Schlagwort:
Bürgerproteste

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Zwei Versionen für die politische Unruhe in Mazedonien: Regime Change wie in Kiew und anderswo oder Kampf für die Demokratie und Menschenrechte

Ein neuer Krisenherd steht ins Haus. In Mazedonien demonstrierten am Sonntag 40.000 Unterstützer der Opposition. “Wenn Gruevski nicht zurücktritt, wird das hier die Hölle”, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Sie begründen die Forderung nach Rücktritt des gewählten Ministerpräsidenten mit hoher Arbeitslosigkeit, politischen Skandalen, Korruption und mit dem Skandal des angeblichen Abhörens von 670.000 Telefongesprächen durch die Regierung. – Die Regierungsseite mobilisiert Gegendemonstrationen. Diese und Beobachter von außerhalb sehen in den Vorgängen den Versuch, eine Regierung loszuwerden, die dem Westen neuerdings nicht mehr passt – konkret wegen des Einvernehmens mit Russland, den Bau der alternativen Pipeline über die Türkei nach Mazedonien und damit in die EU möglich zu machen. Siehe dazu diesen Artikel aus dem österreichischen Standard. Albrecht Müller

Der Rassist in uns

Seit dem 11. September 2001 ist „der Islam“ zur weltweiten Bedrohung avanciert. Seither steht jeder Moslem unter Generalverdacht, und denkt, wer das Wort Terrorist hört, in aller Regel umgehend an einen bärtigen Turban-Träger und nicht etwa mehr an die ETA, RAF oder IRA. Dass hierdurch inzwischen ein antimuslimischer Rassismus zu gesellschaftlicher Hegemonie gelangen konnte, wird kaum je thematisiert. Wie auch, dient derselbe den Mächtigen im Land doch zur Revitalisierung nationaler Identität, zur Legitimation von Grundrechteabbau, zur Ablenkung von sozialen Verwerfungen sowie als Projektionsfläche für die Wut und Ohnmacht im Volk? Zum alltäglichen Rassismus und dessen gesellschaftlicher Funktion sprach Jens Wernicke daher mit Iman Attia, die zu diesen Fragen seit Langem forscht und lehrt.

Über die Gewalt

In der medialen Resonanz auf die Frankfurter Blockupy-Demonstration vom 18. März überwiegen Begriffe wie „Krawall“, „bürgerkriegsähnliche Zustände“, „randalierender Mob“. Die präsentierten Bilder zeigen vermummte Demonstranten, brennende Polizeiwagen, Rauchschwaden, zerbrochenes Glas. Das eigentliche Anliegen der Organisatoren und der Masse der Demonstranten verschwindet hinter der Verdammung der von kleinen Gruppen praktizierten Gewalt. Götz Eisenberg nimmt die Ereignisse zum Anlass, über die Rolle der Gewalt im Kampf für eine freiere und gewaltlosere Gesellschaft nachzudenken.

Blockupy – Oder wie marktkonforme Demokratie funktioniert

Gestern demonstrierten in Frankfurt rund 20.000 Menschen gegen die feierliche Eröffnung der EZB und damit auch gegen die Verelendungspolitik der Troika, der die EZB angehört. Am Rande der Proteste kam es auch zu gewalttätigen Ausschreitungen, die gestern und heute – anders als friedlichen Proste – auch im Fokus der medialen Berichterstattung stehen. J.K. hat sich für die NachDenkSeiten Gedanken zu Blockupy und der Berichterstattung über Blockupy gemacht.

Venezuela – it’s the economy stupid

Letzte Woche verhafteten die venezolanischen Behörden Antonio Ledezma, den Bürgermeister von Caracas. Von 76 oppositionellen Bürgermeistern sind nun 33 in Haft oder stehen vor Gericht. Offizielle venezolanische Nachrichtenkanäle sprechen im Fall Ledezma von einem verhinderten Staatsstreich – unterstützt durch die USA. Es ist von außen sehr schwer, diese Vorwürfe zu bewerten. Zweifel sind jedoch angebracht. Venezuelas Wirtschaft befindet sich im freien Fall. Die Menschen leiden an einem rasanten Verlust ihrer Kaufkraft und Versorgungsengpässen. Noch nie war die Zustimmung für die regierenden „Chavistas“ so gering wie heute und im Herbst stehen eigentlich Wahlen vor der Tür. Gut möglich, dass die „Bolivarische Revolution“ nach siebzehn Jahren an ihren eigenen Fehlern zu Grunde geht. Eine besondere Bedeutung sollte man dabei der fehlgeleiteten Wirtschaftspolitik zuweisen. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Widerstand im Herzen des europäischen Krisenregimes

Blockupy, ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis, das die Macht des europäischen Krisenregimes sowie dessen Austeritätspolitik überwinden helfen will sich als Alternative hierzu für mehr Demokratie und Solidarität stark macht, machte zuletzt insbesondere im Juni 2013 bundesweit von sich hören. Damals war eine friedliche Demonstration in Frankfurt zuerst von der Polizei angegriffen und später medial massiv verunglimpft worden. Polizeiprovokateure sollen im Einsatz gewesen und der hessische Innenminister soll gelogen haben. Für den 18. März diesen Jahres mobilisiert das Bündnis nun anlässlich der Neueröffnung der Europäischen Zentralbank (EZB) unter dem Motto „Let’s Take Over The Party!“ erneut nach Frankfurt. Jens Wernicke sprach hierzu mit Hannah Eberle und Thomas Occupy vom Presseteam.

Wird die neue Friedensbewegung mit ihrem Protest gegen die Militarisierung der Politik und konkret gegen die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine durchhalten und ein angemessenes Echo finden?

Offenbar soll der Versuch gemacht werden. Ob das gelingt ist fraglich, obwohl wünschenswert. Es ist fraglich, weil die Diffamierung der Proteste des vergangenen Jahres inklusive der Friedensdemonstrationen vom 13.12.2014 („Friedenswinter“) machtvoll und erfolgreich war. Sie hat Kreise erreicht, die früher zur Friedensbewegung zählten und die man landläufig als links und linksliberal einstufen könnte. Diesen Eindruck gewann ich bei Freunden aus der früheren Friedensbewegung, die an den neuen Versuchen des Protestes zweifelten, u.a., weil sie im Blatt, dem sie seit Jahrzehnten vertrauen, in der Frankfurter Rundschau, am 12.12.2014 dieses lasen: „Die sogenannte Friedensbewegung eint die Ablehnung der liberalen Gesellschaft“; sie fände ihren Nachwuchs unter „Rechtspopulisten, Nationalisten, Verschwörungstheoretikern und Antisemiten“ Eine derartige Agitation hat nach meinem Eindruck viele potentiellen Unterstützer einer neuen Friedensbewegung erreicht. Albrecht Müller

Leserbriefe zu drei Artikeln und zwei Fragenkomplexen: PEGIDA und Demonstration in Paris

Aus den Rückmeldungen zur letzten Präsentation von Leserzuschriften können wir schließen, dass sich zumindest ein beachtlicher Teil der NachDenkSeiten-Leserinnen und -Leser für die Kommentare unserer Leserschaft interessieren. Deshalb werden hier die Zuschriften zu drei Beiträgen wiedergegeben:
Zum Beitrag von Götz Eisenberg „Der Extremismus der Mitte“ vom 6. Januar.
Dann zum zweiten Komplex, dem Beitrag von Albrecht Müller vom 12. Januar „Die gestrige Manifestation von Paris wird, so eindrucksvoll sie auch war, die Möglichkeit zur Sozial- und Medienkritik um Jahre zurückwerfen“ und dem darauf folgenden Beitrag von Wolfgang Lieb vom 13. Januar „Kann man aus der Manifestation von Paris nicht auch Zuversicht schöpfen?“. Albrecht Müller

„Lügenpresse“- das Unwort des Jahres

„Lügenpresse“ ist Unwort des Jahres 2014, und manche werden fragen: Warum Unwort? Stimmt es etwa nicht, dass wir im Fernsehen und in den Zeitungen Tag für Tag Un- oder Halbwahrheiten aufgetischt bekommen, nicht selten im Dienste mächtiger politischer und ökonomischer Interessen? Ich bin gemeinsam mit vier Sprachwissenschaftlern, Mitglied der unabhängigen Jury, die das Unwort jedes Jahr kürt. Und ich möchte hier erläutern, warum ich die Entscheidung für „Lügenpresse“ gerne mitgetragen habe. Und zwar gerade weil ich nicht alles, aber vieles teile, was hier immer wieder medienkritisch vorgetragen wird. Von Stephan Hebel.

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Kann man aus der Manifestation von Paris nicht auch Zuversicht schöpfen?

Albrecht Müller hat bei aller Bewunderung „das Geschehen und die mediale Behandlung“ der Manifestationen in Paris und an vielen anderen Orten nicht nur Europas, sondern in der ganzen Welt „mit Sorgen“ verfolgt. Er sieht in dem „Geschehen“ auf nahezu allen Feldern, die er selbst kritisch betrachtet und die ihn bekümmern, eher negative Auswirkungen und Verschlechterungen. Geradezu wie Kassandra aus der griechischen Mythologie, sieht er in den von ihm angesprochenen Politikbereichen nach diesen Tagen größeres Unheil voraus.
Die meisten der Sorgen, die Albrecht Müller umtreiben, über das, was aus den Attentaten folgen könnte, teile ich.
Aber die Tatsache, dass am Sonntag Millionen von Menschen ihre Trauer über abscheuliche Mordtaten in ein Bekenntnis an erster Stelle im Sinne eines Mitgefühls für die Opfer und ihre Freunde, dann aber auch (am deutlichsten an den Bleistiften sichtbar) als Appell für die Pressefreiheit („Je suis Charlie“), schließlich auch für gesellschaftlichen Zusammenhalt jenseits religiöser, ethnischer und sozialer Herkunft, für Solidarität, für die Republik, für fraternité und liberté umgesetzt haben, sehe ich als einen Hoffnungsschimmer. Wenn derartige Bekenntnisse einer breiten Öffentlichkeit politisch nichts mehr verbessern könnten, dann müsste man alle Bemühungen um Aufklärung und um eine demokratische Gegenöffentlichkeit aufgeben. Von Wolfgang Lieb.

Der Extremismus der Mitte

Immer wieder wird von Verteidigern der antiislamischen und fremdenfeindlichen PEGIDA-Bewegung vorgebracht, die Demonstranten seien in ihrer Mehrzahl „keine Nazis“, sondern „ganz normale Leute“, die der „Mitte der Gesellschaft“ entstammten. Als könnte man nicht der Mitte der Gesellschaft entstammen und Nazi sein! Von Götz Eisenberg.

PEGIDA ist das Symptom eines größeren Problems

PEGIDA ist in aller Munde und wird dabei in aller Regel entweder vermeintlich „verstanden“ und in Teilen „respektiert“ oder aber als Problem der radikalen Rechten in Deutschland klassifiziert und bekämpft. Umfragen und Studien ergeben jedoch, dass die „Angst vor dem Islam“ seit Langem ein deutsches wie internationales Problem darstellt – und sich nicht nur in einzelnen politischen Lagern verorten und an diese „wegdelegieren“ lässt. Manch einer spricht daher auf der Suche nach Verständnis für die aktuelle gesellschaftliche Situation inzwischen von PEGIDA als dem „Produkt einer (langfristigen) politischen und medialen Inszenierung” und betont vor allem die Funktion von Rassismus in einer immer ungleicheren Welt. Die seit Jahren geschürte Islamfeindlichkeit diene dabei vor allem dazu, eigene Privilegien zu verteidigen sowie die nationale deutsche Identität zu revitalisieren, wie beispielsweise die Professorin für Diversity Studies, Rassismus und Migration Iman Attia betont. Jens Wernicke geht im Gespräch mit der Medienkritikerin sowie Sprach- und Islamwissenschaftlerin Sabine Schiffer[*] diesen Fragen und Hintergründen weiter nach.

„Lügenpresse“ oder der Kampf gegen Meinungsmache und für mehr Meinungsvielfalt

„Lügenpresse! Lügenpresse!“ riefen die Demonstranten zumindest der vorderen Reihen, als der „Anführer“ der Bewegung „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ Lutz Bachmann auf der Demonstration am 22. Dezember 2014 in Dresden, seine „Preisverleihung“ zur kritischen Medienberichterstattung über „Pegida“ vortrug. Mich hat das Skandieren von „Lügenpresse“ erschreckt und zugleich nachdenklich gemacht, stellen sich doch die NachDenkSeiten gegen Meinungsmache, gegen Meinungsmanipulation, gegen einseitige und hetzerische Berichterstattung. Sind die „Pegida“-Demonstranten etwa auch Teil einer Gegenöffentlichkeit, die die NachDenkSeiten herstellen wollen? Von Wolfgang Lieb.

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Ausländer-Hass und die Grenzen der Aufklärung

4,7 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden sind Ausländerinnen und Ausländer. Den Anteil der Muslime an der Bevölkerung Dresdens beträgt 0,4 Prozent. Warum sind dort die anti-islamischen, ausländerfeindlichen und rechtsextremen Demonstrationen am stärksten? Diesen Montag sollen 15 000 Leute durch Dresden gezogen sein. Die Antwort lautet: Der Ausländerfeind braucht keine Ausländer, um sie zu hassen – wie der Antisemit keinen Juden braucht, um über die Juden Bescheid zu wissen und gegen sie zu sein. In einem Filmbeitrag für die Heute-Show hört man Teilnehmer einer PEGIDA-Demonstration richtigen Wahnsinn in die Mikrofone blubbern: “Der IS kommt zu uns rüber und schneidet uns die Köpfe ab”; “Es dauert nicht mehr lang und unsere Kinder müssen in der Schule eine Burka tragen” und Ähnliches mehr. Imre Kertész spricht in diesem Zusammenhang von „platonischem Judenhass“, der auch dort existiert, wo es praktisch keine Juden mehr gibt. Juden, Zigeuner, Muslime, Kanaken, Homosexuelle und so weiter sind die äußeren Repräsentanten des verfemten Teils der eigenen Person. Sie liefern einem diffusen Hass ein imaginäres Objekt. Es ist das Fremde – oder fremd Gewordene – in der eigenen Person, das im Fremden gehasst und verfolgt wird. Von Götz Eisenberg.

PEGIDA – Ohne Korrektur der Politik wird dieser oder ein ähnlicher Protest vermutlich zum Dauerproblem

Meines Erachtens macht es Sinn, einen großen Teil der 15.000 Demonstranten vom vergangenen Montag in Dresden zu verstehen, ohne die Stoßrichtung ihrer Kritik und Feindseligkeit gegenüber den Fremden zu entschuldigen. Ein solcher Protest gegen Fremde, gegen Asylbewerber und Flüchtlinge war zu erwarten; er war von etablierten Politikern und Medien seit Jahren im Hintergrund und offen angeheizt worden; er gründet auf Ängsten, deren Grundlage die Politik seit langem gelegt hat. Die Ängste zu verringern wäre möglich, aber dazu fehlt der politische Wille. Im Gegenteil, es wird – mit wenigen Ausnahmen – alles getan, um weitere Grundlagen dafür zu legen, dass Menschen, die von oben getreten werden, nach unten weitertreten. Albrecht Müller.