„Geradewegs hinter den Philippinen liegen Chinas schier unermessliche Märkte. Wir werden unseren Teil in der Mission unserer von Gott geschützten Rasse bei der Zivilisierung der Erde beitragen. Wo werden wir die Abnehmer unserer Produkte finden? Die Philippinen geben uns einen Stützpunkt am Tor zum Osten.“ So lautete einer der Kernsätze aus dem Munde des aus dem US-Bundesstaat Indiana stammenden republikanischen Senators Albert Jeremiah Beveridge, den dieser in seiner Rede am 9. Januar 1900 vor dem US-Kongress sagte. Beveridge verkörperte den knallharten Apologeten einer imperialistischen Strategie, die in messianischem Wettstreit mit den europäischen Kolonialmächten nicht zu kurz kommen wollte. Die in dieser seinerzeit hitzig geführten inneramerikanischen Debatte unterlegenen Isolationisten zählten in ihren Reihen u. a. den Erfolgsautor Mark Twain, der mehrfach öffentlich davor gewarnt hatte, dass „der US-amerikanische Adler seine Krallen auf fremdes Territorium setzt.“ Nicht nur ist dieser „Adler“ auch reichlich ein Jahrhundert später in der Region präsent. Seine „Krallen“ sind mittlerweile auf ein „fremdes Territorium“ gesetzt, das weitaus größer ist, als Beveridge es sich jemals erträumt hätte. Gemeinsam mit seinen Verbündeten und Vasallen verschärfen Washington und die NATO ihre Konfrontation mit der VR China – das nicht nur, um westliche Bündnisse zu stärken und Abhängigkeiten von Moskau und Beijing zu reduzieren. Ein Hintergrundbericht unseres Ost- und Südostasienexperten Rainer Werning, dessen ersten Teil Sie hier nachlesen können.
US-Prokonsuln auf südkoreanischem Hochsitz mit Blick auf Hawaii – ein Exkurs
Die United States Forces Korea (USFK) sind für die Unterstützung und Ausbildung der gemeinsamen multinationalen Streitkräfte der Republik Korea und der USA sowie des Kommandos der Vereinten Nationen (United Nations Command – UNC) zuständig. Die am 1. Juli 1957 gegründeten USFK unterstützen sowohl den ROK (Republik Korea) / U.S. Combined Forces Command (CFC) als auch das UNC und nehmen jährlich an gemeinsamen und kombinierten Operationen mit dem CFC teil, um Personal und Verstärkungseinheiten auszubilden und stets in Bereitschaft zu sein.
Nach dem Beginn der offenen Kampfhandlungen auf der Halbinsel, als nach lange währenden bewaffneten innerkoreanischen Auseinandersetzungen entlang des 38. Breitengrads nordkoreanische Panzer gen Süden auf die Hauptstadt Seoul zurollten, wurde am 24. Juli 1950 das UNC aus der Taufe gehoben. Die Resolutionen 83 und 84 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gaben den Mitgliedsstaaten die Befugnis, den Frieden auf der koreanischen Halbinsel wiederherzustellen, und legten gleichzeitig die Führungsrolle der Vereinigten Staaten in diesem vereinigten Kommando fest – nicht ohne Missmut seitens Trygve Lies, des ersten (norwegischen) UN-Generalsekretärs, der aber vorzeitig, am 10. November 1952, frustriert seinen Posten aufgab. Heute ist das UNC wesentlich damit befasst, auf die Einhaltung des weltweit längsten Waffenstillstands zu achten und diplomatische Kanäle mit Nordkorea offenzuhalten.
Aus einem operativen Planungsstab, der 1968 als Zusatz zum UNC/USFK/Eighth United States Army Headquarters und dem US-geführten I. Korps entstand, entwickelte sich 1971 ein integriertes Feldarmeehauptquartier. Dieses wurde jedoch erst 1978 im Rahmen eines bilateralen amerikanisch-südkoreanischen Abkommens im Zusammenhang mit dem damals geplanten Abzug der US-Bodentruppen aus Südkorea (der allerdings 1981 wieder rückgängig gemacht wurde) als gemeinsamer Stab eingerichtet. Dieses binationale Verteidigungsteam, das aus dem multinationalen UNC hervorgegangen ist, dient heute der Abwehr von Feindseligkeiten. Das schließlich am 7. November 1978 eingerichtete CFC ist das Hauptquartier für Kriegführung. Seine Aufgabe ist es, Aggressionen von außen gegen die Republik Korea abzuschrecken oder, wenn nötig, abzuwehren – was sich im Kern auf Nordkorea bezieht beziehungsweise gegen die Volksrepublik richtet.
Um diesen selbstgesetzten Auftrag zu erfüllen, obliegt dem CFC die operative Kontrolle über mehr als 600.000 aktive Soldaten aller Streitkräfte beider Länder. In Kriegszeiten könnten deren Kontingente durch etwa 3,5 Millionen ROK-Reservisten und zusätzliche US-Streitkräfte, die von außerhalb Südkoreas entsandt würden, verstärkt werden. Im Falle eines Angriffs durch Nordkorea würde das CFC mit seinen Luft-, Boden-, Marine- und kombinierten Marinestreitkräften sowie der Combined Unconventional Warfare Task Force für eine koordinierte Verteidigung sorgen.
Das CFC steht unter dem Kommando eines US-Viersternegenerals mit einem Viersternegeneral der koreanischen Armee als stellvertretendem Befehlshaber. In der gesamten Kommandostruktur wird die binationale Besetzung beibehalten: Ist der Leiter einer Stabsabteilung ein Koreaner, so ist sein Stellvertreter ein Amerikaner und umgekehrt. Diese integrierte Struktur gilt sowohl für die einzelnen Kommandos als auch für das Hauptquartier. Alle CFC-Komponenten sind taktisch integriert durch kontinuierliche kombinierte und gemeinsame Planung, Ausbildung und Manöver.
Eine der wichtigsten Feldübungen war die Team-Spirit-Serie, die 1976 begann und sukzessive auf fast 200.000 koreanische und US-amerikanische Mann aufgestockt wurde. Die USA beteiligten sich an solchen Übungen mit Verstärkungstruppen aller Streitkräfte, die von anderen pazifischen Stützpunkten und vom Festland der Vereinigten Staaten aus nach Südkorea entsandt wurden. Das letzte Manöver dieser Art wurde 1993 abgehalten.
Getrennte Gefechtsstandübungen Südkoreas und der USA wurden 1976 als Ulchi Focus Lens (UFL) zusammengefasst. Im Dezember 2006 ordnete der damalige Oberkommandeur des CFC an, den Namen UFL zu ändern. Während der ROK-Stab seine Manöver unter dem Namen Ulchi fortsetzte, benannte die amerikanische Seite ihre Manöver in Ulchi Freedom Guardian (UFG) um. Im Laufe der Zeit entwickelte sich daraus eine jährlich durchgeführte gemeinsame und kombinierte simulationsgestützte Gefechtsstandübung, bei der das Personal des CFC samt seinen Hauptkomponenten mit Hilfe modernster Computersimulationen geschult wurden, was die nordkoreanische Seite stets als gezielte, gegen die Volksrepublik gerichtete Provokation heftig kritisierte.
Das United States Indo-Pacific Command (USINDOPACOM) ist das für den indo-pazifischen Raum zuständige einheitliche Kampfkommando der US-Streitkräfte. Es ist das älteste und größte der vereinigten Kommandos der Streitkräfte. Sein Kommandeur, der ranghöchste US-Militäroffizier im Pazifik (seit dem 30. April 2021 Admiral John C. Aquilino), ist für mehr als 375.000 Militärangehörige sowie für ein Gebiet verantwortlich, das mehr als 260.000.000 Quadratkilometer oder etwa 52 Prozent der Erdoberfläche umfasst und sich von den Gewässern der Westküste der Vereinigten Staaten bis zu den Gewässern an der Ostküste der pakistanischen Seegrenze sowie von der Arktis bis zur Antarktis erstreckt. Das Kommando, seit seiner Gründung im Jahr 1947 als United States Pacific Command (USPACOM) bekannt, wurde 2018 in Anerkennung der zunehmenden Vernetzung zwischen dem Indischen und dem Pazifischen Ozean in U.S. Indo-Pacific Command umbenannt.
Das Indo-Pacific Command besteht aus den Komponentenkommandos U.S. Army Pacific, U.S. Marine Forces Pacific, U.S. Pacific Fleet, U.S. Pacific Air Forces sowie den unterstellten Kommandos U.S. Forces Japan, USFK und dem Special Operations Command Pacific. Das Nimitz-MacArthur Pacific Command Center dient als Hauptquartier des Indo-Pacific Command und befindet sich im Camp H. M. Smith auf Hawaii.
Spätestens hier reibt sich der unbedarfte Leser verdutzt die Augen und fragt sich zu Recht: Wer bedroht da eigentlich wen auf der koreanischen Halbinsel? Eine „Kim-Despoten-Dynastie“, ein „wahnsinniger Raketenmann Kim Jong-Un“, ein „Irrer mit der Bombe“ im Norden etc. pp.? Da kontrollieren die USA seit 1945 die Geschicke Südkoreas drei Jahre lang mittels einer US-Militärregierung, um seitdem ebendort wie „ein Pfahl im Fleische“ die militärischen Kommandohöhen zu besetzen – all das mit der gigantischen Wucht einer Supermacht (inklusive ihres weltweit gespannten Netzes von reichlich 800 Militärbasen) und dem bedrohlichen Verweis auf die „Bündnistreue mit ROK“, die „Sicherheitslage in der Region“ und um „Aggressionen seitens Nordkoreas“ einen Riegel vorzuschieben! Gäbe es einen halbwegs um Objektivität bemühten Journalismus – von investigativem, gar aufklärerischem ganz zu schweigen –, müsste zuvörderst die fortgesetzte Präsenz von US-Truppen und -Waffen und deren gigantisches Bedrohungspotenzial auf der Halbinsel als Hauptbarrikade charakterisiert werden, welche bis dato die Umwandlung eines Waffenstillstandsabkommens in einen Friedensvertrag blockiert und ein versöhnliches Miteinander zwischen Nord und Süd verunmöglicht!
Der Hauptgrund für das Fortbestehen solch bizarrer Verhältnisse liegt in den bleiernen Traumata beider Seiten dies- wie jenseits des 38. Breitengrads begründet: Im Norden herrschen aufgrund der immensen Verwüstung während des Koreakrieges (1950-53) – US-Bomberpiloten hatten in jener Zeit „gewehklagt“, es gäbe „keine Ziele mehr“ – noch immer Bunkermentalitäten, wonach „die US-Imperialisten“ gleichgesetzt werden mit Tod und Vernichtung bringenden „Teufeln“. Und im Süden herrschte die längste Zeit ein von Militärdiktaturen giftig genährter Antikommunismus als Staatsdoktrin, der weltweit in diesem Rigorismus und in dieser martialischen Zurichtung nur noch seit Herbst 1965 in Indonesien unter Suharto existierte. Ein Relikt dieser Epoche existiert in Südkorea noch immer in Gestalt des drakonischen Nationalen Sicherheitsgesetzes (NSL), das erst wieder im vergangenen Monat gegen Gewerkschafter der Korean Confederation of Trade Unions (KCTU) in Anschlag gebracht wurde, da man sie verdächtigte, als „Spione für den Norden tätig zu sein“. Die ältere Generation dies- wie jenseits des 38. Breitengrads hat aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen solcherart Feindbilder verinnerlicht, was im Süden dazu führte, dass trotz zahlreicher Avancen vis-à-vis dem Norden die gegenwärtig nur mit hauchdünner Mehrheit regierende Administration unter dem stramm konservativen Präsidenten Yoon Suk-Yeol mehr auf Konfrontation denn auf Kooperation mit dem Regime in Pjöngjang bedacht ist – eine markante Kehrtwende im Vergleich zu Yoons Vorgänger Moon Jae-In.
Militärmanöver „Freedom Shield 23“ im Süden, Waffentests im Norden
Nach über fünf Jahren fand im März wieder ein elftägiges Großmanöver kombinierter amerikanisch-südkoreanischer Truppenverbände statt, das diesmal unter dem wohlklingenden Namen Freiheitsschild firmierte und am 23. März endete. Amphibische Übungen unter Beteiligung von Seestreitkräften waren dabei ebenso Teil der Operation wie auf Computersimulationen basierende Manöver. Außerdem flogen strategische B-1B-Bomber der US-Luftwaffe in Formation mit südkoreanischen F-35A-Tarnkappen-Kampfjets und US-F-16-Kampfflugzeugen mehrere Einsätze, was Pjöngjang als akute Kriegsdrohung wertete. Kein Wunder, dass Nordkorea während der Dauer von Freedom Shield 23 seinerseits Stärke demonstrierte: In kurzen Intervallen von wenigen Tagen zündete es eine ballistische Interkontinentalrakete vom Typ Hwasong-17, die ins Ostmeer stürzte, nachdem zuvor bereits zwei ballistische Kurzstreckenraketen und zwei Marschflugkörper von einem U-Boot aus abgefeuert wurden. Kim Jong-Un sprach in den vergangenen Wochen wiederholt und öffentlich von der Notwendigkeit, die Produktion von waffenfähigem Nuklearmaterial zu „steigern“, um das Atomwaffenarsenal des Landes „exponentiell“ aufzustocken – aus der Sicht Pjöngjangs eine notwendige Selbstschutzmaßnahme und (Über-)Lebensgarantie gegen einen von außen erzwungenen „regime change“ à la Irak, Afghanistan und Libyen.
Sprecher des südkoreanischen Verteidigungsministeriums gossen Öl ins Feuer, als man der Öffentlichkeit kurz vor Beendigung von Freedom Shield 23 mitteilte, die USA und Südkorea würden im Juni dieses Jahres eingedenk ihrer seit sieben Dekaden währenden engen Kooperation die größten Übungen mit scharfer Munition abhalten. Aus dem Ministerium hieß es dazu lapidar:
„Das Programm soll die Fähigkeit der beiden Nationen demonstrieren, Frieden durch Stärke zu verwirklichen, und zwar inmitten der ernsten Sicherheitslage, die durch Nordkoreas nukleare Bedrohung und seine Raketen entstanden ist.“
Nach Angaben der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap haben Washington und Seoul bisher knapp zehn Mal massive gemeinsame Übungen mit scharfer Munition durchgeführt, zuletzt im Jahr 2017. Die Trump-Administration stellte damals die Durchführung größerer Übungen mit Südkorea ein, um Spannungen abzubauen und Raum für Diplomatie zu schaffen.
Japan und Südkorea – Annäherung mit Tücken, doch Rückendeckung seitens Washingtons
Ausgerechnet während der laufenden Freedom-Shield-23-Militärmanöver traf sich Mitte März Südkoreas Präsident Yoon Suk-Yeol mit dem japanischen Premierminister Kishida Fumio in Tokio, das erste Treffen dieser Art seit zwölf Jahren. Vorrangig ging es dabei um das Auftauen unterkühlter Beziehungen zwischen beiden Nachbarn und auf Drängen Washingtons darum, beide engen Verbündeten gegen China zu mobilisieren. Wie Nikkei Asia berichtete, vereinbarten Yoon und Kishida eine verstärkte Zusammenarbeit gegen Nordkorea und die Wiederaufnahme eines bilateralen Sicherheitsdialogs auf Arbeitsebene, der seit fünf Jahren unterbrochen ist.
Yoon kündigte überdies die „Normalisierung” des GSOMIA-Abkommens (General Security of Military Information Agreement) an, das den Austausch militärischer Informationen zwischen den beiden Ländern vorsieht. Moon Jae-In, der Vorgänger von Yoon, hatte 2019 in Seoul erklärt, das GSOMIA nicht zu verlängern, weil Japan neue Exportkontrollen gegen Südkorea verhängt habe. Diese Kontrollen, so jedenfalls wurde es Mitte März zwischen beiden Ländern vereinbart, sollen nunmehr aufgehoben werden. Das GSOMIA regelt den beidseitigen Informationsaustausch über nordkoreanische Raketentests.
Gastgeber Kishida zeigte sich nach dem Treffen mit seinem südkoreanischen Kollegen zufrieden und erklärte während der abschließenden Pressekonferenz:
„Von nun an möchte ich ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen Japan und Südkorea aufschlagen, und zwar durch häufige Besuche beider Seiten, die nicht an Formalitäten gebunden sind.“
So wohlgesetzt diese Worte klangen, so schrill bleiben Zwischentöne jenseits des diplomatischen Parketts. Die Beziehungen zwischen Südkorea und Japan bleiben wegen der japanischen kaiserlichen Herrschaft in Korea von 1910 bis 1945 angespannt. Beide Länder arbeiten an einem Abkommen zur Beilegung des Streits über die koreanische Sklavenarbeit während der Besatzung, wenngleich die südkoreanische Opposition und viele andere im Land dagegen Front machen und Yoon bezichtigen, gegenüber Tokio zu lasch aufzutreten. Misstöne sind noch immer zu vernehmen, was ungeklärte Fragen von Entschuldigung und Entschädigung der euphemistisch sogenannten „Trostfrauen“ während des Zweiten Weltkriegs betrifft sowie erneut hochgeschäumte Querelen über revidierte Geschichtsbücher in japanischen Schulen, in denen Japans Rolle während des Zweiten Weltkriegs wieder einmal deodorisiert wird.
Im Nachbarland China regte sich darüber ebenso Unmut wie über Kishidas Ankündigung, dass Tokio sein Militärbudget in den nächsten fünf Jahren verdoppeln werde, um seine Streitkräfte speziell gegen China aufzurüsten.
Zu dieser Gemengelage merkt der philippinische Politikwissenschaftler und Kolumnist Richard J. Heydarian an:
„Tokio überdenkt seine pazifistische Außenpolitik aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, indem es eine proaktivere strategische Rolle in der Region übernimmt. Japan erwägt nun, hochentwickelte Waffensysteme in belagerte Länder, insbesondere in die Ukraine, zu exportieren. Dieser Schritt hat jedoch auch unmittelbare Auswirkungen auf Taiwan, das sich mit der wachsenden Aussicht auf eine bewaffnete Konfrontation mit China konfrontiert sieht.
Das selbstverwaltete Taiwan, das von Beijing als abtrünnige Provinz behandelt wird, ist gleichzeitig von zentraler Bedeutung sowohl für die regionale Sicherheitsarchitektur als auch für die wirtschaftliche Integration. Die anspruchsvollsten Prozessorchips der Welt werden größtenteils von einem einzigen taiwanesischen Unternehmen, der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company Limited (TSMC), hergestellt.
Taiwans Chips sind für die Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts so wichtig wie die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) für das vergangene Jahrhundert. Doch wie der Politikwissenschaftler Chris Miller erklärt, ist Taiwan sogar noch wichtiger, denn anders als bei Öl, das man in vielen Ländern kaufen kann, hängt unsere Produktion von Rechenleistung von einigen wenigen Herstellern ab, insbesondere von denen in Taiwan.“
Um „angemessenen“ Umgang bemüht
Trotz aller Differenzen, die auch und gerade zwischen China und Japan bestehen, sollten beide Seiten die Kooperation ausbauen und „angemessen“ mit ihren Meinungsverschiedenheiten umgehen, erklärte Chinas Außenminister Qin Gang am 2. April bei einem Treffen mit seinem japanischen Kollegen Hayashi Yoshimasa in Beijing, wie das Außenministerium mitteilte. Und der Gastgeber fügte mit offensichtlichem Hinweis auf das Bündnis Japans mit den USA hinzu:
„Angesichts von Widersprüchen und Differenzen helfen Blockbildung, Geschrei und Druck nicht, die Probleme zu lösen, so wird nur Entfremdung vertieft.“
Mit Blick auf den Gipfel der Gruppe der sieben großen Industrienationen (G7) im Mai im japanischen Hiroshima und die gegenwärtige G7-Präsidentschaft Japans äußerte Qin Gang die Hoffnung, dass Tokio „den Ton und die Richtung des Treffens richtig bestimmt“. In Beijing wird befürchtet, dass sich das G7-Treffen auch gegen China richten könnte.
Bündnisfieber und befürchteter Souveränitätsverlust Canberras
Zu den jüngsten Vorstößen der USA und der NATO im Indo-Pazifik gehören AUKUS, der trilaterale Sicherheitspakt zwischen Australien, dem Vereinigten Königreich und den USA, die „Fünf-Augen-Allianz“, die sich aus den USA, Kanada, Australien, Neuseeland und dem Vereinigten Königreich zusammensetzt, sowie QUAD, der strategische Sicherheitsdialog, bestehend aus den vier Staaten Australien, Indien, Japan und den USA.
Am 15. September 2021 hatten die USA angekündigt, sich u. a. dafür einzusetzen, der Royal Australian Navy bei der Beschaffung von atomgetriebenen U-Booten behilflich zu sein. Mitte März nun ging dieses Engagement mit einem großen AUKUS-Gipfel (im Beisein der drei Staatschefs) und der Ankündigung des US-Plans, Australien mit atomgetriebenen U-Booten auszustatten, in die nächste Phase über. Einem Informationsblatt des Weißen Hauses zufolge wird dies etappenweise erfolgen: Zunächst wird Washington Anfang der 2030er-Jahre drei U-Boote der Virginia-Klasse an Australien verkaufen, wobei der Verkauf von zwei weiteren U-Booten möglich ist. In der nächsten Phase, die ein Jahrzehnt später abgeschlossen sein soll, wird Australien atomgetriebene U-Boote des Typs SSN-AUKUS einsetzen, die gemeinsam von Großbritannien und Australien gebaut werden und auf hochmoderner US-Technologie basieren. Doch dieser Deal mit einem Gesamtvolumen von 368 Milliarden US-Dollar geschieht inmitten unvorsichtiger Medienprognosen, wonach sich Australien innerhalb von drei Jahren im Krieg mit China befinden könnte.
Bei der Ankündigung des AUKUS-U-Boot-Geschäfts in den USA Mitte März betonte der australische Premierminister Anthony Albanese, dass es darauf abziele, den Nationen in der Region die Möglichkeit zu geben, „frei von Zwang in ihren souveränen Interessen zu handeln und die Sicherheit durch Investitionen in unsere Beziehungen in der gesamten Region zu fördern“.
Die Realität des U-Boot-Abkommens ist laut Kritikern des Deals jedoch nicht in diesem Sinne. Stattdessen, so befürchten sie, führt es Australien in ein halbes Jahrhundert der Aufrüstung und eingeschränkter Souveränität innerhalb einer von den USA geführten Allianz, die China eindämmen soll. Diese Befürchtung teilt China, dessen Außenministerium denn auch umgehend mit folgender Stellungnahme aufwartete:
„Die jüngste gemeinsame Erklärung der USA, Großbritanniens und Australiens zeigt, dass die drei Länder um ihrer eigenen geopolitischen Interessen willen die Bedenken der internationalen Gemeinschaft völlig außer Acht lassen und sich immer weiter auf den Pfad des Irrtums und der Gefahr begeben.”
(Neo-)Kolonialer Habitus
Ungewöhnlich scharf fiel die Kritik an dem AUKUS-U-Boot-Deal seitens des früheren australischen Premierministers Paul Keating (1991-96) aus. Australien, so Keating in einer engagierten Rede vor dem National Press Club of Australia Mitte März, habe in den letzten zehn Jahren wiederholt Fehlschläge bei dem Versuch erlitten, ein erfolgreiches U-Boot-Programm auf die Beine zu stellen. Es wäre ein Wunder, wenn dieses Programm reibungslos abliefe, ganz abgesehen von den wechselnden Regierungen in den drei Ländern und der Entwicklung der internationalen strategischen Lage.
Keating griff nicht nur das AUKUS-Abkommen an (wie schon bei seiner Ankündigung im Jahr 2021), sondern personalisierte seine diesmal ätzende Kritik, indem er namentlich Premierminister Anthony Albanese, Außenministerin Penny Wong und Verteidigungsminister Richard Marles ins Visier nahm und ihnen attestierte, „kein tiefes oder langfristiges Interesse an auswärtigen Angelegenheiten“ zu zeigen. Es sei keine Außenpolitik, so Keating, wenn man mit einem lei (Kopf-und Halsschmuck) auf den Pazifikinseln herumlaufe und Geld verteile, wie Frau Wong es tue. Mit Blick auf die Rolle des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten erklärte Keating bei der Gelegenheit:
„Die Komplizenschaft der Albanese-Regierung mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten beim Bau eines Atom-U-Boots für Australien im Rahmen der AUKUS-Vereinbarungen stellt die schlechteste internationale Entscheidung einer australischen Labor-Regierung dar, seit der ehemalige Labor-Führer Billy Hughes versuchte, die Wehrpflicht einzuführen, um die australischen Streitkräfte im Ersten Weltkrieg zu verstärken. (…)
Jedes Mitglied der Labor Party wird zusammenzucken, wenn es begreift, dass die Partei, für die wir alle kämpfen, zu unserem ehemaligen Kolonialherrn, Großbritannien, zurückkehrt, um unsere Sicherheit in Asien zu suchen – 236 Jahre, nachdem die Europäer den Kontinent zum ersten Mal seinen Ureinwohnern entrissen haben. (…)
Es ist kein schöner Anblick, das Land den außenpolitischen Neigungen eines anderen Landes – der Vereinigten Staaten – auszuliefern, während die dummen Briten auf ihrer verzweifelten Suche nach Relevanz hinterherhinken.“
Der Kritik Keatings hat sich mittlerweile auch Ex-Premierminister Malcolm Turnbull (2015-18) von der konservativen Liberal Party angeschlossen, wiewohl in gemäßigterem Tonfall.
„Der Pazifik ist unser Ozean“
Wie lauteten die Eingangspassagen der von US-Senator Albert J. Beveridge am 9. Januar 1900 vor dem amerikanischen Kongress gehaltenen Rede, die dem ersten Teil dieses Beitrags vorangestellt sind?
„Geradewegs hinter den Philippinen liegen Chinas schier unermesslichen Märkte. Wir werden unseren Teil in der Mission unserer von Gott geschützten Rasse bei der Zivilisierung der Erde beitragen. Wo werden wir die Abnehmer unserer Produkte finden? Die Philippinen geben uns einen Stützpunkt am Tor zum Osten.“
Beveridge endete seine Ausführungen mit den unvergesslichen Sentenzen:
„Sie (die Philippinen – RW) zu halten, wird kein Fehler sein. Der größte Teil unseres Handels muss in Zukunft mit Asien abgewickelt werden. Der Pazifik ist unser Ozean.“
Auch in diesem Zusammenhang stellt sich aufs Neue die dringliche Frage: Wer droht dort eigentlich wem? Der zu Beginn des vorletzten Jahrhunderts im US-Kongress unverhüllt reklamierte Besitzanspruch Washingtons auf den Pazifik wird heute in der Ära einer „werte- wie regelbasierten Zeitenwende“ entsprechend vornehmer und bei expliziter Ausklammerung des Völkerrechts artikuliert. Liest man aufmerksam den am 1. Juni 2019 vom Pentagon vorgelegten Bericht Indo-Pacific Strategy Report – Preparedness, Partnerships, and Promoting a Networked Region, lassen sich zahlreiche Passagen markieren, wie schwer es Washington fällt, den Pazifik nicht länger mehr als „Mare Nostrum“ zu betrachten. Dort heißt es beispielsweise auf Seite 2:
„Die Vereinigten Staaten sind eine pazifische Nation. Unsere Beziehungen zum indo-pazifischen Raum sind historisch gewachsen, und unsere Zukunft ist untrennbar mit ihm verbunden. Wir haben mit unserem Blut und unseren Schätzen dazu beigetragen, die Freiheiten, die Offenheit und die Chancen dieser Region zu erhalten. Unsere Präsenz sichert die lebenswichtigen Seewege des Indo-Pazifiks, die die Grundlage für den globalen Handel und Wohlstand bilden.“
Da die Bundesrepublik nach den Worten von Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck heute ausdrücklich „eine dienende Führungsrolle ausübt“ – wie er es anlässlich seines USA-Besuchs Anfang März 2022 wörtlich ausdrückte –, wird man sehen, wie und in welchem Umfang diese Rolle auch im Indo-Pazifik gewürdigt wird. Denn es gilt, in Erinnerung zu rufen, dass es um 1900 fast zu einer Seeschlacht zwischen dem teutonischen Michel und Uncle Sam in der Bucht von Manila gekommen wäre. Und immerhin befand sich der östlichste Außenposten des Deutschen Kaiserreiches im Westen Samoas. Und später existierte im Rahmen der Achsenmächte eine enge Partnerschaft zwischen Nazideutschland und dem militaristischen Japan, deren ursprünglichen Pläne eine Neuaufteilung der Welt nach ihrem Gusto vorsahen.
Links & weiterführende Literatur finden Sie in dem beigefügten PDF-Dokument.
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