da bereits seit langem Gutachten aus der “Schubladenperspektive” (themenisolierte Auftragsgutachten) erstellt werden, ohne Wechselwirkungen und den Gesamtzusammenhang, also ohne “Schrank und Wohnumgebung” zu berücksichtigen, lässt sich ahnen, wie künftige Gutachten ausfallen werden, wenn erst einmal die verschulten AbsolventInnen von Master-Studiengängen an der Reihe sind, Gutachten zu erstellen. Leider werden die meisten Medien, die ebenfalls häufig Ursache mit Wirkung verwechseln, in ihrem Herdendenken weiterhin ihr Übriges dazutun.“

  13. Weitere Kommentare von NachDenkSeiten-Lesern zu dem Amoklauf in Winnenden bzw. unserem Hinweis von gestern:
    1. Ihr Kommentar, bzw. die Veröffentlichung des Leserbriefes zu diesem heiklen Thema, war neben einem Artikel in der Sueddeutschen das einzig wirklich Lesbare in der gesamten Presselandschaft. Vielen Dank dafür.

      Nur falls Sie es selbst noch nicht gelesen haben, ein Hinweis auf den Tagesschau-Chat mit Thüringens Innenminister Gasser, der beispielhaft zeigt, wie diese Autisten mit Symbolpolitik um sich werfen, nicht anerkannte “Wissenschaftler” als Argumentationsstütze heranziehen und treffende Kritik einiger Chatteilnehmer vollständig ignorieren.

    2. Zum Leserbrief von Leser A.R. möchte ich anfügen:
      Ich war 35 Jahre Lehrer, habe in dieser Zeit mit tausenden von Kindern zu tun gehabt und muss sagen: Es ist tatsächlich schlimmer, als A.R. es beschreibt. Ich möchte es einmal so ausdrücken: Wer die ganze(!) Gesellschaft in einen Markt verwandelt, braucht sich über die Folgen nicht zu wundern. Markt kennt zwar Preise, aber keine Moral. Im Markt zählt der Gewinn. Ausschließlich. Und man vergisst, dass dort, wo nur noch der Gewinner zählt, der Verlierer eben nicht mehr zählt. Was die weitaus meisten sind. Wie sagten mir meine Abgangsschüler 2005?

      “Herr B., wir sind die Looser!”

      Ich darf anfügen: Sie zählten zu den besten, die wir an der Schule hatten…

      Mit freundlichen Grüßen
      P. B.

    3. Es zeichnet sich im Verlauf des Vormittags nach der Tat schon ab, dass die Polizei “einen ersten Anhaltspunkt” für ein Motiv des 17-Jährigen habe. Der Amokläufer habe sich in letzter Zeit viel mit Killerspielen beschäftigt.

      So sehr ich – selbst Jugendlicher – glaube, dass die gefährlichen Abstumpfungen durch ‘Killerspiele’ untersucht (nicht: ungeprüft behauptet) werden sollten und sicherlich auch z.T. bestätigt werden könnten, ebenso wie die Auswirkungen sonstiger Gewaltdarstellungen in den Medien, so sehr finde ich das Vorgehen im Fall von Winnenden perfide.

      Einen wichtigen Aspekt haben Sie in Ihren Hinweisen des Tages vom 12.03.2009 unter Punkt 18 bereits angesprochen. Viel seltsamer finde ich aber, wie hier mit Ursache und Motiv verfahren werden soll: Der Junge wird >>zudem als Waffennarr beschrieben<< (s.o.), der Vater war begeisterter Schütze und besaß 15 (!) Schusswaffen; mindestens eine davon sowie massenweise Munition war dem Jungen offenbar zugänglich. Man könnte also doch vermuten, dass der 'Waffennarr' schon in der früheren Kindheit geprägt von einem Schusswaffenfetischismus des Vaters, diese Begeisterung (dem Vater nacheifernd; vielleicht Anerkennung suchend?) in 'Killerspielen' auslebt. Denkt man dies weiter, so kann man kaum die 'Killerspiele' als 'Motiv' bezeichnen (an sich schon eine grausame Formulierung); ob durch sie eine Entfremdung stattgefunden hat, die dem Jungen den Zugang zur Wirklichkeit seiner Taten verwehrte, bleibt zu untersuchen; ich persönlich halte es jedoch für unwahrscheinlich, dass er keine der tatsächlichen Konsequenzen seines Tuns einschätzen konnte. Offensichtlich aber möchten die Medien keine ernsthafte Debatte führen. Die 'Killerspiele' als Schuldigen zu bezeichnen, bietet Ihnen selbst Absolution und erspart tiefergehende Fragen nach dem gesellschaftlichem Klima und dem Umgang mit 'Außenseitern'. Wenn sich das nicht ändert, sehe ich wenig Chancen, derartigen Tragödien in Zukunft vorzubeugen. Mit freundlichen Grüßen, F. E.

    4. Zum Amoklauf von Winnenden habe ich noch folgenden Hinweis: nach dem Amoklauf von Erfurt im Jahr 2002 hatte der Philosoph Robert Kurz im ND unter “Die Kälte gegen sich selbst” einen interessanten Artikel zu den Hintergründen dieser Tat veröffentlicht. Die Schlussaussage darin lautet: Die Marktwirtschaftsdemokratie weint Krokodiltränen über ihre verlorenen Kinder, die sie systematisch zu (…) Monstern kapitalistischer Subjektivität erzieht. Garantiert in der wunderbaren “Risikogesellschaft” ist nur eines: Der nächste Amokläufer kommt bestimmt.

      Wie sich diese Aussage doch bewahrheitet hat.

      Mit freundlichen Grüßen
      R. Ph.

    5. Zu diesem Thema (18. Punkt vom 12.03.) und zur Meinung von Herrn A. R. noch zwei Bemerkungen:
      1. Alles Geschriebene ist soweit verständlich. Nur eines kann man damit nicht verhindern: Amokläufe.

        Amokläufe mit Schusswaffen können nur eingeschränkt werden, wenn man Schusswaffen strikt verbietet. – Wenn daraufhin die Schützenvereine zicken, kann man vorschreiben, dass solche Waffen in Tresoren oder Stahlschränken bei “Nichtgebrauch” verschlossen werden müssen.

      2. Zitat: ” Mir kann niemand erzählen, dass ein 17 jähriger Junge ohne jahrelange Fremdeinwirkung zum Killer wird.”

        Leider kann ich Herrn A. R. dies erzählen. Jedes Lebewesen kommt “moralfrei” auf die Welt (die Evolutionstheorie will das so). Erst die Erziehung macht aus potenziellen Killermaschinen, deren Triebe nur zum Überlebenskampf (auch Morden, Totschlagen ohne ein “schlechtes Gewissen” zu haben) geeignet sind, zu sozial-verträglichen “Wesen”.

        Allerdings klappt das nicht immer (siehe Tim K. in Winnenden, Georg W. B., Tony B. etc. – alles Amokläufer)

        Mit freundlichen Grüßen
        E. H.

    6. Ich teile das Entsetzen des NDS-Lesers über den Umgang der Medien mit den traurigen Ereignissen in Winnenden. Symptomatisch erscheint mir außerdem, dass ich schon vor sieben Jahren den angefügten – Erfurt betreffenden – Beitrag weder in der SZ noch irgendwo anders unterbringen und ähnliche Beiträge auch nirgends entdecken konnte. Offensichtlich soll der Blick auf die Tatsache verstellt werden, dass ein Amoklauf der Höhepunkt einer Entwicklung ist, die stets in Interaktion mit dem umgebenden System verläuft und dass keine psychiatrische Behandlung ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben ermöglichen oder gar ersetzen kann. In diesem Zusammenhang stellt sich außerdem die Frage, weshalb Menschen, die mit Wut und Abscheu auf das Unrecht in dieser Welt reagieren, als krank, und diejenigen, die in ihrer Lebensführung Hunger, Unterdrückung, Folter und Mord einfach ausblenden und niemals die Fassung verlieren, als gesund gelten.

      Mit besorgten Grüßen

      Reinhard Sieber

      Anhang:

      Erfurt ist erst der Anfang – zu verschiedenen Artikeln und Leserbriefen in der SZ vom 04. Mai 2002

      Weshalb gibt sich alle Welt so verdächtig viel Mühe, Robert Steinhäuser zu diffamieren (kaltblütiger Killer, durchgeknallt etc.), anstatt erst einmal zu untersuchen, ob er nicht selbst ein Gewaltopfer gewesen ist? Musste man wirklich wegen Schuleschwänzens und Fälschens eines Attests die Lebensplanung eines jungen Menschen zerstören? Was bleibt einem von einer herz- und phantasielosen Administration vergewaltigten Menschen, wenn er mit seinem Bedürfnis nach Gerechtigkeit, nach einer fairen Chance und der Unversehrtheit seiner Würde an den entscheidenden Stellen auf Gleichgültigkeit, auf Korruption, auf Machtgier und auf Menschenverachtung stößt? Weshalb sind es hauptsächlich Schüler, die über den Gemütszustand des Täters nachdenken und darüber, wie er hinein geraten ist, und warum nehmen ausgerechnet ihre Gedanken so wenig Raum in den Medien ein?

      Dass so viele junge Menschen das Bedürfnis haben, sich mit Hilfe gewalttätiger Videospiele abzureagieren, liegt an der Gewalt, die sie Tag für Tag erleben: Gnadenlose Konkurrenzkämpfe auf dem Rücken der Arbeitnehmer bei gleichzeitig maßlosen Einkommen deutscher Unternehmensvorstände, eine Justiz, deren Angehörige wegen Prozessbetrugs, Rechtsbeugung, Parteiverrats, Strafvereitelung und wissentlicher Strafverfolgung Unschuldiger ausnahmslos hinter Gitter gehören, bestechliche und vor Scheinheiligkeit triefende Politiker, ein Kanzler und eine Justizministerin, die sich gegenüber den von Richtern täglich begangenen Menschenrechtsverletzungen als Weltmeister im Wegschauen erweisen, Bankmanager und Immobilienvertriebe, die mit dem betrügerischen Verkauf überteuerter Objekte Tausende von Existenzen ruinieren, ohne Schadenersatz oder gar strafrechtliche Folgen befürchten zu müssen, ein Mafioso als italienisches Staatsoberhaupt, ein nicht demokratisch legitimierter US-Präsident, dessen Familie von Erdöl- und von Waffengeschäften lebt und der über afghanischen Kindern Streubomben abwerfen lässt, eine chinesische Regierung, die Hingerichtete schlachten lässt und mit ihren Organen Handel treibt, Lehrer, die ihre Schüler nicht zum Widerstand, sondern zum Kuschen erziehen, und jeden, der nicht funktionieren will, der Schule verweisen, und Psychologen, die mit ihren Kommentaren die Wirklichkeit verschleiern helfen.

      Hören wir damit auf, uns etwas vorzumachen! Es ist völlig normal und dient der Selbsterhaltung, dass Opfer Wut und Hass empfinden, wenn sich alles redliche Bemühen als sinnlos erweist und der Rechtsweg in einer Sackgasse endet. Was gern als Amoklauf diffamiert wird, ist oft der letzte Versuch, die Selbstachtung und die mit einer Abrissbirne zertrümmerte Würde wiederherzustellen. Solche Menschen brauchen Gerechtigkeit und keine Therapie; krank sind die anderen. Ich fürchte, Erfurt ist erst der Anfang.

      Weshalb trauern wir nur um die Toten von Erfurt oder die des 11. Septembers und nicht auch um die vielen Tausend Menschen, die Tag für Tag einen sinnlosen Tod sterben, weil die kranken Ratten, die in unserer globalisierten Wirtschaft die Fäden ziehen, den Hals nicht voll kriegen? Die Milliarden, die der US-Kongress dem Präsidenten nach dem 11. September zur Wahrung seiner Geschäftsinteressen im Mittleren Osten zur Verfügung gestellt hat, würden ausreichen, um die gesamte Erdbevölkerung mit sauberem Wasser zu versorgen. Wir alle hören täglich von Menschenrechtsverletzungen, von Kinderarbeit, von Folter, von Staatsterror und von Genoziden, und immer wieder das unsägliche Geschwafel eines Bundeskanzlers, der z. B. vor laufenden Kameras einen Putin umarmt und fordert, die Ermordung tschetschenischer Zivilisten müsse einer neuen Bewertung unterzogen werden. Müsste nicht jeder von uns so lange schreiend umher laufen und Widerstand leisten, bis die Menschenrechte auf der ganzen Erde verwirklicht sind? Und ist, wer zu all dem Unrecht schweigt, nicht ebenso schuldig wie die Täter?

      Die Lehre aus Erfurt sollte lauten: Wir brauchen Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Solidarität statt verlogener Wahlversprechen und systemerhaltender Repressalien.

      Statt dessen ziehen die Mächtigen und ihre Fingerpuppen, an deren seelenloser Gewalttätigkeit gemessen jeder Amokläufer ein Albert Schweitzer ist, die Lehre: Gib den Menschen, denen du täglich gnadenlos in die Eier trittst, auf keinen Fall eine Schusswaffe, sondern sorge für ihre lückenlose Überwachung durch Erfassung ihrer biometrischen Daten und durch flächendeckende Installation von Kameras, und umgib dich stets mit genug Body Guards. Erfurt ist überall.

      Wer sich bei der nächsten Bundestagswahl erneut von den verantwortungslosen Lumpen ködern lässt, die – wie in Berlin besonders deutlich zu erkennen ist – die öffentlichen Kassen schamlos ausgeplündert und die Bundesrepublik zum Schlusslicht Europas heruntergewirtschaftet haben, die mit Hilfe einer planmäßig herbeigeführten Massenarbeitslosigkeit die Löhne hart arbeitender Menschen unter das leistungsgerechte Niveau drücken wollen und uns jetzt in den Krieg führen, indem sie einem Geisteskranken bedingungslose Solidarität zu schulden behaupten, kann sich ebenso gut die Kugel geben.

      Wann wacht die Menschheit endlich auf? Ihre Feinde sind nicht Menschen anderer Religionen, Nationen, Kulturen oder Rassen, sondern national und global agierende Parasiten und die von ihnen gekauften Regierungen.

      Reinhard Sieber

      Anmerkung AM/KR: Bei allem Verständnis für die Wut der Ohnmächtigen: Ein Amokläufer braucht keine Therapie?! Wir glauben schon.


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