Schlagwort:
Mindestlohn

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Der schwarz-gelbe Präsident: „Zur Freiheit gehört Ungleichheit“

„Deutschland muss sich für seine Wettbewerbsfähigkeit noch stärker ins Zeug legen. Am Konjunkturhimmel ziehen Wolken auf. Deshalb wünschte ich mir mehr Reformehrgeiz“, sagte Bundespräsident Horst Köhler in einem Gespräch mit der FAZ vom 29.12.07. Köhlers Weltbild ist das einer „Standortkonkurrenz“, da konkurrieren also nicht einzelne Unternehmen auf dem Weltmarkt miteinander, wie z.B. Daimler gegen Peugeot oder General Motors, sondern die „Holding Deutschland“ steht im Wettbewerb mit der „Holding China“ oder dem „Multi USA“. Und gerade so wie der Aufsichtsratsvorsitzende der Firma Deutschland redet der Bundespräsident auch. Er hat vor allem die Interessen der Shareholder dieser Holding im Blick, wenn er das Hauptproblem des „Exportweltmeisters“ Deutschland in seiner Wettbewerbsfähigkeit sieht und nicht etwa in der seit Jahren chronisch stagnierenden Binnennachfrage. Wolfgang Lieb

Mit einer steuerfinanzierten Mindestrente würde die gesetzliche Rentenversicherung sturmreif geschossen.

Der vom Vorsitzenden des Sachverständigenrates für die wirtschaftliche Entwicklung Bert Rürup geforderte Kurswechsel in der Rentenpolitik durch Einführung einer steuerfinanzierten Sockel-Mindestrente für langjährig Versicherte über dem Niveau der heutigen Grundsicherung hört sich sozial an, hinterlässt jedoch sogleich eine faden Beigeschmack. Schließlich sind einschneidende Verschlechterungen des Niveaus der gesetzlichen Rentenversicherung eng mit dem Namen Bert Rürup und der von Ex-Kanzler Schröder eingesetzten „Rürup-Kommisssion“, verbunden: Drastische Absenkung des Rentenniveaus im Zuge der Rentenreform von Riester, der Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors durch Rot-Grün sowie der „Rente mit 67“ durch die Große Koalition.
Von Ursula Engelen-Kefer ehemals DGB-Vizechefin und Mitglied der sog. Rürup-Kommission.

Wir sind einfach schlecht regiert – auch weil unsere öffentliche Debatte zu wenig von kritischem Verstand geprägt ist. Musterbeispiel immer wieder: Der Spiegel und die wirtschaftspolitische Debatte.

Wir NachDenkSeiter haben das Problem, immer als Kritiker auftreten zu müssen. Was gäbe ich darum, das tägliche Geschehen und die involvierten Politiker, Medien und Wissenschaftler loben zu können. Dies vorweg. Warum wir nicht anders können und warum deshalb diese Kritische Website, wie es bei uns im Logo heißt, not-wendig ist, kann ich am Beispiel dreier Spiegel-online-Artikel und der damit verbundenen Sachfragen erläutern. Es geht um Löhne, Lohnnebenkosten und den Standort im Vergleich zu anderen Ländern in Europa. Bei diesen Themen und ihrer Behandlung in Politik, Wissenschaft und Medien wird sichtbar, wie sehr wir an der Nase herum geführt werden, auf welchem Niveau das geschieht und wie sehr die schlechte Politik ein Abbild der schlechten Qualität der öffentlichen Debatte in Medien und Wissenschaft ist. Albrecht Müller.

Blind für die makroökonomische Verantwortung und ihre Möglichkeiten

Auf einer meiner letzten Diskussionsveranstaltungen wurde seltsamerweise gerade von gewerkschaftlich Engagierten die These vertreten, dass die hohe Arbeitslosigkeit und der Niedergang wirtschaftlicher Tätigkeit quasi das Ergebnis eines Trends ist, konkret: die Folge hoher Produktivitätszuwächse und der gleichzeitig stattfindenden Globalisierung. Das Streben nach Vollbeschäftigung sei veraltet, quasi mit den siebziger Jahren beerdigt. Die damit verbundene Missachtung der wirtschaftspolitischen Verantwortung der handelnden Personen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft ist ein Gottesgeschenk für diese neoliberalen Führungsschichten. Sie sind verantwortlich für den Absturz der Lohnquote und eine dekadenlange Stagnation der Reallöhne, sie sind verantwortlich für eine miserable Geldpolitik wie auch jetzt wieder ganz aktuell bei der Weigerung der EZB, die Zinsen zu senken. Diese Fehler sind kein unabweisbarer Trend. Albrecht Müller.

Zum Verhältnis SPD und Gewerkschaften

„Die SPD muss – unter Druck, wie sie derzeit ist – ihre bisherige Politik überdenken“, sagte DGB-Vorstandsmitglied C. Matecki der „Osnabrücker Zeitung“ (23.10.) und begrüßte deren „Kurswechsel“ im Umgang mit der Agenda 2010, wie er sich mit dem Hamburger Parteitag angebahnt habe. Dieser werde von den Gewerkschaften unterstützt.
Michael Sommer, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, sagte der „Berliner Zeitung“ (29.10.): „Ich sehe eine strategische Hinwendung zu den sozialdemokratischen Grundwerten und damit zu den klassischen SPD-Wählern.“ Im ARD-Presseclub vom 28. Oktober war man zurückhaltender als es in diesen Äußerungen klingt: „Die gewerkschaftsnahe SPD wird sich zumindest berücksichtigt sehen.“ Immerhin war auch da euphemistisch von einem „erfolgreichen Ausbruch aus dem Gefängnis 2010“ die Rede. Von Kurt Pittelkau

Erste Deutsche Mindestlohnstudie löst heftiges Gackern im Hühnerstall der Ökonomen aus

Gestern noch berichteten wir über das Eingeständnis des neuen IAB-Chefs Möller, dass sich noch keiner die Daten zum Mindestlohn im Baugewerbe angeschaut habe, obwohl alle ihr Urteil darüber abgäben. Was etwa in England längst als erwiesen gilt [PDF – 268 KB], aber als nicht übertragbar abgestritten wurde, konnte jetzt eine neue empirische Studie auch für Westdeutschland feststellen: Der Mindestlohn im Baugewerbe hatte keine negativen Beschäftigungseffekte. Entsprechend groß ist die Aufregung im Hühnerstall der deutschen Wirtschaftsexperten. Das Handelsblatt dokumentiert das Kikeriki unserer eitlen ökonomischen Hähne auf ihren Misthaufen. Ein herrlicher Beleg für die Grundhaltung unserer „Experten“ namens Franz, Snower, Rürup, Zimmermann etc., die sich so zusammenfassen lässt: Umso schlimmer für die Wirklichkeit, wenn sie unserer Glaubenslehre nicht entspricht. Wolfgang Lieb

Grelle Zeichen des kulturellen Niedergangs und Schimmer der Hoffnung.

Wer wie ich vermeiden will, dem Kulturpessimismus zu verfallen, wird in diesen Tagen auf eine harte Probe gestellt. Die Zeichen des Verfalls sind unübersehbar: Gleichschaltung, Verschwinden kritischen Verstands bei den Medien, in Politik und Wissenschaft sowieso, antiaufklärerische Agitation, Propaganda überlagert nahezu jeglichen politischen Entscheidungsprozess, politische Korruption und noch einmal Korruption, der schamlose private Zugriff auf öffentliches Vermögen. Und Zynismus bei jenen, die sich zur Elite zählen. Näheres siehe unten.
Der Schimmer der Hoffnung in diesen Tagen: der vorläufige Erfolg eines Bürgerbegehrens gegen den Ausverkauf der Stadt in Leipzig. Albrecht Müller.

Kantersieg der Kanzlerin

Die SPD hätte beim Arbeitslosengeld I wie auch beim Mindestlohn sehr viel mehr erreichen können. Die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ist ein verhängnisvolles Signal.
Von Wolfgang Lieb, Beitrag für den „Freitag 47“, Die Ost-West-Wochenzeitung, vom 23.11.2007.
Quelle: Freitag

Koalitionsausschuss: Merkel führt die SPD vor

„Als einen “großen Erfolg” hat der SPD-Vorsitzende Kurt Beck die Einigung zwischen SPD und Union auf geringere Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und eine längere Zahlung von Arbeitslosengeld für über 50-Jährige bezeichnet. Enttäuscht zeigte er sich über die Weigerung der Union, Briefzusteller vor Lohndumping zu schützen“, so lautet das Resümee von Kurt Beck über die Ergebnisse des Koalitionsausschusses. Schaut man sich die Ergebnisse etwas genauer an, dann muss man feststellen, dass die Kanzlerin gegen ihren fast gleich starken Koalitionspartner einen regelrechten Kantersieg erzielt hat. Wolfgang Lieb.

Newsweek über Angela Merkel – Ein Medienspiel über die amerikanische Bande

Der Aufmacher in der früher einmal links-liberal geltenden amerikanischen Wochenzeitung über einen angeblichen Links-Ruck in Deutschland kam wie gerufen. Die Sprachrohre der Reformpolitik vom „Spiegel“ über die „Welt“ bis hin zur „Zeit“ stiegen mächtig darauf ein. BILD machte sogar mit der Schlagzeile auf: “US-Magazin nennt Angela Merkel ,verlorene’ Kanzlerin”. Was unterging: Mit einer Ausnahme stammen die Meinungsmacher in Newsweek alle aus Deutschland, so etwa der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer, Zeit-Herausgeber Josef Joffe oder der BILD-Kolumnist Hugo Müller-Vogg. Autoren, die in Deutschland mit ihrer Reformeuphorie kaum noch ernst genommen werden, benutzten jetzt die USA als ihren Resonanzboden. Dazu die SZ süffisant: Das US-Spezifische der Hauptgeschichte besteht darin, dass sie von einem nach Pittsburgh ausgewanderten Deutschen auf Englisch geschrieben wurde, der offenbar seit 2001 Deutschland-Korrespondent von Newsweek ist. Seine Hauptquellen sind das Allensbach-Institut, der Forsa-Chef, Zeit-Kommentator Jörg Lau und ein in London lebender Chef-Ökonom der Bank of America mit dem Namen Holger Schmieding. Unser Leser Roger Strassburg hat einen Leserbrief an Newsweek geschrieben.

Unbeantwortete Fragen an die Gegner des Mindestlohns

Der Wirtschaftswissenschaftler Ulrich Blum ist Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH). Das Institut war dieses Jahr neu am Gemeinschaftsgutachten der Konjunkturforschungsinstitute beteiligt. Dieses Gutachten spricht sich vehement gegen die Einführung von Mindestlöhnen aus. Blum hat in einem Editorial zu einer von seinem Institut herausgegebenen Broschüre „Wirtschaft im Wandel“ [PDF – 544 KB] seine ablehnende Haltung mit den in der vorherrschenden ökonomischen Lehre üblichen Behauptungen begründet.
Unser Leser Karl Mai stellt in einem Brief zu den dort aufgestellten Hypothesen ein paar kritische Fragen, die belegen, wie hohl bzw. ideologiebehaftet die „Begründungen“ des ökonomischen Mainstreams für die Ablehnung von Mindestlöhnen sind.

Unsere Oberen fühlen sich wie Helden, weil sie gegen unseren Willen regieren

Es wird immer mehr zum Usus, dass unsere Führungseliten den Willen der Mehrheit missachten, gegen diesen Willen entscheiden und dann mit massiver Propaganda versuchen, die Menschen zu beeinflussen. Natürlich weiß ich auch, dass politische Entscheidungen nicht auf der Basis von Umfragen gemacht werden können. Aber die Selbstverständlichkeit, mit der heute Mehrheitsmeinungen missachtet werden, ist schon bemerkenswert. Das gilt für die grundsätzliche Frage der Einstellung der Mehrheit der Menschen zu Sozialstaat und zu Solidarität in einer Gesellschaft. Die Mehrheit will das. Die Politik missachtet das. Es gilt dann für solche Fragen wie den Transrapid zur Flughafenanbindung in München. Die betroffenen Münchner spielen keine große Rolle. Siehe dazu unten Beispiel A. – Es gilt für die Linie von Arbeits- und Sozialminister Müntefering. Er macht aus der Missachtung der Wünsche der Mehrheit eine Tugend. Albrecht Müller.

„Das Ende der Massenarbeitslosigkeit – Mit richtiger Wirtschaftspolitik die Zukunft gewinnen.“

So heißt das neue Buch von Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker. Dass mir dieses Buch sehr sympathisch ist, werden Kenner der wirtschaftspolitischen Debatte verstehen. Flassbeck und Spiecker führen die neoliberalen Ideologen vor. Sie beschreiben das Scheitern dieser wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Theorie in der Praxis seit den siebziger Jahren. Und sie formulieren eine Gegenposition zum herrschenden Denken und geben der Hoffnung, die Massenarbeitslosigkeit überwinden zu können, die notwendigen wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen. Das Buch hilft, sich aus den Stricken der herrschenden Debatte um diese oder jene Reform zu lösen und zu begreifen, dass es vor allem an der richtigen gesamtwirtschaftlichen Analyse und Therapie, an einer guten Makropolitik, fehlt. Albrecht Müller.

Bild-Kampagne gegen Mindestlohn – Teilerfolg im Kabinett

Wie dpa berichtet hat das Bundeskabinett die Aufnahme der Briefzusteller in das Entsendegesetz beschlossen. Anders als ursprünglich geplant, gilt das nicht für alle Postdienstleister, so zum Beispiel nicht für Zeitungszusteller und Kuriere. Am Tag der Entscheidung hat die Bild-Zeitung noch einmal Front gemacht – mit der von so genannten Experten gestützten Behauptung, der Mindestlohn sei nicht gut für die Beschäftigten und mit einem Interview mit Minister Glos. Dazu einige Anmerkungen. Albrecht Müller.