Das Flaggschiff Die Rheinpfalz des Medienkonzerns Schaub, der Medien Union GmbH, zu dem u.a. die Süddeutsche Zeitung, die Stuttgarter Zeitung, die Stuttgarter Nachrichten und die Freie Presse in Chemnitz gehören, eröffnet heute auf der Frontseite mit der Schlagzeile „Aggressive Spionage Russlands befürchtet” und kommentiert diese Meldung auf der Seite 2. Basis von „Nachricht“ und Kommentar ist eine afp-Meldung. Man muss also damit rechnen, dass der Tenor des Artikels und des Kommentars nicht auf Die Rheinpfalz beschränkt blieb. Artikel und Kommentar sind unten wiedergegeben, mit Ziffern versehen, auf die dann die folgenden Anmerkungen Bezug nehmen. Albrecht Müller.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
In Bericht und Kommentar geht es um Äußerungen des Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes und begleitende Anmerkungen der Bundesinnenministerin. Interessant ist insgesamt, dass Verfassungsschutzpräsident und Innenministerin einfach Dinge behaupten können, ohne sie zu belegen. Sie befürchten „aggressive Spionage Russlands” und warnen vor „Chinas Aktivitäten”. Einfach so. Im Einzelnen:
zu (1):
Da wird behauptet, die Gefährdungen durch russische Spionageaktivitäten gegen Deutschland hätten sich nochmals vergrößert. Zur Begründung dieser Behauptung wird dann geschrieben (wörtlich): ‚Nachdem Dutzende russische Geheimdienstmitarbeiter im vergangenen Jahr ausgewiesen worden seien, sei damit zu rechnen, dass Russland „zukünftig klandestiner und aggressiver” vorgehen könne.’ „Könne”! Darauf, auf diesem „könne” werden eine Schlagzeile und ein Artikel und zusätzlich ein Kommentar aufgebaut. Auch im weiteren Verlauf dieses Textes wird mit dem Begriff „könne” gearbeitet.
Zu (2):
Die Bundesinnenministerin überhöht und verstärkt die Behauptungen des ihr unterstellten Verfassungsschutzpräsidenten mit der Behauptung, Russlands Krieg gegen die Ukraine bedeute auch „eine Zeitenwende für die innere Sicherheit”. – So ein Quatsch. Wie sehr das und warum das Quatsch ist, erkennt man an der Begründung von Frau Faeser: „Gerade in Kriegszeiten stützt sich die Führung im Kreml auf die Arbeit der russischen Nachrichtendienste.” Außer diesem Allgemeinplatz keinerlei weitere Erkenntnisse?
Zu (3):
Auch die Behauptung, China bleibe einer der vier Hauptakteure von gegen Deutschland gerichteter Spionage, wird nicht durch Fakten gestützt, sondern mit der Behauptung, China, Russland, der Iran, die Türkei und auch Nordkorea gehörten zur Gruppe der Länder, die bei uns massiv geheimdienstlich tätig seien. In Deutschland nutze China die Spionage in Wirtschaft und Wissenschaft für die Umsetzung seiner ambitionierten Industriepolitik.
Haben die Damen und Herren eigentlich auch schon mal überlegt, inwieweit westliche Staaten die deutsche Wirtschaft ausspähen und für ihre Industriepolitik nutzen? Große Teile der deutschen Industrie sind im Eigentum angelsächsischer Kapitalgesellschaften. Sie brauchen gar nicht spionieren, um sich dienstbar zu machen, was in Deutschland geforscht und entwickelt wird. Und übrigens: Der Vorwurf an China, auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Industriespionage tätig zu sein, ist zum einen nicht neu, zum anderen ist die industrielle Entwicklung in China schon so gediehen, dass es durchaus Möglichkeiten und Gelegenheiten für Spionage deutscher Unternehmen in China geben könnte.
Insgesamt sind die Erwägungen des Präsidenten des Verfassungsschutzes und der ihm nachplappernden Bundesinnenministerin angesichts der intensiven internationalen Verflechtung der Unternehmen aus der Zeit gefallen.
Zu 4:
Die Unseriosität von Artikel und Kommentar wird in der dritten Spalte des Artikels besonders sichtbar. Da werden Veränderungen der Tätigkeit von Rechtsextremen und Linksextremen bis auf die Stelle hinter dem Komma und genau in Ziffern angegeben. Danach sind die Rechtsextremen um 14,5 Prozent auf 38,800 angestiegen. Und der Anteil gewaltbereiter Rechtsextremisten sei um 500 auf nun 14.000 gestiegen. Und genauso genau werden dann die Ziffern zu den Linksextremisten genannt. Im Vergleich zum Vorjahr sind linksextremistisch motivierte Straftaten um 37,4 Prozent gesunken und das linksextremistische Potenzial ist um 5,2 Prozent auf 36.500 angestiegen. Da kann man nur noch fragen, warum nicht 36.555?
Das ist alles so unseriös, ja bescheuert. Das ist alles so abenteuerlich, dass man nur noch dazu raten kann, sich die Lektüre dieser Blätter nicht mehr anzutun, sie abzubestellen. Ich persönlich kann das leider nicht tun, weil ich für die NachDenkSeiten über den täglichen Wahnsinn, den unsere etablierten Medien anstellen, weiter berichten muss und will.
Schlussbemerkung:
Im konkreten Fall geht es um ein ernstes Thema: Hier wird nämlich unentwegt am Aufbau von Feindbildern gearbeitet – sowohl im Falle Russlands als auch im Falle Chinas. Unser Volk wird nicht auf friedliches Zusammenleben und auf die Überbrückung von Differenzen eingestellt, sondern auf Konflikt bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung. Die Agitation ist so unappetitlich wie die im oben wiedergegebenen Plakat erkennbare Propaganda in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts.
Auch deshalb ist der Hinweis auf diese schlimme Art von Journalismus angebracht.