„Geradewegs hinter den Philippinen liegen Chinas schier unermessliche Märkte. Wir werden unseren Teil in der Mission unserer von Gott geschützten Rasse bei der Zivilisierung der Erde beitragen. Wo werden wir die Abnehmer unserer Produkte finden? Die Philippinen geben uns einen Stützpunkt am Tor zum Osten.“ So lautete einer der Kernsätze aus dem Munde des aus dem US-Bundesstaat Indiana stammenden republikanischen Senators Albert Jeremiah Beveridge, den dieser in seiner Rede am 9. Januar 1900 vor dem US-Kongress sagte. Beveridge verkörperte den knallharten Apologeten einer imperialistischen Strategie, die in messianischem Wettstreit mit den europäischen Kolonialmächten nicht zu kurz kommen wollte. Die in dieser seinerzeit hitzig geführten inneramerikanischen Debatte unterlegenen Isolationisten zählten in ihren Reihen u. a. den Erfolgsautor Mark Twain, der mehrfach öffentlich davor gewarnt hatte, dass „der US-amerikanische Adler seine Krallen auf fremdes Territorium setzt“. Nicht nur ist dieser „Adler“ auch reichlich ein Jahrhundert später in der Region präsent. Seine „Krallen“ sind mittlerweile auf ein „fremdes Territorium“ gesetzt, das weitaus größer ist, als Beveridge es sich jemals erträumt hätte. Gemeinsam mit ihren Verbündeten und Vasallen verschärfen Washington und die NATO ihre Konfrontation mit der VR China – das nicht nur, um westliche Bündnisse zu stärken und Abhängigkeiten von Moskau und Beijing zu reduzieren. Ein Hintergrundbericht unseres Ost- und Südostasienexperten Rainer Werning, dessen abschließender zweiter Teil morgen erscheint.
Rege Pendeldiplomatie & verstärkte Militärmanöver
Seit der Jahreswende 2022/23 herrscht in den Regionen Ost- und Südostasien eine Pendeldiplomatie, wie es sie schon lange nicht mehr in dieser Häufigkeit und Intensität gab. Vieles deutet dabei darauf hin, dass sich nach dem Krieg in der Ukraine die internationale Aufmerksamkeit verschiebt und auf ebendiese Regionen fokussiert, wo sich Konfliktpotenziale im Gleichklang mit konfrontativen, vor allem gegen die VR China gerichteten Spitzen auffällig erhöhen. Begleitet wird all das von signifikant aufgestockten Rüstungsetats und martialischen Drohgebärden in Form von Militärmanövern, die es ebenfalls in diesem Umfang und in dieser Länge seit zig Jahren nicht mehr gegeben hat.
Philippinen – Amerikas „kleiner brauner Bruder“
Ely S. Ratner, stellvertretender US-Verteidigungsminister für indo-pazifische Sicherheitsfragen, erklärte im Dezember vergangenen Jahres vor einem Publikum des konservativen Think Tanks American Enterprise Institute, dass „das Jahr 2023 wahrscheinlich das umwälzendste Jahr für die US-Streitkräfte in der [indo-pazifischen] Region seit einer Generation sein wird“. Bereits einen Monat später begann dieser Wandel mit der Ankündigung, dass Japan das erste vorwärts verlegte Marine-Küstenregiment beherbergen wird, was Teil eines intensiven Modernisierungsprozesses der Allianz zwischen Washington und Tokio ist.
Vor allem das traditionell enge Bündnis zwischen den USA und den Philippinen befindet sich in einem historischen Modernisierungsprozess. Über Nacht haben Verteidigungsminister Lloyd Austin III. und sein philippinischer Kollege Carlito Galvez Jr. nach einem Treffen in Manila den nächsten Schritt in der regionalen Streitkräftelage der USA angekündigt. Demnach werden die US-Streitkräfte im Rahmen des 2014 geschlossenen Abkommens über erweiterte Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (EDCA) Zugang zu vier weiteren philippinischen Militärstützpunkten erhalten, womit nunmehr neun solcher Basen der philippinischen Streitkräfte (AFP) jederzeit auf Rotationsbasis von GIs genutzt werden können. Damit erhalten die US-Streitkräfte in Washingtons einziger und einstiger Kolonie (1898-1946) in Südostasien eine bedeutsame strategische Basis am südöstlichen Rand des Südchinesischen Meeres in der Nähe des selbstverwalteten Taiwan.
Anlässlich seines Manila-Besuchs erklärte Lloyd Austin am 2. Februar, die USA und die Philippinen seien weiterhin entschlossen, ihre gegenseitigen Kapazitäten zur Abwehr bewaffneter Angriffe zu stärken. Mit Blick auf die verstärkte Präsenz der VR China in den Gewässern nahe den Philippinen erklärte der Ex-General:
„Das ist nur ein Teil unserer Bemühungen, unser Bündnis zu modernisieren. Und diese Bemühungen sind besonders wichtig, da die Volksrepublik China ihre illegitimen Ansprüche im Westphilippinischen Meer weiter vorantreibt.“
Bereits am 29. Juni 2022 hatten die sogenannten Rim of the Pacific (Rimpac)-Kriegsübungen 2022 begonnen, die am 4. August endeten und zwischenzeitlich von der Kontroverse überschattet worden waren, die der bewusst auf Provokation angelegte Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan auslöste. Die Philippinen nahmen an diesen Kriegsübungen teil, indem sie eine Fregatte, die BRP Antonio Luna, entsandten, die sich den 38 Schiffen, vier U-Booten, mehr als 170 Flugzeugen und 25.000 Personen aus insgesamt 26 teilnehmenden Ländern anschloss, von denen acht Mitglieder der NATO sind.
Angesichts der aktuellen strategischen Doktrin der USA, der zufolge die VR China als die Hauptbedrohung ihrer globalen Vorherrschaft gilt, bedeutete allein diese gewaltige maritime Demonstration der Stärke unter US-Führung eine militärische Provokation gegenüber China. Die NATO, die in einem Strategiepapier China ihrerseits als „systemische Bedrohung“ bezeichnet, zeigt mittlerweile auch verstärkt Flagge im Indopazifik, wie Rimpac 2022 es deutlich unter Beweis stellte. Ihre europäischen Mitglieder sind regelmäßig im Südchinesischen Meer präsent und berufen sich auf die „Freiheit der Schifffahrt“. Die NATO hat sich zu einem Militärbündnis mit globalem interventionistischen Zuschnitt entwickelt, was allein in Jugoslawien, Syrien und Libyen demonstriert wurde.
Aus Sicht der USA waren und bleiben die Philippinen ein geostrategisches Schlachtfeld, wie es erst jüngst wieder der philippinische Politikwissenschaftler und Militärexperte Prof. Roland G. Simbulan in einem Interview mit diesem Autor konstatierte:
„Die imperialen Interessen der USA, die das Südchinesische Meer lange Zeit als Teil des ‚Amerikanischen Meeres‘ dominiert haben, sind nun durch die Herausforderung der defensiven Seemacht China in der Region bedroht, da die VR China ihre eigenen Ost- und Südküsten sowie die Seewege für den Handel schützt. Für die USA ist China zum Haupthindernis für ihre globale Vorherrschaft geworden, ungeachtet der Angriffe Russlands in der Ukraine.“
Während der sechsjährigen Amtszeit (2016-22) von Rodrigo R. Duterte, dem Vorgänger des seit Sommer letzten Jahres in Manila regierenden Präsidenten Ferdinand Marcos Jr., hatte es zeitweilig den Anschein, als schickte sich das südostasiatische Land an, eine Kehrtwende in seiner traditionell pro-US-amerikanischen Außenpolitik zu vollziehen. Anlässlich seines ersten Staatsbesuchs in der VR China im Herbst 2016 hatte Duterte den Amerikanern mit der Aufkündigung bilateraler Militärmanöver und der Revision bestehender Militärabkommen gedroht. Duterte ging gar so weit, von einer neuen „Achse Manila-Beijing-Moskau“ zu schwadronieren. Wie so vieles während der Amtszeit dieses Präsidenten entpuppte sich auch dieses Statement als Schall und Rauch. Es zielte eher darauf ab, die linken Kräfte im Lande einzuhegen. Dermaßen stark sind die Kommandohöhen der philippinischen Nationalpolizei (PNP) sowie der Streitkräfte des Archipels (AFP) mit Kadern besetzt, deren Weltbild zutiefst pro-amerikanisch ausgerichtet ist, dass eine ernsthafte Neuorientierung auf absehbare Zeit keinerlei reale Erfolgschancen hätte. Kein Wunder, dass sich Duterte gegen Ende seiner Amtszeit ebenso samtpfotig wie reumütig wieder unter die Fittiche von Uncle Sam begab.
SEATO & „Balikatan“
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass immerhin auch einmal ein pazifisches Pendant zur NATO in der Region existierte – der am 8. September 1954 in Manila aus der Taufe gehobene Südostasienpakt (SEATO), alternativ auch als „Manila-Pakt“ bekannt. Einzig Thailand und die Philippinen traten diesem Bündnis als südostasiatische Mitgliedstaaten bei, während Südvietnam, Laos und Kambodscha zwar unter dessen Schutz standen, ohne freilich selbst Mitglieder der SEATO zu sein. Diese US-geführte, dezidiert antikommunistische Allianz unterstützte vor allem Washingtons Aggression gegen die drei letztgenannten Länder und verstand den Pakt auch als Cordon sanitaire gegen die Sowjetunion und die VR China. Nach dem Debakel der USA in Vietnam und dem Ende des „Amerikanischen Krieges“, wie er in Vietnam selbst genannt wurde, war die SEATO überflüssig und am 30. Juni 1977 unzeremoniell aufgelöst worden.
Annähernd ein halbes Jahrhundert später ist nicht Vietnam ein erklärter Feind der USA; im Frühjahr 2023 sollen die bis dato größten gemeinsamen philippinisch-amerikanischen Militärmanöver unter der Bezeichnung „Balikatan“ („Schulter an Schulter“) knapp drei Wochen lang (vom 11. bis zum 28. April) im Norden der Hauptinsel Luzon, auf der Insel Palawan sowie in der Region um Antique im Zentrum des Archipels stattfinden. Der Sprecher von Balikatan, Oberst Michael Logico, kündigte an, dass sich an diesen Manövern mehr als 17.000 Soldaten beteiligen werden – 12.000 US-Militärs, 5.000 Soldaten der AFP sowie über 100 australische Verteidigungskräfte. Neben Landübungen, zu denen mehrere Handfeuerwaffen- und Manöverübungen (LFX), Dschungeltraining sowie Artillerie- und Mörser-LFX-Aktivitäten gehören, werden die Truppen auch Cyberverteidigungsübungen und Live-Feuerübungen auf See durchführen.
Außerdem ist vorgesehen, dass es im Rahmen der diesjährigen Balikatan-Manöver auch zum ersten Live-Abschuss von US-Patriot-Raketen als Teil einer Übung zur Küstenverteidigung kommt – und zwar in einer Region um Panatag Shoal, einem Fischereigebiet, das die VR China von den Philippinen beschlagnahmt hat und seit 2012 kontrolliert. Im vergangenen Jahr hatten die USA das Patriot-System bereits bei einer Balikatan-Mobilisierungsübung eingesetzt, aber keine Rakete abgefeuert. Im laufenden Krieg Russlands gegen die Ukraine haben die USA dieses Waffensystem den Ukrainern zur Verfügung gestellt, um damit russische Raketen- und Drohnenangriffe abzuwehren.
Der Konteradmiral a.D. Rommel Jude Ong, Ex-Vizekommandant der philippinischen Marine und heute geschäftsführender Direktor der Denkfabrik Security Reform Initiative, äußerte sich im Vorfeld der diesjährigen Balikatan-Großmanöver gegenüber philippinischen Pressevertretern wie folgt:
„Balikatan 2023 scheint darauf ausgelegt zu sein, operative Konzepte zu testen, um die strategische Abschreckungsposition (der AFP) in der Westphilippinischen See zu stärken. Die Entsendung von 12.000 amerikanischen Soldaten ist offensichtlich eine logistische Übung, um festzustellen, wie schnell eine dermaßen große Anzahl von Truppen und Ausrüstung auf einem (Kriegs-)Schauplatz eingesetzt werden kann.“
Die Übung zur Versenkung von Schiffen, so Ong weiter, ziele darauf ab, die Seeabwehrstrategie der philippinischen Marine zu testen. Der Einsatz von Patriot-Raketen würde es den AFP ermöglichen, „die Notwendigkeit eines Luftabwehrsystems zu verstehen, das unser Land und unsere kritische Infrastruktur vor konventionellen ballistischen Bedrohungen zu schützen vermöchte“.
Zwischenzeitlich hat in den USA eine neu gebildete Einheit des United States Marine Corps (USMC), das Third Marine Littoral Regiment (TMLR), eine zehntägige Scheinschlacht in Südkalifornien abgeschlossen, bei der eine Reihe von Schein-Militärbasen eine nicht benannte „pazifische Inselkette“ darstellen sollten. Das TMLR wurde gebildet, um auf Inseln und entlang Küstenregionen zum Einsatz zu kommen. Es besteht aus drei Teilstreitkräften: einem Infanteriebataillon mit rund 800 Marinesoldaten, einem Flugabwehrbataillon, das neue Waffen und Taktiken testet, sowie einem Logistikbataillon. In den nächsten zwei Jahren wird es bis zu fünfmal mehr Kriegsübungen durchführen als die meisten Infanterieregimenter. Und ihr „nächster großer Test“ soll laut Berichten der New York Times im April just in den Philippinen stattfinden.
General David H. Berger, Oberbefehlshaber des USMC, rechtfertigt solche Übungen mit Blick auf einen möglichen künftigen bewaffneten Konflikt mit China im Pazifik. Die Marine der Volksrepublik, so Berger, operiere nach dem Vorbild der US-Marine in Angriffsgruppen, wobei Zerstörer und andere Kriegsschiffe einen Flugzeugträger eskortieren. Berger sprach in diesem Zusammenhang auch über neue Bedingungen und Gefahren auf dem Schlachtfeld, die in einem künftigen Krieg aufgrund hochmoderner Spionagesatelliten zu erwarten seien. Berger und andere US-Militärstrategen gehen laut der New York Times davon aus, dass jede Schlacht mit der VR China in jenem Gebiet stattfinden könnte, welches das Pentagon als „erste Inselkette“ bezeichnet. Dazu gehören Okinawa und Taiwan bis hinunter nach Malaysia, die Spratlys und die Paracels, wobei es sich bei den beiden Letztgenannten um umstrittenes Terrain im Südchinesischen Meer handelt, das die Philippinen ihrerseits als Westphilippinisches Meer bezeichnen. Die „zweite Inselkette“ umfasst die Philippinen und reicht von Japan über Guam bis südlich von Palau. Höchstwahrscheinlich würde das TMLR im Falle eines Einsatzes im Westpazifik seine leistungsfähigsten Drohnen einsetzen – in diesem Fall MQ-9 Reaper-Drohnen des US-amerikanischen Herstellers General Atomics, die vorrangig der Luftnahunterstützung dienen. Das heißt, MQ-9 Reaper können Bomben abwerfen und Raketen abfeuern, während sie gleichzeitig nachrichtendienstliche Informationen zurücksenden, wie all dies bereits im Afghanistankrieg vorexerziert wurde.
Im Vorfeld der im April auf den Philippinen stattfindenden Großmanöver kündigte das USMC-Kommando die Stationierung weiterer US-Marineeinheiten auf japanischem Boden an, die als Kernelement einer neuen trilateralen Gruppierung – bestehend aus Militärkontingenten der USA, der Philippinen und Japans (JAPHUS) – konzipiert sind, um eine etwaige chinesische Invasion in Taiwan abzuwehren. Last, but not least eröffnete das USMC einen neuen Stützpunkt auf Guam, einer strategisch überaus bedeutsamen US-Insel östlich der Philippinen. Der dort als Camp Blaz bekannte Standort ist die erste neue Marinebasis seit 70 Jahren und soll eines Tages 5.000 Marines beherbergen.
Von Reportern gefragt, ob all diese Entwicklungen nicht die politische Führung in Beijing zutiefst verärgern und auf den Plan rufen, antwortete der Balikatan-Sprecher Oberst Logico:
„Wir haben das absolute, unveräußerliche Recht, unser Territorium zu verteidigen. Wir sind hier, um zu zeigen, dass wir kampfbereit sind.“
Erwartungsgemäß folgte denn auch prompt eine Stellungnahme aus Beijing, in der die stellvertretende Direktorin der Informationsabteilung des chinesischen Außenministeriums und Sprecherin des Außenamtes, Mao Ning, vor einer Verschärfung der Spannungen in der Region warnte:
„Die Philippinen, die den USA Zugang zu vier weiteren Verteidigungsanlagen auf ihrem Territorium gewähren, haben die Spannungen in der Region verschärft und gefährden den Frieden und die Stabilität in der Region. Aus Eigennutz hält die US-Seite am Kalten Krieg fest. Die Länder der Region sollten in dieser Hinsicht wachsam bleiben und vermeiden, von den USA benutzt zu werden.“
Sehenden Auges vollzieht also die seit knapp einem Jahr amtierende Regierung von Marcos Junior eine Kehrtwende hin zu einer betont US-hörigen Außenpolitik, die den Inselstaat erneut zu einem unsinkbaren Flugzeugträger Washingtons macht – und gleichzeitig die Rolle der Filipinos als „little brown brothers“ unterstreicht, als die William Howard Taft, der erste US-amerikanische Generalgouverneur der Philippinen (1901-1904) und später der 27. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, die Bevölkerung der einzigen und einstigen Kolonie Washingtons in Südostasien bezeichnet hatte. Als Washington noch bis zu Beginn der 1990er-Jahre in den Philippinen mit dem Clark Air Field und der Subic Naval Base seine damals größten außerhalb des nordamerikanischen Kontinents befindlichen Militärbasen unterhielt, erschallte lautstark der Ruf ihrer Kritiker: „Die Basen sind ein Dolch im Rücken der Filipinos!“
Reichlich drei Dekaden später regt sich erneut Kritik, die sich nicht nur gegen manöverbedingte Flurschäden und Vertreibungen richtet, sondern auch die Gefahr beschwört, aufgrund Manilas Politik unweigerlich ins Visier möglicher chinesischer Vergeltungsschläge zu geraten, wenn von philippinischem Boden aus provokative Akte gegen China erfolgen. Linke Bündnisorganisationen, Parteien sowie die fortschrittliche League of Filipino Students (LFS) zeigen sich jedenfalls zutiefst besorgt darüber, dass die Kriegsübungen zu einer Kettenreaktion führen und die Philippinen zwischen die USA und China manövrieren:
„Der Wirtschaftsriese (China) wird gezwungen sein, drastische Maßnahmen zu ergreifen, um seine Einflusssphäre in der asiatisch-pazifischen Region aufrechtzuerhalten, was sich ironischerweise in einem stärkeren Einfluss auf die Westphilippinische See niederschlagen wird.“
Die Fischerleuteorganisation Pamalakaya warnt außerdem vor Vertreibungen der lokalen Fischer in jenen Gebieten, in denen die Balikatan-Manöver abgehalten werden. Die Provinzregierung von Ilocos Norte (im hohen Norden der Philippinen) hat bereits die Order erteilt, dass in 21 Dörfern und zwei Städten „die betroffenen Fischer umzusiedeln sind, um Platz für den Verkehr zu schaffen“, da vom 10. März bis zum 28. April luftbewegliche Operationen und logistische Übungen durchgeführt würden. Sprecher von Pamalakaya zeigten sich erbost und konterten: „Wir fordern die US-Truppen auf, die philippinischen Fischer in Ruhe zu lassen und ihre kriegstreibende Machtprojektion woanders durchzuführen.“
Südkorea – antikommunistischer „Frontstaat“ mit Sonderstatus
Ende Juli dieses Jahres jährt sich zum 70. Mal die Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens von Panmunjom, wodurch der dreijährige Koreakrieg (1950-53), der erste „heiße“ Konflikt im Kalten Krieg, beendet wurde. Unterzeichnet wurde dieses Abkommen bezeichnenderweise nicht vom damaligen südkoreanischen Präsidenten Rhee Syngman. Dieser wollte den Krieg bis zum Sieg fortführen und fand sich mit den neuen Gegebenheiten erst ab, als die US-amerikanische Seite ihm umfassende Wirtschafts-, Finanz- und Militärhilfe zusagte. Nolens volens geriet auf diese Weise die am 15. August 1948 ausgerufene Republik Korea (Südkorea) zum antikommunistischen „Frontstaat“ par excellence – mit weitreichenden Konsequenzen, die bis in die unmittelbare Gegenwart hineinwirken. Bis heute nämlich steht noch immer eine friedensvertragliche Regelung auf der koreanischen Halbinsel aus.
Rhee Syngman, von den USA nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges als Statthalter der United States Army Military Government in Korea (USAMGIK) eingesetzt, die südlich des 38. Breitengrads das Sagen hatte, tat alles, diesen Teil der Halbinsel stramm antikommunistisch auszurichten und in einen Prellbock gegen den Norden wie auch gegen die VR China und die Sowjetunion zu verwandeln. Nördlich des 38. Breitengrads, der zunächst als künstlich festgelegte Trennlinie zwischen Nord und Süd seitens der Siegermächte USA und Sowjetunion galt, führte Letztere das Zepter. Dort verlief ihre Einmischung in koreanische Angelegenheiten ungleich geringer als die der Amerikaner im Süden. Im Norden wurden umfangreiche Reformen (vor allem im Agrarbereich) durchgeführt und die vormals pro-japanischen Elemente und Kollaborateure des japanischen Kaiserreiches (dessen Kolonie Korea von 1910 bis 1945 war) aus allen führenden Positionen in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Kultur entfernt. Im Gegensatz zu dem aus dem Exil eingeflogenen Rhee Syngman verkörperte Kim Il-Sung als ausgewiesener antijapanischer Partisanenkämpfer im Norden eine volksverbundene, charismatische Führungspersönlichkeit mit ungleich größerer Legitimation als sein südlicher Gegenspieler Rhee.
Mit den jeweiligen Staatsgründungen – am 15. August 1948 übergab die USAMGIK die Regierungsgeschäfte an die neu konstituierte ROK-Regierung, während Kim Il-Sung nachzog und am 9. September 1948 in Pjöngjang die Geburt der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK – Nordkorea) verkündete – hatten sich die sozialpolitischen Konflikte auf der Halbinsel dermaßen verschärft, dass bewaffnete Auseinandersetzungen immer wahrscheinlicher wurden. Was ursprünglich als Klassenkampf begann, wuchs sich sukzessiv zum Bürgerkrieg aus und entfaltete eine ungeahnte Eskalationsdynamik durch die Internationalisierung des Krieges als Koreakrieg.
Von 1950 bis 1953 stellten 22 Länder entweder Kampftruppen oder medizinische Einheiten zur Unterstützung Südkoreas unter der Flagge der Vereinten Nationen, wiewohl unter US-Oberkommando, bereit. Auf Seiten Nordkoreas kämpften Freiwilligenverbände der chinesischen Volksarmee sowie eine nicht genau bekannte Zahl sowjetischer Piloten. Während ausländische Truppen die DVRK nach dem Krieg verließen, verblieben UN-Verbände und US-Truppen (aktuell 28.500 Mann) bis heute ununterbrochen in Südkorea – ein Anachronismus ohnegleichen! Und es ist ein US-amerikanischer Viersternegeneral (seit dem 2. Juli 2021 General Paul J. LaCamera), der als unzeitgemäßer Prokonsul im gut 60 Kilometer südlich der südkoreanischen Metropole Seoul gelegenen Hauptquartier Camp Humphreys residiert, der zurzeit weltweit größten US-Militärbasis außerhalb des nordamerikanischen Kontinents.
General LaCamera ist in Personalunion Oberkommandierender der United States Forces Korea (USFK), des Kommandos der Vereinten Nationen (United Nations Command – UNC) sowie des ROK/U.S. Combined Forces Command (CFC). Im Kriegsfall sind die südkoreanischen Streitkräfte seinem Befehl untergeordnet – eine „Pikanterie“, weil dadurch nicht genau zu bestimmen ist, wo südkoreanische Innenpolitik endet und faustfeste US-amerikanische Außen- und „Sicherheits“politik beginnt! Assistiert wird General LaCamera von seinem südkoreanischen Stellvertreter und Kollegen, dem seit dem 27. Mai 2022 seines Amtes obwaltenden General Ahn Byung-Seok.
Links & weiterführende Literatur finden Sie in dem beigefügten PDF-Dokument.
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