Die „Strategische Kommunikation“ der NATO vergiftet die Menschen und lähmt Widerstand gegen die Vernichtungsmaschinerie. Auch in der aktuellen Berichterstattung zur Friedensbewegung zeigt sich die Wirkung dieser Programme zur Manipulation. Von Bernhard Trautvetter.
In der Ukraine lauern Gefahren für die Zivilisation Europas – niemand hat das Recht, sie jemals einzugehen: Die Atomreaktoren in der Ukraine gebieten Frieden, da sie von einer ununterbrochen zuverlässig sicheren Infrastruktur der Strom- und Wasserversorgung für die Kühlung abhängen; andernfalls droht mit einer Kernschmelze eine Gefahr, die alle bisherigen Havarien bei weitem in den Schatten stellt.
Dessen ungeachtet eskalieren alle Seiten das Risiko durch die Kriegsführung und durch die Lieferung von Kriegswaffen in unverantwortlicher Weise. Die Bevölkerung begehrt nicht auf, da die Berichterstattung dieses Risiko ebenfalls auf unverantwortliche Weise ausblendet. Dazu tragen die Strategieschmieden der NATO mit bei, indem sie ein manipuliertes Schwarz-Weiß-Bild von einer Aggressivität Russlands und von einer friedlichen NATO als Retterin in der Not zeichnen. Der Medienkritiker Uwe Krüger schrieb dazu in seinem 2016 veröffentlichten Buch »Mainstream« (aus dem Klappentext des Buches):
„Der Meinungskorridor war schon einmal breiter … Nicht nur Außenminister Frank-Walter Steinmeier wundert sich über den ‚Konformitätsdruck in den Köpfen von Journalisten‘. Glaubt man einer Meinungsumfrage für ZEIT Online …, dann finden 47 Prozent der Deutschen, dass die Medien einseitig berichten.“
Die „unprovozierte Aggression“
Der direkte Anteil der Militärlobby an der damit einhergehenden Manipulation der öffentlichen Meinung im Westen ist nicht spezifizierbar, aber existent: Das im Baltikum seit 2016 ansässige ‚Strategic Communication‘ – Nato Centre of Excellence schreibt zur Invasion Russlands in der Ukraine – die unverantwortlich ist – sie sei eine unprovozierte Aggression. Dies hat den unausgesprochenen Sub-Text, dass die NATO nichts mit der Eskalation der Spannungen im Vorfeld zu tun hat. Darin liegt allerdings, wenn man sich die Entwicklung genauer ansieht, eine Des-Information; die meinungsführenden Medien im Westen träufeln sie mehrmals täglich in die Gehirne der Menschen, obwohl die NATO-Osterweiterung mit dem Abschnitt „Freundschaftliche Beziehungen“ in der Charta von Paris, mit dem 2+4-Vertrag zur Vereinigung der zwei deutschen Staaten und selbst mit der Nato-Russland-Grundakte bricht.
Vor den Verletzungen der hier festgelegten Friedensordnung gegenseitiger gemeinsamer Sicherheit warnten viele renommierte westliche Spitzenkräfte wie der letzte US-Botschafter in der Sowjetunion, Jack Matlock. Zitat von Jack Matlock auf die Frage, „Wie würden die USA reagieren, wenn sich vor ihrer Türe ein vergleichbares Szenario entfaltete?“ :
„Wenn China anfangen würde, eine Militärallianz mit Kanada und Mexiko zu organisieren, würden die USA das nicht tolerieren. Wir würden uns auch nicht auf abstrakte Prinzipien von internationalem Recht beschränken lassen. Wir würden das verhindern. Mit jedem Mittel, das wir haben. Jedes Land, das die Macht dazu hat, würde das tun.“
Das NATO-Narrativ, demzufolge die Invasion Russlands in die Ukraine ein durch nichts provozierter, also rein imperialistischer Angriffskrieg gegen Freiheit, Demokratie und Menschenrechte ist, wird – wie wir schon zeigen konnten – von der NATO-Medienmanipulation geschürt. Diese Darstellung rechtfertigt die militärische Unterstützung der Ukraine, die Atom- sowie Hochrüstung, die Forcierung der NATO-Expansion und der internationalen Spannungen gegenüber Russland und dabei auch China.
Der Guardian berichtete, dass George F. Kennan, der geistige Vater der US-amerikanischen Eindämmungspolitik gegen die Sowjetunion in der Ära des Kalten Krieges, in einem Interview mit der „New York Times“ im Mai 1998 eindringlich vor den Folgen einer Erweiterung der NATO warnte:
»Ich glaube, dass dies der Beginn eines neuen Kalten Krieges ist«, sagte Kennan. »Ich denke, die Russen werden allmählich ziemlich negativ reagieren, und es wird ihre Politik beeinflussen. Ich denke, es ist ein tragischer Fehler. Es gab überhaupt keinen Grund für diese Aktion. Niemand bedrohte einen anderen.«
Die Manipulation macht dies vergessen und ist damit sehr erfolgreich, sodass jene, die die NATO-Politik kritisieren und vor Waffenlieferungen warnen, als Schein- oder auch Lumpenpazifisten oder gleich als ‚Secondhand-Kriegsverbrecher‘ verunglimpft werden. Aber auch Politikerinnen und Politiker der Ostpolitik von Willy Brandt bis Angela Merkel werden in diesem Zusammenhang angegriffen, sie hätten Russlands Aggressivität nicht gesehen und sich mit ihrer Politik der Verständigung geirrt. Sie hätten mit ihrer Politik der Abhängigkeit Deutschlands von russischer Energie ihr Land zur Geisel Moskaus gemacht und damit viele Gefahren gesteigert.
Der NATO-Beitrag zum „allgemeinen Bewusstsein“
Auf der Stratcom-Website erklären die NATO-Kommunikationsexperten ihre Aufgabe: StratCom „leistet einen positiven und unmittelbaren Beitrag zur erfolgreichen Durchführung der Aktivitäten, Operationen und der Missionen der NATO durch die Einbeziehung der strategischen Kommunikationsplanung in die gesamte operative und politische Planung in enger und dauerhafter Abstimmung mit den NATO-Staaten, um das Bewusstsein, das Verständnis und die Unterstützung der Öffentlichkeit für spezifische NATO-Strategien, -Operationen und -Aktivitäten bei allen relevanten Zielgruppen zu fördern; dies als Beitrag zum allgemeinen Bewusstsein und Verständnis der Öffentlichkeit für die NATO als Teil einer umfassenderen und kontinuierlichen öffentlichen Diplomatie.“ Politisches Marketing verstehen sie als Überzeugungsarbeit in den internationalen Beziehungen im Sinne ihrer militärischen Strategie. (fast wörtliche Übersetzung des englischen Textes)
Die NATO gründete dieses Zentrum nach der Tagung der NATO-Strategieschmiede »Joint Air Power Competence Centre« aus Kalkar in der Messe Essen im Herbst 2015, zur sogenannten ‚Strategischen Kommunikation‘. Dort beklagten die Spitzenmilitärs, dass es gegenüber den Militärs ‚feindliche Einheiten‘ gebe, die erfolgreich Vorbehalte in der Bevölkerung gegen ‚Operationen der Militärs‘ schüren. Sie befanden, dass die USA im Irak-Krieg den propagandistischen Fehler begangen hätten, sie müssten dem Diktator das Handwerk legen, da dieser sich Nuklearwaffen zulege, obwohl der Irak keine Atommacht war; die Empfehlung der Strategischen Manipulateure lautete: Hätten die USA mehr auf die Gewalt des Diktators rekurriert, dann hätte der Krieg in der Weltöffentlichkeit mehr Zustimmung erhalten. Dass er völkerrechtswidrig war, tangiert hier nicht, wohl aber dass er auf Ablehnung stieß.
Die Strategen haben daraufhin beschlossen, sie müssten die neuen sozialen Medien nutzen oder eingebettete Journalisten ins Kriegsgeschehen mitnehmen, außerdem forderten sie „eine wesentlich intensivere Ausbildung in strategischer Kommunikation, um wirksame Informationsoperationen besser gestalten zu können und um die Art gegnerischer Desinformationskampagnen besser zu verstehen, um effektive Methoden zu ihrer Bekämpfung zu finden.“ Es geht ihnen um die Hegemonie in der Meinungsbildung. Strategische Kommunikation unterscheidet sich von natürlicher menschlicher Kommunikation dadurch, dass Empfänger und Empfängerinnen von News auf eine bestimmte, nicht unmittelbar offensichtliche Weise beeinflusst werden.
Das Riga StratCom-Centre informiert dazu aktuell unter dem Titel „Stemming the Narrative Flow“ (= ‚Den Erzählfluss eindämmen‘). Wenn die Strategen feststellen, dass beide „Seiten … Narrative (nutzen ),um den Gegner … negativ darzustellen“, dann erklären sie selbst, dass sie dieses Mittel der Propaganda oder Desinformation einsetzen. Das bedeutet, die Meinungsmache folgt dem Schwarz-Weiß-Muster, demzufolge die eigene Seite das Positive vertritt – hier Menschenrechte, Demokratie und Freiheit – und den Kräften der Zersetzung entgegentritt.
Die Kampagne gegen die Friedensbewegung – und der Versuch, sie zur Pro-Putin-Kraft abzustempeln – greift auf die Tradition der Verunglimpfung von Friedenskräften seit vielen Jahrzehnten zurück. Der Deutschlandfunk blickte vor 23 Jahren auf die in den 1980er Jahren entsprechend erstarkte Friedensbewegung zurück und kam zu der Einschätzung:
„Die gesellschaftspolitischen Friedenskämpfte in der alten Bundesrepublik mit den bekannten und publikumswirksamen Aktionen, wie z.B. Belagerungen und Demonstrationen vor Bundeswehr- und NATO-Stützpunkten, den Forderungen nach Verzicht auf Einführung der Neutronenwaffe sowie der Nichtumsetzung des NATO-Doppelbeschlusses – sie alle waren geprägt von einer selektiven, einseitig gegen die NATO gerichteten Dynamik, die durchaus – wenn auch von vielen ungewollt – in das Konzept … passte, … den sowjetischen Rüstungsvorsprung im Mittelstreckenbereich zu sichern.“
Friedensbewegung und Medien
An diese Meinungsmache gegen die Friedensbewegung knüpft die Ostermarsch-Berichterstattung unserer Tage einflussreicher Medien aus dem Print-Bereich und aus Funk und Fernsehen an. Die FAZ brachte es so auf den Punkt:
„Die Friedensbewegung ließ sich von Moskau instrumentalisieren – So viele Demonstranten wie in den 1980er-Jahren werden sich an den Ostermärschen in den nächsten Tagen nicht beteiligen. Damals nahmen 200.000 Friedensbewegte an den Märschen in der Bundesrepublik teil. Darunter waren Christen, Grüne, Sozialdemokraten, Gewerkschafter. Gesteuert aber war die Sache von Moskau. Die Sowjetunion hatte die atomar bestückbare Langstreckenrakete SS-20 entwickelt, die alle wichtigen Ziele in den NATO-Staaten Europas vernichten konnte. Nun wollte sie diesen Rüstungsvorsprung verteidigen und die Nachrüstung durch Pershing-II-Raketen und Cruise Missiles verhindern. … In seinen 2015 veröffentlichten Erinnerungen schrieb Erhard Eppler, Putins Aggression in der Ostukraine sei Ausdruck ‚einer energischen und teilweise erfolgreichen Defensive‘. Krim-Annexion und Putins Krieg im Donbass sah Eppler ‚als defensive Antwort auf den erkennbaren Versuch der NATO, sich bis nach Zentralrussland auszudehnen und damit die rote Linie Russlands zu überwinden‘. Manche versuchten, alte Erfolgsmuster zu nutzen. “
Die ZDF-heute-Sendung um 19 Uhr am Ostersamstag komprimierte die Meinungsmache für Frieden durch Krieg, die die Berichterstattung zum Ostermarsch mit dem Politik-Professor Herfried Münkler eröffnete – er sah „auf der einen Seite Frau Wagenknecht, auf der anderen Seite das Aushängeschild der Linkspartei, der einzige Ministerpräsident, den sie stellen, der gegen Russland eine kritische Position einnimmt.“ Wenig später bringt die Nachrichtensendung eine Straßentheater-Performance und führt diese Filmszene mit diesen Worten ein:
„In ihrer Performance sitzen die Friedenstauben in Sicherheit am gedeckten Tisch – ein Seitenhieb auf die Friedensbewegung in Deutschland: Die Forderung nach Waffenlosigkeit sei einfach, wenn man nicht selbst beteiligt ist.“
Die Manipulation bedient sich nicht nur der Einseitigkeit und der doppelten Standards, sondern auch einfacher Bilder mit einer Bildsprache, die an Märchen erinnert, die also an Archetypen der Verarbeitung von Eindrücken schon in früher Kindheit anknüpft.
Friedensbewegung wird in rechte Ecke gestellt
Doch damit nicht genug: Die Friedensbewegung wird mit ähnlicher Heftigkeit in die rechte Ecke gestellt, sie stelle Forderungen auf, die sie in eine Gemeinsamkeit mit Neonazis bringt. Dem gegenüber gilt allerdings: Die Friedensbewegung setzt sich ein für Ideale wie Demokratie und Internationalismus, die Nazis fremd sind, sie wendet sich gegen Militär und Militarismus, gegen Rassismus in allen Formen und für die Menschenrechte eines Jeden, unabhängig von Herkunft und äußerer Erscheinung. Demgegenüber bedeutet rechts: nationalistisch, gewaltbefürwortend, militaristisch, rassistisch und undemokratisch.
Zwar tritt etwa der militärpolitische Sprecher der beim Thema Russland vielstimmigen AfD, Rüdiger Lucassen, im Dlf-Interview am 20. April für den „Einstieg zu Verhandlungen“ statt für eine weitere Eskalation mit der Lieferung von Kriegswaffen an die Ukraine ein – aber er wendet sich gegen eine „Ausplünderung der Bundeswehr“ durch Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet, auch da diese oft eher „symbolhaft getroffen werden“. Die AfD setzt sich seinen Worten zufolge für eine Erhöhung des Militäretats Deutschlands ab 2024 auf zwei Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung dieses Landes ein, also zunächst um ca. 20 Milliarden Euro auf ungefähr 75 Milliarden Euro. Diese Positionierung stellt das Gegenteil eines friedenspolitischen Motivs dar.
Die Strategische Kommunikation vergiftet die Menschen und lähmt Widerstand gegen die Vernichtungsmaschinerie, aber sie hat nur begrenzten Erfolg: Eine Mehrheit der Deutschen etwa ist trotz aller Infiltration der Strategischen Manipulation gegen die Lieferung von Kriegswaffen an die Ukraine.
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