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Repressionen

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Hintertür für Hartz V?

Bis zum Jahresende wollen CDU, CSU und SPD eine Novellierung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) vornehmen, das die Grundsicherung für Arbeitsuchende regelt und gemeinhin als „Hartz IV“ bezeichnet wird. Zunächst hat eine im Juni 2013 konstituierte Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Rechtsvereinfachung im SGB II“ ein Papier mit Empfehlungen zu den drei Teilbereichen „Einkommen und Vermögen“, „Kosten der Unterkunft und Heizung“ sowie „Verfahrensrecht“ ausgearbeitet, anschließend die Bundesagentur für Arbeit zahlreiche Änderungsvorschläge dazu unterbreitet.
Seither wird das Thema von Zeit zu Zeit häppchenweise in die Öffentlichkeit lanciert, indem man einzelne politische Versuchsballons startet und das mediale Echo abwartet. Dahinter steht offenbar das Ziel, Schlussfolgerungen für die Durchsetzbarkeit besonders heikler Änderungen zu ziehen. Von Christoph Butterwegge.

Der Ökonom als Menschenfeind?

Über gesellschaftliche Verrohung und die etablierte ökonomische Theorie
Ein Interview mit dem Volkswirt und Wirtschaftsethiker Sebastian Thieme über Fragen nach der Entsolidarisierung der Gesellschaft etwa durch die Hartz-Reformen, nach dem Menschenbild hinter den vorherrschenden ökonomischen Lehren, nach der Ökonomisierung der Gesellschaft und der ethischen Verantwortung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Das Interview für die NachDenkSeiten führte Jens Wernicke.

Doktor-Spiele

Die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg (BA) sowie die ihr unterstellten Jobcenter sind offensichtlich dabei, ihr Tätigkeitsfeld zu erweitern: auf das Gesundheitswesen. Schon im April dieses Jahres wurde eine Weisung der BA publik, nach der angebliche „Blaumacher“ unter den AlG2-Empfängern entlarvt werden sollen. Aktuell macht sich nun die Praxis breit, in offiziellen amtlichen Schreiben Krankheitsatteste von Ärzten schon vorbeugend für unzureichend zu erklären. Es scheint, als verfolge man im Umgang mit Sozialleistungsempfängern die „Taktik der kleinen Schritte“, welche mithilfe einer schleichenden Gewöhnung die schrittweise Entmündigung und Entrechtung der Betroffenen ohne größeres Aufsehen und somit ohne Widerstand in der Bevölkerung durchzusetzen sucht.
Von Lutz Hausstein[1]

Jagd auf kranke Hartz-IV-Empfänger – die Kleinen hängt man …

Nach Schätzungen der OECD schädigen Steuerhinterzieher den deutschen Staat mit jährlich mehr als 100 Mrd. Euro. Durch die Aufdeckung der „Offshore Leaks“ ist das Thema wieder auf die Tagesordnung zurückgekehrt. Doch was machen die deutschen Behörden? Jagen sie Steuerhinterzieher und deren Helfershelfer bei der Deutschen Bank? Nein. Deutsche Behörden machen stattdessen Jagd auf kranke Hartz-IV-Empfänger. Wenn erwerbsfähige Erwerbslose sich krankmelden, droht ihnen künftig ein Termin beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Und wenn das subjektive Gesundheitsempfinden nicht mit den objektiven Kriterien des MDK übereinstimmt, müssen die Erwerbslosen mit einer Sanktion rechnen – was nichts anderes heißt, als dass der Staat ihnen zeitweise die vom Grundgesetz garantierte Menschenwürde entzieht und ihnen das Existenzminimum verweigert. Die Kleinen hängt man, die Großen dürfen ihre eigenen Gesetze schreiben. Von Jens Berger.

In Gesetz gegossene Verfassungswidrigkeit

Die Anzahl der verhängten Sanktionen gegen arbeitslose und nichtarbeitslose ALG-2-Empfänger strebt unaufhaltsam von Rekordmarke zu Rekordmarke. Wurde im April dieses Jahres noch für das Jahr 2011 ein neuer Höchststand von über 912.000 von den Jobcentern ausgesprochenen Sanktionen vermeldet, deuten die Zahlen für das erste Halbjahr 2012 auf eine erneute Steigerung der Sanktionierungsversuche hin. Mit über 520.000 Sanktionen im ersten Halbjahr 2012 geht die Tendenz für das Gesamtjahr in Richtung über 1 Million. Dabei ist generell zu berücksichtigen, dass 42 Prozent der dagegen eingelegten Widersprüche, auch per Gerichtsentscheid, erfolgreich sind. Das mag als Fingerzeig dafür dienen, dass eine nicht unerhebliche Anzahl der verhängten Sanktionen selbst der aktuellen Rechtslage widerspricht. Von Lutz Hausstein[*]

Die Würde des Menschen ist antastbar

Nach weitverbreiteter Vorstellung ist Deutschland ein Sozialstaat, in dem der Staat dafür Sorge trägt, dass kein Mensch unter einem menschenwürdigen Existenzminimum leben muss. Die deutsche Sozialgesetzgebung und deren Auslegung durch die Bundesanstalt für Arbeit sehen dies jedoch anders. Hält sich ein Hilfsbedürftiger nicht an die Regeln der Bundesanstalt, können im Einzelfall sogar sämtliche staatlichen Leistungen gestrichen werden. Dann verbleiben verbleiben den betroffenen Bürgern nur noch Sachleistungen wie Lebensmittelgutscheine im Wert von 172 Euro pro Monat. Diese Regelungen, die sich unter dem Begriff „Sanktionen“ zusammenfassen lassen, verstoßen nicht nur gegen die Würde des Menschen, sie sind auch volkswirtschaftlich verheerend. Wie kaum anders zu erwarten, gibt es auch Profiteure dieser Regelungen – Profiteure, die weit davon entfernt sind, selbst in existenzielle ökonomische Not zu geraten, nämlich die Arbeitgeber. Von Jens Berger.

Zumutbare Arbeit und Sanktionspraxis – Zu den Neuregelungen im SGB II

Letztlich sind inzwischen die letzten Bezüge zur Arbeitslosenhilfe – der befristete Zuschlag und die Rentenversicherungspflicht – ganz abgeschafft. Das Versprechen von der „Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe“ entpuppt sich ganz offen als das, was von Anfang an geplant war: die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe in Deutschland.
Aber die Ethik und das Niveau der Sozialhilfe sind ebenfalls nicht erhalten geblieben, sondern werden durch immer schärfere Pauschalisierung und neuerdings erweiterte Aufrechnungsmöglichkeiten unterlaufen.
Das Ganze geschieht nicht nur zum Selbstzweck, – und noch nicht einmal um nennenswert zu Sparen -, sondern soll bewirken, dass auch immer niedrigere Löhne, Renten etc. akzeptiert werden und möglichst wenig aufgestockt werden müssen. Von Helga Spindler

DGB: Arbeitslosigkeit steigt unter Jungen und Älteren rasant – IAB: Besserung für Ältere am Arbeitsmarkt

Nach einem Bericht des DGB auf der Datenbais der Bundesagentur für Arbeit erhöhte sich die Arbeitslosigkeit bei den über 55-Jährigen im Vergleich zum Mai letzten Jahrs um 17,3 %, besonders betroffen sind Männer mit einem Plus von 24,4%.
Nach einer aktuell veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) [PDF – 1.2 MB] – einer Abteilung der Bundesagentur für Arbeit – hat sich die Arbeitsmarktsituation vor allem der 55-59-Jährigen zuletzt deutlich verbessert und die Arbeitslosigkeit der über 50-Jährigen sei gesunken. Zwei sich scheinbar widersprechende Aussagen an einem Tag. Wie erklärt sich das? Wolfgang Lieb

Die Hartz-Gesetzgebung wirkt. Aber wie?

In einem Schwerpunktheft des Archivs für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit zu Erfahrungen, Auswirkungen und Schlussfolgerungen nach drei Jahren SGB II ist Helga Spindler speziell dem „Fordern und Fördern“ und seinen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt nachgegangen. Nicht nur dass Sanktionen immer umfangreicher verhängt werden und immer mehr Menschen selbst die unzureichenden Regelsätze nur gekürzt erhalten, der Staat bleibt auch noch nicht einmal beim Fördern neutral, sondern greift durch den Umgang mit den Arbeitslosen einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer in den Markt ein, nimmt ihnen Verhandlungsmacht und verhindert den Aufbau notwendiger Arbeitsplätze.

Koalitionsausschuss: Merkel führt die SPD vor

„Als einen “großen Erfolg” hat der SPD-Vorsitzende Kurt Beck die Einigung zwischen SPD und Union auf geringere Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und eine längere Zahlung von Arbeitslosengeld für über 50-Jährige bezeichnet. Enttäuscht zeigte er sich über die Weigerung der Union, Briefzusteller vor Lohndumping zu schützen“, so lautet das Resümee von Kurt Beck über die Ergebnisse des Koalitionsausschusses. Schaut man sich die Ergebnisse etwas genauer an, dann muss man feststellen, dass die Kanzlerin gegen ihren fast gleich starken Koalitionspartner einen regelrechten Kantersieg erzielt hat. Wolfgang Lieb.

Tarnen und Täuschen in der Diskussion über die Hartz-Reform

Die Diskussion über die Verlängerung des Bezugs von Arbeitslosengeld macht alte Fronten sichtbar. Vordergründig geht es um die Frage, ob es zumutbar und gerecht sein kann, wenn ein lterer Arbeitsloser nach spätestens 18 Monaten auf ein Sozialhilfeniveau heruntergestuft wird und einen Gutteil seiner privaten Altersvorsorge auflösen muss, falls er bis dahin keinen Arbeitsplatz gefunden hat.
Der Streit jedoch wird deswegen so heftig geführt, weil die Kotrahenten sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, wie das Verhältnis zwischen Fördern und Fordern in der Arbeitsmarktpolitik aussehen soll. Ein Beitrag eines Arbeitsmarktfachmanns, der nicht genannt werden möchte.

Christoph Butterwegge: Krise und Zukunft des Sozialstaats.

Thesen zur Sozialpolitik der Großen Koalition.
“Sozialpolitik paradox – großzügig und kleinkariert” – so betitelt Christoph Butterwegge seine Bilanz der Großen Koalition nach einem Jahr. Der Kölner Politikwissenschaftler und Armutsforscher legt die dritte Auflage seines Erfolgsbuches „Krise und Zukunft des Sozialstaates“ vor, in dem er eine umfassende, aktuelle, kritische und vor allem faktenreiche Bestandsaufnahme der deutschen Sozialpolitik und zudem eine erste kritische Zwischenbilanz der Regierung Merkel/Müntefering zieht. Zentrale These des Autors:

Der Sozialstaat wird seit Mitte der 1970er Jahre restrukturiert und demontiert, obwohl er weder Verursacher der damaligen Weltwirtschaftskrise oder der bis heute dauernden Beschäftigungskrise war, noch aus seinem Um- bzw. Abbau irgendein Nutzen für die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Entwicklung des Landes erwächst.

Gemeinsam mit Norbert Blüm und Oskar Lafontaine präsentierte Christoph Butterwegge die Neuauflage. Von Christoph Butterwegge.

Eine sehr informative Stellungnahme von Erika Biehn, Vorsitzende der BAG-SHI, zum Entwurf eines Gesetzes zur „Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende“.

Erika Biehn ist Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- Sozialhilfeinitiativen e.V. Sie kommt in ihrer schriftlichen Stellungnahme [PDF – 200 KB] zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 29. Mai 2006 zu folgendem Fazit: Die BAG-SHI sieht im Gesetzesentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD zur Fortentwicklung des SGB II in der Summe Neuregelungen, die zu einer weiteren drastischen Verschlechterung der materiellen und rechtlichen Lage von erwerbslosen und mittellosen Menschen führen werden. Der Entwurf enthält zahlreiche Vorschläge, die den Zugang zum Arbeitslosengeld II weiter erschweren und Selbstbestimmungsrechte von erwerbsfähigen und hilfebedürftigen Menschen stark einschränken. Zudem wird das von den Betroffenen als entwürdigend empfundene Kontroll- und Sanktionsinstrumentarium weiter in unzulässiger Weise ausgebaut.

Bundesagentur erzielt Überschuss von 1,7 Milliarden Euro – auf Kosten von Langzeitarbeitslosen?

Als Erfolgsmeldung verkündete heute Kanzlerin Merkel am Rande der Eröffnung der Hannover-Messe im heute-Journal des ZDF, dass die Bundesagentur Überschüsse erziele und deswegen, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge von 6,5 auf 4,5 Prozent gesenkt werden könnten. Wenn es richtig ist, was ein von heise online zitiertes Gutachten aussagt, geht dieses Plus von 1,7 Milliarden Euro bei der Bundesagentur im Wesentlichen zu Lasten der Langzeitarbeitslosen und auf Kosten des Bundeshaushalts. In der Großen Koalition gibt es offenbar Pläne diese Mehrkosten bei den Ärmsten der Armen, den Langzeitarbeitslosen wieder einzutreiben.