Der Bürgerrat für Ernährung hat medienwirksam neun tolle Reformvorschläge ausgeheckt. Aber für keinen davon interessiert sich die Bundesregierung. War ohnehin alles nur Theater, finden Kritiker. Irrtum: Die Ampel erteilte eine Lektion in puncto eigener Machtlosigkeit, meint Ralf Wurzbacher – nicht ganz ernst.
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Wohlhabende leben unbeschwert, Arme werden ärmer und die Mitte hat Angst vorm sozialen Abstieg. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung liefert die Zustandsbeschreibung einer materiell und mental auseinanderdriftenden Gesellschaft. Wer noch genug zum Leben hat, ist mit dem System halbwegs d‘accord, während sich Zukurzgekommene vermehrt von der Demokratie abwenden und nach unten treten. Den Mächtigen spielt das in die Karten, und die Regierenden spielen mit – solange man sie lässt. Von Ralf Wurzbacher.
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Der Auszug des jüdischen Volkes aus Ägypten ist weit mehr als eine historische Erzählung über Befreiung aus der Sklaverei. Diese Geschichte hat sich als bedeutende Metapher in das kulturelle Gedächtnis der Menschheit eingegraben, und sie ist aktueller denn je. Die Frage, ob wir uns heute, im 21. Jahrhundert, nicht auch aus einer Art moderner „Sklaverei“ befreien müssen, beschäftigt viele kritische Denker. Burkhard Bujotzek beleuchtet in seinem Artikel die Bedeutung dieser Metapher und hinterfragt das fortbestehende Modell hierarchischer Führung, das seit Jahrtausenden unser Denken und Handeln prägt.
Der öffentliche Nah- und Fernverkehr ist für alle da. Doch immer mehr Menschen werden ausgeschlossen. Kinder fliegen aus dem Bus, weil sie nicht mit Bargeld bezahlen dürfen. Wer kein Smartphone besitzt, fährt teuer oder gar nicht. Und auf einigen Bürgerämtern geht nur noch Kartenzahlung. Die Bundesregierung bekennt sich zum Bargeld und fördert weitgehend unbeachtet seine Abschaffung. Von Hakon von Holst[*].
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Die parlamentarische (indirekte) Demokratie ist in vielen Ländern gefährdet. Wir haben längst „postdemokratische Zustände“, so der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch, und der deutsche Philosoph Jürgen Habermas spricht von einer „Fassadendemokratie“. Die Menschen wenden sich ab. Es entsteht Politikverdrossenheit. Das Vertrauen in die Demokratie schwindet seit der letzten Bundestagswahl 2021 besonders rapide, stellt in einer jüngsten repräsentativen Umfrage die Körber-Stiftung fest. Wähler gehen nicht mehr wählen. Die größte „Partei“ bei Wahlen sind heute die Nichtwähler. Die derzeitige „Ampel-Regierung“, bestehend aus SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP, ist, bezogen auf die Wahlberechtigten, nur von 49,5 Prozent, also knapp der Hälfte der Bürger und Bürgerinnen gewählt worden. Die Menschen durchschauen immer mehr eine Politik, die nicht für die Mehrheit der Menschen gemacht wird, was aber die eigentliche Aufgabe von Demokratie wäre, sondern für eine kleine Schicht von Profiteuren in der Gesellschaft, wovon die meisten ihren Reichtum geerbt und die anderen sich die Arbeits- bzw. Mehrwerte durch Ausbeutung der Arbeitskräfte angeeignet haben. Auf der anderen Seite leiden gut 16 Prozent der deutschen Bevölkerung unter Armut und jedes fünfte Kind hat arme Eltern. Nicht nur die schon lange ausgegrenzten gesellschaftlichen Ränder – Soziologen sprechen von einer „Externalisierung“ –, sondern selbst der Mittelstand fühlt sich mittlerweile von der jeweils herrschenden Politik bedroht. Von Heinz-Josef Bontrup.
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(Wieder-)Vereinigung? Es war ein Beitritt, der die Ostdeutschen zu Neuankömmlingen machte und sie in die Mühlen einer rabiaten Transformation stürzte. Entgegen der Vorstellung, dass es mittelfristig zu einer Angleichung kommen würde, stellt der Soziologe Steffen Mau in seinem neuen Buch eine „bleibende Unterschiedlichkeit“ fest. Von Irmtraud Gutschke.
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Ingolfur Blühdorn prophezeit eine „andere Moderne“, die nur ein erneuter Versuch wäre, den Widersprüchen des Neoliberalismus die Spitze abzubrechen. Blüht uns ein noch stärkeres Durchregieren des Staates als bisher und eine noch rigidere Trennung zwischen Oben und Unten, Drinnen und Draußen? Eine Buchrezension von Irmtraud Gutschke.
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Elke Schillings Berufung ist das aufrichtige, unermüdliche Engagement für die Generation, deren Mitglieder in unserer Gesellschaft auch mit „die Alten“ oder etwas stilvoller mit „die Senioren“ betitelt werden. Die ehemalige Politikerin (Staatssekretärin in Sachsen-Anhalt) ist Gründerin von „Silbernetz“, einer ehrenamtlichen Organisation, die ein beinah permanent erreichbares Sorgentelefon am Laufen hält und verschiedene Angebote für ältere, oft auch einsame Menschen parat hat. Ein solches Telefon ist wichtig, es gibt viele einsame Mitbürger, stellt Elke Schilling fest. In ihrem Buch „Die meisten wollen einfach nur reden – Strategien gegen Einsamkeit im Alter“ (Westend Verlag, 205 Seiten) berichtet Elke Schilling vom langen, steinigen Weg, ein solches Telefon in Deutschland für unsere Alten und im Grunde für uns alle freizuschalten. Eine Buchbesprechung von Frank Blenz.
Wer sollte in einer Enquetekommission zur Aufarbeitung der Corona-Maßnahmenpolitik sitzen? Im zweiten Teil des NachDenkSeiten-Interviews mit Ulrike Guérot geht es um das Thema Corona-Aufarbeitung. „Klar ist inzwischen, dass die meisten Corona-Maßnahmen übergriffig, unnütz und im Zweifelsfall rechtwidrig waren“, so Guérot. Die NachDenkSeiten haben die Politikwissenschaftlerin gefragt, wie sie über die Aufarbeitung der Corona-Politik denkt. Sie findet klare Worte und fordert eine Amnestie für Strafen, die für Maßnahmenverstöße verhängt wurden. Zum Umgang mit den Ungeimpften während der Corona-Krise sagt sie: Wie eine derart „rigorose, gruppenspezifische Ausgrenzung (…) politisch durchgewunken werden konnte“, müsse aufgeklärt werden. Guérot plädiert für eine Enquetekommission und einen Runden Tisch. Den ersten Teil des Interviews können Sie hier nachlesen. Von Marcus Klöckner.
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Ich bin Rechtsanwalt/Bankkaufmann und unter anderem engagiert im Beirat des Verbandes der Migrantenwirtschaft, war Abgeordneter der FDP in der legendären NRW-Landtagsfraktion des Jahres 2000 mit Jürgen Möllemann und Christian Lindner und bis 2009 Mitglied der Partei. Jetzt bin ich als Liberaler dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) beigetreten und dort aktiv. Über die Beweggründe des Eintritts, die Reaktionen darauf kurz vor dem ersten Bundesparteitag exklusiv gegenüber den NachDenkSeiten. Von Dr. Stefan Grüll.
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Der Rat der EU-Innenminister zementiert am 8. Juni eine untaugliche und inhumane Abschottungsstrategie, mit der schon der deutsche Flüchtlingsgipfel das Ziel verfehlt hat. Die wahlkämpfende Innenministerin Nancy Faeser verkauft die Verschärfung als „neue solidarische Migrationspolitik“, doch diese „Solidarität“ wird weder den Flüchtlingen noch den deutschen Kommunen helfen, denn die Belastung der Kommunen ist nicht Folge steigender Asylbewerberzahlen. Deutschland hat sich vielmehr bereits in der Ära Merkel davon verabschiedet, ein integratives Einwanderungsland zu sein. Die Hauptleidtragenden sind die vor den Folgen der „Demokratisierungskriege“ der westlichen Wertegemeinschaft Geflüchteten. Eine Spurensuche im Ausländerzentralregister von Reiner Siebert.
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„Die schaffen das Kindergeld ab“, empört sich in einer Familienrunde die Mutter eines zehnjährigen Jungen. Dafür solle die Kindergrundsicherung eingeführt werden, berichtet sie. Die würden aber nur jene Kinder bekommen, die als arm gelten. Aus Sicht der verärgerten Mutter werden damit Eltern benachteiligt, die täglich arbeiten gehen und selbst für ihre Kinder sorgen müssen. Was ist dran an diesen Befürchtungen? Von Tilo Gräser.
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Das „zentrale sozialpolitische Projekt“ der Bundesregierung wird schon im Stadium der Anbahnung parteipolitisch so zerrieben, dass am Ende bestenfalls eine halbe Sache dabei herausspringen wird. Mit der FDP unter Parteichef und Finanzminister Lindner ist die Kindergrundsicherung nur billig zu haben – bei einem Maximum an digitalem Firlefanz. Grünen-Familienministerin Paus gibt die wackere Vorkämpferin sozialer Gerechtigkeit und für die SPD-Frontfrau Esken hat sich eine „wesentliche Erhöhung der Leistungen“ schon erledigt. Und der Bundeskanzler sagt gar nichts. Dabei wäre das Instrument, sofern richtig gemacht, ein echter Fortschritt. Dass es überhaupt kommt, erscheint längst nicht ausgemacht. Von Ralf Wurzbacher.
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Vielleicht aus beleidigtem Trotz, aber nach Corona habe ich mir nicht allzu viel zurückgeholt. Was man mir damals als Ungeimpfter weggenommen hatte, nämlich das Recht auf eine jede Teilhabe, das habe ich dann auch langfristig kaum mehr in Anspruch genommen – obwohl es mir theoretisch seit Monaten wieder freistünde. Nur selten bin ich seither ins Schwimmbad gegangen, habe stattdessen die frei zugänglichen Naturgewässer so lange genutzt, wie es ging. Im Kino, so sagte ich mir, spielen sie sowieso nichts Gescheites. Vielleicht zwei, drei Mal war ich seit März – aber auch nur, weil ich noch Geschenkgutscheine von vor Corona übrig hatte. Vielleicht aus Angst, man könne mir jederzeit wieder etwas wegnehmen und verwehren, übe ich mich prophylaktisch in freiwilligem Verzicht.
Weihnachten steht vor der Tür. Sogleich fällt das Stichwort „Geschenke“. Wir Deutschen rennen los, welche zu kaufen. Vor allem zu kaufen, heißt das geläufige Klischee. Als wäre es so einfach. Mehr als ein Drittel der Bundesbürger hat für das Frohe Fest 2022 leider kein oder kaum Geld für Geschenke-Einkäufe für ihre Lieben, konstatieren Umfragen. Und die Not, der Zwang zu Verzicht hat Hochkonjuktur. Nur gut, dass wir ein Land der Dichter und vor allem der Denker sind. Die Ratgeber für das „Schenken trotz leerer Börse“ laufen genau wie die gut situierten Experten zum Thema „Energiesparen“ zu Hochform auf. Geschenkt. In harten Zeiten wie diesen kommt einem die Erinnerung an die eigene Kindheit in den Sinn und interessant fallen die Antworten auf die Nachfrage in der Verwandtschaft und Bekanntschaft aus, wie denn anno dazumal geschenkt wurde – bei knapper Kasse und dennoch großer Zuneigung an die Bescherten. Doch sich an das Schöne in der Not zu erinnern, sollte eine nostalgische Angelegenheit bleiben. Heute aus der Not nicht oder wenig oder wegen akuten Geldmangels improvisiert schenken zu müssen, ist keine Errungenschaft, auf die wir in unserem reichen Land stolz sein könnten. Von Frank Blenz.
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