Ein US-Bundesgericht hat drei Einwohner von St. Louis angeklagt, über die „African People’s Socialist Party“ (APSP – Afrikanische Sozialistische Volkspartei) „illegal pro-russische Propaganda und Fehlinformationen über die Ukraine“ verbreitet und „Zwietracht“ in Missouri, Georgia und Florida gesät zu haben. Die vorgebrachten „Beweise“ fallen aber eher in die Rubrik Farce. Unter anderem werden zwei Videokonferenzen der Partei zum Thema Ukrainekrieg mit einem zugeschalteten russischen Staatsbürger sowie Artikel auf der Partei-Website angeführt. Aus solchen Banalitäten macht das FBI „ungeheuerliche und eklatante Verstöße, um die amerikanische Demokratie zu destabilisieren und ihr Vertrauen zu untergraben“. Von Florian Warweg.
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In der Anklageschrift wird behauptet, dass der Vorsitzende der African People’s Socialist Party, Omali Yeshitela (81 Jahre), und zwei weitere Mitglieder, Penny Joanne Hess und Jesse Nevel, als „illegale Agenten der russischen Regierung“ gehandelt hätten. Allein für diesen Vorwurf drohen ihnen jeweils bis zu zehn Jahre Gefängnis. Außerdem drohen ihnen zusätzliche fünf Jahre für den Vorwurf der „Verschwörung“.
Wie wird der Vorwurf belegt?
In der Anklageschrift wird zunächst dem russischen Staatsbürger Alexander Wiktorowitsch Ionow vorgeworfen, die „Anti-Globalisierungsbewegung Russlands“ gegründet zu haben, eine in Moskau ansässige Organisation, die, so die Anklage, von der russischen Regierung geleitet wird, „um pro-russische Propaganda zu verbreiten und politische Gruppen im ganzen Land zu beeinflussen“, darunter auch die African People’s Socialist Party. Ionow würde zu diesem Zweck mit mehreren Agenten des russischen Auslandsgeheimdienstes FSB zusammenarbeiten.
Weiter heißt es in dem Dokument, dass besagter Ionow in mindestens zwei von der Partei (in der Anklageschrift als „U.S. Political Group 1“ benannt) veranstalteten Videokonferenzen auftrat. Bei den aufgeführten Videokonferenzen handelt es sich um eine Veranstaltung am 13. März 2022 unter dem Titel „Leben mit Russland!“ sowie eine weitere Veranstaltung am 20. März 2022 mit dem Titel „Die kolonialen Lügen über Russland widerlegen!“.
In beiden Fällen war besagter Ionow mutmaßlich aus Russland mit einem Übersetzer zugeschaltet und sprach unter anderem über die kriegerischen Auseinandersetzungen im Donbass ab 2014, das Odessa-Massaker und den Versuch der direkt nach dem Maidan-Putsch an die Macht gekommenen Regierung, Russisch als Amtssprache zu verbieten. In der Anklageschrift liest sich das dann so:
Die fraglichen Videokonferenzen der African People’s Socialist Party sind immer noch online verfügbar. Der geneigte Leser kann sich also selbst ein Urteil bilden, auf welch höchst fragwürdigen Grundlagen hier US-Bürgern langjährige Haftstrafen wegen angeblicher „Verschwörung“ und „Destabilisierung der amerikanischen Demokratie“ drohen:
Videokonferenz am 13. März 2022 unter dem Titel „Leben mit Russland!“
Videokonferenz am 20. März 2022 zum Thema: „Die kolonialen Lügen über Russland widerlegen!“
Als weiterer Beleg für die „Verschwörung“ wird die Veröffentlichung eines Artikels auf der offiziellen Website der Partei im August 2016 mit der Überschrift „Imperialists ban Russia from 2016 Olympic Games! APSP says “let Russia play!”“ (Imperialisten verbannen Russland von den Olympischen Spielen 2016! APSP sagt “Lasst Russland spielen!”) bewertet:
In der Beweisaufnahme der Anklageschrift sieht das dann so aus:
FBI-Sprecher David Walker erklärte zum Kontext der Anklage:
„Die Fakten und Umstände dieser Anklage gehören zu den ungeheuerlichsten und eklatantesten Verstößen, (…) um die amerikanische Demokratie zu destabilisieren und ihr Vertrauen zu untergraben.“
Der Vorsitzende der Afrikanischen Sozialistischen Volkspartei, Yeshitela, erklärte gegenüber Medienvertretern, dass er sich auf Anraten seines Anwalts nicht zu der Anklage äußern werde, betonte aber zugleich: „Ich freue mich jedoch auf meinen Tag vor Gericht.“
Die jetzige Anklageschrift kommt mehrere Monate nach einer FBI-Razzia in der Parteizentrale („Uhuru Center“) im Süden von St. Louis sowie im Wohnhaus des damals 80-jährigen Parteivorsitzenden der sozialistischen Kleinpartei wegen deren angeblichen Kontakten und Instrumentalisierung durch die Russische Föderation.
Foto: FBI-Agenten sprengen mit einer Blendgranate die Tür auf und betraten das Haus von Omali und Ona Zené Yeshitela – Quelle: African People’s Socialist Party
In einer Pressekonferenz anlässlich der FBI-Razzia, welche unter anderem die regionale Tageszeitung St. Louis Post-Dispatch aufgegriffen hatte, erklärte er damals:
„Die US-Regierung versucht, uns, die African People’s Socialist Party und die Uhuru-Bewegung, als Schachfiguren in diesem Kampf zu benutzen, indem sie versucht, mit dem eindeutigen politischen und wirtschaftlichen Wandel umzugehen, der sich in der Machtkonstellation in der Welt vollzieht. Und sie sehen sich als Konkurrenten Russlands. Russland ist ihnen ein Dorn im Auge.“
In Bezug auf seine Verbindung zu Ionow und dessen Teilnahme als russischer Staatsbürger an Videokonferenzen seiner Partei betonte er, an das FBI gewandt:
„Sagen Sie uns nicht, dass wir keine Freunde haben dürfen, die Sie nicht mögen.“
Das Leitmotiv der African People’s Socialist Party lautet nach eigener Darstellung:
„Lasst uns den Kampf der afrikanischen Arbeiterklasse und der unterdrückten Massen gegen die kapitalistisch-kolonialistische Vorherrschaft der USA und alle Erscheinungsformen von Unterdrückung und Ausbeutung, die sich aus dieser Beziehung ergeben, anführen.“
In einem Interview mit dem öffentlichen Radio St. Louis on the Air räumte Yeshitela auf Nachfrage ein, dass er in der Vergangenheit Russland im Rahmen der Teilnahme an einer „Anti-Globalisierungs-Konferenz“ besucht hatte:
„Ja, ich war in Russland, aber ich war auch in Südafrika, ich war in Ghana, ich war an verschiedenen anderen Orten in Afrika, ich war in Nicaragua. Ich war an allen möglichen Orten, an denen sich unterdrückte Menschen organisieren.“
Der vorliegende Fall sollte die Alarmglocken auch hier im Lande zum Läuten bringen. Mitglieder einer US-amerikanischen sozialistischen Kleinpartei werden strafrechtlich massiv verfolgt und es drohen langjährige Haftstrafen, weil ihr Vorsitzender auf einem Kongress in Russland war, sie in Videokonferenzen auch russische Stimmen zu Wort kommen lassen und sich in einem Artikel auf der Partei-Website von 2016 (!) gegen den Boykott Russlands bei den Olympischen Spielen ausgesprochen haben.
Der einst zumindest de jure sehr hochgehaltene Status der Redefreiheit („freedom of speech“), verankert im 1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten, scheint angesichts dieses Falles, der an die dunkelsten Kapitel der McCarthy-Ära erinnert, nur noch eine leere Hülle:
„Der Kongress soll kein Gesetz erlassen, das (…) die Rede- oder Pressefreiheit oder das Recht des Volkes einschränkt, sich friedlich zu versammeln und die Regierung durch Petition um Abstellung von Missständen zu ersuchen.“
Vielsagend ist in diesem Fall auch das Schweigen der links-liberalen Medien- und Politikvertreter. Darauf macht unter anderem der Investigativ-Journalist Alex Rubinstein aufmerksam und verweist darauf, dass die einzige prominente Stimme, die sich bisher öffentlich für die angeklagten Afro-Amerikaner einsetzte, der jüngst von Fox-News gefeuerte Star-Moderator Tucker Carlson ist:
„Ausgerechnet Tucker Carlson von der Heritage Foundation prangert das Justizministerium für seine Verfolgung der African People’s Socialist Party an. Welche Erklärungen haben die Führer der Demokratischen Partei, die für BLM (Black Lives Matter) eintreten, und die Sprecher der liberalen Medien zu diesem Thema abgegeben? Wo ist diese Truppe?“
Tucker Carlson, of all people, at the Heritage Foundation, of all places, denounces the DOJ for its prosecution of the African People's Socialist Party
What statements have pro-BLM Democratic Party leaders and liberal media talking heads made on this subject? Where is the Squad? pic.twitter.com/sbQsFNAEsF
— Alex Rubinstein (@RealAlexRubi) April 24, 2023
Titelbild: Der Vorsitzende der African People’s Socialist Party, Omali Yeshitela, und einige seiner Unterstützer bei einer Pressekonferenz am 29. Juli 2022 – Quelle: Jesse Bogan