Schlagwort:
soziale Herkunft

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Nachtrag zur Phoenix-Runde „Wunschtraum Gerechtigkeit – Wird Bildung ein Privileg?“. Was ich eigentlich sagen wollte.

Talk-Shows im Fernsehen sind unbefriedigend, für die Zuschauer, aber manchmal noch mehr für die Teilnehmer. Man hat kaum je Gelegenheit einen Gedanken darzulegen oder zu begründen. Was überkommt, das sind Gedankenschnipsel, zugespitzte Worthülsen, ein unerkennbares Mosaik an Argumentationsmustern. Am 24. Oktober 2006 war ich Gast in einer solchen Runde und habe mir danach die Sendung selbst nochmals angesehen.
Das hat mich veranlasst, die einzelnen Aspekte, die ich dort ansprechen konnte, wenigstens kurz zu begründen und zu belegen.

Studiengebühren: Feldversuch in England

Jugendliche aus armen Familien trauen sich kaum noch zu studieren. Die Angst vor einem Schuldenberg ist zu groß, zumal die Studiengebühren steigen und steigen. So überschreibt der SPIEGEL einen Beitrag über die Wirkung der vor 10 Jahren eingeführten Studiengebühren in England. Laut Statistik hätten Jugendliche mit bildungsfernem sozialem Hintergrund in Großbritannien die schlechtesten Karten. Viele müssen während des Studiums arbeite oder ihr Studium unterbrechen, um zu arbeiten, damit der Schuldenberg nicht zu hoch wird. Die Gebühren sind von umgerechnet 1.700 auf 3.000 Euro gestiegen und sollen ab Herbst auf 4.500 Euro weiter steigen.
Lediglich in Schottland ist die Zahl der Bewerber gestiegen. Schottische Studenten sind – bislang jedenfalls – von den Studiengebühren befreit.

Einführung von Studiengebühren in Hessen: Wettbewerb als Steuerungsinstrument entzieht der bildungspolitischen Gestaltung den Boden

In Hessen sollen nach dem Willen der Landesregierung ab dem Wintersemester 2007/2008 wie in verschiedenen anderen Ländern „Studienbeiträge“ eingeführt werden.
Der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst hat beschlossen, mich schriftlich anzuhören.
Meine Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU zur Einführung von Studienbeiträgen [PDF – 126 KB] möchte ich auch unseren an diesem Thema interessierten Leserinnen und Lesern der NachDenkSeiten zur Kenntnis geben.

Zur Denkschrift der EKD über Armut in Deutschland.

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland schließt seinen Frieden mit dem wirtschaftspolitischen Kurs der Bundesregierung. Er macht viele moralisch und theologisch begründete Vorschläge zur Armutsbekämpfung und zur gerechten Teilhabe an der Gesellschaft. Über die Bekämpfung der Ursachen von Armut und Ausgrenzung schweigt er sich in seiner Denkschrift leider weitgehend aus.

“Kein Wachstum ohne Sozialstaat”

„In Skandinavien gelingt scheinbar die Quadratur des Kreises: Wachstum und soziale Sicherheit, hohe Steuern und konkurrenzfähige Ökonomie. Das glückt, weil viel in Bildung investiert wird”, so beginnt ein Interview der taz mit Joakim Palme, Sozialwissenschaftler und Sohn von Olof Palme (vom 4.5.2006 Interview ROBERT MISIK).
Wir werden darauf aufmerksam gemacht, weil die Antworten von Palme über weite Strecken dem entsprechen, was Sie bei uns in den NachDenkSeiten und auch in unseren anderen Publikationen finden. Genauso interessant wie die Antworten von Palme, ist die Tatsache, wie weit selbst Journalisten der taz, die man zu den eher Kritischen zählen könnte, vom herrschenden Geist geprägt sind.

Die neue Programmatik der SPD zielt auf die „linke Mitte“ – allerdings nur noch der oberen zwei Drittel der Gesellschaft. Für das untere Drittel bleibt allenfalls die Notfallhilfe.

Weil man nicht auf die nahe liegende Idee kommen darf, dass es an der praktischen Politik der SPD liegt, dass diese Partei von immer weniger Menschen als Hüterin der „sozialen Gerechtigkeit“ wahrgenommen wird, macht ihr Vorsitzender Platzeck nun umgekehrt den Versuch diesen sozialdemokratischen Kernbegriff der praktizierten Politik der SPD anzupassen. Nach dem Motto: Wenn wir schon unsere früheren programmatischen Vorstellungen von „sozialer Gerechtigkeit“ nicht mehr in praktische Politik umsetzen wollen, müssen wir wenigstens diesen Grundwert so umdeuten, dass er wieder mit unserem politischen Handeln einigermaßen zusammenpasst. Kurz: Man hat den Topf schon längst gewechselt und sucht nun den passenden Deckel.

Argumente gegen Studiengebühren

Die SPD-Landtagsfraktion in NRW stellt 13 Argumente gegen die Einführung von Studiengebühren durch die neue CDU/FDP-Landesregierung.
Ein Leser der NachDenkSeiten setzt sich kritisch mit den Argumenten des RCDS für die Einführung von Studiengebühren auseinander.

Studiengebührenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts – ein politisches Urteil

Das Karlsruher Urteil, den Grundsatz der Studiengebührenfreiheit im Hochschulrahmengesetz zu kippen, ist weniger ein juristisches, sondern eher ein politisches Urteil.
Ein politisches Urteil, weil es sich erstens die Position der CDU-regierten Länder in der Föderalismuskommission zu eigen macht und dem Bund nahezu jede Zuständigkeit in der Bildungspolitik abspricht. Von der Rahmenkompetenz des Bundes bleibt nur noch ein „Rahmen“ ohne Kompetenz.
Weil es zweitens das aus der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 GG) in Verbindung mit dem Recht auf freie Berufswahl (Art 12 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) abgeleitete Recht auf freien Zugang zu einer Hochschulausbildung bei allen Abwägungen komplett ausblendet.
Weil es drittens alle Argumente für das „Erfordernis“ einer bundesgesetzlichen Regelung der Gebührenfreiheit ohne jede Begründung negiert, dafür aber allen Behauptungen und Annahmen der Gebührenbefürworter kritiklos folgt.

„Studienkosten belasten die Falschen.“ Eine populistische Kampagne der INSM für die Einführung von Studiengebühren

Mit dem Bild eines Studierenden, der auf dem Rücken eines gleichaltrigen Automechanikers an seinem Studiertisch sitzt, schaltet die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ eine Anzeige, in der sie auf ziemlich demagogische Weise ein Vorurteil der nichtakademischen Erwerbstätigen zu schüren versucht, nämlich dass aus den Steuermitteln der Ärmeren das Studium der Reichen finanziert würde. Das, gezielt einen Tag vor einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der Karlsruhe darüber urteilt, ob mit der Regelung im Hochschulrahmengesetz, wonach ein Erststudium gebührenfrei sein soll, der Bund in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder eingegriffen hat.

SPD und Grüne in NRW wollen unbemerkt erstmals in der Bundesrepublik private Grundschulen mit Schulgeld einführen.

Mit einem Änderungsantrag vom 6.1.05 zur Novelle eines Schulgesetzes wollen offenbar die Fraktionen von SPD und Grünen im Düsseldorfer Landtag eines der letztverbliebenen Elemente egalitären Gedankenguts des Grundgesetzes, nämlich das überall in der Bundesrepublik noch geltende Prinzip für die Grundschule als „Schule für alle“ aushöhlen und über eine Hintertür „private Ergänzungsschulen“, sprich private Grundschulen zulassen, die Unterricht auch gegen Schulgeld anbieten dürfen. Damit könnten die Kinder der Geldelite – wie in vielen Ländern mit Privatschulen – schon in der Grundschule unter sich bleiben. Die bisherige Chancengleichheit zumindest in der Primarstufe würde unterminiert.