Vergangene Woche fand, während der Rest der Welt woanders hinschaute, einer der größten Diebstähle statt, die in der jüngeren Geschichte gegen ein Land begangen wurden. Auf einen Schlag gab die Regierung von US-Präsident Joe Biden grünes Licht für die Plünderung mehrerer venezolanischer Vermögenswerte: die in den USA ansässige Öltochter Citgo, Millionen von Dollar auf US-Bankkonten und ein staatseigenes Flugzeug. Von Andreína Chávez Alava, venezuelanalysis.
All diese Vermögenswerte waren schon vor längerer Zeit beschlagnahmt oder eingefroren worden, aber nach den jüngsten (extraterritorialen) Anordnungen der USA inmitten der nicht enden wollenden Aggression gegen Caracas gibt es nun fast keine Chance mehr, dass die venezolanische Bevölkerung sie jemals zurückerhält. Es sind weitere Schläge gegen die belagerte Wirtschaft, die das ohnehin schon durch die jahrelange Blockade unter Führung der USA verursachte menschliche Leid nur noch vergrößern werden.
Am wenigsten überraschend ist vielleicht, dass die venezolanische Hardliner-Opposition wieder Zugang zu den Ressourcen des Landes hat, die auf US-Bankkonten liegen, um ihre Aktivitäten zu finanzieren. Diese reichen von Reisen nach Washington, um Lobbyarbeit für weitere Sanktionen zu betreiben, bis hin zur Aufrechterhaltung eines luxuriösen Lebensstils und gelegentlichen Zoom-Treffen oder Wahlveranstaltungen in Mittelschicht-Vierteln. Sie nennen diese Aktionen „Für Freiheit und Demokratie kämpfen”.
Kürzlich gewährte das US-Außenministerium der längst nicht mehr existenten, von der Opposition kontrollierten Nationalversammlung Zugang zu 347 Millionen Dollar an eingefrorenen venezolanischen Geldern. Die von Washington unterstützte Truppe war nach dem Sturz des selbsternannten „Interimspräsidenten” Juan Guaidó im Januar vorübergehend abgeschnitten worden. Mit der Flucht der ehemaligen US-Marionette in die USA, vermutlich mit einer netten Prämie versehen, sind nun Dinorah Figuera (sie lebt in Spanien) und andere nicht gewählte Abgeordnete an der Reihe, den Zirkus zu leiten und die Früchte einzuheimsen. Völlig egal, dass ihre Amtszeit im Januar 2021 nach der Parlamentswahl von 2020 endete, aus der eine chavistische Parlamentsmehrheit hervorging.
Das Geld – zur freien Verfügung der Oppositionspolitiker – wurde von Washington problemlos freigegeben, im Gegensatz zu den drei Milliarden Dollar, auf die sich die Regierung von Nicolás Maduro und die von den USA unterstützte Opposition im November 2022 am mexikanischen Verhandlungstisch geeinigt hatten. Diese Mittel, die aus den von Washington und seinen Verbündeten beschlagnahmten venezolanischen Vermögenswerten stammen sollten, um in dringende soziale Bedürfnisse zu investieren, stehen nicht zur Verfügung und verhindern so, dass die Venezolaner in naher Zukunft Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen sehen.
Aber die von Washington verbreitete Darstellung ist, dass Caracas die Gespräche lahmgelegt hat und dass eine Aufhebung der Sanktionen nur möglich ist, wenn der Dialog wieder aufgenommen wird, um „freie und demokratische Wahlen” anzusetzen. Dies war eine der Schlussfolgerungen des jüngsten Gipfeltreffens in Bogotá, an dem rund 20 Länder, darunter die USA, teilnahmen, um über Venezuela zu diskutieren.
Heuchelei ist kein Novum in der US-Außenpolitik, aber sie macht natürlich weiterhin wütend. Die Fortsetzung des Dialogs hängt einzig und allein davon ab, dass Washington und die Opposition ihren Teil der Abmachung einhalten und die drei Milliarden Dollar freigeben – und dass Venezuela keinen Zeitplan für die Wahlen aufstellen muss. Eine solche Forderung ist ebenso unnötig wie doppelzüngig, denn sie zielt darauf ab, die falsche Darstellung zu untermauern, Venezuela sei eine Diktatur und die Wahlen seien betrügerisch.
Das Land verfügt nicht nur über eines der fälschungssichersten Wahlsysteme der Welt, bestätigt von internationalen Beobachtern, darunter dem Carter Center, sondern hat auch seit 1999, als die sechsjährige Amtszeit in der Verfassung verankert wurde, ohne jegliche Verzögerungen und gemäß venezolanischem Recht Präsidentschaftswahlen abgehalten. Seitdem haben die Venezolaner fünfmal den Präsidenten gewählt, wobei Hugo Chávez’ Sieg von 1998 im Jahr 2000 (2004 gewann er zudem das Abwahlreferendum) und bei den darauffolgenden Wiederwahlen 2006 und 2012 bestätigt wurden.
Was Präsident Maduro angeht, so wurde er 2013 nach dem Tod von Chávez und 2018 erneut gewählt. Seine Amtszeit endet im Januar 2025, und Neuwahlen sollen im Dezember 2024 (oder früher) stattfinden, wie es das Gesetz vorschreibt. Der „Zeitplan für die Wahlen” ist mehr als klar, und es gibt einen Nationalen Wahlrat, der für diese Angelegenheiten zuständig ist. Außerdem ist das derzeitige System das gleiche, das zum Sieg der Opposition bei den Parlamentswahlen 2015 und zur Erlangung mehrerer Posten bei Regionalwahlen geführt hat. Betrug gibt es nicht, außer man verliert.
Dennoch kennt die westliche Heuchelei keine Grenzen. Während „Wahlgarantien” gefordert und der Opposition Zugang zu weiteren gestohlenen Geldern gewährt wird, wird Guaidó in Washington herumgereicht und seine „Verfolgung” angeprangert. Die unbequeme Realität ist, dass er jahrelang als freier Mann in Venezuela gelebt hat, obwohl er versucht hat, sich das Präsidentenamt widerrechtlich anzueignen, mehrere Putschversuche angeführt und eingefrorene venezolanische Ressourcen im Ausland geplündert hat.
Das Ausmaß an Straffreiheit, das Guaidó genossen hat, ist weltweit einmalig, insbesondere angesichts seiner Rolle beim Raub von Citgo, der milliardenschweren Tochtergesellschaft der staatlichen venezolanischen Ölgesellschaft PDVSA. Er und seine Mitarbeiter haben geholfen, das Unternehmen nach einer gescheiterten und umstrittenen rechtlichen Vertretung vor US- und internationalen Gerichten an Konzerne zu übergeben.
Vor der Beschlagnahmung und Übertragung an die Opposition Anfang 2019 brachte Citgo Venezuela jährlich Einnahmen von rund einer Milliarde US-Dollar ein und finanzierte ein Sozialprogramm für krebskranke Kinder. Jetzt haben die Gewinne kein klares Ziel, und das Unternehmen soll 2024 auf Anordnung eines Gerichts versteigert werden, um Unternehmen zu begünstigen, die seit Langem Forderungen an den venezolanischen Staat haben – Schulden, die Caracas aufgrund von US-Sanktionen nicht bezahlen oder neu verhandeln kann und die ohne die Aktionen der Opposition nie mit Citgo verknüpft worden wären.
Seit 1986 ist Citgo mit seinen drei Raffinerien in Texas, Louisiana und Illinois und über 4.000 Tankstellen in den USA eine lukrative Ölexportkette zwischen Venezuela und den USA. Genau jetzt, wo die Energiepreise hoch sind, wären die Gewinne des Unternehmens für die wirtschaftliche Erholung Venezuelas nach Jahren des US-geführten Wirtschaftskriegs äußerst wichtig. Es gibt vielleicht noch eine Chance, Citgo zu retten, aber nur, wenn die Rechtsverteidigung nach Caracas zurückkehrt und mit Souveränität durchgeführt wird.
Um den Raubzug abzurunden, hat das US-Justizministerium das Verfahren zur Beschlagnahme einer Boeing 747-300 Frachtmaschine eingeleitet, die der staatlichen venezolanischen Fluggesellschaft Emtrasur gehört. Das Flugzeug wurde im Juni 2022 in Buenos Aires, Argentinien, unrechtmäßig festgehalten – wegen des alleinigen Vergehens, zuvor der privaten, von den USA sanktionierten iranischen Fluggesellschaft Mahan Air gehört zu haben. Die Besatzung wurde ohne Anklage freigelassen, aber das Flugzeug ist immer noch beschlagnahmt. Ob die argentinische Regierung den Anordnungen der USA nachkommen wird, bleibt abzuwarten.
Drei Raubüberfälle am helllichten Tag auf venezolanische Vermögenswerte innerhalb weniger Tage. Ein echtes Beispiel für Imperialismus, das genauso abstoßend ist, wie die Krönung von Charles III. im Vereinigten Königreich anzuschauen.
Es ist inzwischen klar, dass diese Diebstähle weiter geschehen werden, ebenso, dass die Darstellungen, dass Venezuela für die Durchführung von Wahlen ausländischer Vormundschaft bedarf, weiterhin über die Wahrheit gestellt werden. All dies wirft die Frage auf: Warum sprechen wir immer noch mit einem Imperium, das nur zu stehlen und zu lügen versteht?
Übersetzung: Vilma Guzmán, Amerika21
Titelbild: Citgo ist eine US-Tochtergesellschaft des staatlichen venezolanischen Öl-Unternehmens PDVSA, welche über mehrere Raffinerien sowie ein Netz von weit über 4.000 Tankstellen in den USA verfügt. 2019 wurde Citgo unter sehr fragwürdigen Umständen enteignet, das Guthaben eingefroren und Teilen der ultra-radikalen Opposition unter dem selbsternannten venezolanischen „Präsidenten“ Juan Guaidó bis heute als Finanzierungsquelle zur Verfügung gestellt. – shutterstock / T. Schneider
Proteste und Lohnforderungen in Venezuela: Soziale Gerechtigkeit oder Destabilisierungskampagne?
Stimmen aus Lateinamerika: Die Einmischung der USA geht unvermindert weiter
“Die Klassenidentität ist entscheidend, um so ziemlich alles in Venezuela zu verstehen”
Stimmen aus Kuba: Kapitalismus, Unterentwicklung und das Ziel, beides zu überwinden