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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 5. November 2008 um 9:08 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
(WL)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Jubeln wird nicht nur Roland Koch, der, obwohl ihm bei den letzten Landtagswahlen eine vernichtende Niederlage bereitet wurde, weiter als hessischer Ministerpräsident amtieren wird. Jubeln werden auch alle die Zeitungen, die in den letzten Tagen in einer schon beispielhaften Kampagne Ypsilanti vorgeworfen haben, sie würde ihre Interessen über die des Landes Hessen stellen, sie sei machthungrig und denke nur an ihre persönliche Karriere. All die Eigenschaften, die gemeinhin einen guten Politiker ausmachen, wurden Ypsilanti unisono zum Vorwurf gemacht. Der Verdacht, dass man hier einer Frau deutlich machen wollte, dass bei ihr noch lange nicht toleriert wird, was man bei Männern geradezu erwartet, ist nicht von der Hand zu weichen, auch wenn drei der Abweichlerinnen Frauen sind. Roland Koch hingegen wird wegen seines ausgeprägten Machtbewusstseins nicht gescholten, sondern als Macher und Stehaufmann gelobt.
Quelle: Telepolis
Anmerkungen AM:
Anmerkung WL: Als erste sind natürlich die Zeitarbeitsplätze dran. Erinnern sie sich noch, wie die Ausweitung und Lockerung der Bestimmungen für die Zeitarbeit damit begründet wurden, dass Zeitarbeit den Einstieg in reguläre Arbeit ermöglichen sollte.
Seit Jahren würden die Unternehmen und die Vermögenden mit Steuergeschenken bedacht, ohne dass die damit versprochenen Effekte eingetroffen seien. Dagegen sei die Kaufkraft der Bürger immer weiter geschwächt worden, u.a. durch die Mehrwertsteuererhöhung, sinkende Realeinkommen sowie steigende Beiträge und Zusatzbelastungen im sozialen Bereich. “Es hat sich längst gezeigt, dass das ein Irrweg ist, der auch zu Lasten der Wirtschaft geht”, so Niederland.
Quelle: Volkssolidarität
Anmerkung unserer Leserin H.K.:
Im Grunde legt die jüngste Bahn-Affäre längst vor der Amtszeit von BVM Tiefensee bestehende gravierende Fehlentwicklungen in der bundesdeutschen und europäischen Verkehrs-, Bahn- und Umweltpolitik symptomatisch offen: fehlende Gesamtkonzepte und Schwäche in politischer Führung, die sich als nicht resistent genug gegenüber der Auto- und Privatisierungslobby erweist. Der immer eigenmächtiger agierende Bahnvorstand des noch bundeseigenen Unternehmens macht weitgehend, was er will und was Politik ihm erlaubt. Einem solchen Selbstbedienungsladen sind straffe Zügel anzulegen. Vor allem fehlt es jedoch an klaren politischen Vorgaben durch den Noch-Eigentümer Bund für konzeptionell eingebettete Unternehmensziele im Rahmen einer Gesamtstrategie. Dafür ist die Legislative verantwortlich und zu parlamentarischen Initiativen aufgerufen.
Vorausschauende Protagonisten eines grundlegenden bahn- und umweltfreundlichen Kurswechsels, darunter namhafte SPD-Verkehrs- und Umweltexperten, die sich dafür seit den 70-er-Jahren vehement engagierten, waren stets mit einer massiven Abwehrfront organisierter Lobbygruppen und Widerstand mangels parlamentarischer Mehrheiten konfrontiert. Diesen Kampf gilt es weiterzuführen.
Mit der angestrebten Bahnprivatisierung hat sich Verkehrs- und Umweltpolitik noch mehr als bisher entpolitisiert und aus staatlicher Verantwortung in einem Kernbereich von Daseinsvorsorge zurückgezogen statt die Weichen pro Bürger, Bahn und Umwelt rechtzeitig zukunfts- und gemeinwohlorientiert zu stellen. Die mit der Teil-Privatisierung erzielbaren Erlöse liegen weit unter Vermögenswert und Investitionsbedarf, wirken haushaltspolitisch marginal. Für Kapitalbeschaffung bieten sich dem Staatsunternehmen günstigere Optionen als Privatisierung. Eine Evaluierung der Bahnreform 1993/94 fand nicht statt, die – anders als behauptet – nicht auf Kapitalprivatisierung, sondern vor allem auf die Ablösung der Behördenstruktur durch wirtschaftliche Unternehmensführung in der Rechtsform der AG und darauf abzielte, erheblich mehr Personen- und Güterverkehr – mit besonderem Schwerpunkt beim Güterfern- und kombinierten Verkehr – auf die Schiene zu verlagern.
Es ist nicht Sache der Bahn, sich als global player – jenseits ihrer vernachlässigten grenzüberschreitenden Kernaufgaben im Transitland Deutschland in der Mitte Europas – aufzustellen und im internationalen Luftfracht- und Speditionsgeschäft zu expandieren. Um die Bahn börsenreif zu machen, wurde das Streckennetz ausgedünnt, auf Verschleiß gefahren, Personal abgebaut, bei der Sicherheit gespart, Bahnimmobilien verscherbelt, Fahrpreise seit 2004 um 25% erhöht – um nur einen Teil des langen bahnpolitischen Sündenregisters anzuführen. Nach der Devise ‚maximale Rendite bei minimalem Service’ haben sich Bahnmanagement und Politik, einseitiger betriebswirtschaftlicher Denkweise im Zeichen des Neoliberalismus folgend, von einer zukunfts-, bürger-, kunden- und gemeinwohlorientierten Bahnpolitik abgewandt – und das trotz vielfach gescheiterter Privatisierungsprojekte und gegen eine Bevölkerungsmehrheit von rd. 70%.
Spätestens jetzt rächt sich das jahrzehntelange Versäumnis, die Bahn als öffentliches Transport- und Dienstleistungsunternehmen mit seinen gewaltigen Innovationspotentialen durch Stärkung und Ausbau fit zu machen, um für Verkehrsverlagerungen hin zur Schiene gerüstet zu sein. Die volkswirtschaftlichen, die gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen zwingen zum Umdenken und Umsteuern. Die Zeit ist überreif für eine verkehrs- und umweltpolitische Grundsatzdebatte, die seit der Bahnreform nicht geführt wurde und endlich auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestags gehört. Uns Bürgern muß klar sein: Eine konservativ-liberale Mehrheit nach der Bundestagswahl 2009 würde die notwendige Öffnung solcher Perspektiven durchkreuzen und weitere Anteile der Bahn wie angekündigt privatisieren. Dann wäre der Zug endgültig mit der Renditebahn in die falsche Richtung abgefahren. Das muß verhindert werden! Wir brauchen ein starkes Bündnis der Bürger für eine Verkehrspolitik der Vernunft, die uns allen dient.
“Die Bürger haben die Nase voll von den Energiekonzernen, die stets nur ihre eigene Tasche füllen und ihre Verantwortung für Bürger und Gesellschaft noch gar nicht begriffen haben”, kommentiert der Bund der Energieverbraucher, “Der Gesetzgeber ist nun aufgerufen, die misslungene Privatisierung rückgängig zu machen und damit nicht noch Jahre zu warten”. Als verheerend hat der Verbraucherverband die enge Verknüpfung zwischen Staat und Versorgungswirtschaft bezeichnet. Die neue Cheflobbyistin der Stromwirtschaft komme gerade direkt aus dem Kanzleramt.
Quelle: scharf-links
Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Patienten werden gestärkt und Milliarden Euro eingespart, versprechen die Befürworter. Widerspruch kommt aus der Ärzteschaft und von Bürgerrechtlern. Dient die Karte doch auch als Schlüssel für die geplante Patientenakte, die auf externen Speichern liegen wird. Datenmissbrauch sei vorprogrammiert, die ärztliche Schweigepflicht bedroht und der medizinische Nutzen für die Patienten zweifelhaft. Diese müssen allerdings die Kosten tragen, deren tatsächliche Höhe nicht absehbar ist.
Quelle 1: Deutschlandradio Kultur (Text, PDF, 50kb)
Quelle 2: Deutschlandradio Kultur (Audio-Podcast, ca. 30 min, ca. 13,4 MB)
Dazu passt:
Elektronische Gesundheitskarte belastet Gesundheitsfonds
Nach Ansicht des NAV-Virchow-Bundes der niedergelassenen Ärzte Deutschland müssen die Krankenkassen im Jahr 2009 für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte 660 Millionen Euro aus dem Gesundheitsfonds einplanen. Der Millionenregen aus Fonds-Mitteln soll angeblich die Einführung der Gesundheitskarte beschleunigen. Klaus Bittmann, Vorsitzender des größten deutschen Verbandes niedergelassener Ärzte, forderte die Kassen auf, die Mittel lieber in die medizinische Ausstattung unterversorgter Gebiete zu investieren. Ein chaotisches Projektmanagement und eine unausgegorene Technik werde weiter gefördert, beklagt der Verbandsvorsitzende. Er hält weiterhin für skandalös, dass der Etat der Projektgesellschaft Gematik 2009 auf 85 Millionen steigen soll. (2008: 70 Millionen, 2007: 40 Millionen).
Quelle: Heise
Die Ausgaben der NATO für ihren Einsatz in Afghanistan (ISAF) seit dem Jahr 2003 werden von der Bundesregierung auf 656,3 Millionen Euro beziffert, für den Einsatz im Kosovo (KFOR) seit 1999 auf 413,8 Millionen Euro.
Quelle: Deutscher Bundestag
Doch auch die Banken, von Chefökonom Skrzypek wegen ihrer Vorsicht zu Recht gelobt, gerieten in schwere See. Das Problem ist ein grundsätzliches. Über 70 Prozent der polnischen Banken befinden sich in ausländischer Hand. Aufgrund der Krise ziehen aber die Muttergesellschaften das Geld aus dem Osten ab. Das wiederum hat direkte Folgen für die Verbraucher. Zum einen zögern die Institute, Kredite zu vergeben. Das trifft vor allem Unternehmer, die ihre Aufträge in der Regel durch geliehenes Geld vorfinanzieren müssen. Zbigniew Bachman, Direktor der Polnischen Industrie- und Handelskammer für Bauwesen, befürchtet in den nächsten Monaten bei kleinen Firmen, die nicht von EU-finanzierten Großaufträgen profitieren, „einen Tsunami von Bankrotten“.
Doch auch Privathaushalte haben zu kämpfen. Der Konsum in Polen ist in vielen Fällen durch Kredite finanziert, die nun nicht mehr einfach zu bekommen sind. Aus diesem Grund ist der Immobilienmarkt bereits dramatisch eingebrochen. Auch haben sich viele Konsumenten, etwa zum Bau eines Hauses, in Fremdwährungen wie dem Schweizer Franken hoch verschuldet. Noch vor wenigen Monaten war das eine gute Idee, denn der Zloty war stark und die Zinsen im Ausland niedrig. Im Zuge der Finanzkrise hat der Zloty jedoch fast 30 Prozent an Wert verloren und die Schuldner müssen ihre Kredite in den aufgewerteten Währungen bedienen.
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung Orlando Pascheit: Da spricht man von deutsch-französischen Differenzen. Im Zocken sind sie alle gleich.
Anmerkung WL: Dieses Interview ist nur interessant, weil es belegt, wie das Sprachrohr Schröders, Uwe-Karsten Heye zusammen mit den Interviewern von der SZ, die Sprache und die Realität verdrehen, um Legenden zu stricken.
Die SZ spricht z.B. von „Umverteilern“ und „Reformern“ in der SPD und Heye nimmt das allzu gerne auf. Fragen Sie sich einmal selbst und alle Fakten sprechen eine deutliche Sprache: Umverteilt haben die „Reformer“ und zwar von unten und von der Mitte nach oben. Alle die hier wieder mehr Gerechtigkeit und eine Umkehr wollen, werden als „Umverteiler“ denunziert. So verkehrt man mit Sprache die Wirklichkeit.
Dasselbe gilt für den Sprech der Reformer von den „neuen Problemen“ im neuen Jahrhundert, etwa dem neu entdeckten „demographischen Wandel“. Sie tun so als wäre das neu. Im vorigen Jahrhundert war die Alterung mit 30 Jahren viel höher als die nächsten 50 Jahre, wo die Menschen nach Schätzungen gerade mal 6 oder 8 Jahre älter werden sollen. Mit dieser Lesart soll verdeckt werden, dass der demographische Wandel als Hebel benutzt wurde um z.B. die gesetzliche Rente zu ruinieren. Kein Wunder, dass Heye abwiegeln muss und behauptet, dass die „Aufregung um die Riester-Rente fast vergessen“ ist. Daran kann man erkennen, dass die Wirklichkeit systematisch verweigert wird.
Oder auch sehr schön formuliert: Um den „Genossen der Bosse“ (Schröder) hoch zu loben, wir dessen wirtschaftsfreundlicher Kurs so definiert: „Lasst uns die Arbeitsebene zur Wirtschaft nicht zerstören.“
Eine völlige Verzerrung der Geschichte ist die Behauptung: Lafontaine wollte nicht Spitzenkandidat werden, weil er nicht Kanzler werden wollte. Das begründet Heye pseudopsychologisch mit dem Attentat acht (!) Jahr zuvor. Schröder wurde deshalb zum Kandidaten ausgerufen, weil er in Niedersachsen (überraschend) die absolute Mehrheit holte und damit eine Dynamik ausgelöst hat.
Auch dass sich die Staatsekretäre von Lafontaine als „Wadenbeißer“ verhalten haben sollen, ist die glatte Verkehrung der Realität. Schröder hatte Bodo Hombach ins Kanzleramt geholt, weil er dessen Fähigkeit zum Intrigieren und Mobben brauchte, um Widerstand auszuschalten. Hombach betrieb seine Intrigen so halbseiden, dass selbst Schröder ihn schließlich entlassen musste.
Man könnte das gesamte Interview durchdeklinieren. Es zeigt in klassischer Weise Heyes Fähigkeit als sog. Spin-doctor, d.h. als zynischer Techniker der Meinungsmanipulation, indem durch Lügen oder Halbwahrheiten die öffentliche Meinung in eine gewünschte Richtung gelenkt werden soll und damit Mythen und Legenden aufgebaut werden.
Dazu:
Senatorin von Welck zum Theaterstück „Marat, was ist aus unserer Revolution geworden?“
“Einzelpersonen an den Pranger zu stellen, ist in meinen Augen eine billige, populistische Form, Kritik auszudrücken. Es ist hoch problematisch und unfair. Ich traue einem Regisseur, der an einem Theater wie dem Deutschen Schauspielhaus inszenieren kann, differenziertere und reifere Möglichkeiten zu, unser Gesellschaftssystem kritisch zu hinterfragen und den Zuschauer zum Nachdenken zu bewegen. Ich freue mich, wenn Kunst Diskussionen auslöst, und ich bin froh, wenn ich dadurch angeregt werde, auch Dinge zu überdenken, die mir selbstverständlich geworden sind. Doch wünsche ich mir dafür eine niveauvolle Basis”
Quelle: hamburg.de
Dazu noch:
Reden, wenigstens das!
Das Theater an diesem Abend ist ausnahmsweise mal nicht der Ort fabrizierter Surrogat-Skandale und kleinbürgerlicher Provokationen, sondern ein theatralisches Labor, eine kommunikative Utopie vollendeter Gleichheit, in der alle Fragen bewegt und begutachtet und beredet werden können. Die Schönheit dieses Moments ist erarbeitet worden, ist erstritten worden durch die Theater-Kunst.
Die Magie dieses Theaterabends besteht darin, dass man all diese Elends-Berichte und -Protokolle kennt, aber doch den Eindruck hat: Man hört sie zum ersten Mal. Es sind Stimmen, die in den letzten Jahren verdrängt und unterdrückt wurden, von jedem. Nun sind sie wieder da. Das anschwellende Murmeln.
Sie werden lauter, und wir wissen alle, dass sie bleiben.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung WL: Sollte der neonationale Matthias Matussek ein Anhänger neoliberaler Politik und Fan der Großen Koalition aus dem Theaterstück wirklich etwas gelernt haben. Es wäre großes Theater.
Anmerkung WL: Massenhafter Protest bringt vielleicht doch etwas
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