Während in Großbritannien viele Menschen, es sind seine Untertanen, unter der Politik, dem Nichtstun, der Arroganz der Macht seitens der Regierung und seiner selbst leiden, kurvt der britische König im Ausland herum. Charles weilt gerade in Berlin. Wir Deutschen, gerade in unserem Alltag ebenfalls nicht sehr verwöhnt, freuen uns über den royalen Besuch und die mediale Begleitung, weil schöne TV-Bilder via Liveübertragung in unsere Wohnzimmer immer gern gesehen sind und uns etwas von unseren Sorgen ablenken. Reden wird König Charles auch, sogar im deutschen Parlament. Die wichtigste Frage bei diesem Auftritt war aber nicht die der Inhalte, sondern, ob er auf Deutsch oder Englisch sprechen wird. Wäre ja schon Klasse, wenn er, der der deutschen Sprache mächtig ist, uns Bundesbürger mit einer Kostprobe erfreut. Das wurde im Boulevard mit heißem Herzen gehofft und König Charles erfüllte uns diesen Wunsch. Und sonst? Derweil geht Großbritannien weiter in die Knie. Was kümmert das den Monarchen, was den regierenden Premier Sunak? Und was kümmert das uns, die Fans des Königshauses? Nichts. Hauptsache die Bilder stimmen, die Haare liegen schön und ein paar eloquente Charles-Worte auf „tschörmän“ erfreuen die Ohren. Ein Kommentar von Frank Blenz.
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Schweigen über Wichtiges
Eins war gewiss – der englische König Charles hat im Bundestag (als erster König vor unserem Parlament) d a r ü b e r nicht gesprochen: dass in Großbritannien die Preise für das tägliche Leben steigen und steigen, dass das Dach über dem Kopf für mehr und mehr Briten zum Luxus wird, dass Armut, Obdachlosigkeit, Gewalt wachsen, dass die Lebensmittelmärkte leerer und leerer werden, dass die Wirtschaft, die Landwirtschaft leidet, dass die Polizeigewalt nun amtlich bestätigt wurde und sich doch nix ändert. Charles wird nicht darüber sprechen, dass das mit dem Brexit ein Irrtum ist, dass die britische Außenpolitik besoffen vor Machthunger wie dereinst das Empire geradezu kolonial und aggressiv agiert, dass im Königreich, einem Land der Demokratie und Würde und westlichen Werte, ein Mensch namens Julian Assange seit Jahren in London in Einzelhaft sitzt, als wäre er ein verurteilter Schwerverbrecher. Charles wohnt um die Ecke, er ist der König, Charles hat Macht, eigentlich, er könnte viel dazu beitragen, obige Aufzählungen Geschichte sein zu lassen. Doch sind von ihm keine Worte in diese Richtung zu erwarten. Charles erzeugt lieber Wohlfühlatmosphäre und Sprechblasen, charmant und souverän. Charles parliert als Protagonist einer royalen Show in Berlin. Und unseren Bundespräsidenten freut das auch, ist auf den zahlreichen Bildern zu sehen. Das macht schon was her, so ein Treffen im Schloss Bellevue. Für das Volk gibt es aus dem Bundespräsidialamt noch eine feine, trockene und leere Meldung:
Deutschland und Großbritannien sind seit Langem enge Partner, doch gilt der Besuch des Königs als Neuanfang. Vor genau sechs Jahren leitete die britische Regierung am 29. März 2017 den EU-Austritt offiziell ein, am 31. Januar 2020 wurde der Brexit vollzogen. Nun lasse man die „Wirren der Trennung“ hinter sich und schaue gemeinsam nach vorn.
Sunaks Asozialität ist auch die des Königs
Auf dem Sofa sitzend fragt man sich, wenn man kein Fan des schönen Königsmärchens ist: Neuanfang? Nach vorne schauen? Das reale Leben kommt in Charles’ und Steinmeiers Reden nicht vor. Nach vorn Schauen sieht in GB so aus: Premierminister Rishi Sunak läuft in London mit neuen Plänen gegen „antisoziales Verhalten“ zu Hochform auf. Ziel ist, härter gegen Menschen vorzugehen, die in der Öffentlichkeit um Geld betteln oder mit Nachtlagern die Eingänge von Geschäften blockieren. In Meldungen ist zu lesen, dass „Polizisten und Sozialarbeiter schneller Mittel an die Hand bekommen, um Menschen, die als „Belästigung auf der Straße“ eingestuft werden, an Gesundheits- und Sozialdienste zu verweisen. Kriminelle sollen ins Visier genommen werden, die „Bettlergangs“ organisierten“. Sunak geht noch weiter, melden Agenturen, Strafen für Graffiti, Vandalismus oder illegales Müllabladen sollen deutlich erhöht werden.
König Charles hat auch nicht darüber gesprochen, obwohl ihm folgende Sanktionsmethode innerhalb des Planes gegen antisoziales Verhalten gut gefallen dürfte. Premier Sunak plant ein „an den Pranger Stellen“ von Menschen. „Erwischte Übeltäter“ sollen den entstandenen Schaden innerhalb von 48 Stunden selbst wiedergutmachen und dabei sichtbare Warnwesten tragen, heißt es. Antisoziales Verhalten unterminiere das Recht der Menschen, sich an ihrem Wohnort sicher zu fühlen, sagte Sunak. Charles wird sich dabei vielleicht ziemlich gut an solche „konservativen, royalen Werte“ erinnern, die einst im Mittelalter angesagt waren.
ZDF schwärmt vom Vier-Gänge-Menü
Währenddessen berichten unsere Medien allumfassend und dank spezieller Königshausexperten vom Besuch des Kings und auch darüber, welche Speisefolge im Schloss Bellevue aufgetafelt wurde. Das ZDF wusste es ganz genau:
Gebeizter Karpfen, Weidehuhn und Backpflaume beim Staatsbankett
Lange wurde das Vier-Gänge-Menü beim Staatsbankett gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Am Abend wurde die Speisenfolge dann doch bekannt. Den rund 130 Gästen wird zunächst gebeizter Karpfen und Erfurter Brunnenkresse serviert, dann Kraftbrühe vom Heckrind, Weidehuhn und Baumpilz sowie zum Abschluss Backpflaume, ostfriesischer Schwarztee und Sandgebäck.
Die Weinbegleitung bestand aus einer Riesling-Spätlese aus dem Rheingau, einem Spätburgunder aus Rheinhessen und einem Likörwein von der Ahr. Natürlich gab es bei den Getränken auch eine alkoholfreie und beim Essen eine vegetarische Alternative.
Rationierungen in Charles’ Königreich
In England wird derweil rationiert. So vermelden Medien, dass pro Kunde jeweils nur noch zwei Packungen mit Tomaten, Gurken, Salat und Paprika über das Band in den Morrisons-Filialen laufen sollen. Beim Einzelhändler Asda wird die Rationierung noch auf Brokkoli, Blumenkohl und Himbeeren ausgeweitet. Nach Angaben der britischen Tageszeitung The Guardian können Asda-Kunden von den betroffenen Produktlinien nur noch drei Artikel kaufen. Großbritanniens Produktion von Salat, Gurken und Tomaten erreichte den niedrigsten Stand seit 1985 – dem ersten Jahr der Aufzeichnungen. Die britischen Gewächshäuser kämpfen mit den gestiegenen Heizkosten. Um diese bewältigen zu können, hätten die Betreiber vieler Gewächshäuser die Salatproduktion heruntergefahren. Bei Feldfrüchten wie Karotten, Pastinaken, Blumenkohl und Kohl seien in Großbritannien außerdem Frostschäden aufgetreten.
Könige und Präsidenten in Schlössern retten die Welt – nicht
König Charles und seine deutschen Gastgeber liefern einen prima PR-Job „Schöne heile Welt“ ab. Sie liefern den Beweis, dass sie Wahrnehmungsstörungen haben und eben in ihrer heilen Welt leben, ein Teil davon fand sich für den Briten im Schloss Bellevue, wo er das Wort bei einem Bankett ergriff und das Verhältnis zwischen Großbritannien und Deutschland betonte. Charles erklärte: „Unsere Beziehungen werden noch stärker werden, davon bin ich fest überzeugt, wenn wir gemeinsam auf eine nachhaltigere Zukunft in Wohlstand und Sicherheit hinarbeiten“. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nutzte die Gelegenheit, um das Verhältnis hervorzuheben. Steinmeier: „Was auch immer vor uns liegt, ich weiß: Unsere deutsch-britische Freundschaft bleibt wichtig, und sie bleibt stark.“ Schöner kann kein Straßenkünstler aus Seife und Wasser Blasen bilden. Was auch immer uns die zwei Herren sagen wollten, man kommt zum Schluss: Könige und Präsidenten in Schlössern retten die Welt – nicht.