Die Signa Holding krallt sich haufenweise marode Warenhäuser, macht sie in Serie platt, bereichert sich an den lukrativen Immobilien und kassiert für all das auch noch Hunderte Millionen Euro an Steuergeldern. Was unter „Rettung“ läuft, ist in Wahrheit ein brutaler Akt schöpferischer Zerstörung, und aus den Ruinen schöpft allen voran Konzernboss René Benko. Auf der Strecke bleiben Beschäftigte, Kunden und unternehmerischer Anstand. Mit Recht und Gesetz geht es bei all dem vermutlich auch nicht zu, wie ein Blick zu unseren österreichischen Nachbarn offenbart. Aber auch in Deutschland hinterlässt sein Geschäftsmodell ein Trümmerfeld. Von Ralf Wurzbacher.
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René Benko besitzt ohne Frage eine besondere Gabe, viel und schnelles Geld zu machen. Mithin haben die Geschäfte des Tiroler Immobilienspekulanten etwas Magisches. Da ist dieser Deal aus den Jahren 2007 und 2008. Zunächst erwirbt er als damals 30-jähriger Jungunternehmer mit seiner Signa Holding drei Immobilien in der Tuchlauben, im „Goldenen Quartier“ mitten in der Wiener Innenstadt, für 141 Millionen Euro. Bald darauf löst er den Komplex aus seinem Portfolio heraus und verkauft ihn zum selben Preis an einen ihm nahestehenden Fonds in Luxemburg. Nur zwei Wochen später gelingt dann der Coup: Die Objekte wechseln zur Mantelgesellschaft einer Anwaltskanzlei, die ebenfalls mit der Signa verbandelt ist, diesmal für 195 Millionen Euro. Eine Wertsteigerung von 54 Millionen Euro in nur zwei Wochen – Simsalabim.
Es geht auch andersherum, denn nicht minder versteht sich Benko darauf, zum rechten Zeitpunkt Risiken loszuwerden. Vor drei Wochen veräußerte seine Signa-Gruppe die Möbelkette Kika/Leiner, die in ihren besten Zeiten Dutzende Einrichtungshäuser in der Alpenrepublik sowie in Ost- und Südosteuropa betrieb. Der Laden läuft schon sehr lange nicht mehr rund, das war bereits so, als Benko ihn im Jahr 2018 übernimmt und als großer „Retter“ auf den Plan tritt. Zu Geld macht er in den Folgejahren jedoch nur die Immobilien, die getrennt sind vom operativen Geschäft, das immer mehr Verluste und Schulden auftürmt. Das lässt der Multimilliardär lange tatenlos geschehen, bis ihm die Sache doch zu bunt wird.
Einfluss im Überfluss
Anfang Juni gibt er die übrigen Liegenschaften und den Filialbetrieb an zwei Käufer ab, für kolportierte 500 Millionen Euro. Der gesamte Immobilienbestand landet bei der Supernova Invest, das operative Geschäft zu einem Preis von angeblich einem Euro beim Handelsmanager Hermann Wieser. Prompt wird‘s wieder zauberhaft: Nur wenige Tage später kündigt Wieser an, in die Insolvenz zu gehen. Es ist dies laut Presseberichten die größte Firmenpleite der vergangenen zehn Jahre in Österreich, wodurch der Staat als Gläubiger und verantwortlich für den Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) einen Schaden von absehbar 100 Millionen Euro erleidet. Richtig bluten müssen wie immer die Beschäftigten. Im Rahmen der anstehenden Sanierung sollen 23 der zuletzt 40 Standorte geschlossen und rund 2.000 von 3.900 Mitarbeitern ihren Job verlieren.
Nüchtern betrachtet hat Benko natürlich nicht einfach nur Glück oder einen guten Riecher. Vielmehr kennt er die richtigen Leute, umgibt sich mit den „besten“ Experten und hat mit seinem vielen Geld Einfluss im Überfluss. Auf diesem Hintergrund sind auch die beiden beschriebenen Vorgänge erklärbar, zwischen denen offenbar eine enge Verbindung besteht. Tatsächlich steht nämlich der Verdacht im Raum, dass die über 50 Millionen Euro, die vor 15 Jahren beim Tuchlauben-Geschäft durch mehrmaligen Eigentümerwechsel wie aus dem Nichts aufploppten, am Fiskus vorbeigewandert sind. Das jedenfalls vermutet das Finanzamt Wien, das sich schon sehr lange mit dem Fall beschäftigt.
Guter Bekannter im Ministerium
Wie Kontrast.at dieser Tage berichtete, war die Summe seinerzeit nicht als besteuerbarer Gewinn deklariert worden, sondern als stille Reserven, die beispielsweise entstehen, sobald Immobilienvermögen unterbewertet wurden. Die Finanzprüfer wollten die windigen Tricks nicht durchgehen lassen und machten einen Nachschlag bei der Körperschaftssteuer in Höhe von 3,5 Millionen Euro geltend. Signa weigerte sich, wollte die Bemessungsgrundlage auf 35 Millionen Euro drücken. Aber dann passierte – Hokuspokus – jahrelang nichts in der Angelegenheit.
Wie sehr viel später aus den Akten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hervorging, hat René Benko einen guten und hochrangigen Bekannten im österreichischen Finanzministerium. Beide hätten nach Kenntnis der Ermittler „seit zumindest Ende 2016“ im Kontakt gestanden: „Man duzt sich und trifft sich regelmäßig.“ Chatprotokolle belegen ferner, dass Benko dem Mann einen Job in seinem Konzern angeboten hat – für ein Jahressalär von 300.000 Euro plus Boni. Der besagte Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Ministerium, packte im Herbst 2022 aus und räumte ein, im Sinne Benkos im Ministerium gewirkt zu haben. „Lieber Rene (…) In deiner Sache ist alles auf Schiene!“, ließ Schmid ihn 2018 wissen.
Das galt auch für dessen Geschäfte. Ende 2017 streckt Benko erstmals die Fühler nach der angeschlagenen Kika/Leiner-Gruppe aus. Für 60 Millionen Euro verleibt er sich zunächst deren Filetstück auf Wiens schickster Einkaufsmeile, in der Mariahilfer Straße, ein. Daraus soll dereinst der noch im Bau befindliche „Luxury Department Store“ namens „Lamarr“ als Teil seiner im Premiumsegment tätigen KaDeWe Group werden. Nur sechs Monate später erhält Signa das ganze Paket mit sämtlichen 68 Filialen. Benko zahlt dafür rund 430 Millionen Euro und verpflichtet sich, 100 Millionen Euro in die Sanierung zu stecken.
Steuererleichterung mit Amtshilfe
Nach Lage der Dinge verschafft die sogenannte Rettung der Möbelkette samt der damals 5.000 Beschäftigten, aus der nichts wurde, dem Immobilientycoon einen Segen mehr. Und damit schließt sich der Kreis zum Deal mit dem Tuchlauben-Komplex. Denn während sich die damalige Regierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) im Licht der vermeintlichen Erfolgsstory sonnt, verflüchtigt sich ganz nebenbei der Ärger um die betreffende Steuernachforderung. Wie das Politmagazin Der Falter unter Berufung auf Informationen der zuständigen Staatsanwaltschaft nachzeichnet, übt das Finanzministerium in Person von Sektionschef Eduard Müller Druck auf das Wiener Finanzamt aus. Der habe ihn gedrängt, das Verfahren „zeitnah und schnell (zu) erledigen“, gab der fragliche Beamte zu Protokoll.
Als sich dieser wegen möglichem Amtsmissbrauchs querstellt, protokolliert in seinem Hilferuf an Müller: „Warum helft‘s ihr dem Benko so?“, geht plötzlich alles ganz schnell: Über Nacht verlegt die Signa Holding ihren Sitz von Wien nach Innsbruck – „und das dortige Finanzamt stimmte nach einem Telefonat mit Müller nur zwei Wochen später einer viel niedrigeren Bemessungsgrundlage zu: 36 statt 53 Millionen, mit entsprechend geringerer Nachzahlung“, hielt Der Falter fest. Das Magazin zitierte zudem aus einer früheren Mail des renitenten Finanzbeamten Werner L., der darin echte Weitsicht bewies. Demnach könne er das Argument, Signa habe 5.000 Arbeitsplätze gerettet, nicht nachvollziehen, „weil es anders kommen wird – Benko möchte ja eh nur die Immobilien“.
Heiß auf Immobilien
Wenn schon ein „einfacher“ Finanzbeamter Benkos Geschäftsmodell durchschaut – warum fällt dann die Politik immer wieder auf seine Heilsversprechen herein? Als „Rettung“ hatte hierzulande die große Koalition vor fünf Jahren auch die Übernahme der kriselnden Kaufhauskette Galeria Kaufhof gefeiert. Zwei Insolvenzen später, in denen zig Millionen Euro an Steuergeld verbrannt, etliche Standorte verschwunden und Tausende Arbeitsplätze vernichtet wurden und noch werden, ist das einstige Karstadt-Imperium nur noch ein klappriges Gerippe. Dabei ging es Benko nie darum, die Kaufhäuser vorm Ruin zu bewahren. Für ihn zählen allein die Immobilien und Grundstücke, um diese gewinnbringend zu vermarkten. Er reißt sich dafür die Warenhäuser unter den Nagel, isoliert die kraftlosen Betreibergesellschaften vom werthaltigen Gebäudebestand, als deren Eigner er Galeria Kaufhof stattliche Mieten abverlangt. Für den Betrieb der Läden hat er bloß Kleckerbeträge übrig, ergänzt um erpresstes Steuergeld – weil andernfalls der „Geschäftsbetrieb unmittelbar einzustellen“ wäre –, was das Sterben auf Raten bestenfalls verlangsamt und Zeit verschafft beim Leichenfleddern.
So hat Signa nach der Kika/Leiner-Übernahme umgehend das Osteuropageschäft abgestoßen, das für 200 Millionen Euro an den Mitbewerber XXXLutz ging. Weitere 200 Millionen Euro spielte die Trennung von „nicht strategischen“ Standorten in etlichen Städten ein, womit Benko ein Viertel der Immobilen vergoldete. Verrechnet mit dem einstigen Kauf- und jetzigen Verkaufspreis der Möbelkette soll ihm die Unternehmung wenigstens 300 Millionen Euro Gewinn beschert haben. Da lässt es sich verschmerzen, dass er am Möbelverkauf unter dem Strich nichts verdient hat. Zumal er das gar nicht wollte und seine „Rettungsmission“ bloß ein Trojaner war, um sich zu bereichern, zum Schaden von Beschäftigten und Steuerzahlern. „An einer Rettung profitiert in der Regel vor allem der Retter“, befand die Tageszeitung Die Presse.
Monopoly im Herzen Berlins
Trotzdem darf der Austria-Zampano weiter schalten und walten, wie er will. Sein neuester Coup: Obwohl noch gar nicht zu Ende errichtet, wird das künftige Bürohochhaus „Mynd“ am Berliner Alexanderplatz mitsamt des traditionsreichen Galeria-Kaufhauses voraussichtlich in den Besitz einer Commerzbank-Tochter übergehen. Über den Deal, den das Bundeskartellamt erst noch genehmigen muss, hatte Signa vor zwei Wochen informiert. Wie beim Monopoly erwirbt die Holding im Gegenzug die bisherige 20-Prozent-Beteiligung eines Commerzbank-Fonds an acht Warenhausimmobilien im gesamten Bundesgebiet.
Erklärtermaßen will Signa das Hochhausprojekt am Alex sowie den laufenden Galeria-Umbau als Projektentwicklungspartner weiter „federführend begleiten“, bis 2025 soll das Gesamtensemble fertig sein. Allerdings könnte der neue Eigner neue Bedingungen diktieren, insbesondere mit Blick auf das Warenhaus, für dessen „Rettung“ sowie die weiterer Karstadt-Standorte die Landesregierung Benko schon erhebliche geldwerte Zugeständnisse gemacht hatte. Auf Grundlage des vor drei Jahren zwischen Senat und Signa vereinbarten „Letter of Intent“ zieht die Gruppe zum Beispiel zwei Hochhäuser am Breitscheidplatz hoch. Im Gegenzug versprach die Holding, 45 Millionen Euro in Karstadt zu investieren. Und was passiert? Die Häuser in Charlottenburg und im Wedding werden zum 31. Januar 2024 dichtgemacht, wobei Letzteres zu einem Komplex mit Eigentumswohnungen, Büros und kleinerem Kaufhaus umgebaut wird. Bundesweit wurden allein im Juni 19 Zweigstellen geschlossen, 22 weitere sollen bis Anfang 2024 abgewickelt werden. Noch Fragen?
Aufklärung ungewiss
Immerhin sorgt das Treiben in der Politik zunehmend für Unmut. „Das Misstrauen gegen das Geschäftsgebaren von Herrn Benko hat sich erneut bestätigt“, beschied der Baustadtrat des Bezirks Berlin-Mitte, Ephraim Gothe (SPD). „Durch mehr Baumasse soll der Wert der Immobilien gesteigert und diese dann meistbietend an den nächsten Investor verkauft werden“, monierte der SPD-Abgeordnete im Abgeordnetenhaus, Mathias Schulz. Mit Blick auf weitere Bauvorhaben am Hermannplatz in Neukölln und der City West verwies er auf den Parlamentsvorbehalt. „Es ist jetzt die Aufgabe von uns als Politik, diesem ausschließlich auf Profitmaximierung zielenden Treiben (…) Grenzen zu setzen.“
In Österreich mehren sich derweil die Stimmen, die eine Aufarbeitung der Kika/Leiner-Pleite fordern. Neben dem mutmaßlichen Steuerdeal geht es um den Vorwurf, Benko könnte eine Insolvenz verschleppt haben, um seine Schäfchen ins Trockene zu bringen. Zur Aufklärung wurde vom Insolvenzgericht ein „besonderer Verwalter“ bestellt, der insbesondere die Vorgänge vor dem Verkauf an Wieser beleuchten soll. SPÖ und FPÖ erwägen außerdem, einen Untersuchungsausschuss in der Causa einzusetzen. Ob daraus etwas wird, ist noch unklar. Voraussetzung wäre wohl, dass aus beiden Parteien niemand von Rang und Namen dem Großspekulanten in der Vergangenheit zu nahe gekommen ist. Und Benkos Bekanntenkreis ist bekanntlich ziemlich groß.
Titelbild: PR