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Hauptsache Bayern

Wohl in keinem anderen Bundesland gibt es eine so starke Identifikation mit dem eigenen Land wie in Bayern. Die CSU hat es schon immer und bei dieser Landtagswahl wieder einmal verstanden dieses „Mia san Mia“-Gefühl politisch für sich zu nutzen. Mit 47,7 % der abgegebenen Stimmen hat es der bayerische Ableger der CDU einmal mehr geschafft, die absolute Mehrheit der Mandate im bayerischen Landtag zu erreichen.

Wenn man die Aussagen der Parteien am Wahlabend verfolgt hat, kann einem für die letzte Woche vor der Bundestagswahl nur noch Angs und Bange werden. Von Wolfgang Lieb.

Bayerns Finanzminister: Werft die Nehmerländer aus dem Finanzausgleich aus dem Euro

„Das, was die Griechen leisten müssen, können auch Bremen und Berlin schaffen“, meinte der bayerische Finanzminister unlängst in einem Focus-Interview. Die gleichen Sanktionen, die jetzt für europäische Staaten gelten, sollten auch auf die Regionen angewendet werden, die unsolide wirtschaften. Am besten sollte dann wohl die Troika aus EZB, IWF und EU-Kommission den Stadtstaaten Berlin und Bremen und sämtlichen ostdeutschen Länder, die ja die hauptsächlichen Nehmerländer sind, einen Sparkatalog oktroyieren und wenn es sein muss eine Technokratenregierung aufzwingen. Und wenn sie nicht spuren, dann müssen sie Strafe bezahlen oder eben wie Griechenland den Euro aufgeben, den europäischen Währungsraum verlassen und die D-Mark-Ost einführen.
Mit solchen populistischen Parolen begründet die bayerische Staatsregierung ihre Klage gegen den Länderfinanzausgleich vor dem Bundesverfassungsgericht. Schaut man genauer hin, ist das Getöse nicht mehr als der vorgezogene Wahlkampf einer immer nervöser werdenden CSU und eines immer unkalkulierbareren Ministerpräsidenten Horst Seehofer.
Von Wolfgang Lieb.

Liberalitas Bavariae adieu – oder die Risiken der direkten Demokratie

Ausgerechnet diese einst aufmüpfigen und liberalen Bayern in ihrem „Freistaat“, wo sozusagen Schnupftabak und Gesteckpfeife zum Kulturerbe gehören, haben nun für ein absolutes Rauchverbot gestimmt. Es ist geradezu paradox, dass nunmehr, statt gegen staatliche Ge- und Verbote aufzumüpfen, umgekehrt die Bayern ausgerechnet vom Staat Verbote fordern. Und das, obwohl der Staat, mit Überwachungskameras, Telefondatenspeicherung, Internetüberwachung, Einschränkung der Versammlungsfreiheit ihre Freiheit und Selbstbestimmung in den letzten Jahren erheblich eingeschränkt hat, und mit der Begründung von Terrorismusbekämpfung oder Sozialmissbrauch der Staat peu á peu in die urliberalen Freiheitsrechte eingreift. Die Rauchverbotsbefürworter erzwingen mit einer demokratischen Abstimmung die Realisierung ihrer eigenen Werte und Prinzipien, die sie für unabdingbar erklären, als Gesetz, ohne jedoch die Handlungsfolgen ihrer Forderungen zu überdenken. Diese Gesinnungsethik ist eine höchst bedenkliche Entwicklung. Wenn erst einmal das Klima für eine Akzeptanz von Verboten in der Gesellschaft geschaffen ist, ist es ein Leichtes weitere Verbote einzuführen und die Gesellschaft zu gängeln. Von Christine Wicht

In Bayern werden nun doch Schülerdatenbanken eingeführt

Am 19.05. hat der Bayerische Landtag die umstrittene Schülerdatenbank verabschiedet. Dem entsprechenden Gesetzentwurf [PDF – 511 KB] stimmten CSU und FDP zu; Freie Wähler, SPD und Grüne lehnten ihn ab. Die Einführung einer Schülerdatenbank wird von CSU und FDP mit folgender Begründung gerechtfertigt: „Das neue Verfahren soll schulübergreifende Verwaltungsabläufe vereinfachen, Berichtswege vereinheitlichen und damit übersichtlicher machen, die Bildungsplanung durch rascher verfügbare und valide Daten optimieren und die Schulstatistik modernisieren. “ Der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) sagte: „Wir schlagen einen Weg ein, der bundesweit beispielgebend ist“. Die Landeselternvereinigung bayerischer Gymnasien (LEV) behält sich eine Klage beim Verfassungsgericht vor und zieht alternativ ein Volksbegehren in Erwägung. Die Bildungsgewerkschaft GEW und die Landesschülervertretung protestieren ebenfalls gegen das Gesetz, ebenso Elternverbände und Elternbeiräte. Das Gesetz tritt am 1. Juni in Kraft, ein bayernweiter Betrieb des neuen Verfahrens soll zu diesem Zeitpunkt noch nicht umgesetzt werden. Nach Inkrafttreten der Rechtsgrundlage beginnen die notwendigen Vorbereitungsarbeiten an ausgewählten Testschulen, die zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen sein sollen. Von Christine Wicht

Hochschulpolitik als bayerische Standortpolitik – Wie die Autonomie der Wissenschaft untergraben wird

„Eine zukunftsweisende Hochschulpolitik ist Standortpolitik. Die bayerische Wirtschaft braucht hervorragend ausgebildete Hochschulabsolventinnen und -absolventen. Sie sind die Basis für Innovationen und damit für den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit bayerischer Unternehmen.“ Damit sind die Ziele des Projekts „Mehr Exzellenz an bayerischen Hochschulen“, das die CHE Consult im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V (vbw) [PDF – 1,4 MB] durchgeführt hat, treffend beschrieben. Es soll also an den bayerischen Hochschulen nicht mehr um „Bildung durch Wissenschaft“ oder auch um den durchaus beruflich bezogenen Kompetenzerwerb zu selbstständigem wissenschaftlichen Denken und Reflexions- und Urteilsvermögen gehen und es geht auch nicht mehr um die „gesamt“-gesellschaftliche Verantwortung der Hochschulen, sondern um „Standortpolitik“ für den „Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit bayerischer Unternehmen“. Wolfgang Lieb

Gläserne Schüler in Bayern – Daten erfassen, statt Probleme lösen

Die Kultusminister haben sich bereits im Jahr 2006 darauf verständigt, dass personenbezogene Daten von Kindern anonym in ein “nationales Bildungsregister” einfließen sollen. Nach den Plänen der Kultusministerkonferenz sollte bis 2008 ein Zentralregister mit Schülerdaten aufgebaut werden, dies stieß jedoch auf heftigen Widerstand. CSU und FDP haben nun einen neuen Gesetzentwurf für eine Schülerdatenbank in Bayern vorgelegt, der sich noch im Verfahren der Verbändeanhörung befindet. Es ist geplant Daten von Schülerinnen und Schülern insbesondere Name, Adressdaten, Religionszugehörigkeit, Migrationshintergrund, schulische Daten, Leistungsdaten, Daten zur schulischen und beruflichen Vorbildung sowie zur Berufsausbildung datentechnisch zu erfassen. Bei den Lehrkräften werden insbesondere Name und Angaben zur Lehrbefähigung und zum Unterrichtseinsatz, bei den Erziehungsberechtigten Name und Adressdaten erfasst. Von Christine Wicht

Freie Wähler – Befreite Wähler?

Vor einer Woche, so behaupten es derzeit die Massenmedien, sei in Bayern eine neue Ära angebrochen. Das Ende der Alleinherrschaft der CSU sei besiegelt, dafür drängen neue Parteien in den Landtag. Unter diesen Neuen, unter den Siegern der Landtagswahl, findet sich eine Partei, die gar keine Partei sein will, die sogar bei Kommunalwahlen mit diesem Nichtwollen wirbt.

Wen hat sich der bayerische Wähler da selbst vor die Nase gesetzt?

Originell sind die inhaltlichen Ansätze der Freien Wähler nicht. Was sich in der Stichwortsammlung der „FW“ findet, ist keine Sensation, sondern vielmehr ein Sammelsurium verschiedenster Schlagworte und Parolen, die sich aus den Programmen anderer Parteien rekrutiert zu haben scheinen. Ja, man hat den Eindruck, dass sich hier das neoliberale, wirtschaftstreue Spießbürgertum vereint hat, um den spiegelbildgleichen Zeitgenossen, die innerhalb der CSU oder FDP Parteilichkeit ausüben, eine Konkurrenz aus dem “eigenen Ideologiegebäude” zu sein. Mit den Freien Wählern hat sich der bayerische Wähler sicherlich nicht befreit…
Von Roberto De Lapuente

Landtagswahlen in Bayern seit 1946 – Ergebnisse unter Berücksichtigung der Nichtwähler

Unser Leser U.B. hat uns eine interessante Grafik zukommen lassen. Daraus wird etwa ersichtlich, dass das Wahlergebnis von über 60 % für die CSU im Jahre 2003 nur durch die dramatische Zunahme der Nichtwähler zustande kam und dass die beiden „Volksparteien“ parallel zu diesem Anstieg Stimmenanteile verloren haben.
Sollten sich die Union und die Sozialdemokraten also der Illusion hingeben, dass sie große Teile der Wählerschichten vernachlässigen und auf deren Wahlabstinenz bauen könnten und dabei dennoch relative Mehrheiten beim Anteil der abgegebenen Stimmen erreichen könnten, so täuschen sie sich.

Doppelmoral gegenüber Wortbrüchen

Eine Zusammenarbeit der hessischen SPD und der Linken wird von den Medien und von der Politik bis hin zur SPD als Wortbruch moralisch verdammt. Doch bei der Kampagne gegen Andrea Ypsilanti ging es in Wahrheit nie wirklich um Moral. „Glaubwürdigkeit“ wurde und wird als politisches Kampfmittel eingesetzt, um eine unerwünschte politische Mehrheit zu verhindern.Das belegt bereits der völlig unterschiedliche öffentliche Umgang mit den Koalitionsaussagen der Grünen in Hamburg: “Es mag rechnerisch eine Mehrheit für dieses Bündnis geben, doch es passt inhaltlich nicht”, erklärte die Landesvorsitzende der GAL Anja Hajduk vor der Wahl und ging dennoch mit Ole von Beust zusammen.

Das beweist schließlich die Gelassenheit, mit der in der veröffentlichten Meinung der Wortbruch durch die Genehmigung des Kohlekraftwerks Hamburg-Moorburg (paradoxerweise auch noch) durch die nunmehr zur Umweltsenatorin aufgestiegenen Anja Hajduk hingenommen wird. Auch diese Genehmigung ist eine Entscheidung für eine Regierungsmehrheit und gegen ein eindeutiges Wahlversprechen, dazu noch beim Klimaschutz, einem elementaren Feld des Selbstverständnisses der Umweltschutzpartei. Wolfgang Lieb

Wahlumfragen und Wahlergebnisse – Demoskopen sind die Verlierer der Bayernwahl

Nicht ein einziges der demoskopischen Unternehmen hat den Absturz der CSU auch nur annähernd ermittelt. Alle Erhebungen im September ergaben eine absolute Mehrheit der CSU. Am deutlichsten verfehlte Forsa das tatsächliche Wahlergebnis, noch zehn Tage vor der Wahl ermittelte Manfred Güllners Institut einen Prozentanteil von 50 % für die Christsozialen. (WL)

Schwarzer Tag für die Schwarzen in Bayern – SPD in Euphorie trotz schlechtestem Ergebnis

Die CSU ist von 60,7 % und einer Zweidrittelmehrheit der Mandate wie noch keine andere Partei bei einer Wahl um über 17 % auf 43,5 % abgestürzt und benötigt zum ersten Mal seit 46 Jahren einen Koalitionspartner. Die Unionsparteien haben damit die zehnte Landtagswahl hintereinander und – laut Tagesthemen – in den letzten 10 Jahren insgesamt 53 % ihrer Wähler verloren. Die SPD hat nach ihrem letzten schlechten Wahlergebnis noch einmal 1 % verloren und landete als 18-Prozentpartei. Dennoch machte die Parteiführung in Euphorie. Wolfgang Lieb

Mit dem Versammlungsgesetz trägt die CSU ein elementares Bürgerrecht zu Grabe

Die CSU hat am 16. Juli über das umstrittene Versammlungsgesetz abgestimmt. Das Gesetz wurde mit 100 zu 45 Stimmen beschlossen. Die 15 Abgeordneten der GRÜNEN im Bayerischen Landtag trugen als Zeichen ihres Protests während der Plenardebatte weiße T-Shirts mit dem aufgedruckten Artikel 113 der Bayerischen Verfassung “Alle Bewohner Bayerns haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder besondere Erlaubnis friedlich und unbewaffnet zu versammeln.” Auf der Vorderseite der Shirts prangte der Schriftzug “Wir sind so frei”. Die CSU kommentierte diese Uniformierung, die unter anderem als Provokation gegen die im Versammlungsgesetz verbotene Uniformierung gedacht war, mit der Forderung „Ausziehen“.Von Christine Wicht

Neues Versammlungsgesetz der Bayerischen Staatsregierung – Abbau der Versammlungsfreiheit und Ausdruck obrigkeitsstaatlichen Denkens

Bislang gab es ein einheitliches bundesdeutsches Versammlungsgesetz. Mit der Föderalismusreform im Jahr 2006 wurde die gesetzliche Ausgestaltung des Versammlungsrechts auf die Länder übertragen. Die Bayerische Staatsregierung hat im März einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der noch vor der Sommerpause vom Landtag verabschiedet werden soll. Mit der Begründung, „den Schutz gegen rechtsextremistische Versammlungen zu verstärken“, will die Bayerische Staatsregierung die derzeit gültige bundesgesetzliche Regelung in verfassungsrechtlich höchst problematischer Weise einschränken. Von Christine Wicht

Leibhaftige Finanzminister sind nicht fähig, in gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen zu denken

Das demonstriert der bayerische Finanzminister Erwin Huber mit einem Leserbrief zu einem Beitrag von Heiner Flassbeck in der Süddeutschen Zeitung vom 4.3.2008. Es ging dabei um den bayerischen Staatsfonds, und es geht um ähnliche Versuche in anderen Bundesländern.
Heiner Flassbeck hat den Leserbrief Erwin Hubers für die NachDenkSeiten kommentiert. Es folgen alle drei Texte. Albrecht Müller.