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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 6. November 2008 um 9:37 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(WL)

Heute unter anderem mit folgenden Themen:

  • 30 Jahre nach Reagan-Thatcher: der große Paradigmenwechsel?
  • Skepsis gegenüber dem „Konjunkturprogramm“
  • Rudolf Hickel: Wer jetzt investiert, spart in der Not
  • Erbschaftsteuer – Ein Geschenk für Betuchte
  • Bahnprivatisierung aufgehoben?
  • WestLB bringt Sparkassen in Nöte
  • USA gegen globalen Steuerbetrug – Cross-Boarder-Leasing läuft aus
  • Heiner Flassbeck: Die Panik im Finanzkasino und ihre Folgen
  • Eugen Drewermann: Wie im Schlaraffenland
  • Antrag auf Volksbegehren für den Mindestlohn gescheitert
  • Wie aussagekräftig ist eine hessenweite Umfrage mit ca. 80 Teilnehmern?
  • Wer ist der bessere Anti-Antisemit?
  • Reinhard Mohn und die Gabe des Vergessens
  • Widerstand in Schweden gegen EU-Joch
  • So viele Erstsemester wie noch nie in Hessen
  • Zu guter letzt: Das Sklavenschiff von Heinrich Heine

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. 30 Jahre nach Reagan-Thatcher: der große Paradigmenwechsel?
    Ist das jetzt ein Wechsel, der groß daher kommt, am Ende aber doch furchtbar pragmatisch “weiter so” macht? Oder ist das, was die Amerikaner in der vergangenen Nacht gemacht haben, ein ganz großer Wendepunkt? Und auch ein wirtschaftspolitischer Wendepunkt, wie es einst die Wahl von Maggie Thatcher und Ronald Reagan war? Ein Paradigmenwechsel, der das Denken der nächsten zwei Jahrzehnte prägen wird? Es gibt mindestens fünf Gründe, die dafür sprechen, dass es mehr als nur ein Bluff ist.
    von Thomas Fricke
    Quelle: FTD

    Kommentar AM: Ich bin skeptischer als Fricke, vor allem was Deutschland und Europa betrifft. Die ideologische Verhärtung ist riesengroß. Und es sind immer noch die gleichen Leute am Drücker. Mit einem Wendehals oder Einsichtigen – je nachdem – wie Straubhaar alleine ist noch keine vernünftige Konjunkturpolitik zu machen.

  2. DIW-Chef Zimmermann: “Das Konjunkturpaket ist reine Symbolpolitik”
    Die Bundesregierung hat das Konjunkturpaket abgesegnet. Doch DIW-Chef Klaus Zimmermann sieht die Maßnahmen skeptisch: Um eine richtige Rezession jetzt abzuwenden, müsste der Staat schon wesentlich mehr Geld in die Hand nehmen, sagt er im Interview mit SPIEGEL ONLINE.

    SPIEGEL ONLINE: Wie sind die Maßnahmen inhaltlich zu bewerten?

    Zimmermann: Sie könnten die Konjunktur eher mittelfristig beleben – falls überhaupt. Das Konjunkturpaket stützt Branchen wie das Handwerk oder den Bau, die ohnehin stark ausgelastet sind und die Zusatzaufträge vielleicht gar nicht abarbeiten können. Dazu müssen die Kunden die gebotenen Vergünstigungen erst einmal annehmen. Kommt die schwere Rezession, werde ich mein Geld wahrscheinlich nicht zuerst in eine staatlich geförderte Häusersanierung investieren.
    SPIEGEL ONLINE: Wirtschaftsminister Glos hat versprochen, der 16-Punkte-Plan der Regierung sichere oder schaffe eine Million Jobs. Ist das naiv?

    Zimmermann: Ich halte diese Zahl für stark übertrieben. Das Paket ist zu uneffektiv geschnürt, um eine solche Menge an Arbeitsplätzen zu sichern.
    1000 zusätzliche Arbeitsvermittler und ein paar Subventionen können das nicht leisten. Der Ausspruch ist wie das Paket selbst als Symbol zu verstehen.
    Quelle: Spiegel Online

  3. Misserfolg garantiert
    Der Gedanke, auch nur ein einziger Bürger würde ein neues, in Deutschland gebautes Oberklasseauto kaufen, weil er ein Jahr lang keine Kfz-Steuer zahlen muss, grenzt gar an Volksverdummung – ganz abgesehen davon, dass der Koalition offenbar das Gefühl dafür verloren gegangen ist, was sich die Bürger nach Jahren der Reallohnverluste leisten können.
    In der Realität wird das Konjunkturprogramm der Regierung vor allem zu Mitnahmeeffekten und Trittbrettfahrerei führen.
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: Eine Mehrwertsteuersenkung oder andere die Kaufkraft steigernde Steuersenkungen sind sicherlich sinnvoll, allein damit wird jedoch die Konjunktur nicht wieder angekurbelt werden können, dazu braucht es auch einen kräftigen Impuls durch staatliche Investitionen.

    Siehe dazu:

    Investitionen bringen stärksten Impuls
    Ein Konjunkturprogramm würde helfen, den aktuellen wirtschaftlichen Abschwung Deutschlands zu dämpfen, zeigt eine Modellrechnung der Universität Leipzig. Am wirksamsten wären höhere öffentliche Investitionen. Und: Es muss schnell gehen.
    Quelle: Böckler Impuls 17/2008

  4. Die Zahlen der Bundesregierung sind unseriös
    Konjunkturprogramm ist unbedeutend und wird in der Dynamik des Abschwungs unbemerkt untergehen. Ein Gespräch mit Axel Troost, Volkswirt und finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag
    “Wie gesagt, das Programm ist praktisch viel kleiner als zwölf bzw. 23 Milliarden Euro und wird in der Dynamik des Abschwungs unbemerkt untergehen. Und das Schlimmste ist: Nachher heißt es dann wieder, Konjunkturprogramme seien ohnehin wirkungslos.”
    Quelle: junge Welt
  5. Rudolf Hickel: Wer jetzt investiert, spart in der Not
    Vertrauen in Wirtschaft und Jobentwicklung ließe sich heute in Deutschland wiederum mit einem New Deal gewinnen. Eine Politik jedoch, die nur Banken mit milliardenschweren Notprogrammen saniert und nicht zugleich mit einer expansiven Ausrichtung der öffentlichen Haushalte – sozial und ökologisch verantwortlich – die Binnenwirtschaft stärkt, schafft kein Vertrauen. Sondern beschleunigt am Ende den gesamtwirtschaftlichen Absturz.
    Quelle: Freitag
  6. Erbschaftsteuer – Ein Geschenk für Betuchte
    Wer will, dass die Gesellschaft nicht auseinanderdriftet, sollte die Erbschaftsteuer auf Immobilien erhöhen – nicht senken. In der Debatte um die Reform der Erbschaftsteuer gibt es ein paar kluge, viele dumme und ein besonders dummes Argument.

    Dieses lautet: Oma ihr klein Häuschen darf nicht der Erbschaftsteuer unterliegen. Vorgebracht wird es von Politikern jeglicher Couleur. Sie fordern deshalb für private, selbstgenutzte Immobilien einen üppigen Freibetrag. 1,5 Millionen Euro soll dieser nach dem Willen der CSU betragen. Das klingt sozial, ist in Wahrheit aber höchst unsozial.

    Denn wer ein Haus erbt, dem geht es ohnehin besser als den meisten anderen. 70 Prozent aller Bundesbürger haben praktisch kein Vermögen:
    kein Geld, keine Aktien, keine Immobilie. Sie vererben nichts – und erben meist nichts. Ein Freibetrag auf Omas Häuschen nutzt also vor allem jenen, die sowieso reicher sind als die Durchschnittsdeutschen.

    Wer für einen solchen Freibetrag kämpft, will umverteilen: nicht von oben nach unten, sondern von unten nach oben; nur gibt er dies nicht zu.
    Ein Freibetrag von 1,5 Milionen Euro für einen Erben bedeutet, dass selbst stattliche Villen nicht der Steuer unterliegen würden. Erben zwei oder drei Kinder gemeinsam ein Haus, wären sogar Villen im Wert von drei oder gar 4,5 Millionen Euro steuerfrei.
    Quelle: SZ

  7. Aufgehoben
    Das war ein guter Tag für die Deutsche Bahn und die deutsche Verkehrspolitik. Aufgeschoben ist manchmal auch aufgehoben – nach diesem Motto hat die Bundesregierung die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn de facto abgesagt. Alle, die ein Herz für die Eisenbahn haben und ein modernes, leistungsfähiges öffentliches Verkehrswesen wünschen, können sich darüber nur freuen.
    Quelle: FR-Online

    Anmerkung AM: Vielleicht ist das aber auch ein Schachzug der Privatisierungsbefürworter, um dann später nach der Wahl leichter über die 49,5 % hinausgehen zu können.

  8. WestLB bringt Sparkassen in Nöte
    Zahlreiche Sparkassen haben weit stärker in riskante Wertpapiere investiert als bislang bekannt. Nach FTD-Informationen steht in Nordrhein-Westfalen eine ganze Reihe von Instituten vor hohen Abschreibungen – vor allem kleinere Häuser sind betroffen. Hinter den Belastungen stehen Geschäfte mit der WestLB. Die Düsseldorfer Landesbank, die den NRW-Sparkassen zu 50,4 Prozent gehört, hatte den kommunalen Instituten zwischen 2003 und 2006 in großem Stil so genannte CDO-Papiere verkauft. Die Transaktionen erfolgten im Rahmen eines “House of Europe” getauften Programms, das alles in allem 5 Mrd. Euro schwer war.

    Die WestLB-Investmentbanker hatten die hochkomplexen Kreditpapiere nicht nur vertrieben, sondern selbst strukturiert. Die Fehlspekulationen nagen am Ruf der Sparkassen, die im Vergleich zu den privaten Großbanken bislang glimpflich durch die Finanzkrise zu kommen scheinen. Dem Vernehmen nach prüfen einige Sparkassen rechtliche Schritte gegen die WestLB. Sie werfen der Landesbank vor, sie bei dem Verkauf der Papiere falsch beraten zu haben. “House of Europe” sei ein Vertriebsschlager der WestLB gewesen. Die Düsseldorfer hätten das Programm “aggressiv vermarktet”, sagte ein Sparkassenvorstand. Dass die kommunalen Institute ihre Landesbank tatsächlich verklagen, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Schließlich, so wird argumentiert, müssten die Vorstände dann eingestehen, dass sie das Produkt nicht verstanden hätten.
    Quelle: FTD

    Anmerkung AM: Die WestLB im Kettenbriefsystem. Ganz klar ein krimineller Akt. Wo blieb eigentlich die Banken-Aufsicht und die Aufsicht über die Sparkassen?

  9. USA gegen globalen Steuerbetrug – Cross-Boarder-Leasing läuft aus
    Behörden und Investoren in den USA beenden das Cross-Border-Leasing bis Ende 2008 vorfristig. Aber noch ist unklar, wie die Verträge aufgelöst werden können.
    Quelle: taz
  10. Die Plünderung
    Bushs vielleicht kreativste Erfindung: der risikofreie Kapitalismus.
    von Naomi Klein
    Quelle: FR
  11. Heiner Flassbeck: Die Panik im Finanzkasino und ihre Folgen
    Die „Wissenschaft“ hat über Jahre die „hohe Effizienz der Kapitalmärkte“ gelobt, 1 die Politik ist wie bei der Rente vor den „Werteschaffern“ in den Banken und Versicherungen in die Knie gegangen und die Öffentlichkeit hat sich einreden lassen, wenn man nur spekuliert, bräuchte man eigentlich nicht mehr arbeiten, man würde mit dem schnellen Geschäft an den Finanzmärkten quasi ohne Risiko reich werden.

    Schließlich haben die Medien diese Kampagne in einer Weise mitgemacht, dass man den Verdacht haben muss, dass einige Spindoktoren daran gut verdient haben. Wie man der deutschen Öffentlichkeit gegen jede Vernunft weisgemacht hat, ihre Rente könnte wegen der Alterung nur mit dem großen Spiel an den Finanzmärkten sicher gemacht werden, war wahrlich genial. Dass auch öffentlich-rechtliche Sender dazu übergegangen sind, jeden Abend mehrfach in den Nachrichten dümmliche Meldungen aus dem Kasino zu übertragen, spricht Bände.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik

  12. Antrag auf Volksbegehren für den Mindestlohn gescheitert
    Seit Monaten macht sich der DGB für die Einführung eines Mindestlohns in Bayern stark. Nun hat das Innenministerium den Antrag auf ein Volksbegehren abgelehnt.
    Das bayerische Innenministerium hat den Antrag des Gewerkschaftsbundes auf ein Volksbegehren zur Durchsetzung eines landesweiten Mindestlohns abgewiesen. Jetzt müsse der Bayerische Verfassungsgerichtshof über die Zulassung des Volksbegehrens entscheiden, teilte das Ministerium mit.
    Quelle: SZ
  13. Eugen Drewermann: Wie im Schlaraffenland
    Mit staatlichen Konjunkturhilfen allein ist es nicht getan. In den vergangenen 30 Jahren hat sich das Volksvermögen in Deutschland fast verdreifacht. Wir könnten leben wie im Schlaraffenland. Aber: zehn Prozent der Bevölkerung halten inzwischen mehr Besitz in Händen als 60 Prozent der übrigen, und so haben wir über zwei Millionen Kinder, die in Armut aufwachsen, und etwa 15 Millionen Menschen, die mit Hartz IV, Sozialhilfe und minimalen Renten nicht zu leben und nicht zu sterben wissen. Wir sollten daher dreierlei auf einmal abschaffen: alle Formen der modernen Lohnsklaverei, die “Option” zum Kriegführen und den Zinswucher.
    Quelle: Freitag
  14. Wie aussagekräftig ist eine hessenweite Umfrage mit ca. 80 Teilnehmern?
    Rund um das jetzt gescheiterte “Experiment” einer linksgeduldeten rotgrünen Minderheitsregierung in Hessen ist mir eine Studie aufgefallen, die TNS-Emnid im Auftrag von N24 durchgeführt hat. Unter anderem auf diese Umfrage hat sich wohl Carmen Everts berufen. Auch die Plattform “http://www.wortbruch.info/” (bei der man übrigens nur *für* diese Initiative stimmen kann und die als CDU-nah beschrieben wird) hat eine Anzeige entworfen, die sich (diesmal explizit) auf diese Studie bezieht. Man kann also sagen, dass es sich um eine einflussreiche Studie handelt. Aber wie aussagekräftig ist diese Studie?
    Bei TNS-Emnid gab man mir telefonisch Auskunft, dass es bei einer repräsentativen Umfrage ca. 80 Personen aus Hessen seien, die befragt wurden.
    Quelle: texttexttext
  15. Wer ist der bessere Anti-Antisemit?
    Die Union hat in dem von ihr angezettelten Streit um die Antisemitismusresolution Erfolge zu verzeichnen. Alle reden von der Israelfeindschaft der Linken, kaum einer davon, dass der Antisemitismus historisch rechts verortet ist.

    Angesichts des 70ten Jahrestags der Reichspogromnacht wollte das Parlament eigentlich Einigkeit demonstrieren. Heraus kamen nun zwei gleichlautende, aber getrennte Erklärungen. Eine von der Linken und eine von allen anderen Parteien. Dabei war seit Monaten an einer parteiübergreifenden Erklärung gearbeitet worden, in der dieses Jubiläum als Mahnung und Verpflichtung gegen jede Form von Antisemitismus und zur Förderung des jüdischen Lebens in Deutschland bezeichnet werden sollte. Doch mit der parteiübergreifenden Einigkeit wurde es dann doch nichts.
    Quelle: Telepolis

  16. Die Gabe des Vergessens
    Reinhard Mohn, Nachkriegsgründer von Bertelsmann, hat kritische Fragen zur Familien- und Verlagsgeschichte immer ungern beantwortet. Jetzt legt er sein viertes Buch vor, das sein Verlag C. Bertelsmann als sein persönlichstes bewirbt. Doch viele Fragen bleiben offen.

    Zur Legende vom Widerstandsverlag, die er verbreitet hatte, um nach dem Krieg an eine Lizenz zu kommen, äussert er sich nicht. Enttäuschend auch, dass er nichts zu seinem Vater Heinrich schreibt, der den Reisebuchhandel und die Feldpostreihen für die Wehrmacht ausbaute – angeblich, um das theologische Programm zu schützen, wie er selbst behauptete. Er habe die Aufarbeitung unterstützt, will aber «der Perspektive meiner persönlichen Erinnerung treu bleiben und die rückblickende Einschätzung des Erlebten daran ausrichten», schreibt Mohn. Das ist eigenartig, denn Mohn hat damals viele Notizen über seine Verhandlungen mit den Lizenzbehörden verfasst, die die Historiker teilweise auswerteten. Will er diese Notizen heute nicht mehr als persönliche Erinnerung gelten lassen?
    Quelle: NZZ

    Anmerkung WL: Interessant auch: „Zeitungen und Verlagen fällt es schwer, gegenseitig über sich aufzuklären.“ Der Autor Thomas Schuler berichtet auch, über fehlende Vergangenheitsbewältigung anderen großen Verlagen (Spiegel, Burda, Holtzbrinck, DuMont) und erklärt damit, warum so wenig über die Vergangenheit der Großverleger geschrieben wird.

  17. Widerstand in Schweden gegen EU-Joch
    Am 18. Dezember 2007 fällte das EU-Gericht ein negatives Urteil in einem Prozess, der eine Baustellenblockade in Vaxholm in der Nähe von Stockholm betraf. Dort wurden an einer Schule Renovierungsarbeiten durchgeführt. Eine lettische Firma, die an den Renovierungsarbeiten beteiligt war, hatte ihre Bauarbeiter unterbezahlt und weigerte sich, ein Tarifabkommen mit der schwedischen Baugewerkschaft einzugehen. Daraufhin belegte die schwedische Gewerkschaft die Baustelle mit einer Blockade. Laut EU-Gerichtsurteil verstieß Schweden damit gegen den Grundsatz, Dienstleistungen im gesamten EU-Markt frei erbringen zu können.

    In Schweden wird deshalb gefordert, die Konsequenz aus dem Fall Vaxholm sollte deshalb sein, dass die Gewerkschaftsbewegung und die Sozialdemokratie ihre Unterstützung des Lissabon-Vertrages überprüfen. Aber auf jeden Fall sollte man eine Neuverhandlung verlangen, dass Schweden im Vertrag eine juristisch bindende Ausnahme garantiert wird, die ausländischen Lohnempfängern, die in Schweden arbeiten, garantiert, dass sie denselben Schutz der Gesamtarbeitsverträge genießen wie ihre schwedischen Arbeitskollegen.
    Quelle: Zeit-Fragen

  18. So viele Erstsemester wie noch nie in Hessen
    An den hessischen Hochschulen haben sich nach Abschaffung der Studiengebühren im Herbst so viele Studenten neu eingeschrieben wie noch nie. 28.600 junge Frauen und Männer hätten im Wintersemester 2008/2009 ein Studium aufgenommen und damit 17 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, berichtete das Statistische Landesamt in Wiesbaden.
    Im Wintersemester 2007/2008 war sie stark zurückgegangen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung WL: Wie viele Belege dafür, dass Studiengebühren eine Barriere für die Aufnahme eines Studiums sind bedarf es eigentlich noch.

Zu guter letzt:

Amerika hat den ersten schwarzen Präsidenten. Die Zeit des Sklavenhandels liegt noch nicht so weit zurück.

Dazu

Das Sklavenschiff

Von Heinrich Heine

I

Der Superkargo Mynheer van Koek
Sitzt rechnend in seiner Kajüte;
Er kalkuliert der Ladung Betrag
Und die probabeln Profite.

»Der Gummi ist gut, der Pfeffer ist gut,
Dreihundert Säcke und Fässer;
Ich habe Goldstaub und Elfenbein –
Die schwarze Ware ist besser.

Sechshundert Neger tauschte ich ein
Spottwohlfeil am Senegalflusse.
Das Fleisch ist hart, die Sehnen sind stramm,
Wie Eisen vom besten Gusse.

Ich hab zum Tausche Branntewein,
Glasperlen und Stahlzeug gegeben;
Gewinne daran achthundert Prozent,
Bleibt mir die Hälfte am Leben.

Bleiben mir Neger dreihundert nur
Im Hafen von Rio-Janeiro,
Zahlt dort mir hundert Dukaten per Stück
Das Haus Gonzales Perreiro.«

Da plötzlich wird Mynheer van Koek
Aus seinen Gedanken gerissen;
Der Schiffschirurgius tritt herein,
Der Doktor van der Smissen.

Das ist eine klapperdürre Figur,
Die Nase voll roter Warzen –
»Nun, Wasserfeldscherer«, ruft van Koek,
»Wie geht’s meinen lieben Schwarzen?«

Der Doktor dankt der Nachfrage und spricht:
»Ich bin zu melden gekommen,
Daß heute nacht die Sterblichkeit
Bedeutend zugenommen.

Im Durchschnitt starben täglich zwei,
Doch heute starben sieben,
Vier Männer, drei Frauen – Ich hab den Verlust
Sogleich in die Kladde geschrieben.

Ich inspizierte die Leichen genau;
Denn diese Schelme stellen
Sich manchmal tot, damit man sie
Hinabwirft in die Wellen.

Ich nahm den Toten die Eisen ab;
Und wie ich gewöhnlich tue,
Ich ließ die Leichen werfen ins Meer
Des Morgens in der Fruhe.

Es schossen alsbald hervor aus der Flut
Haifische, ganze Heere,
Sie lieben so sehr das Negerfleisch;
Das sind meine Pensionäre.

Sie folgten unseres Schiffes Spur,
Seit wir verlassen die Küste;
Die Bestien wittern den Leichengeruch
Mit schnupperndem Fraßgelüste.

Es ist possierlich anzusehn,
Wie sie nach den Toten schnappen!
Die faßt den Kopf, die faßt das Bein,
Die andern schlucken die Lappen.

Ist alles verschlungen, dann tummeln sie sich
Vergnügt um des Schiffes Planken
Und glotzen mich an, als wollten sie
Sich für das Frühstück bedanken.«

Doch seufzend fällt ihm in die Red’
Van Koek: »Wie kann ich lindern
Das Übel? wie kann ich die Progression
Der Sterblichkeit verhindern?«

Der Doktor erwidert: »Durch eigne Schuld
Sind viele Schwarze gestorben;
Ihr schlechter Odem hat die Luft
Im Schiffsraum so sehr verdorben.

Auch starben viele durch Melancholie,
Dieweil sie sich tödlich langweilen;
Durch etwas Luft, Musik und Tanz
Läßt sich die Krankheit heilen.«

Da ruft van Koek: »Ein guter Rat!
Mein teurer Wasserfeldscherer
Ist klug wie Aristoteles,
Des Alexanders Lehrer.

Der Präsident der Sozietät
Der Tulpenveredlung im Delfte
Ist sehr gescheit, doch hat er nicht
Von Eurem Verstande die Hälfte.

Musik! Musik! Die Schwarzen soll’n
Hier auf dem Verdecke tanzen.
Und wer sich beim Hopsen nicht amüsiert,
Den soll die Peitsche kuranzen.«

II

Hoch aus dem blauen Himmelszelt
Viel tausend Sterne schauen,
Sehnsüchtig glänzend, groß und klug,
Wie Augen von schönen Frauen.

Sie blicken hinunter in das Meer,
Das weithin überzogen
Mit phosphorstrahlendem Purpurduft;
Wollüstig girren die Wogen.

Kein Segel flattert am Sklavenschiff,
Es liegt wie abgetakelt;
Doch schimmern Laternen auf dem Verdeck,
Wo Tanzmusik spektakelt.

Die Fiedel streicht der Steuermann,
Der Koch, der spielt die Flöte,
Ein Schiffsjung’ schlägt die Trommel dazu,
Der Doktor bläst die Trompete.

Wohl hundert Neger, Männer und Fraun,
Sie jauchzen und hopsen und kreisen
Wie toll herum; bei jedem Sprung
Taktmäßig klirren die Eisen.

Sie stampfen den Boden mit tobender Lust,
Und manche schwarze Schöne
Umschlinge wollüstig den nackten Genoß –
Dazwischen ächzende Töne.

Der Büttel ist Maître des plaisirs,
Und hat mit Peitschenhieben
Die lässigen Tänzer stimuliert,
Zum Frohsinn angetrieben.

Und Dideldumdei und Schnedderedeng!
Der Lärm lockt aus den Tiefen
Die Ungetüme der Wasserwelt,
Die dort blödsinnig schliefen.

Schlaftrunken kommen geschwommen heran
Haifische, viele hundert;
Sie glotzen nach dem Schiff hinauf,
Sie sind verdutzt, verwundert.

Sie merken, daß die Frühstückstund’
Noch nicht gekommen, und gähnen,
Aufsperrend den Rachen; die Kiefer sind
Bepflanzt mit Sägezähnen.

Und Dideldumdei und Schnedderedeng –
Es nehmen kein Ende die Tänze.
Die Haifische beißen vor Ungeduld
Sich selber in die Schwänze.

Ich glaube, sie lieben nicht die Musik,
Wie viele von ihrem Gelichter.
»Trau keiner Bestie, die nicht liebt
Musik!« sagt Albions großer Dichter.

Und Schnedderedeng und Dideldumdei –
Die Tänze nehmen kein Ende.
Am Fockmast steht Mynheer van Koek
Und faltet betend die Hände:

»Um Christi willen verschone, o Herr,
Das Leben der schwarzen Sünder!
Erzürnten sie dich, so weißt du ja,
Sie sind so dumm wie die Rinder.

Verschone ihr Leben um Christi will’n,
Der für uns alle gestorben!
Denn bleiben mir nicht dreihundert Stück,
So ist mein Geschäft verdorben.«


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