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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 31. Juli 2008 um 9:23 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Heute unter anderem zu folgenden Themen:
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
In Deutschland wird immer noch nicht verstanden, wie einzigartig der letzte Aufschwung war, weil er fast ausschließlich von einem unglaublichen Schub der Auslandsnachfrage getragen war. Dass sich die Inlandsnachfrage erholt, war schon 2008 ein frommer Wunsch und wird es auch 2009 bleiben. Aufschwung ist nur ein anderes Wort dafür, dass jemand mehr ausgibt als zuvor. Nur dann kann die Wirtschaft wachsen. Dieser Jemand war zwischen 2000 und 2007 eindeutig das Ausland… Dieser Zuwachs an Einnahmen hat den Arbeitnehmer- und Rentnerhaushalten praktisch nichts gebracht. Die so genannten Masseneinkommen sind in den letzten sechs Jahren pro Jahr nur um 0,9 Prozent gestiegen, also weit unterhalb der Inflationsrate. Folglich kamen die 150 Mrd. Euro insgesamt oder 25 Mrd. Euro pro Jahr direkt vor allem den Unternehmen und indirekt dem Staat zugute. Die Unternehmen haben daraufhin mehr investiert, der Staat hat vor allem seine Haushaltsdefizite reduziert. Das ist jetzt zu Ende. In Westeuropa ist fast überall Krise angesagt, in Osteuropa steht ein Crash bevor, und Asien war noch nie ein Markt, auf dem sich große deutsche Außenhandelsüberschüsse hätten erzielen lassen.
Von nichts kommt nichts, heißt eine alte Lebensweisheit. Wenn nicht sofort etwas zur Ankurbelung der Konjunktur getan wird, besteht sogar die Gefahr einer Selbstverstärkung nach unten. Die Schwächephase würde dann wieder drei Jahre dauern wie beim letzten Mal, als ein verbohrter deutscher Finanzminister und eine dogmatische europäische Notenbank nicht bereit waren, die Wirtschaft rasch zu stabilisieren.
Die heutige Lage ist allerdings viel schlimmer als 2002/03, weil eben diese Notenbank noch vor vier Wochen das Gegenteil des Richtigen getan hat, als sie die Zinsen erhöhte…Hinzu kommt, dass einem Land wie Deutschland, das schon einen Überschuss der Leistungsbilanz von fast 200 Mrd. Euro aufweist, der Weg in eine neue Exportoffensive verwehrt ist. Ein Finanzminister, der die deutsche Wirtschaft vor einem Absturz bewahren will, muss daher schnell und unbürokratisch ebenfalls 200 Mrd. Euro über einige Jahre bereitstellen – und genau in dieser Höhe neue zusätzliche Schulden machen.
Quelle: FTD
Siehe dazu auch:
Der Mythos vom Moloch
Quelle: FR
Anmerkung AM: Ein Beitrag von Peter Bofinger und ein Link auf einen Text mit brauchbaren Daten. Die Wahrnehmung der öffentlichen Verantwortung für wichtige Aufgaben wird sozusagen ausgehungert. Die Konsequenzen sind vielfältiger Art. Dazu ganz aktuell der Hinweis auf die Folgen der Finanzknappheit für die Finanzierung von Frauenhäusern a) und dann noch ein Text zu den Folgen für unsere Hochschulen b). Dieser Text stammt von einem Studenten. Es ist eine Reaktion auf Hinweis Nummer 10 vom 28.7.2008.
Aus dem Studienalltag möchte ich allerdings auf einen weiteren Grund hinweisen, warum viele angehende Lehrer schon im Studium den Spaß und die Motivation verlieren: zwar zahlt man Studiengebühren, aber die Zustände in der Lehre, und zwar besonders in den Erziehungswissenschaften, die jeder Lehramtsstudent belegen muss, sind miserabel. Ich studiere in Köln, und hier sind die Pädagogen einfach total überlastet: Stellen und Professuren werden nicht neu besetzt, wodurch man auf einen Prüfungstermin auch gerne mal mehr als ein halbes Jahr warten darf, und die Fülle an Studenten (da an den meisten Universitäten im direkten Umfeld kein Lehramtsstudium mehr angeboten wird) führt dazu, dass Vorlesungen mit 500 bis 750 Studenten und Seminare mit oft 60 bis 80 Studenten (und da soll man dann aktiv mitarbeiten) keine Seltenheit sind, sondern leider die Regel.
Dabei ist noch zu sagen, dass die Dozenten wirklich ihr Bestes geben, Studierende zu Seminaren zulassen, solange es der Raum irgendwie hergibt. Das Problem liegt leider eher in der Administration.“
Mit einem hohen Abschluss könnte die Großgewerkschaft zudem wieder Boden gegenüber kleineren Berufsorganisationen gutmachen – und so versuchen, den Trend hin zu Spezialistenvertretungen zumindest aufzuhalten. Die Branche steht dafür beispielhaft: Piloten werden von der Vereinigung Cockpit vertreten, um die Flugbegleiter kümmern sich neben ver.di die Organisationen Kabinenklar und UFO. Letztere dominiert sogar, ein Abschluss von ver.di für diese Beschäftigtengruppe stehe deshalb “unter dem Vorbehalt einer Zustimmung durch unsere Gewerkschaft”, sagt der UFO-Tarifexperte Joachim Müller. Die ver.di-Forderung hat man bereits als zu niedrig kritisiert, die UFO-Verträge laufen bis Ende des Jahres, dann will man 15 Prozent für das Kabinenpersonal fordern.
Ver.di-Chef Frank Bsirske kritisiert dennoch, dass Gruppen wie UFO “der Mehrheit die Solidarität” aufkündigen würden. Beim letzten Bundeskongress der Gewerkschaft warnte er zudem davor, dass nach ersten Erfolgen der Berufsorganisationen “die Ergebnisse schnell schlechter ausfallen als bei einem Vorgehen im Verbund”, weil diese nicht mehr “genug gruppenspezifischen Wumm dahinter setzen können”.
Quelle: Freitag
Dazu auch:
Kranich auf Crashkurs
Im Management der Lufthansa sitzen harte Typen. Hart gegenüber den streikenden und nichtstreikenden Beschäftigten. Hart im weltweiten Konkurrenzkampf einer Branche, die vor einem dramatischen Existenzkampf steht. Hart aber vor allem im Interesse der Aktionäre, denen weiter satte Profite garantiert werden sollen. Deshalb wohl begegnet der Vorstand den aktuellen Herausforderungen mit der Ankündigung von Kostensenkungen, verbunden mit einem Einstellungsstopp im Kerngeschäft. 250 Millionen Euro will die Airline mit dem Kranich im Logo allein in diesem Jahr im Bereich Passage weniger aufwenden. Bei der Vorstellung der Halbjahresbilanz am Mittwoch in Frankfurt/Main kündigte Konzernchef Wolfgang Mayrhuber zudem »Kapazitätsanpassungen« an.
Trotz allen Gejammers über die Risiken des aktuellen Streiks und die rasant gestiegenen Ölpreise scheint es derzeit bei der Lufthansa gut zu laufen: Man sei zuversichtlich, im Gesamtjahr an das Rekordergebnis beim operativen Geschäft in Höhe von 1,38 Milliarden Euro 2007 anknüpfen zu können, so der Chef in Richtung Analysten und Aktionäre. Im ersten Halbjahr habe man den operativen Gewinn bereits auf 705 Millionen Euro gesteigert, so Mayrhuber.
Schwer zu glauben, dass da für die Beschäftigten keine deutliche Lohnerhöhung drin sein soll.
Quelle: junge Welt
Anmerkung AM: Eine Bestätigung dessen, was Sie bei uns in der Rubrik „Riester-Rürup-Täuschung“ finden.
Dazu passt:
“Heesters hätte einen guten Schnitt gemacht”
Der GDV tobt. Der Verband der Versicherer wirft der Zeitschrift “Öko-Test” vor, sie berechne die Renditen zahlreicher Basisrenten falsch. Der Mathematiker Axel Kleinlein widerspricht entschieden und erklärt, warum der Verbraucher “steinalt” werden muss, damit sich so eine Police für ihn lohnt.
Quelle: manager-magazin
Anmerkung J.K.: Sehr interessant ist das Interview mit dem Stadtsoziologen Hartmut Häußermann, der den sozialen Wohnungsbau als wesentliches Instrument zur Verhinderung einer sozialen Segregation in den Großstädten darstellt. Das ist völlig konträr zum gegenwärtigen Handlungsschema der Politik, die nach wie vor einen Privatisierungsfeldzug führt, wie die fortgesetzt praktizierte Verschleuderung von ehemals in kommunaler Verantwortung befindlichen Wohnraum an Finanzinvestoren belegt. Weiter bemerkenswert die Einsicht, dass der viel gepriesene freie Markt soziale Polarisierung eher verstärkt als diese verhindert. Für den Spiegel-Interviewer ist das natürlich schon wieder Klassenkampf.
Siehe dazu auch:
Platz für alle
Viele junge Familien träumen davon, in der Stadt zu leben. Doch sie finden keinen Wohnraum. Die Citys werden so teuer, dass abgeschottete “Wohlstandsinseln” drohen.
Quelle: Spiegel Online
Anmerkung: In diesem Beitrag werden allerdings nur die Wohnungsprobleme der oberen Mittelschicht, also der typischen Spiegel-Leser und der Spiegel-Journalisten, thematisiert.
Dass künftig trotz aller Beruhigungspillen dennoch Patientengruppen von bestimmen Therapien ausgeschlossen werden könnten, ist einer Äußerung von IQWiG-Chef Peter Sawicki zu entnehmen: Es sei schon möglich, sagte er in einem Interview, dass einkommensschwachen Patienten ein bestimmtes Medikament nicht mehr verordnet wird, soweit es Alternativen gibt – schlicht deshalb, weil sozial Schwache die Zuzahlung nicht werden leisten können.
Quelle: Freitag
Eine Erhöhung um 0,9 Prozentpunkte bedeute Mehrausgaben von umgerechnet neun Milliarden Euro, erläuterte die SPD-Politikerin. “Selbst wenn man die absehbaren Ausgabensteigerungen bei Arzneien, ärztlichen Honoraren und die politisch gewollten Verbesserungen im Krankenhausbereich berücksichtigt, kommen wir nicht auf diese Größenordnung”.
Quelle: Presseportal
Anmerkung WL: Die Zusagen bei den ärztlichen Honoraren und für den Krankenhausbereich liegen deutlich jenseits der bisherigen Berechnungen für den Gesundheitsfonds. Zwar sieht der Fonds einen „Puffer“ vor, aber der dürfte längst ausgeschöpft sein.
Siehe dazu auch:
Terror – in Luft aufgelöst
Im Norden Deutschlands ist ein weiteres Verfahren gegen elf angebliche Linksterroristen heimlich, still und leise zu den Akten gelegt worden. Im Sommer 2007 hatte das noch ganz anders geklungen. Damals ließ die Bundesanwaltschaft in einer bundesweiten Razzia Unmengen an Dokumenten und Computern beschlagnahmen. Nach eigenem Dafürhalten war sie einer “terroristischen Vereinigung” auf der Spur, die rund um Heiligendamm Angst und Schrecken verbreiten wollte. Ein Vorgehen, das der Bundesgerichtshof später für rechtswidrig erklärte.
Quelle: FR
Anmerkung Orlando Pascheit: Man mag direkte Demokratie anders beurteilen als der Autor, interessant ist der Hinweis zur Entstehungsgeschichte ihrer Ablehnung im Parlamentarischen Rat.
Ergänzung WL: Ich teile die Einschätzung des Autors Christian Bommarius nicht, dass die Politikverdrossenheit nicht der Politik gelte, sondern nur den Ritualen. Wenn bei fast allen Reformen von Hartz über die Rente mit 67 bis zu den Militäreinsätzen eine Mehrheit der Bevölkerung dagegen ist und die Politik darauf nicht reagiert, dann ist das viel eher der Grund, warum die Bürger am Funktionieren der Demokratie, an der Politik und vor allem an den Regierungsparteien zweifeln.
Anmerkung AM: Selbst wenn man vielleicht etwas wegen der Fragwürdigkeit von Forsa-Umfagen abziehen muss, ein bemerkenswertes Ergebnis.
Anmerkung: Siehe dazu auch CDU überholt SPD bei Mitgliederzahl
Anmerkung: Ein interessantes Feature, das zu hören sich lohnt.
Anmerkung WL: Dann sollte Rheinland-Pfalz sein Studienkonten-Modell, das nichts anderes als bürokratischen Aufwand für die Hochschulen bedeutet, gleich mit abschaffen.
Dankenswerterweise hat die FR dazu einen Leserbrief unter der Überschrift „Hungern oder heizen“ der Anwältin Claudia Fittkow abgedruckt, der Aufklärung zu einem Sachverhalt liefert, zu dem Informationsbedarf bis hin zur Kanzlerin besteht. Auch viele Leserinnen und Leser haben uns zu diesem Thema geschrieben. Statt einer eigenen Klarstellung verweisen wir auf diesen Leserbrief.
Dazu auch:
Diskussion um Energiekosten: “Viele heizen nur noch einen Raum”
Laut Claudia Kurzbuch, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, praktizieren Bürger mit wenig Geld längst, was Sarazzin nun fordert: “Viele heizen nur noch einen Raum”, sagte Kurzbuch FTD-Online. In strukturschwachen ländlichen Gebieten würden zum Teil die Öfen reaktiviert. “Es gibt Leute, die suchen im Wald nach Holz”. Die Schuldnerberatungen verzeichneten einen deutlichen Anstieg bei den Energieschulden, der sich im kommenden Winter noch verschärfen könnte, sagte Kurzbuch. Eine Vorsorge, etwa über erhöhte Vorauszahlungen, sei vielen Betroffenen nicht möglich. “Die können sich höhere Abschläge gar nicht leisten.” Sozialtarife seien deshalb auf jeden Fall sinnvoll.
Quelle: Financial Times Deutschland
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