Am Mittwoch haben die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses des Bundestags Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seinen Staatssekretär Udo Philipp befragt. Im Mittelpunkt standen die personellen und finanziellen Verquickungen des Staatssekretärs zu diversen Unternehmen und Fonds. Die Befragung geriet zumindest teilweise zu einem Offenbarungseid des Grünen-Spitzenpersonals im Wirtschaftsministerium, welches mehrfach den Scholz machte und vorgab, sich an nichts erinnern zu können. Ebenso bezeichnend ist allerdings auch die Medienberichterstattung in den Leitmedien zu der Anhörung: Kein Wort über die „Gedächtnislücken“ oder den Vorwurf der Opposition, die Ampel-Koalition hätte mit „Taschenspielertricks“ und „Blockadehaltung“ versucht, die direkte Befragung von Habeck und Philipp zu verhindern. Von Florian Warweg.
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Noch vor Beginn der eigentlichen Anhörung war die Stimmung zwischen Opposition und Regierungsparteien im Sitzungssaal des Wirtschaftsausschusses spürbar angespannt. Grund hierfür war der dank Stimmenmehrheit erfolgreiche Versuch der Ampel, das Befragungsverfahren so zu ändern, dass keine direkte Befragung von Habeck und Philipp möglich war. Statt dem bei Anhörungen etablierten Ansatz der direkten Befragung von Minister und Staatssekretär zu folgen, mussten die Abgeordneten diesmal ihre Fragen vorher formulieren und diese wurden dann gesammelt. Zudem wurde die Fragezeit massiv auf eine Minute pro Fraktion und Fragerunde beschränkt. Scharfe Kritik an dem Vorgehen kam von allen Oppositionsparteien, auch von der CDU. Beispielhaft sei auf die Darlegungen der CDU-Bundestagsabgeordneten Julia Klöckner verwiesen, die erklärte, dass dieser von der Ampelmehrheit durchgedrückte Modus es dem Minister und seinem Staatssekretär ermögliche, unangenehme Fragen einfach ignorieren zu können:
2/3 … wie beim vergangenen Mal. Ampel will nun Fragen von allen Fraktionen erst sammeln, damit Minister/Staatssekretäre die Fragen nicht direkt beantworten müssen, sich Fragen aussuchen und Unangenehmes unter den Tisch fallen lassen können. Fragezeiten werden massiv verkürzt.
— Julia Klöckner (@JuliaKloeckner) May 24, 2023
Auch der Obmann der Linksfraktion im Wirtschaftsausschuss, Pascal Meiser, erklärte in seltener Einigkeit mit der Union sein Unverständnis angesichts dieser Beschneidung des parlamentarischen Fragerechts:
„Warum tun Sie das? Sie erwecken den Anschein, Sie, Minister Habeck und Staatssekretär Philipp, hätten mit der direkten Befragung ein Problem. Direkte Frage, direkte Antwort, das wäre der richtige Weg. Deswegen unterstützen wir auch den Vorschlag der Unionsfraktion.“
Für die AfD ergänzte Enrico Komning:
„Wir haben eine Geschäftsordnung, diese Geschäftsordnung gilt. Die kann nicht einfach mit einer Mehrheit außer Kraft gesetzt werden. Das geht so nicht. Das ist rechtlich nicht zulässig. Deswegen gibt es die Geschäftsordnung mit der Beachtung der Minderheitenrechte (der Opposition).“
Die Ampel ließ sich aber von den Argumenten der Opposition nicht beirren und drückte qua Mehrheit die Änderung durch. Danach erhielt Wirtschaftsminister Habeck das Wort. Dieser erklärte zunächst, dass dienstliches Handeln zwar nicht von privaten Interessen geleitet werden dürfe, aber laut den in seinem Haus geltenden Rechtsnormen seien Fondsbeteiligungen von Staatssekretären nicht anzeigepflichtig. Udo Philipp hätte daher „mehr getan als nötig“.
Dann begann die Fragerunde: Für die CDU fragte Klöckner mit Verweis auf ein Zitat Philipps („Ich komme aus der Finanzwirtschaft, ich war sozusagen eine der größten Heuschrecken Deutschlands, und hier werden Klima und Finanzindustrie plötzlich zu Partnern“), ob der Staatssekretär wirklich keinen Konflikt darin sehe, dass er heute für Themen im Ministerium zuständig ist, für die er selbst als Investor tätig war und ist. Ebenso wollte sie wissen, wann und in welcher Form Philipp das BMWK über seinen Beteiligungen und Investitionen informiert habe und ab wann der Minister davon wusste. Die AfD fragte unter anderem, warum Philipp zunächst gegenüber der Presse behauptet hätte, es gäbe keinerlei Förderung des BMWK von Unternehmen, an denen er privat beteiligt sei. (Später stellte sich heraus, dass das BMWK aktuell sehr wohl mindestens ein Projekt eines Start-up-Unternehmens fördert, an dem Philipp bis heute Anteile hält).
Für die Linksfraktion fragte Meiser, ob Philipp nochmal abschließend darlegen könnte, an welchen Unternehmen und Fonds er direkt und indirekt mit privatem Geld beteiligt ist und ob er wirklich ausschließen kann, dass es außer dem Fall des Start-ups „Africa Green Tech“ noch andere Unternehmen gibt, an denen er Anteile hält und die von Maßnahmen des BMWK profitieren würden.
Daneben „fragten“ noch Grüne, SPD und FDP nach. Hier war auffallend, dass von den ersten zwei genannten Regierungsparteien nur Gefälligkeitsfragen kamen, aber die FDP doch die eine oder andere kritische Frage hervorbrachte. Dieses Verhalten spiegelt wohl auch die aktuelle Stimmung in der Ampel wider. Insbesondere bei den anwesenden Bundestagsabgeordneten der Grünen lagen die Nerven sichtbar blank.
Da fast alle Fragen mit einer Ausnahme direkt an Philipp gerichtet waren, gab der Ausschussvorsitzende Grosse-Brömer (CDU) dann direkt das Wort an Staatssekretär Philipp, Habeck könne ja dann ergänzen. Sofort plusterte sich jedoch Habeck in verletzter Eitelkeit auf und erklärte umgehend:
„Ich würde gerne mit Verlaub in der hierarchischen Reihenfolge verbleiben und anfangen.“
Irgendwann bekam dann doch noch Philipp das Wort und erklärte, er werde „nach besten Kenntnissen und Gewissen“ versuchen, die Fragen zu beantworten. Seine Antworten gerieten dann aber oft sehr ausweichend oder wurden mit dem Klassiker beantwortet:
„Davon hatte ich keine Kenntnis“ oder auch „Das ist nicht relevant“.
Außerdem sei er „mit Herzblut“ Staatssekretär, insbesondere was die Startup-Förderung angehe, dass schließe, so seine gewagte Implikation, Interessenskonflikte aus:
Die Argumentation von #UdoPhilipp gegenüber Wirtschaftsausschuss lässt sich bisher so zusammenfassen:
'Ich bin mit Herzblut dabei, gerade im Bereich der Startup-Föderung, daher sehe ich keine Interessenskonflikte…'
Ergo, weil ach so engagiert, kein Interessenkonflikt. Äh….🤔 pic.twitter.com/3tN51moQkA— Florian Warweg (@FWarweg) May 24, 2023
Vielsagend nichtssagend auch seine Aussage hinsichtlich seiner vielfältigen Investitionen in diverse Fonds zur Vermögenssteigerung:
„Dass Menschen Fonds haben, das ist normal.“
Wie viele der Millionen Menschen in der Bundesrepublik, die derzeit angesichts massiv gestiegener Lebensmittel- und Energiepreise jeden Cent umdrehen müssen, wohl über „Fonds“ verfügen und deren Besitz als „normal“ bezeichnen würden?
Als „nicht relevant“ bezeichnete Habecks Staatssekretär dann unter anderem die Frage, ob er einen genauen Überblick habe über alle Firmen, die seine Fondsbeteiligungen umfassen und ob sich daraus weitere Interessenskonflikte ergeben könnten.
Ein Klassiker auch seine Antwort auf die Frage, ob er die Leitungsvorlage zur Benennung der Mitglieder im Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ selbst gezeichnet habe:
„Ich kann mich nicht erinnern, ob ich sie gezeichnet habe, aber es ist ausgesprochen wahrscheinlich, dass ich diese gezeichnet habe. Davon gehe ich eigentlich aus, dass ich sie gezeichnet habe. (…) Aber ich sehe hier keinen Interessenkonflikt.“
Hintergrund der Frage war, dass Philipp Wirtschaftsminister Habeck einen Berater für „Digitalwirtschaft und Rahmenbedingungen für Start-ups“ empfohlen hatte, in dessen von ihm geleiteten Fonds der Staatssekretär zuvor privates Geld investiert hatte. Konkret geht es um Sebastian Böhmer, den Habeck auf Empfehlung von Philipp im August 2022 dann auch tatsächlich als seinen Berater berufen hatte.
Im Rahmen der weiteren Befragung kam in Folge heraus, dass Philipp gegenüber Habeck zwar Böhmer als Berater vorgeschlagen hatte, seinem Minister aber bis zum Schluss verschwiegen hatte, dass er auch direkt in dessen Fonds investiert hat. Habeck erklärte dazu auf Nachfrage:
„Dass es eine finanzielle Beteiligung dort gab, das wusste ich nicht. Es ist aber auch irrelevant.“
Eine der letzten Fragen zielte dann noch auf eine weitere fragwürdige Personalie von Habeck, die von der US-Investmentgesellschaft BlackRock im Sommer 2022 geholte und zur Chefvolkswirtin seines Ministeriums ernannte Elga Bartsch. Auf die Frage, ob Habeck ausschließen könne, dass seine Spitzenbeamtin weiterhin Anlagen bei BlackRock halte und inwieweit das Einfluss auf deren Arbeit in einem der Schlüsselressorts des Ministeriums haben könnte, erklärte der Minister:
„Zu den Vermögensverhältnissen von Elga Bartsch kann ich mich nicht äußern. Habe ich keine Kenntnisse drüber.“
#Habeck wird gefragt, ob er darüber informiert ist, welche Fonds-Investionen die frühere BlackRock-Ökonomin Helga Bartsch hält, die er als Minister im Januar 2023 zur Leiterin der Grundsatzabteilung „Wirtschaftspolitik“ ernannt hat. Antwort: "Ich habe keinerlei Informationen…" pic.twitter.com/HyHeIbXTsu
— Florian Warweg (@FWarweg) May 24, 2023
Diese Antwort muss man sich wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen. Habeck rekrutiert bewusst seine neue Chefökonomin von der US-Investmentgesellschaft BlackRock, bei der diese eine Führungsposition innehatte, und setzt sie dann an die zentrale Schaltstelle für Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik, ohne angeblich informiert zu sein, über welche privaten Investitionen bei BlackRock, wohlgemerkt der weltgrößte Vermögensverwalter mit entsprechend marktbeherrschender Rolle, seine neue Spitzenkraft im BMWK noch verfügt. Es sollte eigentlich auch in Habecks eigenem Interesse als Minister sein, ausschließen zu können, dass eine Tätigkeit wie die von Elga Bartsch für das BMWK nicht dazu führt, dass davon ihre eigenen privaten Anlagen profitieren.
„Dienstliches Handeln darf nicht von privaten Interessen geleitet werden.“
So hatte er noch zu Beginn der Anhörung verkündet. Nach Abschluss der Befragung im Wirtschaftsausschuss bleibt die Frage im Raum, wie ernst der noch amtierende Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland es mit diesem Leitsatz für seine Führungskräfte tatsächlich nimmt.
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Titelfoto: Screenshot
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