Schlagwort:
Binnennachfrage

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Denkfehler Nr. 13 – Panik wegen der Abwanderung von Arbeitsplätzen? Auszug aus: „Die Reformlüge“ (2004) Seiten 189 – 193

Bemerkungen aus aktuellem Anlass:
Der folgende Text ist im Frühjahr 2004 geschrieben. Schon damals war erkennbar, dass die Behauptung von einer quantitativ bedrohlichen Abwanderung übertrieben ist. Was man heute weiß, konnte man auch damals wissen. Und dennoch ist massiv Abwanderungspropaganda gemacht worden. Auch mit der Folge, dass manche Unternehmer meinten, sie müssten sich diesem Trend anschließen.

Zum Frühjahrsgutachten der Konjunkturforschungsinstitute: Dogmatischer Wunderglaube

Man muss die Messlatte für das Wachstum nur tief genug legen, dann gilt der Aufschwung der letzten beiden Jahre als „kräftig“, und dann zeugen auch ein Wachstum von 1,8% in diesem Jahr und von 1,4% im kommenden Jahr von einer „robusten Wirtschaft“. Und auch mit einem Wachstum von durchschnittlich 1,5% bis 2012 kann man sich dann zufrieden geben. 3,2 Millionen Arbeitslose gelten bei solchen Maßstäben schon als Erfolg. Wenn die weltwirtschaftlichen Risiken nicht durchschlagen, bleibt alles gut. Auch gegen die Finanzkrise helfen die Arbeitsmarktreformen. Und wenn die Weltkonjunktur auch einbricht, dann brauchen wir in Deutschland kein Konjunkturprogramm wie etwa die USA. Bei uns fangen die „binnenwirtschaftlichen Auftriebskräfte“ negative Schocks aus dem Ausland auf. Dabei bringen die Konjunkturforscher das auberkunststück fertigt, in einem Atemzug auf die Steigerung der Binnennachfrage zu setzen und gleichzeitig vor höheren Lohnabschlüssen zu warnen. „Weiter so“: auf diese banale Empfehlung lässt sich das Frühjahrsgutachten der Konjunkturforschungsinstitute zusammenfassen. Wolfgang Lieb

Köhlers Agenda 2020 – Nach der Reform ist vor der Reform

Bundespräsident Horst Köhler hat eine „Agenda 2020“ gefordert, um die Arbeitslosigkeit weiter zu verringern und Vollbeschäftigung in Deutschland zu erreichen. Dieses Ziel sei im Falle einer Fortsetzung der Reformanstrengungen realistisch.
Wie alle „Reformer“ verweigert Köhler eine kritische Bestandsaufnahme der Agenda 2010, und weil deren Ergebnisse alles andere als befriedigend sind, verlangt er eine Erhöhung der Reformdosis. Mit den Agenda-Reformern ist es wie bei Drogensüchtigen, je schlechter es geht, desto höher die Dosis. Wolfgang Lieb

Verteilungsbericht des DGB für das Jahr 2008. Wir zitieren das Wichtigste in Kürze

Trotz des Konjunkturaufschwungs der Jahre 2006 und 2007 sind nicht nur nach den im vergangenen Jahr vorgelegten Zahlen aus amtlicher Statistik und Forschungsarbeiten unabhängiger Institute, sondern auch nach dem Empfinden der breiten Mehrheit der Bundesbürger die Unterschiede zwischen Arm und Reich eher größer geworden. Nur noch 15 Prozent der Bundesbürger sind laut einer repräsentativen Umfrage der Bertelsmann Stiftung davon überzeugt, dass die Einkommensverteilung in Deutschland „im Großen und Ganzen gerecht zugeht“. Weit mehr als 50 Prozent halten die Einkommensverteilung dagegen für ungerecht. Trotz des kräftigen Wirtschaftswachstums der vergangenen zwei Jahre haben sich die Stimmung in der Bevölkerung und die Zufriedenheit mit der Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland kontinuierlich verschlechtert. Dies steht in krassem Gegensatz zu Erfahrungen in vorherigen
Aufschwungsphasen, in denen die Mehrheit der Deutschen stets die Einschätzung vertrat, die Boomzeiten würden zu mehr Verteilungsgerechtigkeit beitragen. Wolfgang Lieb

Alterssicherung – eine „Echternacher Springprozession“: Ein Schritt nach vorn, zwei Schritte zurück. Der Konflikt mit Gesetz und Verfassung ist programmiert. Eine Trendumkehr in der Rentenpolitik dringend erforderlich

Der „Renten-Aktionismus“ der Großen Koalition gleicht der „Echternacher Springprozession: Ein kleines Schrittchen in die richtige Richtung ist die Erhöhung der Renten 2008 um 1,1 Prozent und 2009 um über 2 Prozent durch Aussetzen des sog. Riesterfaktors, der das Rentenniveau seit 2003 erheblich vermindert hat. Nach mehreren „Nullrunden“ bei gleichzeitig stark steigenden Lebenshaltungskosen, insbesondere für Lebensmittel, Energie, Gesundheitsversorgung und Pflege ist die jetzt geplante Rentenerhöhung überfällig – wenn auch viel zu niedrig, um die Inflation auszugleichen. Die gute Konjunktur und die von den Gewerkschaften durchgesetzten Lohnsteigerungen gingen ohne die (nominale) Erhöhung sonst vollends an den Rentnern vorbei.
Allerdings ist der jetzige Koalitionskompromiss zu den Rentensteigerungen 2008 und 2009 ein allzu durchsichtiges Wahlkampfmanöver und wird für viele Rentner zu einem Danaergeschenk. Denn bereits ab 2012 sollen die ausgesetzten Rentenminderungen sowohl durch den Riesterfaktor als auch dann noch durch den Nachhaltigkeitsfaktor wieder wettgemacht werden. Damit sind weitere Nullrunden auf unabsehbare Zeit für die Rentner unvermeidlich. Von Ursula Engelen-Kefer

Schweizer Kleinunternehmer startet Volksbegehren gegen Abzockerei der Manager – vernünftig aber erweiterungsbedürftig.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete am Mittwoch
unter der Überschrift „Schweiz: Aufstand gegen die Gier“, ein Schweizer Kleinunternehmer habe ein Volksbegehren mit dem Ziel gestartet, die immer stärker steigenden Vorstandsvergütungen und Abfindungen zu reglementieren. Erste Erfolge zeichnen sich ab. Ich finde das beachtlich, aber im Interesse jener Unternehmen, die nicht im Glanz großer Konzerne stehen, würde ich einen breiteren Vorstoß für wünschenswert halten. Albrecht Müller.

Der schwarz-gelbe Präsident: „Zur Freiheit gehört Ungleichheit“

„Deutschland muss sich für seine Wettbewerbsfähigkeit noch stärker ins Zeug legen. Am Konjunkturhimmel ziehen Wolken auf. Deshalb wünschte ich mir mehr Reformehrgeiz“, sagte Bundespräsident Horst Köhler in einem Gespräch mit der FAZ vom 29.12.07. Köhlers Weltbild ist das einer „Standortkonkurrenz“, da konkurrieren also nicht einzelne Unternehmen auf dem Weltmarkt miteinander, wie z.B. Daimler gegen Peugeot oder General Motors, sondern die „Holding Deutschland“ steht im Wettbewerb mit der „Holding China“ oder dem „Multi USA“. Und gerade so wie der Aufsichtsratsvorsitzende der Firma Deutschland redet der Bundespräsident auch. Er hat vor allem die Interessen der Shareholder dieser Holding im Blick, wenn er das Hauptproblem des „Exportweltmeisters“ Deutschland in seiner Wettbewerbsfähigkeit sieht und nicht etwa in der seit Jahren chronisch stagnierenden Binnennachfrage. Wolfgang Lieb

OECD: Hartz IV ist Luxus

So oder so ähnlich heißt es in der großen Mehrheit der Zeitungen, die über eine so genannte Studie der wirtschaftsnahen OECD berichten. Wir dokumentieren Ihnen dazu einfach einmal einen kleinen Teil der Schlagzeilen, die google.news-Suche reproduziert. Statt eines Kommentars zitieren wir aus einem Interview mit Professor Gerhard Bosch vom Institut Arbeit und Qualifikation in der Frankfurter Rundschau. Wolfgang Lieb

Wir sind einfach schlecht regiert – auch weil unsere öffentliche Debatte zu wenig von kritischem Verstand geprägt ist. Musterbeispiel immer wieder: Der Spiegel und die wirtschaftspolitische Debatte.

Wir NachDenkSeiter haben das Problem, immer als Kritiker auftreten zu müssen. Was gäbe ich darum, das tägliche Geschehen und die involvierten Politiker, Medien und Wissenschaftler loben zu können. Dies vorweg. Warum wir nicht anders können und warum deshalb diese Kritische Website, wie es bei uns im Logo heißt, not-wendig ist, kann ich am Beispiel dreier Spiegel-online-Artikel und der damit verbundenen Sachfragen erläutern. Es geht um Löhne, Lohnnebenkosten und den Standort im Vergleich zu anderen Ländern in Europa. Bei diesen Themen und ihrer Behandlung in Politik, Wissenschaft und Medien wird sichtbar, wie sehr wir an der Nase herum geführt werden, auf welchem Niveau das geschieht und wie sehr die schlechte Politik ein Abbild der schlechten Qualität der öffentlichen Debatte in Medien und Wissenschaft ist. Albrecht Müller.

Auszug aus „Machtwahn“ zur richtigen Wirtschaftspolitik einschließlich eines fiktiven Kanzleramtspapiers

Dies ist ein einschlägiger Text aus „Machtwahn. Wie eine mittelmäßige Führungselite uns zugrunde richtet“. Dieser Text enthält auch ein fiktives Kanzleramtspapier, das ich im Blick auf die Koalitionsverhandlungen vom September 2005 und die damalige Entscheidung zur Mehrwertsteuererhöhung um drei Punkte geschrieben habe einschließlich eines „10-Punkte-Programms zur Kurskorrektur in der Wirtschaftspolitik“. Die Bundesregierung hat jede notwendige Kurskorrektur nicht konsequent vollzogen. Siehe im Kontext auch den heutigen Beitrag „Wir sind einfach schlecht regiert“. Albrecht Müller.

Blind für die makroökonomische Verantwortung und ihre Möglichkeiten

Auf einer meiner letzten Diskussionsveranstaltungen wurde seltsamerweise gerade von gewerkschaftlich Engagierten die These vertreten, dass die hohe Arbeitslosigkeit und der Niedergang wirtschaftlicher Tätigkeit quasi das Ergebnis eines Trends ist, konkret: die Folge hoher Produktivitätszuwächse und der gleichzeitig stattfindenden Globalisierung. Das Streben nach Vollbeschäftigung sei veraltet, quasi mit den siebziger Jahren beerdigt. Die damit verbundene Missachtung der wirtschaftspolitischen Verantwortung der handelnden Personen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft ist ein Gottesgeschenk für diese neoliberalen Führungsschichten. Sie sind verantwortlich für den Absturz der Lohnquote und eine dekadenlange Stagnation der Reallöhne, sie sind verantwortlich für eine miserable Geldpolitik wie auch jetzt wieder ganz aktuell bei der Weigerung der EZB, die Zinsen zu senken. Diese Fehler sind kein unabweisbarer Trend. Albrecht Müller.

Wir sind alles kleine Kapitalisten

Ich erfuhr die frohe Botschaft während der morgendlichen Zeitungslektüre: Da stand es – schwarz auf weiß.: „Viele Arbeitnehmer und einfache Bürger sind inzwischen längst kleine Kapitalisten.“ Diese überaus erfreuliche Mitteilung fand sich in einem Artikel von Peter Hahne (nein, nicht der bekannte Neokonservative vom ZDF), sondern eines Redakteurs vom Kölner Stadt-Anzeiger. Ich gestehe, dass ich für derlei Hinweise überaus empfänglich bin. Was in der Zeitung steht, ist bekanntlich wahr. Erbaulich auch die Nachricht, dass unser Finanzminister Steinbrück den Bankmanagern einmal so richtig die Leviten gelesen hat. Viele seien der Komplexität ihrer Aufgaben nicht gewachsen. Hat der Mann sich in der Veranstaltung geirrt oder ist das schon eine Auswirkung der strikt anti-kapitalistischen Parteitagsbeschlüsse der SPD; gar des Bekenntnisses zum „demokratischen Sozialismus“? Die Zukunft wird es zeigen.
Ein Zwischenruf zum Schmunzeln von Joke Frerichs.

Der Spiegel hängt mal wieder hinterher und unterstellt seinen Leser/innen ein sehr kurzes Gedächtnis.

Seit Jahren warnen die nicht ideologisch verblendeten Ökonomen vor dem Niedergang des Dollars und seinen Folgen für unsere Volkswirtschaft; vor allem forderten wir rechtzeitig eine Stärkung der Binnennachfrage als Ersatz für mögliche Ausfälle beim Export. Und dies nicht erst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Der Spiegel merkte es im letzten Herbst, und jetzt noch einmal. Reichlich spät. Albrecht Müller.