Schlagwort:
Privatvorsorge

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BILD und die Rentenangst – harte Interessen, weiche Zahlen

Bericht: Kim Otto, Markus Zeidler
ARD, 21:45 – 22:15 Uhr:
Seit Monaten läuft in der BILD-Zeitung eine Kampagne um die gesetzliche Rente. Die Botschaft: Wer nicht privat vorsorge, dem drohe Altersarmut.
MONITOR zeigt, wie mit unseriösen Zahlen die Angst in der Bevölkerung geschürt wird. Diese vermeintlich objektiven Fakten stammen von einem Wirtschaftsinstitut, hinter dem die Finanzwirtschaft steht. Gleichzeitig kommen Wissenschaftler zu Wort, die in Aufsichtsräten von großen Versicherungskonzernen sitzen. Die Recherchen zeigen, wie der Versicherungskonzern Allianz gemeinsam mit der Gruppe Bild.T-online.de eine “strategische Kooperation” eingegangen ist. Das Ziel ist offenbar, möglichst viele Bild-Leser zum Abschluss einer privaten Altersvorsorge zu bewegen. Dafür wurde auch mit großen Anzeigen in der BILD-Zeitung geworben. Experten beobachten seit Jahren, wie ein Netzwerk aus Journalisten, Wissenschaftlern und Versicherungskonzernen die gesetzliche Rente verunglimpft und mit dubiosen Zahlen für die private Versicherungswirtschaft wirbt.

Quelle: WDR

Vizekanzler Müntefering als oberster Versicherungsagent

„Koalition mahnt zu privater Vorsorge“, berichtet die FR korrekt; Bundessozialminister Müntefering, meint, um im Alter gut versorgt zu sein, „müssen die Menschen zusätzlich privat vorsorgen“, heißt es in der „Rheinpfalz“ und so vermutlich in allen anderen Medien auch. Die Beschlüsse des Kabinetts von gestern und die öffentlichen Äußerungen der Verantwortlichen sind wie eine zig-millionenschwere Werbekampagne der Lebensversicherer. – Wer meint, die Privatvorsorge löse ein Problem, das die gesetzliche Rente nicht zu lösen vermag, der hat nichts verstanden, oder er handelt im Auftrag der Versicherungswirtschaft. Deshalb heißt die Überschrift des einschlägigen Kapitel in meinem neuen Buch „Machtwahn“ auch: „Dumm, arglos oder korrupt?“. Zur Vorab-Information der NachDenkSeiten-Nutzer ist der einschlägige Text in der Rubrik „Veröffentlichungen der Herausgeber“ eingestellt.

Unsere Eliten vertreten private Interessen – schamlos und ungeschminkt

Wenn Sie im kritischen Tagebuch der NachDenkSeiten zurückblättern, werden Sie eine Fülle von Fakten und Daten darüber finden, wie Politik, Wissenschaft und Medien systematisch das Vertrauen in die sozialen Sicherungssysteme zerstören und damit private Interessen der Versicherungswirtschaft bedienen. Diese politische Korruption ist offenbar nicht zu stoppen – es wird schamlos weitergemacht, auch in öffentlich-rechtlichen Medien. Im folgenden weisen wir auf einen Beitrag der aktuellen Tagesschau und auf einen Bericht von SpiegelOnline über den Regierungsbericht für Altersvorsorge hin. In beiden Beiträgen wird hemmungslos Propaganda für die Privatvorsorge gemacht. Angesichts der Tatsache, dass die Privatvorsorge-Systeme weltweit in der Krise sind und der Umstieg auf Privatvorsorge de facto gar nichts an der angeblichen Überalterung ändern kann, ist diese Chuzpe schon wieder bewundernswert.

SPD-Werbebroschüre für die Rente mit 67: Statt Fakten und Argumente mal wieder Mythen und falsche Behauptungen

In einer Werbebroschüre mit dem Titel „Heute handeln für die Altersvorsorge von morgen“ [PDF – 148 KB] versucht die SPD auf den massiven Unmut gegen die Rente mit 67 zu reagieren. Dabei wird u.a. wieder einmal mit demografischen Horrorzahlen über die Entwicklung der Beitragszahler im Verhältnis zu den zu versorgenden Rentnern operiert. Einmal mehr wird die Legende aufgetischt, dass der demografische Wandel die Einschnitte in die Rente erzwinge und es wird schlicht geleugnet, dass die Probleme der Rentenfinanzierung ihre Ursache vor allem in einer verfehlten Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik haben.

Winfried Schmähl in den VDI-nachrichten: Wirtschaftliche Interessen beherrschen die Rentendebatte

Die Sozialversicherungsbeiträge könnten von derzeit 42 % auf 35 % eines Monatslohns sinken, wenn die Fehlfinanzierung in den Sozialversicherungen beendet würde, erklärt der Bremer Ökonom Winfried Schmähl. Er hält die Förderung der privaten Altersvorsorge aus Steuermitteln für problematisch. Dieses Geld sollte besser für Qualifizierung eingesetzt werden. Sagt Schmähl in einem Interview mit den VDI-Nachrichten.
Professor Schmähl, Mitglied der von der früheren Bundesregierung eingesetzten Kommission für den 5. Altenbericht, widerlegt einmal mehr die Argumente der Propagandisten für die private Altersvorsorge und deren Angstkampagne gegen die gesetzliche Rente. Anders als die Raffelhüschens und die Rürups wird er allerdings von der Versicherungswirtschaft zu sog. „Informationsveranstaltungen“ nicht eingeladen. Warum wohl?

Auch die Tagesschau macht Werbung für die privaten Lebensversicherer

Wir haben auf den NachDenkSeiten immer wieder [1] [2] [3] [4] darauf aufmerksam gemacht, wie sich unsere Medien vor den Karren der Versicherungslobby spannen lassen.
Als Quelle für die Horrordarstellungen über die gesetzliche Rente wird dabei regelmäßig das „Deutsche Institut für Altersvorsorge“ (DIA) genannt. Dabei wird – bis auf ein paar löbliche Ausnahmen – von den meisten Medien, vor allem von Bild, Welt, SpiegelOnline oder Berliner Zeitung verschwiegen, dass das DIA kein neutrales wissenschaftliches Institut, sondern ein von der Deutschen Bank und Investmenttöchtern dieser Bank getragener „Think-Tank“ ist, der als „wissenschaftlicher“ Schreibtisch für die Versicherungswirtschaft dient.
LobbyControl berichtet nun darüber, dass sich selbst die von den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern verantwortete Tageschau als unkritischer Werbeträger in die Propagandakampagne für die private Altersvorsorge einspannen lässt.
Ein weiterer Akt im Trauerspiel über den kritischen und unabhängigen Journalismus in Deutschland.

Rürup und das Müntefering-Ministerium werben offen für Privatvorsorge – mit Steuergeldern

Ein aufmerksamer Nutzer macht uns auffolgendes aufmerksam: Es war verdienstvoll, dass die Nachdenkseiten die PR-Tätigkeit von Rürup für MLP – den Heidelberger Finanzdienstleister für „Akademiker und andere anspruchsvolle Kunden“ – enthüllt hatten. Dieser “Rentenexperte” ist wohl das in ihn investierte Geld wert. In “Bild” vom 10.2. spricht er sich für die Rente mit 67 aus, behauptet wahrheitswidrig, die Rente mit 67 “verringert Kürzungen” und auf die “Bild”-Feststellung, “aber die Leistungen der gesetzlichen Rente gehen zurück” antwortet er ganz im Sinne eines seiner Arbeitgeber: “Das stimmt. Deshalb ist private Vorsorge für die Jungen notwendig.” Dabei werde man auch über eine “Pflicht zur Vorsorge reden müssen.”

“Die falschen Versprechen der privaten Rentenvorsorge“

Unter diesem Titel erschien bei Project Syndicate ein Beitrag von J. Bradford DeLong, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der University of California in Berkeley und früher Staatssekretär im US-Finanzministerium, mit einem klaren Plädoyer dafür, Reformen in Richtung Umlageverfahren zu machen. Der Beitrag endet mit folgender Anmerkung:

Aber die Einhebung von Sozialversicherungsbeiträgen von Millionen von Arbeitnehmern und die Auszahlung von zig Millionen Rentenbeträgen ist jene Art von routinemäßiger, halbautomatischer Aufgabe, die ein Staat gut bewältigen kann. Nachdem private Unternehmen sich von den leistungsorientierten Vorsorgemodellen verabschieden, ist es noch wichtiger und nützlicher als in der Vergangenheit, dass der Staat in unserer postindustriellen, vernetzten Gesellschaft diese Aufgaben übernimmt.

„Rente sich wer kann!“ Mit solchen Parolen wurde für die private Rente getrommelt. Die Gesamtverszinsung für private Lebensversicherungen sinkt nun zum elften Mal in Folge. Jetzt werden Krokodilstränen geweint.

Im Gegensatz zu den großspurigen Versprechen der Versicherungswirtschaft, wonach nur noch die private (Zusatz-)Rente eine sichere und angemessene Altersversorgung garantiere, berichteten FAZ und BILD, dass die Gesamtverzinsung der deutschen Lebensversicherer von 7,28 im Jahre 1998 auf 4,30 % in diesem Jahr zurückgehen wird. Das lag im Wesentlichen an den hohen Verlusten auf den Aktienmärkten bis 2004. „Mancher Sparer musste zusehen, wie die für den Beginn des Ruhestands erwartete Überweisung Schritt für Schritt um viele tausend Euro verringert wurde“, schreibt die FAZ am 4.1.06.
Das belegt einmal mehr: Die kapitalgedeckte Lebensversicherung ist genauso von der ökonomischen Entwicklung abhängig, wie die umlagefinanzierte Rente und unterliegt darüber hinaus dem Risiko von Fehlspekulationen der Versicherer.

Von der Freiheit der Wissenschaft zu Wissenschaftlern in Aufsichtsräten

Nur so mal nebenbei: Professor Dr. Bernd Raffelhüschen, Direktor des Instituts für Finanzwissenschaft an der Universität Freiburg, ein wissenschaftliches Sprachrohr für die Privatisierung der Sozialversicherungen und gefragter Interviewpartner der Initiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“ und Professorin Beatrice Weder di Mauro, Mitglied des „unabhängigen“ Sachverständigenrats und dort Anhängerin der „Reform der Sozialsysteme“, beide sitzen im Aufsichtsrat der „ERGO Versicherungsgruppe“. Dieser Versicherungskonzern ist mit 16 Mrd. Euro Beitragsaufkommen die Nummer 2 im deutschen Erstversicherungsmarkt und gehört zu 94,7% ist die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft.
Wer zahlt schafft an! Soviel zu Freiheit und Unabhängigkeit der Wissenschaft dieser Wissenschaftler.

Die allgemeine Verunsicherung über die Rente ist angekommen

Dreiviertel aller Deutschen rechnen auf Dauer mit weiter sinkenden Renten, nur 9% haben noch Hoffnung auf höhere Renten. 69% halten inzwischen eine private Altersvorsorge für nötig, aber nur jeder Zweite spart fürs Alter. Das meldet die Bild-Zeitung am 27. Dezember unter Bezugnahme auf eine Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK, die pikanterweise von der AachenMünchner-Versicherung in Auftrag gegeben wurde. Die Versicherungswirtschaft hat also ihr erstes Teilziel erreicht:
Das Vertrauen in die Rente ist gründlich zerstört. Jetzt muss es die Versicherungslobby, um ihr Endziel zu erreichen, nur noch schaffen, dass die Menschen auch Altersversicherungsverträge abschließen – am Besten mittels gesetzlichem Zwang, unabhängig davon, ob sich die Menschen eine zusätzliche private Versicherung leisten können oder nicht.

Gekaufte Republik. Staatssekretär bei Bundespräsident Köhler arbeitet ohne Gehalt – sein Geld bekommt er von einer Finanzgruppe

Der Vorstandsvorsitzende des Finanzkonzerns Wüstenrot & Württembergische (W&W) Gert Haller wird ab 1. März 2006 Nachfolger von Michael Jansen als Chef des Bundespräsidialamtes. Im Rang eines Staatssekretärs wird er sein Amt ohne Salär ausüben. Er kann sich das leisten, denn für seinen Lebensunterhalt wird weiter sein Konzern durch eine Pension sorgen.