Fahrermangel, fehlende LKW-Parkplätze und CO2-Maut – Anhörung im Bundestag, Besserung ist – nicht in Sicht

Fahrermangel, fehlende LKW-Parkplätze und CO2-Maut – Anhörung im Bundestag, Besserung ist – nicht in Sicht

Fahrermangel, fehlende LKW-Parkplätze und CO2-Maut – Anhörung im Bundestag, Besserung ist – nicht in Sicht

Ein Artikel von Frank Blenz

Bei einer neuerlichen Bundestagsanhörung zum Thema „LKW-Fahrer“ bekamen die Teilnehmer zu hören, dass die Lage der Fahrer weiterhin ernst sei, dass bis zu 80.000 LKW-Fahrer fehlten, dass ausreichend Nachwuchs in Kürze nicht bereitstünde und, und, und. Mehrere Experten aus der Branche und Institutionen im Umfeld des Lieferverkehrs und der Logistikbranche zeichneten ein düsteres Bild. Sie kritisierten, dass die Politik vor allem eines auf dem Schirm habe: die Lage noch zu verschlimmern – mit noch mehr Abgaben, mehr Vorgaben, mehr Verboten, und das mit einer enorm zähen Geduldigkeit, Verbesserungen wie zum Beispiel bei den Arbeitsbedingungen nicht anzugehen. Stattdessen wird weiter „zugeschaut“ und „angehört“. Somit drohe möglicherweise gar ein Versorgungskollaps im Land, warnte ein Experte bei der Anhörung. Was bleibt den LKW-Fahrern in der Zwischenzeit? Sie kämpfen sich auf den Straßen der Bundesrepublik und des Kontinents durch das Truckerleben, versorgen die Bürger trotz allem. Doch „stolze Kapitäne der Landstraßen“ zu sein – das war einmal. Von Frank Blenz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das ist kein Werbeclip

Irgendwo auf einer Autobahn in Deutschland. Ein roter LKW rollt seit mehreren Minuten auf der mittleren Spur an einem blauen LKW auf der rechten Fahrbahn vorbei, das rote Fahrzeug schnauft und ächzt, mit Ach und Krach wälzt sich das schwere rote Gerät schließlich an dem langsameren blauen LKW vorbei. Der Blinker des Roten wird zum Wiedereinreihen gesetzt, der inzwischen überholte Blaue gibt eine straffe „Lichthupe“, signalisiert „He Junge, Du kannst wieder einfädeln“. Der überholende Fahrer dankt mit einer kurzen Warnblinkanlagen-Antwort. Uff. Das war wieder mal müßig. Das Überholmanöver hat bei der Fahrtdauer vielleicht ein paar Minuten Einsparung gebracht – wenn überhaupt, denkt sich der Autofahrer, der hinter den beiden Brummis das zähe Elefantenrennen beobachtet hatte. Bald darauf schnaufen die zwei Brummis einen Berg hinauf, der erste Koloss hat kaum 60 km/h drauf, der hintere LKW setzt nun seinerseits zum Überholvorgang an… In ganz Deutschland wiederholen sich diese „Rennen“ Tag für Tag zigfach.

Und warum das alles? Zeitdruck. Termindruck. Druck, einen Parkplatz zu finden. Druck, die Ruhezeit pünktlich zu beginnen. Druck, Druck, Druck. Dabei soll das Trucker-Leben doch so romantisch und erstrebenswert sein, Freiheit und so?

Lange Liste der hingenommenen Pein

Von wegen. Der Beruf des LKW-Fahrers verlangt viel Hingabe, Geduld, Leidensfähigkeit – weil die Politik versagt, weil der politische Wille der Akteure fehlt, wird bei der jüngsten Anhörung im Bundestag offenbar. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e. V. (BGL) beklagt die anhaltend schlechten Arbeitsbedingungen, unfaire Löhne und in Folge all dieser Pein den schlechten Ruf des Berufsstandes und seines Umfeldes, der sich täglich wieder und wieder bestätigt. Die Liste ist lang, es gäbe zu wenig Ruheplätze an den Autobahnen, die hygienischen Bedingungen seien mangelhaft, die Preise für Duschen und Toiletten üppig. Und schließlich seien die Arbeitszeiten stabil familienfeindlich.

Die Leiden der Fernfahrerei in einem Buch

Von all diesen Dingen wissen die, die es betrifft, am besten Bescheid. Der ehemalige LKW-Fahrer Jochen Diekmann hat seine beruflichen Erlebnisse aufgeschrieben, in seinem Buch „Geschlafen wird am Monatsende“ (im Westend Verlag erschienen) heißt es u. a.:

Der Arbeitsalltag vieler Trucker besteht … aus Respektlosigkeit, Einschüchterung, Kontrollen, Unregelmäßigkeiten bei der Spesenabrechnung, Lohnkürzungen sowie dem ständigen Druck, gegen zahlreiche Sicherheitsauflagen und Gesetze verstoßen zu müssen. Manipulation und Korruption gehören zum Tagesgeschäft vieler Speditionen. Dieckmann erzählt haarsträubende, unfassbare Geschichten von den Straßen Europas: von sinnlosen, schikanösen Grenzkontrollen und korrupten Zöllnern, illegalen Mitreisenden aus Nordafrika und sinnlosen Transporten quer durch Europa, etwa tonnenweise Altpapier von Hamburg nach Bordeaux, Leerfahrten von Rouen nach Istanbul oder Autowracks von England in die Niederlande.

Da war doch was? Systemrelevanz. Diese Wichtigkeit ist, man denke nur an die vergangenen drei Jahre und an das viele Beifallklatschen von Balkonen, nicht aus den Ohren verklungen. Sie ist immer und immer wieder anzusprechen. Viele Menschen, die Tag für Tag arbeiten und unsere Gesellschaft bereichern, diese am Laufen halten, Werte schaffen – sie sind relevant, allein sie werden nicht entsprechend behandelt. So auch die Brummifahrer (und die Busfahrer). Und Fahrerinnen.

Noch mehr Abgaben – siehe CO2-Abgabe

Die Bundesregierung ist bisweilen sehr kreativ im Schaffen neuer Abgaben. Den Spediteuren wird also eine CO2-Abgabe aufgebürdet, was in der Anhörung kritisiert wird. Mit dieser werde sich die bestehende LKW-Maut ab dem Jahr 2024 um bis zu 40 Prozent erhöhen. Der politische Hintergedanke sei, durch entstehende Sparzwänge einen „Leidensdruck“ zu erhöhen, alternative Motoren zu verwenden und/oder auf die Schiene zu wechseln. Nicht ins Konzept der aktuellen Bundesregierung passt, dass das Europaparlament beim Ansinnen des radikalen Umbaus nicht mitspielen will. So sollen LKW vom „Verbrennerverbot“ ausgenommen werden, heißt es. Das Verbot soll ab 2035 in der EU greifen.

Was tun?

Die derzeitige Opposition, die CDU/CSU, immerhin vier Legislaturperioden selbst erfolgloser Akteur für mögliche gute Entwicklungen hin zu einem funktionierenden Bereich „Güterverkehr, Logistik, Arbeitsbedingungen, Dreiklang Straße / Bahn / Wasserwege“ kommt in der Anhörung mit einem Antrag auf den Plan: Gleich zwei Runde Tische unter Federführung des Bundesverkehrsministeriums sollen eingerichtet werden. Der Erste dient zur Lösung der aktuellen Krise der Güter- und Logistikbranche. Am zweiten Tisch solle an der Erarbeitung von Lösungsvorschlägen zur Bekämpfung des Berufskraftfahrermangels unter Federführung des Ministeriums gefeilt werden. Und schließlich soll auf eine Erhöhung der LKW-Maut in zwei Phasen ab Januar 2023 verzichtet werden. Vielmehr verlangt die CDU/CSU eine umfassende Mautreform zum Ende des Jahres 2023.

Weiter im Antrag der Opposition – schönes Wort „Engpassberuf“

Die deutsche Verkehrsinfrastruktur sei marode und brauche eine Instandsetzung, die mehr Tempo und Intensität verlange. Für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sei erforderlich, den Bau von würdigen LKW-Parkplätzen und gut ausgestatteten Autohöfen zu beschleunigen. Im Antrag der CDU/CSU steht, „der Beruf „LKW-/Berufskraftfahrer“ soll zum Engpassberuf erklärt, die Erlangung des LKW-Führerscheins durch Reformierung des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes erleichtert und in Fremdsprachen ermöglicht sowie die Ausbildung europaweit harmonisiert werden“.

Ausbildung und Kosten

In einem früheren NDS-Beitrag habe ich informiert, dass bei LKW- und bei Busfahrern bei den Ausbildungsbedingungen in Deutschland und der EU Handlungsbedarf bestehe, so koste der Führerschein zu viel. Die Führerscheinkosten beliefen sich in Deutschland auf 8.000 bis 10.000 Euro – hinzu komme eine sehr lange Ausbildungsdauer. An diesen Fakten hat sich bisher nichts geändert, sie müssten also auch auf beide Runde Tische.

Weitere Verursacher der Missstände

Der LKW-Fahrer Diekmann benennt in seinem Buch „Geschlafen wird am Wochenende“ weitere Missstände und kritisiert die Arbeitgeber:

Gefährlicher für uns alle ist aber, dass Trucker gezwungen werden, wesentlich länger zu fahren, als eigentlich erlaubt – Manipulation und Korruption gehören zum Tagesgeschäft vieler Speditionen.“

Dieckmann packt aus… Ein gesellschaftliches Porträt des facettenreichen Europa, ein Blick „von unten” auf unser Wirtschaftssystem!

Ein weiterer O-Ton, hier ein Fundstück aus sozialen Netzwerken:

Nicht die Kollegen, die „unsere“ Parkplätze blockieren, sind das Problem.
Es ist das System.
Das ganze System, das immer geringere Kosten verlangt.
Nicht zuletzt dadurch, dass Arbeitskräfte und Fahrer ausgebeutet werden.
Die stellen sich doch nicht Abend für Abend und Wochenende für Wochenende auf die Rastplätze wegen der Aussicht.
Oder weil da die Luft so gut ist.
Die stehen da, weil sie keine Alternativen haben.
Gestern habe ich mit meinem Chef über die Situation in Gräfenhausen gesprochen.
Im Prinzip können wir uns gleich mit dazustellen.
Die kleinen und mittelständischen Spediteure gleich mit.
Denn so viel besser ist unsere Situation auch nicht wirklich.
Die Frachttarife sind im Keller.
Die Zeitspanne bis zum Zahlungseingang für den Transport muss auch überbrückt werden.
Manchmal 30 Tage, manchmal auch wesentlich länger.

Übrigens: Das Buch „Geschlafen wird am Wochenende“ ist kein aktuelles Buch. Das Buch ist im Jahr 2011 erschienen. So bekommt das Wort „Schlaf“ einen ganz besonderen Klang.

Titelbild: Juice Flair/shutterstock.com

Quellen:

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