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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 9. Oktober 2008 um 9:48 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(WL)

Heute unter anderem zu folgenden Themen

  • Lohnverzicht: Nutzen für den Arbeitsmarkt unbewiesen
  • IWF: Deutsche Wirtschaft stagniert 2009
  • IMK: Finanzmarktkrise kann innerhalb des kommenden Jahres überwunden werden
  • Sieben Zentralbanken senken Zinsen
  • Zur Bekämpfung der Finanzmarktkrise
  • Bundesregierung glaubt noch an Markt
  • Steinbrück fordert Acht-Punkte-Plan
  • Lucas Zeise: Ende der Party
  • Wie weiter mit dem sozialen Europa?
  • Köhler billigt EU-Reformvertrag
  • Warum wichtige Leistungen für Patienten gekürzt werden
  • Amtshilfe per Schützenpanzer
  • Bertelsmann-Stiftung fordert eine “harte Anpassung” der Wirtschafts- und Sozialpolitik Venezuelas
  • Akademischer Aderlass in Italien

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Lohnverzicht: Nutzen für den Arbeitsmarkt unbewiesen
    Veränderungen des Lohnniveaus haben Auswirkungen auf den Beschäftigungsstand. Was die Sache kompliziert macht: Sie lösen gegenläufige Effekte aus. So erlauben sinkende oder stagnierende Löhne den Exporteuren, mit preisgünstigen Produkten größere Marktanteile zu erobern und mehr Leute einzustellen. Wer seine Produkte im Inland verkauft, leidet dagegen unter der Geldknappheit der Verbraucher und wird eher Stellen streichen. Die entscheidende Frage ist, welcher Effekt überwiegt.

    Der Wirtschaftsprofessor Jürgen Kromphardt, ehemals Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung, und die Volkswirtin Stephanie Schneider haben theoretische und empirische Arbeiten zum Zusammenhang zwischen Lohnentwicklung, Wirtschaftskraft und Beschäftigungsstand ausgewertet. Ihre Analyse kommt zu dem Schluss, die Wirkungen von Lohnzurückhaltung seien “weder hinreichend erforscht noch eindeutig”. Was die Entwicklung in Deutschland betrifft, äußern sie allerdings die Vermutung, “dass die Lohnzurückhaltung zwar die Exporte begünstigt hat, dass diese Vorteile jedoch durch die von ihr verursachte schwache Binnennachfrage wieder zunichte gemacht wurden”.

    Seit 1996 haben die Arbeitnehmer den neutralen Verteilungsspielraum nicht mehr ausgeschöpft. Empirische Studien zeigen, dass eine schwache Konsumnachfrage infolge sinkender Lohnquoten für sich genommen zu wirtschaftlichen Einbußen führt, so die Wissenschaftler. Nicht ganz so klar fällt die Antwort auf die Frage aus, ob niedrige Lohnabschlüsse gleichzeitig auch nennenswerte positive Effekte auslösen – etwa durch Exporterfolge oder höhere Investitionen als Folge gestiegener Gewinne. Ökonomen, die Veränderungen der Lohnquote und ihre Konsequenzen für Wirtschaftskraft und Beschäftigungsstand untersucht haben, kommen für verschiedene Länder und Zeiträume zu unterschiedlichen Ergebnissen.

    Eine Studie für den Euroraum ergibt, dass in den vergangenen Jahrzehnten die Faustregel galt: Eine Senkung der Lohnquote um einen Prozentpunkt erhöht die privaten Investitionen um 0,07 Prozentpunkte und die Nettoexporte um 0,11 bis 0,13 Punkte. Allerdings fällt der gleichzeitig einsetzende Rückgang des privaten Konsums mit 0,37 Prozentpunkten deutlich stärker aus. Eine weitere Untersuchung, die sich auf Deutschland beschränkt, liefert ähnliche Resultate.

    Kromphardt und Schneider raten angesichts der Befunde davon ab, zur Stabilisierung der Beschäftigung auf eine “flexible Lohnpolitik” zu setzen, die sich nicht in erster Linie am gesamtwirtschaftlichen Verteilungsspielraum orientiert. Die in den letzten zwei Jahren erfreulich zahlreich neu eingestellten Arbeitnehmer haben ihre Jobs dagegen nicht den bescheidenen Lohnsteigerungen zu verdanken, sondern vor allem dem konjunkturellen Aufschwung.
    Quelle: BöcklerImpuls 15/2008

    Dazu:

    Statistik

    Umverteilung von Löhnen zu Gewinnen
    Von den Produktivitätszuwächsen der deutschen Wirtschaft profitierte die Kapitalseite im vergangenen Jahrzehnt erheblich mehr als die Arbeitnehmer.

    Quelle: Böckler Impuls

  2. IWF: Deutsche Wirtschaft stagniert 2009
    Der Internationalen Währungsfonds senkt seine globale Wachstumserwartung für 2009 von 3,9 auf 3,0 Prozent. Für Deutschland erwarte der IWF eine Stagnation.
    Quelle 1: FR
    Quelle 2: IMF
  3. IMK: Finanzmarktkrise kann innerhalb des kommenden Jahres überwunden werden
    Die Krise auf den Finanzmärkten und der Einbruch der Weltkonjunktur kann im besten Fall innerhalb des kommenden Jahres überwunden werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass Regierungen und Zentralbanken in den USA und der EU sehr rasch nicht nur das Bankensystem stabilisieren, sondern auch die Konjunktur durch eine expansiv ausgerichtete Wirtschaftspolitik mit Konjunkturprogrammen und durch Leitzinssenkungen stimulieren. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung in einer aktuellen Analyse.
    Quelle 1: Hans-Böckler-Stiftung
    Quelle 2: IMK Finanzmarktkrise: erste Hilfe und langfristige Prävention [PDF – 94 KB]
  4. Sieben Zentralbanken senken Zinsen
    Notenbanken in aller Welt lockern ihre Geldpolitik. In einer konzertierten Aktion senkten die Federal Reserve, die Europäische Zentralbank und die Bank of England den Leitzins. Auch Kanadier, Schweizer und Schweden machten mit. Nur die Japaner enthielten sich. Die Börsenkurse legten zu.

    Die konzertierte Aktion war von den Marktteilnehmern mit Spannung erwartet worden. Nachdem US-Notenbankpräsident Ben Bernanke bereits eine Zinssenkung in Aussicht gestellt hatte, folgte am Mittwoch nun die Lockerung auf breiter Front: Die Fed nahm den Leitzins von 2,0 auf 1,5 Prozent zurück, die Europäische Zentralbank (EZB) von 4,25 auf 3,75 Prozent, die Bank of England von 5,0 auf 4,5 Prozent.

    Entsprechende Schritte unternahmen auch die Bank of Canada, die Schweizer Nationalbank und die schwedische Riksbank. Auch die chinesische Nationalbank senkte den Leitzins, allerdings um 27 Basispunkte. Die Japaner beteiligten sich nicht, begrüßten aber die Aktion der anderen Zentralbanken.

    Die Notenbanken begründeten den Schritt mit den großen Spannungen auf den Kapitalmärkten. “Die Finanzkrise hat zuletzt an Intensität gewonnen. Die Abwärtsrisiken sind gewachsen, gleichzeitig hat der Inflationsdruck abgenommen”, teilte die Fed in einer Stellungnahme mit. Die EZB sagte: “In der Euro-Zone haben die Inflationsrisiken abgenommen. Es bleibt aber entscheidend, Zweitrundeneffekte zu verhindern.”
    Quelle: FTD

  5. Die Tabubrüche der Retter
    Mehr als ein Jahr dauert die Finanzkrise nun schon an, und sie wird immer heftiger. FTD.de gibt einen Überblick über die Kuriositäten der Krise. Immer spektakulärer werden auch die Maßnahmen, die Regierungen und Aufsichtsbehörden weltweit ergreifen, um gegenzusteuern. Vieles davon schien lange Zeit undenkbar – und manches, was bis vor kurzem noch als Tabubruch galt, geht angesichts der dramatischen Situation schon fast unter.
    Quelle: FTD

    Anmerkung: Viele der Marktgläubigen riechen nun den Schwefelgeruch des Teufels. Und in der Tat, hätte man einige der Maßnahmen, wie die Verstaatlichung der Banken, die jetzt als selbstverständlich hingenommen werden, vor wenigen Monaten vorgeschlagen, man hätte ihn als Linksextremisten durchs Land gejagt und gar Zweifel an seiner Verfassungstreue angemeldet.

  6. Rudolf Hickel: Gedrängt und getrieben
    Der Tatbestand der Erpressung ist unübersehbar, erst betreiben die Banken ihre Geschäfte ohne staatliche Kontrolle, und wenn dann durch eine Mischung aus Missmanagement und Spekulation der Zusammenbruch droht, ist der Staat gefragt. Man hat den Eindruck, dass diejenigen, die so handeln, eines genau wissen: Wenn ihnen der Kollaps droht, müssen sie gerettet werden, weil sie strategisch einen derartigen Stellenwert besitzen.

    Notmaßnahmen, die letzten Endes immer Steuergelder kosten, sind vom Staat nur dann zu rechtfertigen, wenn sie mit einer Politik der scharfen Regulierung verbunden werden. Wir haben jetzt in Deutschland quasi eine Teilverstaatlichung von Banken, die vor ein paar Wochen noch undenkbar gewesen wäre. Es sollten jetzt weder Floskeln noch Absichtserklärungen produziert werden, sondern Maßnahmen überzeugen. Zum Beispiel muss jedes Finanzprodukt eine unabhängige Prüfung erfahren.

    Man braucht nicht immer das große Draufschlagen, es gibt einzelne Instrumente, die schmerzhaft und wirkungsvoll sind und das ganze System erheblich verbessern können.
    Quelle: Freitag

  7. Londoner Rettungsplan schockt Börsianer
    Die britische Regierung greift den Finanzinstituten massiv unter die Arme: Das Schatzamt stellt den acht größten Banken des Landes 50 Mrd. Pfund in Aussicht – im Gegenzug erhält der Staat Anteile. Doch die ersten Institute weigern sich. Die Aktien brechen ein.
    Quelle: FTD
  8. Hypo Real sucht Mitschuldigen
    Denkbar ist allerdings auch, dass Steinbrück selbst eine Mitschuld trägt an dem höheren Finanzierungsbedarf. So hatte der Finanzminister im Anschluss an das erste Rettungspaket von der “Abwicklung” der Hypo Real Estate gesprochen und den Eindruck erweckt, als habe das Institut keine Zukunft mehr. Hypo-Insider hatten Steinbrücks Worte harsch kritisiert. Denn möglicherweise verschärften Geschäftspartner der Hypo Real Estate nach den Äußerungen des Ministers die Finanzierungsbedingungen für das Unternehmen. Mit der gutachterlichen Prüfung der Usarchen bereitet sich der Konzern auch auf Klagen institutioneller Anleger aus Europa vor, die derzeit in der Vorbereitung sind und auf irreführende Darstellungen des Managements über die Lage des Konzerns abzielen.
    Quelle: FTD
  9. Opposition rückt Frage der Finanzaufsicht in den Vordergrund
    Die HRE ist nach Darstellung der Bundesregierung eine Holding mit vier Tochterfirmen, die alle Banken sind, darunter die Depfa-Bank in Dublin (Irland). Die Holding selbst sei keine Bank und unterliege somit nicht der deutschen Finanzaufsicht. Der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Deutsche Bundesbank entzogen sei ebenfalls die Depfa-Bank in Irland, während die übrigen drei Banken-Töchter der HRE von der Aufsicht kontrolliert würden. Die Regierung unterstrich, dass die deutsche Bankenaufsicht in Irland nicht prüfen könne. Sie sei entweder darauf angewiesen, dass die irische Bankenaufsicht Informationen zur Verfügung stelle oder aber die an der Börse notierte HRE-Holding freiwillig Auskunft erteile.
    Quelle: Deutscher Bundestag

    Anmerkung: Das sind schon verwegene Konstruktionen zur Umgehung der Bankenaufsicht. Also die HRE als Holding, bei der alles zusammenläuft, ist keine Bank. Die Depfa-Bank, das „schwarze Loch“ der HRE wird nach Irland verlagert und entzieht so der Aufsicht. Im normalen Leben nennt man so etwas eine arglistige Täuschung eines öffentlichen Aufsichtsorgans. Jeder kleine Steuerzahler der solche Tricks gegenüber dem Finanzamt anwendete, wäre sicherlich schnell vor einem Finanzgericht. Aber im Bankenbereich werden solche Umgehungstricks noch durch hohe Managervergütungen als besonders clevere Leistung belohnt.

  10. Anlagetipps von Glos und Steinbrück
    Noch vor kurzem empfahlen Politiker, Wirtschaftsführer und MASSENMEDIEN DEN Deutschen eindringlich, mehr Aktien zu kaufen.
    Quelle: heise

    Anmerkung AM: Bezogen auf diese Herrschaften erhält der Begriff “Krisenmanager” noch eine ganz neue Deutungsfacette (…)

  11. Domino mit Steinbrück
    Wie der Finanzminister in zwei Wochen etwas über die Globalisierung gelernt hat
    Quelle: Freitag

    Anmerkung Orlando Pascheit: Eine sehr beschönigende Kritik an Peer Steinbrück. Wenn der Finanzminister erst jetzt gelernt hat, dass der globale Finanzmarkt grenzüberschreitend funktioniert, dann ist das doch der absolute Politik-Gau. Ansonsten einige schöne Details, die mir bisher nicht bekannt waren, z.B. dass die Bundesbank die Überweisung der Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW von 320 Millionen Euro zunächst sogar gestoppt hatte, da auf dem KfW-Konto nicht genügend Geld lag, oder dass die Bundesregierung vom Scheitern des ersten Rettungspakets für die Hypo Real Estate erst “aus den Nachrichten” erfuhr.

  12. Die Kanzlerin hat schon lange gewarnt
    Quelle: BILD
    Anmerkung AM: Müller-Vogg, genannt das „Kanzler-Zäpfchen“ ist vermutlich der von Friede Springer persönlich beauftragte Reinwascher von Angela Merkel – in allen Lebenslagen.
  13. Bundesregierung glaubt noch an Markt
    USA, Island und Großbritannien verstaatlichen Banken, Deutschland nicht. Traut sich die Bundesregierung nicht?

    Die Politik führt die gefallene Bank am langen Zügel. Das hat Vorteile und Nachteile. Der Vorteil: Wer nicht direkt beteiligt ist, muss kein Bargeld auf den Tisch legen, sondern kann sich auf eine Bürgschaft beschränken. Der Nachteil: Wer keine Anteile besitzt, bekommt später keine Gewinnbeteiligung – wenn es denn einen Gewinn geben sollte.

    Die Grundsatzentscheidung aber liegt tiefer. “Der Liberalismus ist in Deutschland noch nicht so erschüttert wie in Großbritannien oder den USA”, heißt es in Frankfurter Bankenkreisen. Man wolle zunächst einmal sehen, ob der private Sektor selbst in der Lage sei, eine Bank zu retten.
    Quelle: taz

  14. Steinbrück fordert Acht-Punkte-Plan für den Finanzmarkt
    1. Finanzinnovationen sollen transparent werden: Banken sollen verpflichtet werden, innovative Instrumente in ihre Bilanzen aufzunehmen. Damit unterlägen sie den Vorschriften für die Kapitalmärkte.
    2. Als Konsequenz aus der Liquiditätskrise und dem Einfrieren des Interbankengeschäfts sollen rasch genau quantifizierte Liquiditätspuffer eingeführt werden.
    3. Manager sollen für Fehlentscheidungen gerade stehen. Steinbrück schlägt internationale Standards für eine stärkere persönliche Haftung der Finanzmarktakteure vor. Diese soll sowohl ihrer unternehmerischen als auch der gesellschaftlichen Verantwortung Rechnung tragen.
    4. Die Gehalts- und Prämiensysteme in der Finanzbranche sollen auf den Prüfstand. Steinbrück will gemeinsame Standards finden, etwa ein internationaler Verhaltenskodex für eine verantwortungsvolle Geschäftsführung, der von Unternehmen übernommen werden sollte.
    5. Die G 7 sollten ihre Frühwarnkapazitäten stärken: Der Internationale Währungsfonds und das Forum für Finanzstabilität (FSF) sollen enger zusammenarbeiten. IWF und FSF könnten einen gemeinsamen jährlichen Bericht zur Stabilität auf den Finanzmärkten vorlegen.
    6. Das sogenannte Short Selling (Leerverkäufe) soll verboten werden. Beim Short Selling wetten Anleger auf sinkende Kurse eines Unternehmens, um von fallenden Börsenkursen zu profitieren. Dies ist nicht illegal, in Deutschland aber bis Jahresende für bestimmte Aktien untersagt.
    7. Banken sollen für ausgegebene Kredite mehr Verantwortung übernehmen und diese nicht mehr vollständig verbriefen können. Steinbrück schlägt einen Eigenbehalt von 20 Prozent vor.
    8. Steinbrück strebt eine engere Zusammenarbeit der nationalen Finanzaufsichtsbehörden an. In Europa sei einer weiteren Harmonisierung der Aufsicht in Arbeit: “Einen entsprechenden Prozess sollten wir auch auf internationaler Ebene rasch einleiten”, heißt es in seinen “Verkehrsregeln” abschließend.

    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung: Diese „Verkehrsregeln“ mögen ja ganz nützlich sein, aber sind das mehr als Appelle an die Einhaltung der Anstandsregeln auf der untergehenden Titanic? Nichts zur Kontrolle spekulativer Finanzprodukte, nichts zu einer Aufsicht über Hedge- und Private-Equity-Fonds, nichts Konkretes zur Einschränkung einer Verbriefung von Krediten, nichts zu Sicherungsfonds des privaten Bankensektors, nichts zu Steueroasen…viel zu wenig zu Risikoauflagen der Banken. Wie soll damit das Finanz-Casino geschlossen werden? Wie soll vermieden werden, dass nicht systematisch spekulative Kredite an Kreditnehmer mit zweifelhafter Zahlungsfähigkeit vergeben werden? Wie soll erreicht werden, dass das Finanzsystem wieder seiner originären gesamtwirtschaftlichen Aufgabe dient, nämlich der Finanzierung von Realinvestitionen? Wo bleibt eine Standardisierung von Finanztiteln? Wie erfolgt eine Prüfung der Finanzprodukte? Wie wird der außerbörsliche und außerbilanzielle Handel begrenzt?

  15. Die langen Schatten des Schwarzen Freitag
    Um die vor allem wirtschaftstheoretisch fundierte Diskussion empirisch anzureichern, ist es sinnvoll, einen Blick zurück auf die wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu werfen, mit der die US-Regierung damals die in den Vereinigten Staaten als “große Depression” bezeichnete Finanz- und Wirtschaftskrise zu bekämpfen versuchte.
    Ohne aus der 1929 in den USA einsetzenden Finanzkrise, der eine Krise der realen Wirtschaft folgte, unmittelbare Schlüsse für die heutige (Noch-)Finanzkrise ziehen zu wollen, lässt sich aus Hoovers vergeblichen Bemühungen doch resümieren, dass staatliche Intervention in Form von Finanzspritzen an Banken und Unternehmen allein nicht ausreicht, die Krise zu bewältigen. Statt Hoovers Spontanhilfen waren es die Aufsicht und Kontrolle besonders betroffener Wirtschaftsbereiche und die mittelfristige Abkehr von der neoliberalen Wirtschaftspolitik, die Roosevelt den Erfolg brachten. “Wunder” im Sinne der Wiederherstellung der ökonomischen Prosperität, wie sie die USA in den neunziger Jahren erlebte, sind allerdings auch davon nicht zu erwarten.
    Quelle: Freitag

    Anmerkung: Eine lesenswerte historische Reminiszenz.

  16. Wenn’s um Geld geht: Drei-Säulen-System
    Zocken war gestern, heute zählt Sicherheit. Die ersten Investmentbanker retten ihre Ersparnisse – ausgerechnet auf Konten der Sparkassen. Es ist ihm sichtlich peinlich. Verschämt gesteht der Investmentbanker einem Kollegen, wohin er soeben sein Geld transferiert hat. Er, der passionierte Zocker, hat aus Angst vor dem Crash sein Geld von einer Privat- zu einer Volksbank gebracht. Doch der Spott bleibt aus. Stattdessen nickt der Kollege verschwörerisch. Auch er hat sein Erspartes gerade von Privatinstituten abgezogen und bei mehreren Sparkassen eingezahlt: “In 500.000-Euro-Tranchen”, sagt er.

    Verkehrte Welt! Noch vor kurzem verteufelten Privatbanker das Drei-Säulen-System und die Abschottung der Sparkassen gegenüber privaten Investoren. Sie verspotteten die kommunalen Geldinstitute als Häuser für die weniger vermögende Klientel. Und jetzt? Jetzt bringen sie ihr Geld dankbar dorthin. “Gelobt sei das Drei-Säulen-System”, sagt der Investmentbanker, der zur Sparkasse gewechselt ist. Vor wenigen Monaten hätte er diesen Satz nicht über die Lippen bekommen. “Ich habe gestern im Bekanntenkreis diskutiert, ob wir unser Geld besser zur Sparkasse bringen sollten”, gesteht auch ein anderer Privatbanker.
    Quelle: FTD

  17. Lucas Zeise: Ende der Party – Die Explosion im Finanzsektor und die Krise der Weltwirtschaft
    Der massenhaft betriebene Kreditverkauf hat es möglich gemacht, daß immer neue Kredite vergeben wurden. Die Bank, die den Kredit verkauft hat, hat nun Mittel frei, um neuen Kredit zu vergeben. Die Kredite und ihre Risiken wurden auf der anderen Seite über den ganzen Globus verteilt. In den Monaten vor Ausbruch der Kreditkrise galt dies bei Bankern, Zentralbankern und Aufsehern als stabilisierendes Element. Die Realität sah erstaunlich anders aus.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung: Wenn Sie schon immer mal etwas genauer verstehen wollten, was Private-Equity- oder Hedgefonds sind und wie sie funktionieren, wenn Sie wissen wollen, was „Asset Backed Security“ oder „Collateralized Debt Obligations – CDO“ bedeutet, dann sollten Sie diesen Auszug aus dem neuen Buch von Lucas Zeise lesen.

  18. Wie weiter mit dem sozialen Europa?
    Kommentare zu Fritz Scharpfs EuGH-Kritik
    Quelle: Böckler Impuls [PDF – 84 KB]

    Anmerkung WL: Am 29.07.08 haben wir auf einen Aufsatz von Fritz Scharpf unter dem Titel: Der einzige Weg ist, dem EuGH nicht zu folgen hingewiesen
    Quelle: Böckler Impuls

    Ich hatte dazu folgende Anmerkung:So sehr Fritz Scharpf, der Direktor emeritus des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Recht hat, was die Verselbstständigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs angeht, so sehr muss man ihm widersprechen, dass diese Rechtsprechung in den Verträgen und politischen Erklärungen der EU-Gremien nicht angelegt wäre. Für seine Hoffnung, dass etwa die Bundesregierung dem EuGH den Gehorsam verweigern würde, sehe ich keinen Anhaltspunkt. Die letzte Hoffnung wäre das Bundesverfassungsgericht, das sich durch die Unterordnung des Grundgesetzes unter die Rechtsprechung des EuGH selbst abschaffen würde. Aber ich fürchte, dort wird – wie in vielen Urteilen etwa zum Sozialstaat zu beobachten – eher das Grundgesetz den europäischen Verträgen und der Rechtsprechung angepasst, als dass unsere Verfassung verteidigt würde. Das Urteil über die Klage gegen den EU-Reform-Vertrag wird es an den Tag bringen, wie sich die Karlsruher Richter zu der von Scharpf richtig beschriebenen Entwicklung stellen.

  19. Köhler billigt EU-Reformvertrag
    Bundespräsident Horst Köhler hat die Gesetze zur Umsetzung des EU-Reformvertrags in Deutschland unterzeichnet. Da eine Entscheidung des Bundesverfassugsgerichts noch aussteht, liegt die völkerrechtliche Ratifizierung aber weiter auf Eis.
    Quelle: stern

    Anmerkung: Auch im stern finden wir eine völlig unkritische und beschönigende Widergabe der Inhalte des Reformvertrages: „Der Vertrag würde die Rechte der EU-Abgeordneten erweitern, zu einer engeren Abstimmung der Außenpolitik der EU-Staaten führen und die Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik voranbringen.“

    Dass der Vertrag den Parlamentsvorbehalt der Bundeswehr tangiert, dass er ausschließlich liberale Wirtschaftsgrundsätze und keine sozialen Standards festschreibt usw., das findet der stern keiner Erwähnung wert.

  20. EU-Harmonisierungspläne gefährden Verbraucherschutz
    Die Brüsseler Harmonisierungspläne im Verbraucherrecht gefährden nach Ansicht des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) wesentliche Errungenschaften im nationalen Verbraucherschutz. “Das deutsche Verbraucherrecht darf nicht dem Europäischen Binnenmarkt geopfert werden”, kommentiert Cornelia Tausch, Leiterin des Fachbereichs Wirtschaft und Internationales den für Mittwoch angekündigten Richtlinienvorschlag aus Brüssel. Es drohe die Abschaffung des Widerrufsrechts bei Internetauktionen, ein Ende der kostenlosen Rücksendung von Waren im Versandhandel oder ein Stopp der Pläne zum besseren Schutz vor unerwünschter Telefonwerbung.
    Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband
  21. Warum wichtige Leistungen für Patienten gekürzt werden
    Wie viel ist Ihr Leben wert? Im deutschen Gesundheitssystem stehen längst nicht mehr alle wichtigen Leistungen für alle zur Verfügung. Medizinische Leistungen werden immer öfter rationiert – zum Schaden hilfsbedürftiger Patienten. Während Krankenkassen das Gegenteil behaupten und Politiker schweigen, leiden die Patienten. Bald noch mehr.

    Zwar herrschen bei uns noch keine Verhältnisse wie in Großbritannien, wo es vom Wohnort abhängt, ob Patienten bestimmte, sehr teure Krebsmedikamente erhalten oder nicht. Und noch reichen die derzeit mehr als 250 Milliarden Euro, die pro Jahr ins deutsche Gesundheitssystem fließen, damit sich Ärzte und Kassen irgendwie durchwursteln. Doch harte Einschnitte sind auch hierzulande unausweichlich. Da kann Gesundheitsministerin Ulla Schmidt noch so oft wiederholen: „Jeder in Deutschland erhält alles, was medizinisch notwendig ist.“ Das Versprechen wird sich genauso als Mär entpuppen wie das Mantra des einstigen Arbeitsministers Norbert Blüm von der sicheren Rente.
    Quelle: Wirtschaftswoche

  22. Finanziellen Guillotine und moralische Garrotte
    Solange den Wertlosen nicht erklärt wird, dass sie genauso wertvoll sind, wie die vermeintlichen Wertvollen dieser Gesellschaft, solange ist das Solidarprinzip aufgehoben. Was ist daran solidarisch, ganzen Bevölkerungsgruppen indirekt die Lebensberechtigung anzuzweifeln?
    Quelle: ad sinistram
  23. Amtshilfe per Schützenpanzer
    Die Armee darf im Innern lediglich als Hilfspolizei der Länder fungieren und muss sich zudem strikt an die polizeilichen Regeln halten.
    Exakt jene, von den Autoren des Grundgesetzes mit Bedacht eng gefasste verfassungsrechtliche Beschränkung soll mit der nun von der großen Koalition getroffenen Verabredung zur Grundgesetzänderung ausgehebelt werden. Die zielt darauf, künftig den Streitkräfteeinsatz im Inneren just mit den bislang verbotenen militärspezifischen Mitteln wie Kampfpanzern, Kampfflugzeugen und Kampfschiffen zu ermöglichen.
    Quelle: Freitag
  24. Die Anhänger der „Linken“: Rückhalt quer durch alle Einkommensschichten

    Eine Studie im Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 41/2008:

    Auf der Basis der Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) wird gezeigt, dass die Bedeutung der Anhänger der Linken seit 2005 stark zugenommen hat. Diese Entwicklung zeigt sich insbesondere in einem wachsenden Rückhalt in der Arbeiterschaft. Die Anhänger der Linken setzen sich – entgegen mancher Vermutung – nicht überdurchschnittlich aus Teilen der einkommensschwächeren oder von sozialem Abstieg betroffenen Bevölkerung zusammen.

    Vielmehr spielen zumindest in Westdeutschland Ängste vor dem eigenen wirtschaftlichen Abstieg neben der Betonung einer ideologisch linken Überzeugung eine wichtige Rolle. In Ostdeutschland kennzeichnet die Anhänger der Partei Die Linke eine überdurchschnittliche Bildung und ein hohes Maß an gesellschaftlicher Integration in Gewerkschaften und Kommunalpolitik.
    Quelle: DIW [PDF – 624 KB]

  25. “Konsum lenkt die Menschen ab”
    Der amerikanische Linksintellektuelle Noam Chomsky über die Krise des Kapitalismus, die Rhetorik Barack Obamas und die Rolle der Religion in der US-Politik
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung: Chomsky hat wie immer ein paar interessante Einsichten, die man in der Alltagsdebatte längst vergessen hat.

  26. Harte Anpassung
    Die Bertelsmann-Stiftung fordert eine “harte Anpassung” der Wirtschafts- und Sozialpolitik Venezuelas und verlangt dafür “externe Unterstützung” durch die USA und die Europäische Union. Die “dezidiert antimarktwirtschaftliche” Politik des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez bedrohe nicht nur die “Stabilität” Lateinamerikas, erklärt der einflussreiche Thinktank und Mehrheitseigner des Bertelsmann-Medienkonzerns; sie schüre auch in anderen Armutsregionen der Welt die “Versuchung”, gleichgerichtete “radikale” Maßnahmen zu ergreifen. Die Aussagen entstammen dem soeben in aktualisierter Fassung publizierten “Bertelsmann Transformation Index”, der die Staaten außerhalb der westlichen Wohlstandszentren hinsichtlich ihrer Bereitschaft beurteilt, eine “Transformation” gemäß deren Vorgaben durchzusetzen. Das Dokument wird unter anderem von der deutschen Regierung zur Bewertung ihrer Außenpolitik genutzt. Die Bertelsmann-Stiftung fordert darin eine “Gegenstrategie” gegen Maßnahmen des gewählten venezolanischen Staatspräsidenten und seiner südamerikanischen Bündnispartner.
    Quelle: German-Foreign-Policy

    Anmerkung: Man fühlt sich an die Zeiten des Putsches von Pinochets mit Hilfe der Amerikaner gegen Allende in Chile zurückversetzt.

  27. Ecuador: Das Konzept vom guten Leben
    Präsident Correa hat mit dem erfolgreichen Referendum über die neue Verfassung den ersten Schritt zu einer gerechteren Gesellschaft geschafft. Doch jetzt wollen die Indígenas das System und die Wirtschaft weiter gründlich umbauen – und geraten in Konflikt mit ihrem Präsidenten
    Quelle: taz
  28. Akademischer Aderlass in Italien
    Die staatlichen italienischen Hochschulen sehen sich einer neuen Runde im Sparkarussell der Berlusconi-Regierung gegenüber. Einem neuen Gesetz zufolge darf von fünf aus Altersgründen freiwerdenden Arbeitsplätzen in staatlichen Einrichtungen nur eine einzige neu besetzt werden. Eine der Folgen: Italienische Nachwuchswissenschaftler auf Jobsuche treten die Flucht ins Ausland an.
    Quelle: DLF

    Anmerkung: Das ist die brutale Methode zur Privatisierung der Hochschulen: Man hungert die staatlichen einfach aus.


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