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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages (2)
Datum: 11. Juli 2008 um 16:36 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung: Da haben die Arbeitgeberverbände jahrelang die Flächentarifverträge bekämpft, da wurden für 12 Prozent aller Beschäftigten, im verarbeitenden Gewerbe gar für 27 Prozent betriebliche Bündnisse durchgesetzt, da ist die Zahl der tarifgebundenen Betriebe ist in den letzten zehn Jahren erheblich zurückgegangen. 1996 arbeiteten in Westdeutschland 69 Prozent der Beschäftigten in Betrieben, in denen ein Flächentarifvertrag galt. Im Jahr 2006 waren es nur noch 57 Prozent. In Ostdeutschland sank der entsprechende Anteil der Beschäftigten von 56 auf 41 Prozent. Und jetzt wo es um den Mindestlohn geht, will der Arbeitgeberpräsident die Gewerkschaften mit dem Flächentarifvertrag locken.
Mitte Juni präsentierte eine von der großen Koalition aus Christlich-Demokratischem Appell (CDA), der sozialdemokratischen Partei der Arbeit (PvdA) und der kleinen Christen-Union (CU) eingesetzte Kommission unter dem Vorsitz des Vorstandschefs des Postkonzerns TNT, Peter Bakker, ihren Abschlußbericht, der Vorschläge für neue wirtschaftsliberale Reformen enthält. Unter anderem empfiehlt das Gremium, die Arbeitslosenunterstützung statt der heute 38 Monate nur noch maximal 12 bis 18 Monate zu zahlen. Die Höhe des Arbeitslosengeldes soll schrittweise auf das Niveau der Sozialhilfe gesenkt werden, Abfindungen sollen künftig nur noch einen Bruchteil der heutigen Summen betragen und die Beschäftigten während eines Beschäftigungsverhältnisses dazu gezwungen werden, Geld anzusparen, das später für Umschulungen verwendet werden kann. Zudem ist eine Erhöhung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre geplant.
Quelle: junge Welt
Anmerkung: Es scheint so als habe sich Peter Hartz nach seinem Rauswurf bei VW als Berater in die Niederlande abgesetzt. Oder sind diese Pläne nur ein Beweis dafür, dass sich das deutsche Sozialdumping nun aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit auch bei unseren Nachbarn durchsetzt.
Preiserhöhungen gegenüber Juni 2007 waren insbesondere im Großhandel mit festen Brennstoffen und Mineralölerzeugnissen (+ 24,3%) zu beobachten. Gegenüber dem Vormonat verteuerten sich die Waren hier um 3,7% (Mai 2008: + 5,3%). Erze, Eisen, Stahl, Nicht-Eisen-Metalle und deren Halbzeug wurden im Vorjahresvergleich um 12,3% teurer, gegenüber Mai 2008 wurde 3,8% mehr bezahlt.
Getreide, Saaten und Futtermittel verteuerten sich im Juni 2008 im Vorjahresvergleich um 27,9%. Gegenüber Mai 2008 sanken die Preise auf Großhandelsebene jedoch saisonbedingt um 4,0% (nach – 7,5% im Mai gegenüber April 2008). Milch, Milcherzeugnisse, Eier, Speiseöle und Nahrungsfette waren um 13,5% teurer als im Vorjahr. Gegenüber dem Vormonat veränderten sich die Preise hier kaum (+ 0,2%), nachdem sie im Mai gegenüber dem Vormonat um 4,1% gefallen waren. Bei Kaffee, Tee, Kakao und Gewürzen lag das Preisniveau um 11,2% über dem des Vorjahres. Gegenüber Mai 2008 stiegen die Preise in diesen Bereichen um 1,6%.
Quelle: Statistisches Bundesamt
Anmerkung: Hier zeigt sich, wie die Steigerung der Energie- und Nahrungsmittelpreise auf das Preisniveau durchschlägt.
So machten die so genanntenMassensteuern – vor allem Lohn-, Mehrwert- und Mineralölsteuer – 1960 knapp 38 Prozent des gesamten Steueraufkommens aus. 2006 waren es jedoch bereits 70 Prozent. Der Anteil aller Gewinnsteuern sank im gleichen Zeitraum von 35 auf 20 Prozent. Als Folge der jüngsten Unternehmensteuerreform und der bevorstehenden Abgeltungsteuer rechnet der Verteilungsexperte mit einem weiteren Rückgang. Besserverdiener zahlen relativ zu ihrem Einkommen auch weniger in die Sozialversicherung ein als Durchschnittsverdiener, ergänzt IMK-Forscher Rudolf Zwiener.
Quelle: Böckler impuls [PDF – 72 KB]
Anmerkung: Ziel dieser Abgeltungssteuer ist nach Ansicht der Bundesregierung, die internationale Kapitalflucht einzudämmen. Dazu meint allerdings der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek: “Wir stellen fest, dass wegen der Abgeltungssteuer mehr Geld ins Ausland fließt.”
Ist es realistisch, für die Versicherungsnehmer eine durchschnittliche Lebenserwartung von 89 Jahren anzusetzen?
An dieser Stelle verweisen die Verbraucherschützer auf eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung zur Lebenserwartung männlicher Rentner und Pensionäre. Diese gelangt zu völlig anderen Ergebnissen. So lag etwa im Jahr 2003 die durchschnittliche Lebenserwartung von Rentnern nach Erreichen des 65. Lebensjahres nur bei knapp 81 Jahren.
Legt man den Berechnungen zur Rentabilität diese (realistischen) Zahlen zugrunde, erscheint die Rentenversicherung plötzlich minder attraktiv.
Die Rentner insgesamt würden im Durchschnitt bei der Allianz auf eine Verzinsung von gerade einmal 0,2 Prozent kommen; bei der Zürich droht sogar ein Verlust von 0,74 Prozent pro Jahr.
Rentner, die in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen leben, müssen mit noch weniger rechnen. Ihnen droht bei der Allianz ein Minus von einem Prozent pro Jahr und bei der Zürich sogar von knapp zwei Prozent. Real, also nach Berücksichtigung der Inflation, wären die Ergebnisse noch desaströser.
Fazit der Verbraucherschützer: Wer eine private Rentenversicherung abschließt, muss ein ziemlicher Optimist sein, was seine persönliche Lebenserwartung angeht – oder sich damit abgefunden haben, dass er seinem Versicherer vermutlich eine Menge Geld schenken wird.
Quelle: Focus
Anmerkung Martin Betzwieser: Die Absenkung von 3,3% auf 3% ist ja wohl schon beschlossene Sache. Das und weitere Senkungspläne werden dann überall als deutliche Entlastung der Menschen dargestellt. Wer mal nachrechnet, wird feststellen, dass eine Beitragssenkung von 0,2% (Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber je zur Hälfte!) tatsächlich eine Entlastung von 10 Cent pro € 100,00 Sozialversicherungsbrutto bedeuten.
Schmid schlägt vor, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu splitten: in einen Versicherungsbestandteil und in ein persönlich zu verantwortendes Entwicklungskonto. Jeder Erwerbstätige könnte selbst entscheiden, ob er daraus Gelder entnimmt für Weiterbildung, den Ausgleich reduzierter Arbeitszeiten oder die Überbrückung geminderter Verdienste. Nutzt er es nicht, verfällt es am Ende des Erwerbslebens. Ein Prozentpunkt des bisherigen Beitrags könnte in ein solches Konto fließen. Zusätzlich müsste es aus allgemeinen Steuermitteln so ergänzt werden, dass alle Beschäftigten unabhängig von ihrem Beitrag auf den gleichen Kontostand kommen. Auch Tarifverträge könnten das Konto aufstocken.
Die derzeit geltende Abgabenfreiheit für eine Nebenbeschäftigung bis zu 400 Euro gehöre (…) abgeschafft, denn: “Sie stellt eine sozialpolitische Fehlallokation in der Größenordnung von ein bis zwei Milliarden Euro dar, die den ,Insidern’, aber nicht den arbeitslosen ,Outsidern’ zugute kommt“, urteilt der Wissenschaftler.
Quelle: Böckler Impuls
Von der Liberalisierung der Elektrizitätswirtschaft haben zum überwiegenden Teil die Kapitaleigner profitiert. Zwischen 1998 und 2005 sind die Gewinne in der Branche um 105 % gestiegen, die Personalaufwendungen sind im gleichen Zeitraum um 2,5 % gesunken. Zu diesem Ergebnis kommen die Ökonomen Heinz-J. Bontrup, Ralf-Michael Marquardt und Werner Voß von der FH Gelsenkirchen in einer Untersuchung, die von der Hans-Böckler-Stiftung finanziert wird.
Quelle: VDI-Nachrichten
Statt einer Anmerkung ein Leserbrief von Christoph Butterwegge:
Asoziale Eliten
Elisabeth Niejahr und Kolja Rudzio: „Der asoziale Sozialstaat“, ZEIT Nr. 27
Um die Behauptung, der deutsche Sozialstaat gleiche einem Selbstbedienungsladen und verteile „reflexhaft mehr Geld“, auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen, bieten sich zwei Untersuchungsmethoden an: ein internationaler und ein interner (historischer) Vergleich. Die empirische Wohlfahrtsstaatsforschung zeigt, dass die Bundesrepublik entgegen dem allgemeinen Bewusstsein keineswegs den „großzügigsten“ europäischen Sozialstaat besitzt, sondern hinsichtlich der Leistungsgewährung unter den 15 alten EU-Ländern bestenfalls im Mittelfeld rangiert.
Betrachtet man die Entwicklung der Sozialleistungsquote (Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt) über einen längeren Zeitraum hinweg, erkennt man ein hohes Maß an Kontinuität. Trotz erheblicher Zusatzbelastungen durch die deutsche Vereinigung, regionale Ungleichgewichte, die Massenarbeitslosigkeit und milliardenschwere Transferleistungen von West- nach Ostdeutschland ist die Sozialleistungsquote (knapp über 30 Prozent) heute niedriger als Mitte der 1970er-Jahre. Hieraus folgt, dass der Wohlfahrtsstaat weder aus dem Ruder gelaufen noch ein Füllhorn sozialer Wohltaten über den Menschen ausgeschüttet worden ist.
Nicht der Sozialstaat ist „asozial“, wie Elisabeth Niejahr und Kolja Rudzio behaupten, sondern eine Gesellschaft, die glaubt, ihn sich nicht länger leisten zu können, obwohl sie so wohlhabend ist wie noch nie. Vor allem die (west)deutschen Eliten haben sich vom Konsensmodell der frühen Bundesrepublik verabschiedet und nehmen zumindest billigend in Kauf, dass immer mehr Menschen arm werden und selbst Mittelschichtangehörige zunehmend Angst vor dem sozialen Absturz haben. Nur ein großzügiger Sozialstaat, der auch Normalverdiener vor allgemeinen Lebensrisiken wie Erwerbslosigkeit, Krankheit, Pflegebedürftigkeit und drastischen Einkommensverlusten im Alter schützt, kann dem Zerfall der Gesellschaft erfolgreich begegnen.
Prof. Dr. Christoph Butterwegge, Köln
Autor des Buches „Krise und Zukunft des Sozialstaates“
Anmerkung: Dieses Eingeständnis der Bundesregierung sollte man sich merken. Die Frage ist nur, warum dieses Abkommen mit den USA dennoch abgeschlossen wurde.
Die Stimmung ist miserabel: Seit 1990 schätzten die Deutschen ihre wirtschaftliche Lage nicht mehr so schlecht ein wie heute. Das stellte die Umfrage “ZDF-Politbarometer” fest. Demnach gehen 41 Prozent der Menschen hierzulande davon aus, dass es ihnen in einem Jahr finanziell schlechter gehen wird. Nur 15 Prozent rechnen mit besseren Verhältnissen.
Besonders belastet die Deutschen die grassierende Teuerung: Das Thema Kosten, Preise und Löhne ist laut Politbarometer inzwischen mit 60 Prozent der Nennungen das mit Abstand wichtigste vor der Arbeitslosigkeit mit 34 Prozent.
Quelle: SPIEGEL
Anmerkung J.A.: „Der Aufschwung kommt bei den Menschen an…“ – „Wir haben die Sozialsysteme zukunftsfest gemacht…“ – usw. – komisch nur, dass es aus der Sicht der meisten Menschen immer schlimmer wird. Und Merkel hat 68% Zustimmung als Regierungschefin, vollkommen unerklärlich.
Politik und Notenbank stecken in einer Falle. Spätestens seit der dramatischen Rettung der Investmentbank Bear Stearns, bei der die Fed in einer Nacht-und-Nebel-Aktion erhebliche Risiken übernahm, gehen alle Finanzmarktakteure davon aus, dass der Staat im Notfall als Bankenretter einspringt. Diese implizite Staatsgarantie lädt Banker zu weiterem riskantem Verhalten ein.
Die Finanzkrise hat aber mittlerweile solche Ausmaße, dass die Politik aus der Mithaftung nicht mehr herauskommt. Schon gar nicht bei den als Government Sponsored Enterprises verfassten Fannie Mae und Freddie Mac. Die Regierung hat zwar stets betont, dass sie für diese Institutionen keine Garantien abgebe. Die beiden Finanzierer sind aber heute unverzichtbar, denn nur sie halten den Hausmarkt noch halbwegs über Wasser. Nie war offenkundiger, dass es de facto eben doch eine Staatshaftung gibt.
Quelle: FTD
Siehe dazu auch:
US-Regierung prüft Verstaatlichung von Fannie Mae und Freddie Mac
In Washington schrillen die Alarmglocken: Medienberichten zufolge erwägt die Regierung, die beiden größten US-Hypothekenfinanzierer unter staatlichen Schutz zu stellen. Die Zeche müsste der Steuerzahler begleichen.
Quelle: FTD
Für die Kategorie des Worst EU Lobbying Award können Lobby-Kampagnen nominiert werden, die bei der Beeinflussung von EU-Entscheidungen auf Irreführung, Verschleierung oder andere anstößige Lobby-Taktiken zurückgriffen.
Für den neuen Sonderpreis für den schlimmsten Interessenskonflikt, den „Worst Conflict of Interest Award“, können Europaabgeordnete, EU-Kommissare oder andere Mitarbeiter der EU vorgeschlagen werden, bei denen aufgrund ihres Hintergrunds, Nebentätigkeiten oder enger Beziehungen zu Lobbyisten ernste Bedenken bestehen, dass sie nicht mehr objektiv und im Sinne des Gemeinwohls handeln können.
Mitte Oktober beginnt dann die Internet-Abstimmung über die „Top-Kandidaten“ in jeder Kategorie. Die Preisverleihung findet in der zweiten Dezemberwoche in Brüssel statt.
Quelle 1: LobbyControl
Quelle 2: Worst Lobby
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=3331