In der Auseinandersetzung um die Coronapolitik wie auch um den Krieg in der Ukraine wird dieses Wort ungemein oft gebraucht. Zuletzt begegnete es mir auf markante Weise in einem Disput über Daniele Gansers geplanten Auftritt im Cirkus Krone in München. Siehe hier z.B.: Circus Krone will Einnahmen aus Auftritt von Daniele Ganser spenden – DER SPIEGEL. Dort steht u.a.: „Die Empörung über den Vortrag Gansers ließ nicht lange auf sich warten. Das Bündnis »München ist bunt« warf Ganser »antisemitische und verschwörungsideologische Aussagen« vor – und rief zum Protest gegen die Veranstaltung auf.“ Von Albrecht Müller.
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Ein paar Zeilen vorher macht sich der Spiegel das Wort zu eigen: „Ganser wird von vielen in der verschwörungsideologischen Szene gefeiert (…).“ Verschwörungsideologisch ist offensichtlich ein ungemein hilfreiches Etikett. Es werden einfach zwei negativ aufgeladene Kennzeichnungen zusammengefügt. Das Doppelwort soll stigmatisieren. Das tut es auch. Die Etikettierung sitzt und wird nicht hinterfragt.
Das verwandte Wort „verschwörungtheoretisch” hat nicht die gleiche Schlagkraft. Dieses Wort anzuwenden wäre etwas sachlicher. Dann würde der Begriff den Vorwurf enthalten, eine Verschwörung ausgedacht zu haben. Dann müssten jene, die diesen Vorwurf erheben, belegen, dass es dieses theoretische Konstrukt, diese Verschwörung gibt.
Das Doppelwort „verschwörungideologisch” hat für die damit Operierenden wie den Spiegel oder die Gegner Gansers in München oder jene, die wie LibMod und andere Gegner der NachDenkSeiten uns dieses Etikett anhängen, den Vorteil, dass man gegen dieses Etikett sachlich nicht argumentieren kann. Es hat Totschlagcharakter.
Wir beobachten übrigens eine interessante Wirkung dieses Vorwurfs an uns: Die Adressaten dieser Agitation (bei Wikipedia übrigens in der gemilderten Form „verschwörungtheoretisch“) reagieren unterschiedlich. Im konkreten Fall gibt es einige gelegentliche Leser der NachDenkSeiten, die den Vorwurf aufgreifen und uns damit attackieren. Das sind aber wenige. Die große Mehrheit durchschaut das Spiel und macht sich den aggressiven Akt zur Nutzung dieses Etiketts nicht zu eigen. Im Gegenteil: Wir erfahren – vielleicht auch wegen des Akts der Aggression – viel Solidarität.
Für jene Menschen, die die NachDenkSeiten auch finanziell unterstützen, will ich an dieser Stelle und sozusagen aus gegebenem Anlass anmerken, dass sich die Aberkennung der Gemeinnützigkeit, die Ende letzten Jahres betrieben worden ist, auf die finanzielle Lage und damit auf die Arbeitsfähigkeit der NachDenkSeiten-Redaktion nicht ausgewirkt hat. Die Gegner der NachDenkSeiten haben offensichtlich die Klugheit unserer Leserinnen und Leser unterschätzt.
Anhang: Beispiele für die Nutzung des Begriffs in der öffentlichen Debatte