Schlagwort:
Binnennachfrage

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Selbst Wendehälse kommen mit guten Vorschlägen: die OECD plädiert u.a. für eine wirksame Ausdehnung der Arbeitslosenversicherung.

Seit Jahren werbe ich dafür, die soziale Sicherung gegen Arbeitslosigkeit, also langes Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe wieder herzustellen und damit Hartz IV loszuwerden. Begründung: die Wiederherstellung einer einigermaßen befriedigenden sozialen Sicherheit. Jetzt kommt ein wichtiges konjunkturpolitisches Argument hinzu. Die Einkommen der von der Krise gefährdeten Arbeitnehmer und der Arbeitslosen müssen stabilisiert und verbessert werden. Andernfalls geraten wir in eine Spirale von weiter sinkenden Masseneinkommen, sinkender Nachfrage, sinkender Beschäftigung und wieder sinkenden Einkommen usw. – Selbst die OECD, die seit 1975 mit neoliberalen Sprüchen über die Bedeutung der Flexibilität der Löhne nervt, ist zur Einsicht gekommen. Der Generalsekretär der OECD Gurria warnte gestern in einer Rede vor den G8-Arbeits- und Sozialminister vor dem gefährlichen Absturz und schlägt eine Reihe von sinnvollen Maßnahmen vor. Siehe dazu die Pressemitteilung in Anlage 1 und den Text der Rede selbst in Anlage 2. Albrecht Müller.

Bundespräsident Köhler stützt die Propaganda der Regierenden, statt dem Volk mit einem ehrlichen Wort beizuspringen

Der Kabarettist Georg Schramm hat einen Antrag auf Amtsenthebung von Bundespräsident Köhler wegen arglistiger Täuschung des deutschen Volkes vorgeschlagen. „Köhler lügt“, so Schramm. Das ist hart. Zu hart, so könnte man meinen. Tut mir leid, ich sehe es genau so. In der Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten folgt ein Täuschungsversuch dem andern. In den Worten von Georg Schramm: „Wir werden systematisch getäuscht und hinters Licht geführt.“ Systematisch arbeiten die führenden Kreise daran, jenseits der Realität und oft in vollem Gegensatz zur Wirklichkeit mit abgesprochenen Formeln eine Scheinwelt aufzubauen. Meinungsmache prägt den öffentlichen Dialog. Ein markantes Beispiel dafür ist Köhlers Behauptung, die Politik habe „entschlossen“, „klug und besonnen“ auf die Finanzkrise reagiert. Albrecht Müller

Gibt es irgendwann Sanktionen gegen die fortgesetzte Unfähigkeit in der Wirtschaftspolitik?

Leser der NachDenkSeiten könnten sich daran stören, dass wir immer wieder auf den Zusammenhang zwischen der Meinungsbildung zu einem politischen Problem und der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung dazu hinweisen. Es hilft aber nichts, denn die überall herumschwirrenden Vorurteile und Legenden haben eine verheerende Wirkung auf die politischen Entscheidungen: Wir wussten auch vor zwei oder drei Jahren, dass es in der Bundesrepublik, anders als behauptet, keinen wirklichen, möglichst alle Bereiche der Volkswirtschaft erfassenden Boom gibt. Wir wussten, dass die wirtschaftliche Belebung weit übertrieben wurde, um die Agenda 2010-Politik als erfolgreich erscheinen zu lassen. Wir wussten, dass die Ankurbelung der Binnennachfrage dringend nötig gewesen wäre. Wir wussten, dass man sich angesichts des extremen Leistungsbilanzdefizits der USA auf den Export nicht verlassen kann, weil irgendwann es so nicht weitergehen konnte. Es ist Standardwissen, dass man die Konjunktur nicht von heute auf morgen umsteuern kann, dass konjunkturpolitische Maßnahmen Zeit brauchen und man sie deshalb rechtzeitig in Gang setzen muss. Albrecht Müller

Ist die Geldschwemme Ursache der Finanzmarktkrise? Ein Anstoß zu ein paar Zweifeln an einer gängig werdenden These.

Man bekommt in der öffentlichen Debatte, in Talkshows und Interviews des Öfteren zu hören, weltweit strömten Billionen um den Globus und suchten nach Anlagemöglichkeiten. Die Geldschwemme stehe in keinem Verhältnis zu der Realwirtschaft. Jetzt bin ich einer ähnlichen Argumentation in Werken zweier Personen begegnet, die ich bisher als verlässlich analysierende Volkswirte kennen und schätzen gelernt habe: Michael Schlecht und Axel Troost. Ihre These kurz zusammengefasst: Die ungerechte Einkommensverteilung habe eine Geldschwemme verursacht, die wiederum verantwortlich sei für die Aufblähung der Finanzmärkte und die jetzige Krise. Ich fürchte, dass diese These auf einigen Denkfehlern beruht. Sicher bin ich mir nicht. Deshalb stelle ich meine Beobachtungen und Zweifel zur Diskussion. Albrecht Müller

Sachverständigenrat: Die alte Leier mit ein paar leisen Zwischentönen

Jahr für Jahr mussten wir auf den NachDenkSeiten den Gutachten des Sachverständigenrats vorhalten, dass sie den wirtschaftspolitischen „Holzweg“ stur fortsetzen und statt einer kritischen Bestandsaufnahme der tatsächlichen Wirkung ihrer neoliberalen „Reformvorschläge“ ständig nur eine weitere Erhöhung der „Reform“-Dosis vorschlugen. Daran hat sich auch im Jahresgutachten 2008/2009 unter dem Titel „Die Finanzkrise meistern – Wachstumskräfte steigern“ nichts Grundlegendes geändert. Mit der Ausnahme, dass diesmal ein (viel zu kleines) staatliches Konjunkturprogramm in Höhe von 0,5 bis 1 Prozent des BIP (also etwa im Umfang von bis zu 25 Milliarden Euro) vorgeschlagen wird, das über eine staatliche Kreditaufnahme finanziert werden soll. Wolfgang Lieb

Das Jahresgutachten des Sachverständigenrats zielt immerhin in die richtige Richtung – auch wenn die Mehrheit des SVR nicht sonderlich glaubwürdig ist

Im vergangenen Jahr hatten wir den Sachverständigenrat hart kritisiert („… nur noch eine Maschinerie der Meinungsmache“), so etwa hier und im Kritischen Jahrbuch 2007. Im Anhang finden Sie Meldungen zum Sachverständigenratsgutachten, das heute in Berlin präsentiert wird. Soweit man sich auf der Basis der Ankündigungen ein Urteil bilden kann (zwei Meldungen siehe Anlage), kann eines zumindest vermerkt werden: Dass der Sachverständigenrat eine Wende um 180° vollzieht und ein größeres Konjunkturpaket fordert, ist ein Fortschritt. Allerdings sind die Versuche des Sachverständigenrates, die Wende mit der Finanzkrise zu begründen, allzu durchsichtig. Der Sachverständigenrat versucht, seine Mitverantwortung abzuschieben. Albrecht Müller.

Rentner und die Binnenkaufkraft

„Drei Viertel aller deutschen Unternehmen sind seit Ausbruch der globalen Finanzkrise nicht mehr in der Lage, uneingeschränkt nötige Investitionen und Käufe zu tätigen.“ Das meldete dpa. Ähnlich ist das ganz sicher in den deutschen Haushalten, Rentnerhaushalte eingeschlossen. Nur, dass das nicht erst mit der Finanzmarktkrise begonnen hat. Die Financial Times Deutschland schreibt: „Die Bundesregierung nutzt den Finanzcrash, um von eigenen Versäumnissen abzulenken.“ Die schwache Konsumnachfrage ist nicht von der Finanzmarktkrise verursacht, sie ist hausgemacht. Seit Jahren setzt die Regierung einseitig auf den Exportsektor: Sie beschneidet Sozialleistungen und staatliche Ausgaben und fördert Lohndumping. Von Kurt Pittelkau, Mitglied im Arbeitskreis Alterssicherung ver.di-Berlin

Die aktuelle Debatte um Konjunkturprogramme – von Meinungsmache geprägt, absolut schräg und weit von der Sache entfernt.

Die Debatte und auch die Entscheidungen zu konjunkturpolitischen Maßnahmen sind nicht geprägt von sachlichen Erwägungen, sondern vor allem vom Ergebnis einer Dauerpropaganda: Konjunkturprogramme sind Strohfeuer, sie bringen mehr Schulden – das glaubt nicht nur der Spitzenökonom der deutschen Wirtschaft Hüther, der sich gerade in ZDF-heute zu Wort gemeldet hat. Das glaubt auch der Bundesfinanzminister, der uns unentwegt mit unglaublichen Wortkombinationen unterhält – “Ich warne auch davor, aus der Hüfte etwas abzuschießen, was eher Symbolpolitik sein könnte, … was nur Geld verbrennen würde“ (Siehe unten). Und leider glaubt vermutlich auch die Mehrheit unseres Volkes, dass dies so sei. Konjunkturprogramme seien Strohfeuer, das ist eine Mär, die belegt, wie sehr ein Volk und seine Eliten manipuliert werden können. Quasi vollständig. Ein Wunder ist das nicht; denn auch Wirtschaftsforschungsinstitute, die noch bei der Begutachtung der Konjunkturprogramme in den siebziger Jahren vor allem Positives über ihre Wirkung notierten, behaupten heute das Gegenteil. Albrecht Müller.

Wirtschaft schrumpft gegenüber dem ersten Quartal 2008 um 0,5 Prozent

Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal 2008 zum ersten Mal seit knapp vier Jahren wieder geschrumpft: Um 0,5% war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – preis-, saison- und kalenderbereinigt – niedriger als im ersten Quartal 2008. In den ersten drei Monaten des Jahres war das BIP, das den Wert der im Inland erwirtschafteten Leistung misst, um 1,3% gestiegen. Einen Rückgang verzeichnete die deutsche Wirt­schaft zuletzt im dritten Quartal 2004 (– 0,2%). Auch die Wirtschaftsleistung der gesamten europäischen Währungsunion ging im zweiten Quartal zurück. Sie sank laut Eurostat [PDF – 140 KB] um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal.

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, waren für die Wirtschaftsentwicklung im zweiten Quartal rückläufige Konsumausgaben der privaten Haushalte und geringere Anlageinvestitionen kennzeichnend. Insbesondere die Bauinvestitionen waren deutlich niedriger als im ersten Vierteljahr. Positive Impulse kamen vom Außenhandel, was aber vor allem auf einen signifikanten Rückgang der Importe zurückzuführen ist. Anmerkungen von Wolfgang Lieb.

Hertie, Wehmeyer, SinnLeffers – die „unternehmerischen Erfolge“ von Finanzinvestoren?

Eine Welle von Insolvenzen von Textil-Handelsketten schwappt über das Land und bedroht tausende von Arbeitsplätzen und die Einkaufsmöglichkeiten vieler Kunden. Dafür gibt es viele Gründe. Etwa, dass der private Konsum stagniert oder beim Einzelhandel sogar rückläufig ist. Ein weiterer Grund ist sicherlich auch, dass durch die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in arm und reich den Kaufhäusern des mittleren Preissegments die Kundschaft wegbricht. Bemerkenswert ist allerdings vor allem, dass alle diese Handelsketten von Finanzinvestoren aufgekauft worden sind. Dass sie nun vor der Insolvenz stehen, spricht nicht gerade für deren unternehmerische Fähigkeiten. Oder haben sie diese aufgekauften Unternehmen nur „ausgesaugt“ und werfen sie jetzt weg, wie ausgelutschte Zitronen? Wolfgang Lieb

Dramatischer Einbruch der Lohnquote: von 2000 bis 2007 um 8% gesunken!

Inzwischen werden jährlich 135 Milliarden EUR vom Arbeitnehmer/Staat/Sozialversicherung wegverteilt.
Die Lohnquote – der Anteil der Arbeitnehmerentgelte (d.h. der Bruttolöhne incl. Lohnsteuern, Sozialabgaben und incl. AG-Anteile an Sozialversicherungsbeiträgen) am Volkseinkommen lag noch Anfang der 80er Jahre bei 76%. Bis zum Jahr 2000 ist der Anteil auf 72,2% (Destatis) nur langsam zurückgegangen. In den letzten 7 Jahren seit dem Jahr 2000 hingegen brach die Lohnquote regelrecht ein: im Gesamtjahr 2007 auf nur noch 64,6% (Destatis)! Zum Vergleich: Die USA haben seit Jahr-zehnten eine konstante Lohnquote von etwa 70%!

Was steckt hinter diesem scheinbar harmlosen Rückgang der Lohnquote um rd. 8%? Nun, dieser Rückgang bedeutet schlicht, dass die Arbeitnehmer und mit Ihnen die Sozialversiche-rungssysteme und der Staat auf nunmehr jährlich 135 Milliarden Euro (in den letzten 4 Jahren insgesamt über 400 Milliarden Euro) verzichten zugunsten der Unternehmer und Vermö-genden. Von Uwe Hans Staub