Die Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten Paraguays gehört dort zum Alltag und wird sogar als normal angesehen. In der aktuellen Situation kurz vor der Wahl am 30. April, in der man bereits in die Endphase des Wahlkampfes eingetreten ist, haben sich die beiden aussichtsreichen Kandidaten Santiago Peña von der Colorado-Partei und Efraín Alegre von der Authentischen Radikalliberalen Partei (Partido Liberal Radical Auténtico, PLRA) getrennt voneinander mit dem US-Botschafter Marc Ostfield getroffen und demonstrativ Fotos von diesen Treffen veröffentlicht. Beide sind Kandidaten des Establishments und überzeugte Verbündete der USA, sodass diese Aktion nicht als Einmischung verstanden wird. Von Sergio Rodríguez Gelfenstein.
Bis vor wenigen Wochen deutete noch alles darauf hin, dass der Colorado-Kandidat Peña der Wahlsieger sein würde, falls es nicht zu einem unvorhergesehenen und überraschenden Ereignis käme. Ein solches Ereignis trat am vergangenen 26. Januar ein, als die USA Wirtschaftssanktionen gegen den paraguayischen Vizepräsidenten Hugo Velázquez und den ehemaligen Präsidenten Horacio Cartes wegen „Korruption“ verhängten, nachdem sie ihnen bereits vor Monaten die Einreise ins Land verwehrt hatten.
Wie im Fall des ehemaligen Präsidenten Juan Orlando Hernández in Honduras unterstützte Washington ihre Kandidaturen und wich dabei den Anschuldigungen unabhängiger internationaler Organisationen und eines großen Teils der öffentlichen Meinung in ihren eigenen Ländern aus, um dann gegen sie vorzugehen, wenn sie nicht mehr ihrem konservativen und gegen die Interessen der Völker gerichteten Angriff dienlich waren.
Es sei darauf hingewiesen, dass die objektiven und subjektiven Bedingungen gegeben sind, um einen ähnlichen Wandel wie in einem großen Teil Lateinamerikas zu bewirken, aber die Zersplitterung der Linken erlaubt es ihr nicht, bei den Wahlen ein wichtiger Akteur zu sein.
Inmitten der Wahldynamik hat der PLRA-Kandidat einige Zugeständnisse gemacht, um einen Teil der Linken anzusprechen, der zur Frente Guasú gehört. Unter den Wahlerklärungen Alegres sticht die Ankündigung hervor, im Falle eines Wahlsieges Beziehungen zu China aufzunehmen, was nach Meinung der meisten paraguayischen Analysten nichts anderes als ein Wahlkampfmanöver ist.
In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung der USA, Cartes auf die Liste der korrupten Politiker des Außenministeriums zu setzen, nichts anderes als ein neues Einmischungsmanöver. Dadurch wird jedes Unternehmen oder jeder Bürger, der mit dem ehemaligen Präsidenten Geschäfte macht, von Washington mit Sanktionen belegt. In einem verzweifelten Manöver hat Cartes die Aktien seiner Unternehmen an seine Kinder abgetreten, mit dem Ziel, die Sanktionen zu umgehen, und versucht, als Unternehmer zu überleben, da seine politische Karriere scheinbar an ihr Ende gekommen ist.
Mit dieser Verfügung zeigen die USA eine offene und eklatante Einmischung in den Wahlprozess, die von den paraguayischen Medien verheimlicht wurde. Diese Aktion hat ein echtes Problem für die Kandidatur von Santiago Peña geschaffen, der politisch an der Hand des ehemaligen Präsidenten aufgewachsen ist und der als sein engster Zögling gilt.
Als sich die Entscheidung der USA nicht mehr verheimlichen ließ und die Medien wie von Zauberhand gesteuert einen einheitlichen Frontalangriff auf Peña starteten, traf sich dieser mit dem US-Botschafter und gab anschließend eine Presseerklärung ab, in der er betonte, dass im Falle seines Wahlsiegs die Priorität seiner Außenpolitik darin bestehen würde, die Beziehungen Paraguays zu den USA, Israel und Taiwan zu stärken. Auf diese Weise sandte er eine direkte Botschaft an die Unternehmerschaft, vor allem, wenn man bedenkt, dass einige Sektoren derselben, insbesondere diejenigen, die mit der Fleisch- und Sojaproduktion verbunden sind und ihre großen Unternehmensinteressen in den Vordergrund stellen, sich immer offener für die Notwendigkeit der Aufnahme von Beziehungen zu China aussprechen.
Die Erklärung der US-Botschaft vom 26. Januar war besonders hart und behauptete, dass Cartes „vor, während und nach seiner Amtszeit als Präsident“ ein „koordiniertes Korruptionsmuster“ verfolgt habe, zu dem auch Bestechungen von Beamten und Abgeordneten gehörten. Der US-Botschafter Marc Ostfield selbst versicherte, Cartes habe mehr als ein Jahrzehnt lang seinen unrechtmäßig erworbenen Reichtum und Einfluss dazu genutzt, „seine politische und wirtschaftliche Macht innerhalb der paraguayischen Institutionen auszudehnen“.
Aus diesem Grund beschloss die US-Kontrollbehörde für Auslandsvermögen (Office of Foreign Assets Control, Ofac) des Finanzministeriums, ihn wegen seiner „Beteiligung an systematischer Korruption, die die demokratischen Institutionen in Paraguay untergraben hat“, zu sanktionieren. Die Ofac fror auch alle finanziellen Vermögenswerte ein, die er möglicherweise in den USA besitzt, und verhängte darüber hinaus gezielte Sanktionen gegen vier von ihm und seiner Familie kontrollierte Unternehmen. Mit dieser Maßnahme haben die USA die Colorado-Partei geschwächt, die sich nun von dem ehemaligen Präsidenten zu distanzieren versucht.
In diesem Zusammenhang hat Peña sich heimlich bemüht, sich von dieser besonderen Beziehung zu distanzieren. Sollte Peña die Wahlen gewinnen, wird er, um sich zu halten, alles tun, um die Anweisungen der US-Botschaft zu befolgen, denn das scheint seine beste Trumpfkarte zu sein.
Dazu gehört natürlich auch, dass er sich von Cartes absetzt, von dem er sich jetzt nicht trennen kann, weil er ihn wegen des großen Einflusses, den der Ex-Präsident in wichtigen Sektoren der Colorado-Partei hat, braucht, um die Wahlen zu gewinnen. Den Anweisungen der diplomatischen US-Vertretung folgend, hat Peña sich jedoch davor gehütet, seinen Lehrmeister öffentlich zu kritisieren.
Conversé con @USAmbPY sobre mi visión del Paraguay y la importancia de la cooperación entre nuestros países. pic.twitter.com/C0Th33b1o9
— Santiago Peña (@SantiPenap) January 12, 2023
Diese Situation scheint widersprüchlich, denn die Entscheidung Washingtons, Cartes mit Korruption in Verbindung zu bringen, hätte als positiv für die PLRA und Alegre interpretiert werden können. Aber wie ein paraguayischen Analyst sagte, ist das, was die US-Botschaft real dazu veranlasst hat, ein interner „Reset“, um sowohl die Liberalen als auch die Colorados unter ihre Kontrolle zu bringen, sodass es für keine dieser beiden Parteien einen Ausweg gibt – da sie wissen, dass derjenige, der gewinnt, sich in völliger Harmonie mit dem Weißen Haus befinden wird.
Der Webseite der paraguayischen Partei Frente Amplio zufolge, die die Kandidatur von Alegre unterstützt, besteht die Opposition jetzt auf der Notwendigkeit einer „nützlichen Stimmabgabe“ zugunsten Alegres, um Peña zu besiegen. Sie betonen, dass alle Umfragen auf eine Konfrontation zwischen den beiden Kandidaten hindeuten, weshalb sie zur Bildung einer Einheitsfront aufrufen, innerhalb derer „die anderen Oppositionskandidaten die Möglichkeit eines Wechsels vorn anstellen, indem sie sich für den am besten positionierten Kandidaten entscheiden“.
Andererseits weist die PLRA aufgrund ihres traditionell extremen Opportunismus darauf hin, dass es im aktuellen Szenario einen Wechsel geben müsse, der zur Benennung eines einzigen Oppositionskandidaten zwinge, denn diese Option biete große Möglichkeiten, die Colorado-Partei zu besiegen.
Es sollte nicht vergessen werden, dass die PLRA Teil der Regierungskoalition war, die Fernando Lugo an die Macht brachte, um später dann ein Bündnis mit der Colorado-Partei einzugehen, die hinter dem Staatsstreich von 2012 steckte, um die Macht zu übernehmen. Der Verrat ist also ein natürlicher Teil ihrer politischen Arbeit. Die US-Botschaft weiß das. Und eben auf dieser Grundlage baut sie nun ihren „cambio gatopardiano“ (paraguayischer Ausdruck für einen Wandel, bei dem das Wesentliche gleich bleibt) im Land der Guaraní auf.
Übersetzung: Klaus E. Lehmann, Amerika21
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