Schlagwort:
Reformpolitik

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Nachtrag zum Hamsterfilm des BMF – Leser machen auf dreiste Manipulation aufmerksam

Die NachDenkSeiten gewinnen immer wieder durch spannende Hinweise unserer Leser. So erreichten mich nach Veröffentlichung des Beitrags über den Hamsterfilm des Bundesministers der Finanzen zur Staatsverschuldung zwei Mails mit konkreten Hinweisen auf Manipulationen. Einer unserer Leser beschaffte sich beim BMF die Daten zur Pro-Kopf-Verschuldung von 1950 bis 2006, wandelte das Datenmaterial in zwei Grafiken um und verglich diese mit der einschlägigen Grafik im Film des BMF. Das ist eine sehr verdienstvolle Arbeit, weil sich daran nicht nur zeigen lässt, wie mit einfachen Tricks eine Abbildung zu Stande kam, die die Agitation des Hamsterfilms stützen sollte. An den beiden Grafiken wird der in meinem letzten Beitrag schon angesprochene Zusammenhang zwischen einer guten konjunkturellen Entwicklung und der Chance zum Schuldenabbau an mehreren Stellen deutlich und es lassen sich einige der gängigen Vorurteile über verschiedene Zeiträume der letzten 55 Jahre in Luft auflösen. Albrecht Müller.

25 Jahre Lambsdorff-Papier – ein Konzept des Scheiterns und des Niedergangs

Am 9. September 1982 hat der damalige Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff sein „Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ – den „Scheidebrief“ für die damalige sozialliberale Koalition – veröffentlicht. Die in diesem „Konzept“ beschriebene Analyse und die dort gemachten Lösungsvorschläge prägten in den letzten 25 Jahren bis hin zur Agenda 2010 mehr und mehr den politischen Kurs, sie beherrschten die öffentliche Debatte und lenkten den Mainstream der Medien. Ein Vierteljahrhundert lautet die Rezeptur immer nur: mehr „marktwirtschaftliche Politik“, „Konsoldierungskonzepte für die öffentlichen Haushalte“, „Anpassung der sozialen Sicherungssysteme“, „Verbilligung des Faktors Arbeit“.
Die Ergebnisse kennen wir. Jedem Scheitern der zahllosen „Strukturreformen“ folgte eine Erhöhung der „Reform“-Dosis. Seit Jahrzehnten werden immer nur die gleichen alten Rezepte propagiert. Das Lambsdorff-Papier belegt: Unsere „Modernisierer“ sind die eigentlichen „Traditionalisten“. Christoph Butterwegge schreibt in der taz über dieses „Drehbuch für den Sozialabbau“. Er stellt uns die Langfassung seines Aufsatzes zur Verfügung. Lesen Sie auch „Graf Lambsdorff als Stichwortgeber – Das meiste, was heute als modern gilt, ist uralt“.

SPD und Frankfurter Rundschau händchenhaltend auf dem Weg in den Abgrund

In der Frankfurter Rundschau vom 31. August dieses Jahres findet sich ein Beitrag des Bundestagsabgeordneten und haushaltspolitischen Sprechers der SPD Bundestagsfraktion Carsten Schneider, worin dieser die rot-schwarze Reformpolitik zu verteidigen versucht („Leitern für den sozialen Aufstieg“) . Der Artikel ist ein weiteres Beispiel für das Trommelfeuer mit Leerformeln durch das SPD-Führungspersonal. Die Frankfurter Rundschau als ehemaliges Blatt der kritischen Intelligenz macht sich mit solchen, in letzter Zeit häufenden Beiträgen mehr und mehr zum Sprachrohr der SPD-Führung. Anbei ein paar Anmerkungen. Zitate sind kursiv gesetzt. Kai Ruhsert

Aufschwung- und Reformpropaganda läuft mal wieder auf vollen Touren. Abgehoben von wichtigen Fakten.

Zur Zeit sind wir wieder einmal Opfer massiver Propaganda. Und es wird immer wieder eingebläut: erstens wir hätten einen richtigen Aufschwung, und zweitens, diesen hätten wir den Reformen zu verdanken. Bedauerlicherweise passen die Fakten nicht so richtig: die Arbeitslosenzahl geht nur wenig und nicht nachhaltig zurück und dem Einzelhandel und den Konsumenten geht es ziemlich schlecht. Siehe dazu die heutige Pressemitteilung des statistischen Bundesamtes: „Einzelhandelsumsatz im Juli 2007 real um 1,5% gesunken.“ Albrecht Müller.

Ein weiterer Beleg für die Öde an der SPD-Spitze

Zwei der vom SPD-Vorsitzenden Beck ausersehenen Stellvertreter für den Parteivorsitz, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück, haben zusammen mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck ein Buch zur Zukunft der SPD herausgegeben. Der Titel: „Auf der Höhe der Zeit“. Die drei Herausgeber haben ein Vorwort geschrieben, dessen gekürzte Version in der Süddeutschen Zeitung gerade erschienen ist. Dies zu lesen lohnt sich nur, wenn man erfahren will, auf welch niedrigem Niveau die künftige SPD-Spitze angekommen ist, mit welchen Tricks sie arbeiten und was zumindest aus der Sicht der drei Herausgeber die Strategie für die kommenden Jahre sein soll.
Sie werden bei der Lektüre auf sonderbare Erscheinungen stoßen: Albrecht Müller.

Kabinettsklausur: „Aufschwung – Teilhabe – Wohlstand“

So lautet die Überschrift des Abschlusspapiers der Kabinettsklausur auf Schloss Mesberg [PDF – 56 KB]. Man hört die Botschaft wohl, allein sie wird durch die darin beschriebenen Absichtserklärungen und Prüfaufträge nicht belegt. Die Überschrift über das Abschlusspapier beweist eigentlich nur, dass die Bundesregierung das größte Legitimationsdefizit ihrer „Reform“-Politik mit wohlklingenden Schlagworten zu überdecken versucht. Denn immer mehr Menschen fragen immer drängender danach, was denn der moderate Aufschwung mit den „Reformen“ zu tun haben soll und vor allem, wer an diesem Aufschwung teil hat und wer eigentlich vom gestiegenen Wohlstand profitiert. Wolfgang Lieb

„Die Linkspartei und das Geld“ – Anmerkungen zu einem Argumentationspapier der SPD-Bundestagsfraktion

Gesetzentwürfe und Anträge der Fraktion der Linken würden den öffentlichen Haushalten (Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen) jährliche Mehrkosten von 154,7 Milliarden Euro bescheren, heißt es in einem Papier [PDF – 288 KB], das der Fraktionsvorsitzende Peter Struck den Genossinnen und Genossen für die Auseinandersetzung mit der Linkspartei vor Ort an die Hand gegeben hat.
Die Linkspartei sei finanzpolitisch „unseriös“. Sind die Argumente der SPD-Bundestagsfraktion seriöser?

Dass die Mehrheit linken Positionen zustimmt, kann aus Vernunft nicht folgen – so die gängige Leere. Auch in der „Zeit“.

Einer unserer Leser, durch Ausbildung und Beruf kompetent in der Einschätzung sozialwissenschaftlicher Arbeit, schickte uns eine Bewertung der viel Aufmerksamkeit erregenden Zeit-Publikation über die linken Mehrheiten im Meinungsbild der Befragten. Wir übernehmen die Analyse als Kommentar zu diesem Zeit-Bericht über die Umfrage – einschließlich des freundlichen Lobs zu Beginn der Mail. Albrecht Müller.

„Wie bekämpft man den „Reformwiderstand“? – Das ZEW-Mannheim als Psychodoktor“

Das ist der Titel eines interessanten Beitrags von Friedhelm Grützner. „Er ist länger geworden als ursprünglich geplant“, so Grützner, „aber die methodologische Unbedarftheit dieser sich selbst aufblasenden “Experten” (und deren teilweise richtig drollige Argumentation) hat bei mir das unwiderstehliche Bedürfnis hervorgerufen, hier mal in medias res zu gehen – und zwar weniger von der fachlichen wirtschaftswissenschaftlichen Seite her, sondern mehr unter sozialwissenschaftlichen und erkenntnistheoretischen Gesichtspunkten.“ Schwerer Stoff, aber sehr lesenswert. Ein großes Dankeschön geht an den Autor. Albrecht Müller.

Sozialstaatsfeindlich

„GELD-SCHOCK! Arbeiten wir bald NUR noch für den Staat“ fragt BILD auf Seite eins, „Nur 47% des Einkommens bleiben im Portemonnaie“ „berichtet“ die Tagesschau, „Von jedem Euro bleiben nur noch 47 Cent“ das ZDF, erst ab dem 13. Juli, 11.40 Uhr arbeiteten wir in diesem Jahr in die eigene Tasche, so die FR und fast alle anderen Medien ebenso plapperten die dummdreiste Milchmädchenrechnung des selbsternannten „Bundes der Steuerzahler“ nach, der vorrechnete, dass nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben von einem Euro nur noch 47 Cent netto in der Tasche der Beschäftigten blieben. In einer üblen Stimmungsmache werden die 20 Cent, die an die gesetzliche Renten-, Kranken-, Pflege und Arbeitslosenversicherung abgeführt werden, dem „gefräßigen Monster“ Staat zugeschlagen. Würden die Bürgerinnen und Bürger etwa weniger bezahlen, wenn sie privat versichert wären? Wolfgang Lieb.

CDU-Grundsätze für Deutschland: Eine Vorgetäuschte christliche Moral soll das marktradikale politische Handeln überdecken.

Die Konservativen haben eine jahrhundertelange Übung darin, bestehende ungerechte, ja sogar inhumane Lebensverhältnisse mit moralischem Pathos zu legitimieren.
Das beweist einmal mehr der Entwurf des neuen Grundsatzprogramms der CDU. Die ersten dreißig Seiten des 77-seitigen Programms lesen sich wie ein Glaubensbekenntnis an die christlich abendländischen Werte, danach folgt das in verführerischen Tarnworten gekleidete knallharte Gesellschaftsbild einer „Chancengesellschaft“ in der jeder seines Glückes Schmied ist und derjenige, der seine Chance verpasst hat, der Hilfe zur Selbsthilfe oder bestenfalls der „Nächstenliebe“ überlassen bleibt. Wolfgang Lieb.

Friedhelm Hengsbach: Gerechtigkeit und Solidarität im Schatten der Globalisierung

„Die Globalisierung zwingt die Deutschen dazu, alle sozialen Errungenschaften, die sie in der Nachkriegszeit erkämpft haben, insbesondere ihre solidarischen Sicherungssysteme, auf den Prüfstand zu stellen.“ – „Sie müssen auch ihre traditionellen Vorstellungen von Gerechtigkeit und Solidarität preisgeben.“ – „Um den Sozialstaat zu erhalten, muss er umgebaut, nicht abgebaut werden.“ Solche Parolen beherrschen seit mehr als einem Vierteljahrhundert die politische Öffentlichkeit in Deutschland.
Hengsbach versucht in einem Policy Paper für die Stiftung Entwicklung und Frieden herauszuarbeiten, wie notwendig und wie berechtigt die Anpassung normativer Überzeugungen an eine global veränderte ökonomische Situation in reifen Volkswirtschaften tatsächlich ist. Er skizziert einleitend die wachsende Schieflage der Verteilung von Lebenschancen in Deutschland. Danach unterzieht er die kontroversen Deutungs- und Bewertungsmuster einer kritischen Analyse. Abschließend legt er den wirtschaftlich reichen und mächtigen Ländern wie Deutschland die Aneignung eines „demokratiefähigen Kapitalismus“ als Vorleistung einer gerechten Globalisierung nahe.
Ein sehr lesenswerter Aufsatz, dessen Lektüre wir unseren Leserinnen und Lesern dringend empfehlen.
Quelle: Friedhelm Hengsbach: Gerechtigkeit und Solidarität im Schatten der Globalisierung [PDF – 196 KB]

Jahrelang wurde uns erzählt, wir seien schlecht. Jetzt plötzlich sind wir gut.

Unentwegt hat man uns erzählt, die Attraktivität des Standorts Deutschland hänge von Reformen ab, von Reformen, die den Unternehmen niedrige Unternehmenssteuern, niedrigere Lohnnebenkosten und niedrige Lohnkosten bescheren. Jetzt plötzlich lesen wir in einer Studie von Ernst & Young, dass Weltoffenheit, Fröhlichkeit und Gastfreundlichkeit, dass unsere erstklassische Infrastruktur, die hohe Qualifikation der Arbeitnehmer und eine gute Lebensqualität wichtige Faktoren sind, wenn über den Standort von Investitionen entschieden wird. Albrecht Müller.