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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 20. Mai 2008 um 9:23 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
(KR/WL)
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Dazu:
a) Armutszeugnis für die Regierung
Der jüngste Armutsbericht von Sozialminister Scholz zeigt, dass das Armutsrisiko hoch geblieben ist. Er sieht 13 Prozent der Deutschen in Armut – die Statistik zeigt 18 Prozent. Die Opposition wirft Scholz Täuschung mit untauglichen Daten vor. “Das wahre Ausmaß der Armut ist weitaus größer und dramatischer als von Scholz angegeben”, wetterte etwa der grüne Sozialexperte Markus Kurth.
Sogar unter den beteiligten Gutachtern herrscht Unmut. Der Vorwurf: Scholz gehe mit einzelnen Zahlen hausieren, ohne offenzulegen, dass bei anderen Indikatoren das Ergebnis drastischer ausfällt. Als arm gilt, wer als Single weniger als 781 Euro netto im Monat zur Verfügung hat.
Scholz beruft sich auf die Statistik des sogenannten EU-Silc aus dem Jahr 2006, eine europaweit standardisierte Erhebung zu Einkommen. Andere renommierte Erhebungen wie das sozioökonomische Panel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verzeichnen einen deutlich höheren Anstieg der Armutsquote – nämlich eine Steigerung von 12 Prozent im Jahr 2000 auf 18 Prozent im Jahr 2006.
Quelle: taz
b) Attac: Solidarische Umverteilung statt Steuersenkung für alle
Die wachsende Schere zwischen Arm und Reich sei das Ergebnis einer gezielten Umverteilungspolitik von unten nach oben, die den Globalisierungsverlierern Lohnverzicht, Sozialkürzungen und eine höhere Mehrwertsteuer zumutet, während sie die Gewinner durch Steuersenkungen und Steuerschlupflöcher für Unternehmen und Erben systematisch aus der Verantwortung entlässt.
Attac fordert, endlich mit einer Politik der solidarischen Umverteilung von oben nach unten zu beginnen. Zentral hierfür sei ein gerechtes Steuersystem. Generelle Steuersenkungen, wie sie derzeit diskutiert werden, lehnt Attac dagegen ab. “Die Antwort auf die zunehmende Ungleichheit kann nicht sein, den Staat noch weiter zu beschneiden”, betonte Chris Methmann. Notwendig sei im Gegenteil ein Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, um allen Menschen den Zugang zum öffentlichen Leben – und damit etwa zu Bildung und guter medizinischer Versorgung – zu ermöglichen.
Quelle: attac
c) Mehr Arme – mehr Millionäre
2,5 Millionen Kinder sind arm. Doppelt so viele wie 2004. Gleichzeitig gibt es immer mehr Millionäre – schon 800.000 waren es letzten Sommer. Die Statistik beschönigt noch die Lage. Als arm gelten Menschen mit weniger als 781 Euro netto im Monat. Vor drei Jahren lag die Schwelle noch bei 938 Euro. Die Agenda 2010 ist die zentrale Ursache für mehr Armut. Die Durchsetzungsmöglichkeiten in der Tarifpolitik sind mit Befristungen und Leiharbeit massiv behindert worden. Hinzu kommen Minijobs und vor allem Hartz IV. Ohne Zumutbarkeitsschutz rauschen die Löhne in den Keller.
Quell: ver.di Wirtschaftspolitik aktuell [PDF – 112 KB]
d) Interview zum Armutsbericht: Die Superreichen werden immer reicher
Heißt dass, an der Spitze in Deutschland und Europa entscheiden Mächte, die von demokratischen Regeln unbeeinflusst sind?
Hans Jürgen Krysmanski: Ich bin in der Tat der Auffassung, dass sich um die Geldmächtigen so etwas wie eine „höfische Gesellschaft“ herausbildet. Die Geldelite tritt hinter den Kulissen auf als ein neuer Souverän. Es gibt genug Höflinge, die den neuen Herren zu Diensten sind oder zumindest beiden Seiten, dem Geldreichtum und dem Volk, dienen wollen, wie zum Beispiel die unglückliche Figur des französischen Präsidenten Sarkozy. Alle empirischen Untersuchungen zeigen, dass Superreichtum, auch wenn es sich um neuen Reichtum handelt, die Tendenz hat, sich abzuschotten, Dynastien zu bilden.
Quelle: WAZ online
e) Armutsbericht: “Wir haben das falsche Steuersystem”
Die Ursache der wachsenden Armut in Deutschland liegt auch in einer verfehlten Wirtschafts- und Sozialpolitk. Das meint zumindest der Soziologe Sighard Neckel. Im stern.de-Interview spricht er für höhere Steuern auf Kapital aus und warnt vor Parallelgesellschaften der Armut.
Quelle: stern
Anmerkung WL: Neckel plädiert offenbar für eine stärkere Steuerfinanzierung zur Armutsbekämpfung und für eine Senkung der Sozialabgaben bei den Löhnen. Das soll durch eine stärkere Besteuerung des Kapitals geschehen. Was macht es aber für einen Sinn, die Unternehmen bei Sozialabgaben zu entlasten und bei Steuern stärker zu belasten? Warum sollte es nach den massiven Steuersenkungen für die Unternehmen der letzten Jahre in Zukunft eher gelingen, solche Steuererhöhungen durchzusetzen? Die bessere Form der Armutsbekämpfung wären immer noch ordentlich Löhne und eine Beteiligung des Kapitals an den Kosten für die sozialen Sicherungssysteme. Steuerabhängige Sozialversicherungen sind in Deutschland jedenfalls immer soziale Absicherung nach Kassenlage.
Kommentar AM:
Der Hinweis auf die Lagerhaltungsschwankungen und damit verbundene Aufs und Abs des BIP kann ja stimmen. Aber dass damit auch die These von der Basarökonomie stimmen soll, ist ein Fehlschluss. Wenn es nämlich keine große, über eine Basartätigkeit hinausgehende – in unserem Falle industrielle – Wertschöpfung in Deutschland gäbe, dann gäbe es auch keine hohen Exporterlöse. Sie übersteigen die Einfuhren, wie wir alle wissen, gewaltig. Mit Lagerhaltung und Zusammenstecken ist das nicht möglich. Dafür unseren Exportüberschüssen entsprechende Preise zu bezahlen würde schon sehr dumme ausländische Importeure voraussetzen.
Anmerkung: Diese Meldung ist eigentlich nur deshalb interessant, weil selbst das Handwerk das Ende der 1-Euro-Jobs verlangt und der erhoffte Wachstumsträger privater Konsum nicht beim Handwerk ankommt. Ansonsten die übliche Leier bei der Senkung von Steuern und Abgaben, um ein Mehr beim Brutto abzuwehren.
Anmerkung: Gesetzlich Versicherte müssen sich beim Versuch, einen Termin beim Facharzt zu erhalten, ganz hinten anstellen, und haben eine eingeschränkte Auswahl an Behandlungsmöglichkeiten (was in manchen Fällen einen erheblich früheren Tod zur Folge haben kann, siehe z.B. hier). Die Privilegien des Privatpatienten sind also alles andere als ein Mythos. Diese kompakte Auflistung der potentiellen Nachteile einer PKV mag dennoch für den einen oder anderen Leser von Interesse sein.
Anmerkung: 20 Millionen für die Begleitung an die Börse, da lohnte es sich doch, dass die „Finanzkreise“ massiv für die Privatisierung der Bahn eingetreten sind. Wie gesagt: Bei Privatisierungen muss man zunächst immer danach fragen, wer verdient daran?
Anmerkung WL: So ist es. Mit ihrer Kampagne für Köhler und mit ihren Warnungen davor, eine mögliche Mehrheit in der Bundesversammlung zur Wahl eines Kandidaten oder einer Kandidatin der SPD zu nutzen, führen die Konservativen und ihre Presse die Sozialdemokraten am Nasenring durch die politische Arena.
Wenn sich die EU und sein lateinamerikanisches Gegenstück, der Mercosur, auf einen gemeinsamen Nenner einigen konnten, dann auf den, dass sie ihre Differenzen nicht überwinden können. Hauptstreitpunkt sind aus Sicht des Mercosur die Subventionen und Importquoten, mit denen Europa seine Märkte schützt. Von den Freihandelsgesprächen mit der Andengemeinschaft verabschiedete sich Brüssel ganz offiziell. Stattdessen sollen nun bilaterale Verhandlungen mit den Teilnehmerstaaten aufgenommen werden.
Quelle: FR
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