In Kolumbien wird über einen möglichen Putsch gegen die progressive Regierung von Gustavo Petro diskutiert. Auslöser sind Äußerungen des Obersts der Armee im Ruhestand, John Marulanda, über die Absicht von Kreisen der aktiven Reserve des Militärs, den Präsidenten zu stürzen. Petro missbilligte die Aussagen Marulandas und führte sie auf „rückständige Kräfte“ zurück, die den Wandel in Kolumbien nicht akzeptieren. Derzeit laufen bereits Großdemonstrationen von Reservisten gegen die Regierung. Von Hans Weber.
„Ich glaube, dass Kolumbien in die Fußstapfen Perus tritt, und ich glaube, dass die Reservisten in Peru insofern erfolgreich waren, als es ihnen dort gelang, einen korrupten Präsidenten zu stürzen, während wir hier versuchen werden, unser Bestes zu geben, um einen Mann zu stürzen, der ein Guerillero war.”
Diese Putschankündigung machte der Oberst a.D. Marulanda gegenüber dem Radiosender La W einen Tag nach einer Demonstration von rund 5.000 Reservisten gegen die Regierung Petro auf der Plaza de Bolívar. Die Demonstranten riefen:
„Wir wollen keine Diktatur in unserem Vaterland”, „Verschwinde, Guerillero, Verbrecher”.
Die „Guerillero“-Anspielung nimmt Bezug darauf, dass der aktuell amtierende kolumbianische Präsident in den 1980er-Jahren Mitglied der Guerilla M19 war.
Weiterhin riefen die Reservisten dazu auf, nicht „gleichgültig” zu sein, die Reformen der Regierung Petro könnten „die Freiheit, die Ordnung und die Grundlagen des Staates beschädigen“. Zu den prominenten Teilnehmenden gehörte der Ex-General Eduardo Zapateiro, der unter der Regierung des ultrarechten Iván Duques Oberbefehlshaber der Armee war.
Impresionante la marcha de los veteranos de la Reserva de nuestra fuerza pública. @petrogustavo debería escucharlos. Merecen todo el respeto. pic.twitter.com/EwMZzSf2HI
— Salud Hernández-Mora (@saludhernandezm) May 10, 2023
All dies geschieht im Vorfeld der Regionalwahlen im Oktober. So deutete Petro, dass die Drahtzieher eines möglichen Putsches „Freunde der Straflosigkeit” seien, „die Angst vor der Wahrheit haben, nicht an Wahlen denken, sondern an einen Bruch der Institutionen”. Sie seien so „eingeschüchtert von der Wahrheit, dass sie verzweifeln”. Für die Demonstrierenden auf der Plaza de Bolívar seien „die Korruption und das Genozid die einzige Art zu regieren”, beklagte Petro bei einer Rede im Departamento Sucre. Da sie sehen würden, dass diese Regierung Ländereien „nicht an ihre Freunde und Freundinnen verteilt, sondern an die Kleinbauern, denken sie, dass sie gestürzt werden muss”. Sie missachteten die Entscheidung von elf Millionen Kolumbianern an den Urnen. Zudem betonte er:
„Staatsstreiche werden durch die Mobilisierung der Bevölkerung widerstanden und besiegt.”
Die „Mafias mit politischer Macht” sollen sich nach der Vergangenheit sehnen, wenn sie wollen. Damit meinte er die Zeiten, „in denen ein Mafioso einen Senator umarmte, während er die Liste derer aufzählte, die er am Abend umbringen lassen würde”.
Petro tweetete, dass in Kolumbien nicht dasselbe passieren werde wie mit dem abgesetzten Präsidenten Pedro Castillo in Peru. Er wies jedoch darauf hin, dass die Möglichkeit eines Staatsstreichs nicht nur „die Worte eines Verrückten” seien, sondern dass es eine Verschwörung namens „aufgelöster Stahl” gebe. Er verwies dabei auf Anzeichen für Destabilisierungsversuche und sprach von dem Besuch von Funktionären bei der peruanischen Generalstaatsanwältin Patricia Benavides, die sich laut Petro an dem Putsch in Peru beteiligte. Einer dieser Funktionäre ist Francisco Barbosa, der umstrittene Generalstaatsanwalt Kolumbiens und Freund des Ex-Präsidenten Duque. Barbosa ist Gegner des Regierungsprojekts „Totaler Frieden”.
La visitas de políticos y funcionarios a la fiscal del Perú, donde se acaba de realizar un golpe de estado con ella como protagonista, las palabras de Andrés Pastrana pidiendo a sus socios expresidentes de derecha de América Latina que no apoyen al presidente Lasso en su…
— Gustavo Petro (@petrogustavo) May 14, 2023
Anfang Mai war es zu einer Konfrontation zwischen Barbosa und Petro gekommen. Petro verlangte Erklärungen von der Generalstaatsanwaltschaft über die mutmaßliche Duldung von 200 Morden der kriminellen Gruppe Clan del Golfo durch einen hochrangigen Staatsanwalt, der Barbosa nahesteht.
Laut Barbosa gefährdeten die Anschuldigungen Petros das Leben des hochrangigen Staatsanwalts und sein eigenes. Dreizehn Generalstaatsanwälte der Ibero-Amerikanischen Vereinigung der Staatsanwälte (AIAMP) unterzeichneten einen Brief zur Unterstützung Barbosas und gegen die „Einschüchterung und unzulässige Einmischung” der Regierung Petro. Unter den Unterzeichnern sind auch die Generalstaatsanwältin Perus, Patricia Benavides, und ihr argentinischer Kollege Eduardo Casal, der das Lawfare gegen Ex-Präsidentin Cristina Kirchner leitet.
Laut Petro fürchteten Teile der Politik und Wirtschaft die Person, die Barbosa ab Februar nachfolgt, da der Präsident die Kandidaten für die Leitung der Generalstaatsanwaltschaft per Gesetz festlegt. Sie hätten Gelder für seine Strafverfolgung bereitgestellt und wollten die Streitkräfte spalten. Die Armee sei jedoch im Kampf gegen die illegale Wirtschaft geeint, so Petro.
Nach dem öffentlichen Skandal tadelte die Generalstaatsanwaltschaft Marulandas Äußerungen. Der ultrarechte Ex-Präsident Álvaro Uribe bezeichnete die Äußerungen seinerseits als „schädlich”, nannte aber gleichzeitig die geplante Gesundheitsreform der Regierung einen „Putsch gegen das Gesundheitssystem” und rief zu einer Volksabstimmung über die Gesundheits-, Arbeits- und Rentenreform auf.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Amerika21.
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