Die Klimaziele des Verkehrssektors werden verfehlt. Das Minderungsziel des Verkehrssektors der Bundesregierung sieht vor, dessen Emissionen von 150 Mio. t CO2 im Jahr 2020 auf 85 Mio. t CO2 im Jahr 2030 zu senken. Ungefähr 60 Prozent dieser Emissionen sind dem Pkw-Verkehr zuzurechnen. Doch der Straßenverkehr ist der einzige Sektor, der bisher keinen Beitrag zur Reduzierung von CO2 liefert. Als eine Maßnahme zur Reduktion dieser verkehrsbedingten Emissionen fördert die Bundesregierung den Ausbau der Elektromobilität. So sollen nach dem Koalitionsvertrag der Ampelregierung von Dezember 2021 bis Ende 2030 15 Mio. vollelektrische Pkw auf deutschen Straßen fahren. Seit Beginn der Förderung im Jahr 2016 wurde der Kauf von 1,76 Millionen Fahrzeugen mit insgesamt 8,43 Milliarden Euro subventioniert. In diesem Beitrag wird untersucht, ob die Erhöhung der Zahl der E-Autos dazu führen wird, die klimaschädlichen CO2-Emissionen des Verkehrs zu senken und ob dafür die Subventionierung der E-Mobilität wirksam war. Von Helmut Zell.
Zum Stichtag 1. Januar 2023 wurde jetzt die Millionenmarke von batterieelektrischen Pkw (ohne Plug-in-Hybride) überschritten. Für unsere Analyse nehmen wir an, dass im Jahr 2023 eine weitere Million E-Autos in Deutschland eine gleiche Zahl an Verbrennern ersetzen.
Wir berechnen die voraussichtlichen CO2-Emissionen für zwei Szenarien:
Szenario A: Die Menge an Strom aus erneuerbaren Energien (EE) bleibt im Jahr 2023 so hoch wie im Jahr 2022.
Szenario B: Die Menge an Strom aus EE steigt im Jahr 2023 um die Menge, die 1 Mio. E-Autos als Ladestrom benötigen.
In welchem Maß werden jeweils die CO2-Emissionen reduziert?
Ausgangssituation im Jahr 2022. Eine Million Verbrenner werden ersetzt
Anfang 2020 waren in Deutschland 48,25 Mio. Pkw angemeldet – davon 66 Prozent Benziner, 32 Prozent Diesel, zwei Prozent mit alternativen Antrieben. Im Jahr 2019 betrug die Inländerfahrleistung dieser Pkws 632 Milliarden Kilometer. Jedes Fahrzeug legte im Durchschnitt rund 14.000 Kilometer zurück. 2019 verbrauchten Pkw und Kombis 26.593 Mio. Liter Benzin und 20.417 Mio. Liter Dieselkraftstoff. Trotz aller Sorge um eine Klimakatastrophe bleibt der Kraftstoffverbrauch in Deutschland auf hohem Niveau. Auch haben sich die durchschnittlichen jährlichen Autofahrleistungen nicht wesentlich geändert.
Wenn ein Otto-Motor einen Liter Benzin verbrennt, entstehen dabei etwa 2,32 Kilogramm CO2. Bei einem durchschnittlichen Dieselfahrzeug sind es 2,65 Kilogramm CO2. Nach einer Studie des Umweltbundesamts (UBA) aus 2020 betragen die jährlichen Emissionen der Pkw rund 115 Mio. t CO2. Dabei wurden auch die CO2-Emissionen berücksichtigt, die bei Exploration, Gewinnung und Transport der Treibstoffe anfallen („Well to Tank“). Man kann also mit einiger Gewissheit davon ausgehen, dass im Jahr 2022 die 48 Mio. Verbrenner-Pkw CO2-Emissionen in Höhe von ungefähr 115 Mio. t CO2 verursacht haben.
Szenario A: 1 Mio. Verbrenner werden im Jahr 2023 durch E-Autos ersetzt, und die Strommenge aus erneuerbaren Energien bleibt unverändert
In diesem Szenario ändern wir nur eine Variable (Austausch von 1 Mio. Verbrennern durch 1 Mio. E-Autos), während die restlichen Variablen konstant bleiben („Ceteris paribus“). Wie viel CO2 wird dadurch eingespart? Das ist einfach zu rechnen: Wenn 48 Mio. Pkw 115 Mio. t CO2 ausstoßen, führt das Ausscheiden von einer Mio. Verbrennern zu einer Reduktion von rund 2,4 Mio. t CO2 (115/48 = 2,395).
Zum Stichtag 1. Januar 2023 sind in Deutschland erstmals 1 Mio. E-Autos zugelassen. Welche Strommenge wird benötigt, wenn im Jahr 2023 eine weitere Mio. E-Autos in Betrieb genommen werden? Wenn ein Verbrenner durch ein E-Auto ersetzt wird, entsteht während des Fahrens kein klimaschädliches CO2. Trotzdem ist das E-Auto nicht klimaneutral, da es zum Laden der Batterie Strom braucht, der wiederum an anderer Stelle erzeugt werden muss. Die Frage ist nur, welche CO2-Emissionen dabei entstehen.
Ein Elektroauto, das hinsichtlich jährlicher Fahrleistung von rund 14.000 Kilometern, Leistung und Komfort einem herkömmlichen Auto der Mittelklasse entspricht (z.B. BMW i3, Volkswagen ID.3, Tesla Model 3), benötigt ungefähr 20 kWh auf 100 km. 20 kWh auf 100 km und 14.000 km pro Jahr ergeben damit 2.800 kWh pro Auto und Jahr. Berechnung für 1 Mio. E-Autos: 2.800 kWh * 1 Mio. E-Autos = 2.800 Mio. kWh. Das ist ein Strombedarf von 2,8 TWh im Jahr für eine Mio. E-Autos.
Öffentliche Nettostromerzeugung in 2022
Stromerzeugung in 2023 (errechnete Prognose)
Quelle: energy-charts.info
Wir gehen bei unserer Berechnung von der Annahme aus, dass die Nettostromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Jahr 2023 mit 243,39 TWh genauso hoch sein wird wie in 2022 (wir modifizieren diese Annahme in Szenario B). Da ab Mitte April 2023 kein Strom aus Kernenergie (32,78 TWh) ins Netz eingespeist wird, muss diese Strommenge durch Lieferungen aus fossilen Kraftwerken ersetzt werden. Dadurch steigt die Menge an fossilem Strom von 213,14 TWh um 32,78 TWh auf 245,92 TWh. Da die Strommenge aus erneuerbaren Quellen – entsprechend unserer Annahme – nicht erhöht wird, muss der Ladestrom für die eine Mio. E-Autos zwangsläufig von fossilen Kohle- oder Gaskraftwerken kommen. Wie oben errechnet, beträgt der hierfür zusätzlich benötigte Strom 2,8 TWh.
Wie hoch sind die CO2-Emissionen für die Erzeugung einer Strommenge von 2,8 TWh? Der Stromsektor erreichte im Jahr 2022 mit 255 Mio. t CO2-Äq. knapp das Treibhausgasminderungsziel des Sektors des deutschen Klimaschutzgesetzes. Wir wissen damit, wie viel Nettostrom in Deutschland im Jahr 2022 erzeugt wurde (489,48 TWh), und wir wissen, wie viel CO2 in diesem Jahr durch die Stromwirtschaft emittiert wurde (255 Mio. t CO2-Äq). Da bei Strom aus erneuerbaren Energien näherungsweise keine CO2-Emissionen entstehen, sind alle CO2-Emissionen der Stromerzeugung fossilen Kraftwerken zuzurechnen. Es errechnet sich ein CO2-Emissionsfaktor wie folgt: 255 Mio. t CO2 der Stromerzeugung geteilt durch 245 TWh Strom = 1,04 Mio. t CO2/TWh oder 1,04 kg CO2/kWh. Eine andere Betrachtung bestätigt diesen Wert. Die CO2-Emissionsfaktoren bezogen auf die Herstellung von Strom aus fossilen Brennstoffen sind für Erdgas 399, für Steinkohle 835 und für Braunkohle 1.137 g/kWh. Da im Jahr 2023 Strom aus Gaskraftwerken angesichts des Ausfalls von russischem Gas weitgehend entfallen ist, ist davon auszugehen, dass der CO2-Emissionsfaktor für Fossilstrom in Deutschland ungefähr bei 1.000 g/kWh oder 1 kg/kWh liegen dürfte.
Ergebnis Szenario A: Durch das Ausscheiden der eine Million Verbrenner werden 2,4 Mio. t CO2 nicht in die Umwelt geblasen. Beim Erzeugen einer Strommenge von 2,8 TWh für 1 Mio. E-Autos entstehen in den fossilen Kraftwerken rund 2,8 Mio. t CO2 (2,8 TWh x 1 kg/KWh). Durch den Wechsel von den Verbrennern zu den E-Autos sind – entgegen den oft geäußerten Hoffnungen – die CO2-Emissionen von 2022 zu 2023 nicht gesunken, sondern gestiegen. Es kommen also um 0,4 Mio. t CO2 höhere Emissionen aus Schloten der fossilen Kraftwerke als aus Auspufftöpfen der einen Million Verbrenner-Fahrzeugen. Dabei wurde der „CO2-Rucksack“, also die Emissionen, die bei Produktion, Entsorgung aller Fahrzeugkomponenten der E-Autos und Ladeinfrastruktur anfallen, noch nicht einmal berücksichtigt. Festzuhalten ist, dass bei der gegebenen Stromversorgung die Umstellung auf E-Autos die CO2-Emissionen des Pkw-Verkehrs ansteigen lässt.
Befürworter der E-Mobilität verweisen gerne auf den zukünftig steigenden Zuwachs an erneuerbaren Energien (Wind und Sonne), wodurch die Stromerzeugung klimafreundlicher und emissionsärmer werde. Doch schauen wir uns das genauer an.
Szenario B: 1 Mio. E-Autos sind ersetzt, und der Strom aus erneuerbaren Energien steigt entsprechend Bedarf
Um diesen Fall zu prüfen, gehen wir – wie im vorherigen Szenario – davon aus, dass 1 Million Verbrenner stillgelegt und – wie vorher – 2,4 Mio. t CO2 eingespart werden. Ferner nehmen wir an, dass der Strom aus erneuerbaren Energien im Jahr 2023 exakt um die Menge steigt, die die neu dazu gekommenen 1 Million E-Autos als Ladestrom benötigen. Der jetzt benötigte Strombedarf von 2,8 TWh wird somit gänzlich aus erneuerbaren Energien gedeckt.
Ergebnis Szenario B: 1 Million Verbrenner-Fahrzeuge sind stillgelegt und stoßen kein CO2 aus, auch sind die CO2-Emissionen der E-Autos null. Gemeinsam sind die Emissionen null. Man könnte nun sagen: Ziel erreicht. Allerdings ist dieser Erfolg nicht dem Wechsel zum E-Auto zu verdanken, sondern allein dem im Jahr 2023 zusätzlich erzeugten EE-Strom.
Ergebnis: CO2-Emissionen im Basisjahr 2022, in Szenario A und Szenario B
Im Straßenverkehr von Verbrennungsmotoren auf Elektromotoren umzustellen, die von Kohlestrom angetrieben werden, bringt Nachteile für das Klima. Wenn das Verbrennen von Benzin und Diesel durch das Verbrennen von Gas und Kohle ersetzt wird, bringt uns das der Klimaneutralität keinen Schritt näher. Entscheidend ist, dass der Strom, mit dem das E-Auto geladen wird, aus erneuerbaren Quellen kommt. Das wird in obiger Darstellung verdeutlicht. Allerdings sprechen diese Berechnungen nicht grundsätzlich gegen das E-Auto. Ob es einen Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen des mobilen Individualverkehrs leistet, hängt ganz zentral von der Art der Stromversorgung ab. Unter den gegenwärtigen Bedingungen nutzen E-Autos dem Klima nicht, sondern erhöhen sogar die klimaschädlichen Emissionen durch Gas- und Kohlekraftwerke. Das gilt für das Jahr 2023, aber vermutlich auch für die Folgejahre, in denen der Trend zu mehr Fossilstrom anhalten wird. Vor allem wird mehr Kohle verstromt werden.
Mehr E-Autos werden eher dazu beitragen, die Klimaziele 2030 zu verfehlen
Durch die E-Mobilität können die Emissionen um rund 13 bis 15 Mio. t CO2-Äq. gesenkt werden, behauptet zumindest das Umweltbundesamt (UBA) in einer Publikation im März 2023. „Um das Klimaschutzziel im Bundes-Klimaschutzgesetz bis 2030 zu erfüllen, sind in Deutschland 16 Millionen Elektro-Pkw und Elektro-LNF (leichte Nutzfahrzeuge) erforderlich, die Verbrennerfahrzeuge ersetzen.“ (Seite 4)
Das ist eine sehr anspruchsvolle Zielsetzung. Um auf einen Bestand von 16 Mio. E-Autos im Jahr 2030 zu kommen, müssten bis dahin pro Jahr rund 2 Mio. E-Autos zusätzlich auf die Straße gebracht werden. Ob das realisiert werden kann, ist in hohem Maß zweifelhaft. Und selbst wenn es realisiert würde, hätte man dem Klima voraussichtlich keinen Gefallen getan. Denn gegenwärtig deutet wenig darauf hin, dass man im Jahr 2030 dafür genügend Strom aus Wind und Sonne haben wird.
Wenn wir überschlagsmäßig davon ausgehen, dass jedes E-Auto einen durchschnittlichen jährlichen Strombedarf von 3.000 kWh hat, errechnet sich für 15 Mio. Fahrzeuge ein jährlicher Strombedarf von 3.000 kWh x 15 Mio. = 45 TWh. Allein für diese muss der EE-Strom um 45 TWh gesteigert werden. Wenn dann nach den Plänen der Bundesregierung noch zusätzlich 500.000 Wärmepumpen pro Jahr installiert werden sollen, wird der steigende Strombedarf kaum durch erneuerbare Energien gedeckt werden können. Man wird also in erheblichem Maße Fossilstrom einsetzen müssen, was zu einem Anstieg der CO2-Emissionen führen wird.
Dem Ziel der Klimaneutralität kommt man nicht näher, indem weitere E-Autos in Betrieb gesetzt werden und sich so der Strombedarf erhöht. Das E-Auto kann nur dann einen positiven Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen des Autoverkehrs leisten, wenn der Ladestrom für die Millionen neuen E-Autos weitgehend klimaneutral erzeugt wird. Das setzt aber voraus, die Strommenge von Wind und Sonne auf ein Vielfaches von heute zu erhöhen. Damit ist aber nicht zu rechnen. Wenn zukünftig noch zusätzlich Millionen Wärmepumpen mit Gas- und Kohlestrom betrieben werden, könnte sich die E-Mobilität in der jetzigen Konzeption als teure und klimaschädliche Scheinlösung für das Klima entpuppen.
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