Auf einmal ging es dann doch ganz schnell. Nach nächtlichen Nachverhandlungen meldeten die Ampelfraktionen gestern Morgen einen Durchbruch beim geplanten Gebäudeenergiegesetz. Morgen soll dem Bundestag der überarbeitete Entwurf vorgelegt und noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Neben einer ökologisch mehr als fragwürdigen Neustaffelung der Förderbeiträge wurde vor allem auf Wunsch der FDP mehr Wert auf „Technologieoffenheit“ gelegt. Das ist jedoch in dieser Kombination fatal und könnte bei zahlreichen Haushalten zu sehr teuren Fehlentscheidungen führen. Eine vernünftige Planung ist für Eigenheimbesitzer aber ohnehin nicht möglich, da sich die künftigen Kosten für die verschiedenen Energieträger nicht einmal ansatzweise abschätzen lassen. Fest steht nur eins: Es wird teuer. Sehr teuer. Vor allem in der Fläche droht den Menschen eine Verarmung, die historisch ihresgleichen sucht. Von Jens Berger.
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„Klima-Geschwindigkeitsbonus“ – dieser Begriff hat das Zeug, als eines der dümmsten politischen Schlagworte in die Jahreschronik einzugehen. Gemeint ist damit eine Sonderzulage, die all diejenigen in Anspruch nehmen können, die von ihrer alten Heizung früher als gesetzlich vorgeschrieben auf eine Wärmepumpe umsteigen. Der SPIEGEL beschrieb das Konzept mit dem denkwürdigen Satz: „Ist die Heizung noch nicht kaputt, wird aber dennoch ausgewechselt, so honoriert der Staat dieses klimafreundliche Verhalten mit entsprechend höheren Fördermitteln.“ Dieser Satz wurde übrigens mittlerweile gegen einen weniger verfänglichen ausgetauscht. Regierungs-PR.
Wer also eine voll funktionsfähige Gasheizung herausreißen und verschrotten lässt, wird dafür vom Staat belohnt? Dabei dachte ich, man sei gerade bei Thema Ressourcennutzung und Nachhaltigkeit schon weiter. Geht es um eine klimafreundliche Heizung oder um einen Feldzug gegen das Gas? Offenbar Letzteres. Je nach Gebäudetyp ist beim derzeitigen Strommix eine Wärmepumpe nämlich keinesfalls klimafreundlicher als eine moderne Gasheizung und das Verschrotten einer einwandfrei funktionierenden Gasheizung, die vielleicht noch zehn, zwanzig Jahre Lebenserwartung vor sich hat, ist eine Sünde wider allen Grundsätzen der Nachhaltigkeit.
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Aber nicht nur das. Hier werden ohne Sinn und Verstand Fakten geschaffen. Fakten, die vor allem mit der nun großspurig versprochenen „Technologieoffenheit“ in Konflikt stehen. Dafür sollen die Kommunen ja nun bis 2028 ihre Wärmeplanung erstellen. Doch was ist da noch groß zu planen, wenn die Haushalte durch derart fragwürdige Sonderprämien dazu verleitet werden, schon während der kommunalen Planungsphase auf Wärmepumpen umzusteigen, und damit alternative Lösungen wirtschaftlich unattraktiv gemacht werden? Sowohl Fernwärme als auch alternative Versorgungskonzepte mit klimafreundlichen Gas-Varianten machen nur dann einen Sinn, wenn es genügend Abnehmer gibt, mit denen sich die horrenden Investitionskosten refinanzieren lassen. Wenn nun aber beispielsweise jeder zweite Haushalt eines Straßenzuges schon – auch dank staatlicher Lenkung – auf eine Wärmepumpe umgestiegen ist, rechnet sich die Verlegung neuer Rohre finanziell vielleicht gar nicht mehr und so werden die restlichen Haushalte de facto gezwungen, auch auf Wärmepumpen umzusteigen; dann natürlich ohne „Frühwechslerprämie“. Und wenn doch gebaut wird, verteilen sich die Kosten auf die verbliebenen Haushalte, die so dank der „Frühwechsler“ noch tiefer in die Tasche greifen müssen.
Technologieoffenheit – das hört sich ja erst einmal positiv an. Doch wie technologieoffen kann ein neues Heizungsgesetz sein, das für Bewohner ländlicher Regionen mittelfristig keine realistische Alternative zur nach wie vor priorisierten Wärmepumpe bietet? Es ist völlig illusorisch, die Fernwärmeversorgung für ländliche Gebiete als Alternative zur jetzigen Gasheizung auch nur in Betracht zu ziehen. Dort wo es weder Industriebetriebe, die Wärme erzeugen, oder passende Kraftwerke gibt, wird es auch keine Fernwärmeversorgung geben können. Der Bau eines thermischen Kraftwerks nur für die Fernwärmeversorgung rechnet sich nicht – und welche Energieträger sollten dort überhaupt zum Einsatz kommen, wenn das Ganze klimaneutral sein soll? Biomasse? Hier wäre zwar eine Fernwärmelösung durchaus möglich, aber das Verbrennen von Holz sollte für eine nachhaltige, klimaneutrale Heizlösung eigentlich keine nennenswerte Rolle spielen.
Auch andere Alternativen sind zurzeit schwer vorstellbar. Der von der FDP immer wieder ins Spiel gebrachte grüne Wasserstoff ist – wenn überhaupt – eine Zukunftsvision ohne realistische Perspektive für Gebäudeheizungen. Die Herstellung von grünem Wasserstoff ist nämlich vergleichsweise teuer und – was schwerer wiegt – es gibt auf absehbare Zeit gar nicht die nötigen Mengen von diesem Energieträger, als dass man sie in großem Volumen in ein Versorgungsnetz für Heizungen einspeisen könnte.
Langfristig könnte es natürlich bei entsprechenden Investitionen lokale und regionale Lösungen geben. Dann würde sich jedoch die Frage des Rohrnetzes stellen. Neben dem vorhandenen Gasversorgungsnetz ein zweites Wasserstoffversorgungsnetz zu bauen, ist weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Man müsste also das alte Netz zur Nutzung mit Wasserstoff umbauen. Doch was machen dann die Haushalte, die noch mit traditionellem Erdgas heizen? Sie wären de facto ebenfalls gezwungen, eine funktionierende Gasheizung zu verschrotten und sich eine „H2-Ready-Therme“ einbauen zu lassen. Dies ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn es bereits einen kommunalen Wärmeplan mit verlässlichen Preisen für grünen Wasserstoff als Energieträger gibt; sonst könnte es passieren, dass man die neue „H2-Ready-Therme“ bereits in wenigen Jahren auch wieder verschrotten kann, da das kommunale Gasversorgungsnetz zurückgebaut wird und man gar kein Gas mehr bekommt.
Für den Eigenheimbesitzer und Vermieter herrscht zurzeit das komplette Heizungschaos. Wer in den nächsten fünf Jahren seine Heizung erneuern will oder muss, steht vor unlösbaren Aufgaben und unbeantwortbaren Fragen, wenn er denn eine Alternative zur Wärmepumpe in Betracht ziehen will.
- Wie lange wird überhaupt noch Erdgas eingespeist und was wird es kosten?
- Wird irgendwann einmal grüner Wasserstoff eingespeist und was wird er kosten?
- Wird das Haus irgendwann einmal an ein Fernwärmenetz angeschlossen und was wird das kosten?
- Wird die Erdgasversorgung am konkreten Standort durch Zugabe von Biomethan auch längerfristig gesichert sein, was wird das kosten und kann meine Heizung das überhaupt verarbeiten?
Auf die Fragen des Versorgungsangebots wird es frühestens nach Fertigstellung der kommunalen Wärmeplanung eine Antwort geben. Also frühestens 2028, in großen Städten zwei Jahre früher. Zu den Kosten der jeweiligen Energieträger über den gesamten Kalkulationszeitraum gibt es jedoch auch dann keine Antworten. Jeder Unternehmer, der eine Investitionsentscheidung mit derart vielen Unbekannten treffen müsste, würde wohl auf der Stelle vor Verzweiflung in Tränen ausbrechen. Aber der kleine Hausbesitzer soll mit diesen Unbekannten kalkulieren und dann auch noch eine gute Entscheidung treffen?
Und es geht ja nicht um Peanuts. Auch mit maximalen Zuschüssen reden wir über Investitionen im fünfstelligen Bereich, die für die meisten Haushalte – wenn überhaupt – nur über einen Bankkredit finanzierbar sind. Aber nicht nur das. Was bei der gesamten Debatte gerne vergessen wird, sind die Betriebskosten. Fest steht bereits jetzt, dass die Kosten für Gas sich in den nächsten Jahren durch die Ausweitung des EU-Emissionshandels auf den Gebäudesektor massiv erhöhen werden. Die künftigen Preise für Strom, Wasserstoff oder Biomethan sind nicht seriös zu beziffern, da sie von zahlreichen, für diesen Zeitraum nicht seriös zu beziffernden Faktoren abhängen. Klar ist nur: So „preiswert“ wie 2020 wird Heizen nie wieder sein. Die Preise werden massiv steigen. Wir reden also nicht „nur“ über Investitionen im fünfstelligen Euro-Bereich, sondern auch über jährliche Mehrkosten für den Heizenergieverbrauch im wahrscheinlich mittleren vierstelligen Bereich. Wer soll das bezahlen? Vor allem die Mittelschicht auf dem Land, die eine hohe Eigenheimquote hat und mangels Fernwärme-Perspektive auf eine unabhängige eigene Heizung angewiesen ist, wird durch dieses Gesetz finanziell extrem hart getroffen – in vielen Fällen kommt dies sogar einer schrittweisen Enteignung gleich.
Technologieoffenheit hin oder her – der neu verhandelte Gesetzesentwurf ist und bleibt de facto ein Wärmepumpen-Zwang für die allermeisten Haushalte. Mehr noch – durch den Anschein von „Alternativen“ birgt er das Risiko, dass Eigenheimbesitzer, die sich gegen eine Wärmepumpe entscheiden, zu extrem teuren Fehlinvestitionen verleitet werden. Denn wer sich heute eine neue Gastherme einbauen lässt – was prinzipiell ja erlaubt ist –, könnte schon bald sprichwörtlich in die Röhre gucken, da kein Gas mehr durch ebenjene fließen könnte. Und auch Eigenheimbesitzer, die sich jetzt eine Wärmepumpe anschaffen und in der Nähe von Kraftwerken oder Industrieanlagen leben, die künftig als Versorger für Fernwärme in Frage kommen, könnten unter Umständen viel Geld verbrennen; nämlich dann, wenn sie in ein paar Jahren einen günstigeren Fernwärmeanschluss bekommen, nun aber bereits die teure Wärmepumpe installiert haben.
Wie man es dreht oder wendet – das Gesetz kostet die Bürger sehr viel Geld und der übereilte und unkoordinierte Terminplan schafft obendrein pures Chaos. Warum wartet man mit dem ganzen Gesetz nicht ab, bis die kommunale Wärmeplanung steht und die Haushalte zumindest die Rahmendaten zur künftigen Versorgungssicherheit haben, die sie für ihre Investitionen zwingend benötigen? Oder besser noch: Warum verzichtet man nicht gleich auf das Gesetz?
Es gäbe ja eine Alternative, die Klimaschutz, Wärmepumpe und Klimaneutralität mit den sozioökonomischen Fragen in Einklang bringt. Man fördere den Ausbau regenerativer Energien und ändere die Strompreis-Mechanismen in der Form, dass nicht die teuren Gaskraftwerke, sondern die preiswerten regenerativen Energien den Strompreis setzen. Dann wäre Strom auch als Heizenergie für Wärmepumpen preiswert; preiswerter als Erdgas und preiswerter als Wasserstoff. Dann würde man – sofern das Gebäude dies zulässt – mit einer Wärmepumpe richtig viel Geld sparen und die Leute würden freiwillig umsteigen und hätten dabei auch noch erfreuliche Einsparperspektiven. Aber das ist wohl zu einfach und zu logisch für eine Regierung, die nun sogar die vorzeitige Verschrottung effizienter und funktionierender Gasthermen für förderungsfähig hält.
Titelbild: DesignRage/shutterstock.com