Gerd Bosbach: Demographische Entwicklung – Realität und mediale Aufbereitung

Wie ein Trommelfeuer hören wir es jeden Tag: Deutschland vergreist und schrumpft, wir bekommen zu wenig Kinder und werden auch viel älter. Gerd Bosbach stellt dagegen, dass in den letzten 100 Jahren die Lebenserwartung stärker gestiegen ist, als sie in den nächsten 50 Jahren steigen wird. Die Verringerung der Kinderzahl war in der Vergangenheit auch wesentlich stärker als für die Zukunft vorhergesagt.
Rechne man alle in der Debatte ausgeblendeten Komponenten etwa den Gesamtquotienten der gemeinsam zu versorgenden Jungen und Alten pro Erwerbstätige, die Arbeitslosigkeit, das reale Renteneintrittsalter oder die Steigerung der Produktivität in die statistischen Berechnungen ein, so müsste jeder Erwerbsfähige pro Jahr gerade mal 0,29 Prozent Versorgungslast mehr meistern. Jedenfalls kein Drama!
Siehe dazu “Demographische Entwicklung – Realität und mediale Aufbereitung”.

IMK-Report zu den Eckpunkten der Gesundheitsreform: Widersprüchlich und unzureichend.

Die vorliegenden Eckpunkte sind kein Beitrag zu einer nachhaltigen Stabilisierung des Gesundheitssystems. Sie sind in sich widersprüchlich, erhöhen die Lohnnebenkosten und verschärfen tendenziell sogar die ungleiche Wettbewerbsposition von gesetzlicher (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV). Die höheren Einnahmen durch die beabsichtigte Beitragssatzerhöhung um 0,5 Prozentpunkte stabilisieren die Finanzsituation voraussichtlich nur kurzfristig. Der Blick auf die Entwicklung der vergangenen 15 Jahre zeigt, dass das Gesundheitssystem primär unter Einnahmenproblemen leidet. So haben sich die Gesundheitsausgaben insgesamt ähnlich wie das Bruttoinlandsprodukt entwickelt, aber die Einnahmenbasis – die Gehälter der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – konnte damit nicht Schritt halten. Notwendig gewesen wäre daher ein mutigerer Schritt zur Stabilisierung der Einnahmen durch eine stärkere Steuerfinanzierung vor allem von sog. versicherungsfremden, im allgemeinen Interesse liegenden Leistungen – etwa die Mitversicherung von Familienangehörigen oder Leistungen bei einer Mutterschaft – und die Integration von PKV und GKV. Siehe IMK-Report Nr. 13 [PDF – 134 KB].

Der Börsengang der Bahn stinkt zum Himmel.

Im „Stern“ vom 29.7.2006 erschien ein Interview mit Bahnchef Mehdorn: „Herr Mehdorn, warum verkaufen Sie die Bahn?“
Ich habe die ersten Antworten kommentiert. Im weiteren Verlauf sprechen sie für sich. Der Bahnchef kann nicht erklären, warum ein Unternehmen, in das allein in den letzten 10 Jahren 90 Milliarden Steuergelder investiert worden sind, und das seit über einem Jahrhundert riesige Werte in Gleisanlagen, Bahnhöfen, Grundstücken angesammelt hat, nun zu einem Wert von nur 40 Milliarden an die Börse gebracht werden soll. Da ist etwas faul. Die ausweichenden Antworten von Mehdorn offenbaren dies. Zum Gesamtkomplex siehe auch meinen Tagebucheintrag vom 24.7.2006.

Arbeitsmarktzahlen im Juli: Kein Anlass zum Jubel – der Milliardenüberschuss der Bundesagentur ein Zeichen der Ohnmacht

Mit 4,386 Millionen registrierten Arbeitslosen weisen die „aktualisierten“ Datenbestände im Juli 12.000 Arbeitslose weniger als im Vormonat und 451.000 weniger als im Juli vorigen Jahres aus. Die Arbeitslosenquote betrug 10,5 Prozent. Im Mai habe es voraussichtlich 26,23 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gegeben – 54.000 mehr als im Jahr davor. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl der arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger um 39.000, dazu trugen die Ein-Euro-Jobs bei. In solchen „Arbeitsgelegenheiten“ waren laut BA im Juni etwa 300.000 Arbeitslosengeld-II-Bezieher beschäftigt, die dadurch nicht mehr als arbeitslos gezählt werden – 80.000 mehr als vor einem Jahr.
Zahlen, die offenbar für die meisten Medien Anlass zum Jubel sind. Die Schattenseiten werden ausgeblendet.

Worüber aus dem Ergebnisbericht des Bundesrechnungshofs nur selten berichtet wurde

Aus dem jährlichen Bericht des Bundesrechnungshofs erfahren wir in den Medien meist nur, dass Schulden abgebaut werden müssten, und wir hören über unsinnige öffentliche Ausgaben. Nur selten haben wir etwa darüber gelesen, dass etwa – das Bundesfinanzministerium eine seit Jahren absehbare Lücke bei der Besteuerung von Umsätzen mit gewerblichen Geldspielautomaten nicht rechtzeitig geschlossen hat und dadurch bereits Steuereinnahmen von geschätzt 2 Mrd. Euro entgangen sind oder – durch erhebliche Mängel bei der Besteuerung im Rotlichtmilieu jährlich Steuerausfälle von schätzungsweise mehr als 2 Mrd. Euro entstehen.
Unser Rat: Vielleicht würde es mehr Geld einbringen, wenn der Staat etliche Steuerprüfer auf den Weg schickte, statt – wie seit dem 1.8.06 – Schnüffler in Wohnungen von Hartz IV-Empfängern zu schicken, um zu überprüfen, ob eine Wohngemeinschaft nicht doch eine Bedarfsgemeinschaft sein könnte.

Heuschreckenfraß

In der FR vom 29.7. erschien ein Beitrag von Heiner Flassbeck. Wenn man so etwas liest, muss man immer in Erinnerung behalten, dass diese Art von zerstörerischer Investorentätigkeit von Schröder und Eichel steuerfrei gestellt worden ist – weil damit die „Deutschland AG“ mobilisiert werde. Schöne Mobilisierung. Und niemand rührt sich, um die Steuerfreiheit dieser Veräußerungsgewinne rückgängig zu machen. Auch Müntefering, der Heuschreckenbeschwörer nicht. Sie stecken alle unter einer Decke.

Das „deutsche Problem“ mit dem Arbeitsmarkt: Das IW sieht die Schuld bei den Arbeitslosen, das IAB sieht das Problem im Auftragsmangel der Unternehmen

Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) sieht 3 Millionen Stellenangebote und 1,3 Millionen offene Stellen. Nirgendwo in Europa seien mit 3,2% so viele Arbeitsplätze unbesetzt wie in Deutschland. Das IW sieht „ein deutsches Problem“ in der mangelnden Mobilität und Flexibilität und in der „recht großzügigen“ staatlichen Alimentation der Arbeitslosen.
Sind also die Arbeitslosen an der hohen Arbeitslosenrate selbst schuld?

„Fake TV-News“ oder Reklamefilme nicht nur in den USA, sondern auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bei uns

Die Frankfurter Rundschau berichtet am 28.7.06 auf Ihrer Medienseite über Werbung im Fernsehen „unterm Deckmantel“. „Fake TV-News“: Als Reportage präsentierte Reklamefile unterwandern die Nachrichtensendungen in den USA“, so lautet die Überschrift über diesem Beitrag. Es wird kritisch darüber berichtet, wie weit im amerikanischen Fernsehen „vorgetäuschte Nachrichten“ schon verbreitet seien.
Dass wir in Deutschland von amerikanischen Verhältnissen gar nicht so weit entfernt sind, beweist die Sendung „plusminus“ vom Bayerischen Rundfunk vom 25.7.06.

Staunen über makroökonomische Abläufe

Zur Zeit erscheinen immer wieder Meldungen über die Unsicherheit der wirtschaftlichen Entwicklung. Bei managermagazin-online erschien am 18.7. ein Beitrag unter dem Titel: „Konjunktur – Der schwarz-rote Bremsklotz“. Vor einem Einbruch der Wachstumserwartungen wird mit Berufung auf das Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung gewarnt. Und auf die schlechte Finanzpolitik der Bundesregierung verwiesen. Angesichts dieser späten Einsicht dürfen wir vielleicht darauf hinweisen, dass unsere Leser – anders als die der meisten Wirtschaftsteile deutscher Medien – davor bewahrt blieben, jetzt darüber zu staunen, dass aus dem großen Aufschwung nichts wird. Und dass dies viel mit der makroökonomischen Unfähigkeit der handelnden Personen zu tun hat.